Aufsätze

Anforderungen an nachhaltige Vergütungssysteme - eine empirische Analyse

Die derzeit gängige Vergütungspraxis im Finanzsektor ist stark an kurzfristigen Kriterien ausgerichtet. So werden kurzfristige Erfolge belohnt, wohingegen Misserfolge nicht ausreichend sanktioniert werden. Eine solche Vergütungspolitik kann nach Meinung der Bundesregierung sowie von angehörten Sachverständigen dazu verleiten, den langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserfolg aus dem Blick zu verlieren, und somit einem angemessenen Risikomanagement zuwiderlaufen. Wie die vergangene Finanzmarktkrise gezeigt hat, können die durch eine verfehlte Vergütungspolitik gesetzten Fehlanreize Risiken nicht nur für die Stabilität einzelner Banken oder Versicherungsunternehmen, sondern auch für die gesamte Finanzstabilität ganzer Volkswirtschaften begründen.

Prinzipien für solide Vergütungspraktiken

Um diesen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken und die Gefahr zukünftiger Finanzkrisen zu minimieren, hat der Rat für Finanzstabilität (Financial Stability Board - FSB) schon vor gut zwei Jahren Prinzipien für solide Vergütungspraktiken (Principles for Sound Compensation Practices vom 2. April 2009) und darauf aufbauende konkrete Standards für solide Vergütungspraktiken (Principles for Sound Compensation Practices - Implementation Standards vom 25. September 2009) in der Finanzbranche entwickelt, die von der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) gebilligt wurden. Die in den Prinzipien und Standards aufgestellten Anforderungen zielen insbesondere darauf, die Vergütungsstrukturen stärker auf den längerfristigen Erfolg des Unternehmens auszurichten und die eingegangenen Risiken auch in der Entlohnung angemessen zu berücksichtigen.

Mit dem Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunternehmen werden die Anforderungen an Vergütungssysteme von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten sowie Versicherungsunternehmen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Dies ist insbesondere mit Blick auf die Durchsetzbarkeit dieser Anforderungen erforderlich, da die Finanzaufsicht über die notwendigen Eingriffsrechte verfügen muss. Gemäß der neu eingefügten Nr. 4 im § 25a Abs. 1 S. 3 KWG umfasst das für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation erforderliche Risikomanagement zusätzlich angemessene und transparente Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter, die auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtet sind. Dabei soll das Vergütungssystem sowohl die inhaltliche als auch die organisatorische Ausgestaltung aller vom Unternehmen zu erbringenden monetären oder monetär bewertbaren Leistungen für die Arbeit von Geschäftsleitern und Mitarbeitern umfassen.

Am 6. Oktober 2010 wurde die neue Insti-tuts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV) beschlossen. Damit sind die Anforderungen der Europäischen Kommission und die des FSB im deutschen Gesetz verankert.

Im Folgenden soll durch die Auswertung empirischer Studien analysiert werden, welche Anforderungen an ein nachhaltiges Vergütungssystem zu stellen sind.

Falsche Anreizmechanismen

Moderne Gehaltsverträge von Managern bei Banken und Versicherungen sind in der Regel mit variablen erfolgsabhängigen Vergütungen zusätzlich zu fixen Zahlungen ausgestattet. Die erfolgsabhängige Vergütung unterscheidet einerseits eigenkapitalbasierte Bonuszahlungen (Aktien oder Aktienoptionen) und andererseits übliche Gehaltsprämien. Damit soll die Motivation und der Anreiz für eine verbesserte Arbeitsleistung geschaffen werden. Die Erfahrung aus der Finanzkrise deckt jedoch Mängel dieser Vergütungssysteme auf, welche unerwünschte Anreizmechanismen nach sich ziehen.

Die offensichtlich falsch gesetzten Anreizmechanismen führen dazu, dass Manager einen Antrieb haben, kurzfristig hohe Risiken einzugehen, da sie im Misserfolgsfall nicht oder nur beschränkt haftbar gemacht werden, während sie im Erfolgsfall hohe Boni einstreichen können. Bebchuk (2010) begründet die Bereitschaft, hohe Risiken einzugehen, damit, dass Manager sich vor allem an der Performance des Eigenkapitals beziehungsweise der Aktionäre orientieren.1) Die gängige Vergütungspraxis stattet Manager mit Aktien beziehungsweise Aktienoptionen aus und verleitet sie zu opportunistischem Verhalten, wie zum Beispiel kurzfristig die Aktienkurse zu beeinflussen.

Widerspruch in der Praxis

Beispiele für Folgen der Finanzkrise zeigen die Übernahme von Bear Stearns und die Insolvenz von Lehman Brothers. Bebchuk (2010) untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Niedergang der beiden Institute und den Vergütungsmechanismen der Spitzenmanager und kommt zu dem Schluss, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen Vergütungspraxis und Ertragslage der Banken gibt. In den Jahren zwischen 2000 bis 2008 erhielten die fünf Top Manager von Bear Stearns und Lehman Brothers durchschnittliche Gehälter von über 200 Millionen Dollar pro Person, die zum größten Teil in Form von Aktien (zirka 80 Prozent) zugewiesen wurden.2)

Der Systemfehler spiegelt sich eindrucksvoll im Kursverlauf der Aktie wider: Während die Spitzenmanager von Lehman ihre Aktien alle rechtzeitig veräußerten (Anfang 2006 erreichte die Aktie einen Höchststand von über 300 Dollar) und sich ihrer Haftung für den Misserfolg dadurch entzogen, fristet die Aktie seit der Insolvenz der Bank im September 2008 ein Penny-Stock-Dasein.

Dieses Beispiel demonstriert den Widerspruch der aktuellen erfolgsabhängigen Vergütungspraxis, die sich offensichtlich nicht an dem langfristigen und nachhaltigen Erfolg des Unternehmens ausrichtet, sondern vor allem auf kurzfristige Kursgewinne abzielt. Das Grundprinzip der Haftung, das für jede marktwirtschaftliche Ordnung Voraussetzung ist, hat Eucken bereits Anfang der fünfziger Jahre formuliert: "Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen."3) Allgemein führt die Haftungsbeschränkung zu einer Moral-Hazard-Problematik. Während es rational erscheint, überproportional hohe Risiken einzugehen, die hohe Gewinne versprechen, kann man im Misserfolgsfall damit rechnen, dass die Schäden von anderen getragen werden. Eben dieser Grundsatz der Haftung scheint auch bei der Vergütung der Managergehälter ausgehebelt worden zu sein und gibt Grund, die gängigen Vergütungssysteme sowie deren Anreizmechanismen bei den Managern zu überprüfen.

Ein erster Ansatz, individuell rationales Verhalten auch gesellschaftlich profitabel zu gestalten, sind variable Vergütungssysteme. Wie eingangs geschildert, sind Vergütungsstrukturen oft so ausgerichtet, dass sie sich an kurzfristigen Erfolgen bemessen und unter dem Grundsatz der beschränkten Haftung Anreize schaffen, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen. Ziel muss es sein, die Anreize so zu setzten, dass ein Spitzenmanager selbst in die Position gebracht wird, auf nachhaltig erfolgreiche Unternehmenspolitik zu setzten. Bisher wurde der Manager für das erfolgreiche Eingehen enormer Risiken mit hohen Boni belohnt, während er im Misserfolgsfall, bei beschränkter Haftung, keine negativen Konsequenzen fürchten musste. Stattdessen wurde er entlassen und erhielt dafür großzügige Abfindungen.

Die optimale Lösung aus gesellschaftlicher Sicht wäre eine nachträgliche Bonitätsvergütung am Lebensende. Dann ist der vom Manager nachhaltig erzielte Erfolg am besten zu messen und kann dementsprechend honoriert werden. Praktikabel dürfte dieser Ansatz jedoch kaum sein, da der Manager auf regelmäßige Zahlungen für seinen Lebensunterhalt angewiesen ist. Eine für beide Seiten vernünftige und akzeptable Lösung könnte in einer zeitlichen Staffelung der Auszahlungen bestehen, die sich an nachhaltigen Performance-Kriterien orientieren sollten.4)

Grundsätzlich sollte der Vorstand beziehungsweise der Aufsichtsrat mit den Managern unabhängig über die Geschäftsinteressen verhandeln und ein unabhängiges Gremium für die Vergütung etablieren. "Financial institutions should have a board remuneration committee [...] [that] should be constructed in a way that enables it to exercise competent and independent judgement on compensation policies".5) Diese unabhängige, auf ein gemeinsames Geschäftsinteresse basierende Verhandlung wird im Englischen "arm's length bargaining" genannt und gilt als verbreitetes Modell bei den Vertrags- und Gehaltsverhandlungen zwischen Vorstand und den ausführenden Managern. Ein Vergütungsvertrag eines Managers soll demnach an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet und mit erfolgsabhängigen Vergütungen honoriert werden.

Variable Vergütungen wirklich erfolgsabhängig?

Inwieweit die Gehaltsverhandlungen zwischen Manager und Vorstand wirklich unabhängig sind und an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet werden, muss angezweifelt werden, da Manager ihr eigenes Gehalt durch Insiderinformationen beeinflussen können. Aufsichtsrat und Vorstand haben oft weder die Zeit noch die notwendigen Informationen, zu kontrollieren, ob der Manager im Sinne der Anteilseigner handelt.6) Obwohl der Vorstand und das Management die Interessen der Aktionäre vertreten sollten, zeigt sich, dass die asymmetrische Informationsverteilung und die derzeitig vorhandenen Strukturen nicht ausreichen, um diese zu gewährleisten.

Was ist genau unter Erfolg zu verstehen und wie wird er gemessen? Üblicherweise werden vorwiegend Kennzahlen wie der Unternehmensgewinn, das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) sowie die Entwicklung des Aktienkurses zur Messung der erfolgsabhängigen Vergütungen herangezogen. Inwiefern diese Kennzahlen den richtigen Anreiz in Bezug auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg richten, sei dahingestellt. Nun zu der Frage, inwiefern erfolgsabhängige Vergütungssysteme den messbar wirtschaftlichen Erfolg belohnen: Die folgenden Studien belegen, dass viele Bonuszahlungen, die als erfolgsabhängige Vergütung ausgeschüttet werden, auch dann erfolgen, wenn die Arbeit der Manager nicht erfolgreich ist.7)

Jensen und Murphy (1990) analysierten die Gehälter von über 2500 Managern in 1400 öffentlichen Unternehmen über einen Zeitraum von 50 Jahren mit dem Ergebnis, dass eine Änderung der Managervergütung sich kaum im Unternehmenserfolg widerspiegelt. Bei den 250 größten Firmen ergab eine Veränderung des Unternehmenswertes von 1000 Dollar eine Anpassung der Managergehälter von lediglich 0,067 Dollar.8) Das zeigt, dass die Managergehälter vom Unternehmenserfolg nur marginal abhängen. Der Grundsatz der erfolgsabhängigen Vergütungssysteme wird durch die Studie nicht bestätigt. Im Gegenteil, sie deutet darauf hin, dass Spitzenmanager weder für ihren Erfolg belohnt noch für Misserfolg bestraft werden.

Diese These wird von Shaw und Zhang (2010) gestützt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Managerkompensationen bei einer schlechten Firmenperformance ex post nicht zurückgefordert oder gekürzt werden. Insgesamt lassen die im Zeitraum zwischen 1993 bis 2005 ausgewerteten Daten auf einen unempfindlichen Zusammenhang zwischen Managerbezahlung und Firmenerfolg schließen.9)

Zusätzliche Kompensationen

Neben den regulären Altersbezügen werden viele Manager mit verschiedenen zusätzlichen Kompensationen ausgestattet:

Weit verbreitet ist der Supplemental Executive Retirement Plan (Serp), der sich vor allem in der steuerlichen Behandlung von einer traditionellen Rentenzahlung unterscheidet. Zum Beispiel kann ein Serp verwendet werden, um die Steuerlast des Managers zu senken, während gleichzeitig das Steueraufkommen des Unternehmens erhöht wird. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Rente, die vom Manager versteuert werden muss, kann ein Serp bei einem hohen persönlichen Steuersatz des Managers und einem niedrigen Körperschaftssteuersatz ein sinnvolles Instrument darstellen, um die Steuerlasten zu verteilen. Da sich die Höhe der Serp maßgeblich an der Dauer des Arbeitsverhältnisses und an der Höhe des Einkommens bemisst, folgt sie nicht dem Ziel einer erfolgsabhängigen Vergütung.

Eine weitere Möglichkeit zusätzliche Vergütungen an den Manager zu gewähren sind zeitversetzte Kompensationszahlungen.10) Ähnlich wie ein Serp können diese zeitversetzten Zahlungen steuerlich vorteilhaft sein, da in der Zeit der Kapitalakkumulation, welche das Unternehmen für den Manager durchführt, keine Steuern anfallen. Diese werden erst fällig, wenn der Manager die Zahlung verzögert erhält, oft erst nach seinem Ausscheiden aus der Firma. Sowohl der Erfolg eines Serp als auch die zeitversetzten Zahlungen hängen maßgeblich von der steuerlichen Behandlung ab und garantieren nicht unbedingt einen Zusatzgewinn. Dennoch erschweren diese Vergütungssysteme die Kontrolle und verschleiern die Transparenz für Außenstehende.

Sozialleistungen sind die dritte Form der Kompensationen beim Ausscheiden aus der Firma. Sie beinhalten zum Beispiel eine bestimmte zeitliche Nutzung von Flugstunden, die Bereitstellung von chauffierten Fahrzeugen, Sportmitgliedschaften, private Sicherheitsleistungen und andere Privilegien. Außerdem erhalten ausscheidende Manager oft zusätzliche Vergütungen, wenn sie der Firma für eine bestimmte Zeit im Jahr weiterhin für beratende Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Ungefähr 25 Prozent der Unternehmen nutzen diese Form der weiteren Zusammenarbeit mit ihren Spitzenmanagern, für die sie weiterhin großzügig entlohnt werden.11)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die oben beschriebenen zusätzlichen Vergütungsmechanismen dem Bestreben der erfolgsabhängigen Vergütung nicht oder nur teilweise gerecht werden. Im Zuge der vielfältigen zusätzlichen Kompensationsvarianten wird die Kontrolle für Außenstehende und Aufsichtsgremien erschwert und die Summe der Vergütungen verschleiert. Die Verschleierung der Vergütungen kann den Managern helfen ihre öffentliche Anerkennung zu steigern,12) da die wahre Höhe der Kompensationszahlungen undurchsichtig wird. Diesen Widerspruch zwischen dem öffentlichen Interesse beziehungsweise dem der Aktionäre einerseits und dem persönlichen Interesse der Manager andererseits sollte im Rahmen neuer aufsichtsrechtlicher Regulierung der Vergütungssysteme berücksichtigt werden.

Erfolgsabhängige Bonuszahlungen für glückliche Umstände?

Die Frage, ob erfolgsabhängige Boni nur im Erfolgsfall des Unternehmens bezahlt werden und inwiefern dieser Erfolg auch der Unternehmensführung zuzuschreiben ist, muss - wie die Empirie zeigt - angezweifelt werden. Empirische Studien belegen, dass Manager für unerwartete Gewinne, die sie selbst nicht zu verantworten haben, sondern die auf glückliche Umstände zurückzuführen sind, großzügige Boni erhalten haben.

Bertrand et al. (2001) untersuchten mehrere Schocksituationen und kamen zu dem Ergebnis, dass ein Spitzenmanager zu gleichen Teilen für einen "glücklichen Erfolg" wie für einen "gewöhnlichen Erfolg" bezahlt wird.13) Das Einbeziehen eines Großaktionärs in das Aufsichtsgremium konnte die Managervergütung für glückliche Umstände reduzieren. Auch die Qualität der Unternehmensführung spielte eine Rolle. Je schlechter das Unternehmen geführt wurde, desto eher hatten die Manager die Entscheidungsbefugnis über ihre eigenen Gehälter. Dieser Abschöpfungsprozess ist bei besser geführten Unternehmen weniger stark ausgeprägt.14)

Blanchard et al. (1994) untersuchten elf Unternehmen, welche sich über unerwartete Gewinne freuen konnten. Dabei fanden sie heraus, dass Manager den Geldsegen eher für sich einbehielten als diese im Unternehmen zu investieren oder als Dividende den Aktionären auszuschütten.15)

Manipulation von Aktien- und Aktienoptionszuteilung

Eine umfangreiche Studie von Murphy (1999) untersuchte den relativen Erfolg zwischen Cash-Kompensationen und der Firmen-Performance beziehungsweise der Markt-/Branchen-Performance in den Jahren 1970 bis 1996. Dabei ergab sich für den Zusammenhang zwischen den Cash-Boni und der Managerleistung kein eindeutiger Gesamteffekt. Bei Unternehmen, die dem S&P 500 Industries angehören, sind die Gehälter der Manager zwar positiv mit der Firmenperformance, aber negativ mit der Markt- und Branchenperformance korreliert.16)

Bebchuk und Fried (2006) sehen zwischen "Pay" und "Performance" in den siebziger und neunziger Jahren keine eindeutige Korrelation, während in den achtziger Jahren ein schwacher Zusammenhang festgestellt wurde. Insgesamt resümieren die Autoren: Obwohl erfolgsabhängige Boni nur im Erfolgsfall ausbezahlt werden sollten, ist die Praxis eine andere und der Bonus wird in jedem Fall ausbezahlt.17)

Der Verdacht, dass Manager den Zeitpunkt der Ausübung der ihnen zugewiesenen Aktienoptionen nachträglich manipulieren, wird durch verschiedene Studien bestätigt. Cicero (2009) untersuchte drei verschiedene Varianten der erfolgsabhängigen Zuteilung von Aktienoptionen und folgerte, dass Manager den Zeitpunkt der Ausübung ihrer Optionen gezielt lenken. Die Studie umfasste Daten von 7952 Managern in 2963 Unternehmen und erstreckte sich über einen Zeitraum von zehn Jahren (1996 bis 2005). Voraussetzung für eine Manipulation der Manager ist die asymmetrische Informationsverteilung und der Zugriff auf gezielte Insiderinformationen seitens der Manager, die opportunistisches Verhalten ermöglicht. Cicero (2009) unterscheidet bei seiner Studie zwischen drei verschiedenen Strategien:

Die am häufigsten angewandte Strategie (zwei Drittel aller Manager) war die Ausübung der Aktienoption mit anschließend sofortigem Verkauf der Aktien. Das lässt vermuten, dass die Manager auf zukünftig sinkende Aktienkurse spekulierten und deshalb ihre Bonifikationen in Form von Aktien(-optionen) zügig zu Geld machten. Die Analyse der Studie zeigt, dass die Aktienkurse in den folgenden 120 Tagen nach dem Verkauf der Aktien seitens der Manager um zwei Prozent an Wert verloren.18)

Dieses Ergebnis bestätigt zum einen den Verdacht des gezielten Missbrauchs von Insiderinformationen, zum anderen die anfangs beschriebene These der beschränkten Managerhaftung. Ein Manager, der seine gesamte "erfolgsabhängige" Vergütung ohne Einschränkungen veräußern kann, entbehrt jeglicher Form der langfristigen Managerhaftung, das muss verboten werden.

Ausnutzen von Insiderinformationen

Die Strategie der Umwandlung der Aktienoption in Aktien mit anschließendem Halten haben 20 Prozent der Manager gewählt. Aus Sicht der Haftungsprämisse scheint diese Strategie wünschenswert zu sein, weil die erfolgsabhängige Vergütung der Manager an die zukünftige Entwicklung der Aktienkurse gekoppelt wird und sie sowohl bei guten als auch bei schlechten Entscheidungen am Erfolg des Unternehmens partizipieren. Jedoch zeigt Cicero (2009), dass sich die Aktienkurse im Gegensatz zur ersten Variante im selben Zeitraum (120 Tage) um fünf Prozent gestiegen sind, während der Aktienkurs bis 20 Tage vor der Umwandlung um 1,5 Prozent gesunken war.19) Einerseits bestätigt die positive Entwicklung der Aktienkurse nach der Umwandlung der Option in Aktien zwar, dass Manager, die ein Interesse an einer positiven Entwicklung der Aktienkurse haben, besser wirtschaften, da sie ja direkt von steigenden Kursen profitieren. Andererseits belegt der ungewöhnliche Verlauf der Aktienkurse vor und nach der Umwandlung den Verdacht der Manipulation. Insbesondere der Rückgang des Aktienkurses vor der Umwandlung der Optionen spricht dafür, dass der Aktienkurs künstlich gedrückt wurde, um die Aktien günstiger erwerben zu können.

Die dritte Strategie besteht darin, nur so viele Aktien umzuwandeln, dass gerade die Umwandlungskosten (zum Beispiel die Steuern, die bei der Ausübung fällig werden) gedeckt werden und der Rest im Aktienbesitz der Manager bleiben. Bei dieser Variante, die zirka zehn Prozent wählten, wurden ebenfalls Unregelmäßigkeiten aufgedeckt, die für das Ausnutzen von Insindfeorrmationen sprechen.20)

Bebchuk et al. (2010) bestätigen das Ausnutzen von Insiderinformationen von Managern in dem Zeitraum zwischen 1996 und 2005. Sie überprüften die Aktienkurse an dem Tag, an dem die Aktienoptionen genehmigt wurden, und kamen zu dem Ergebnis, dass an Tagen niedriger Aktienkurse überdurchschnittlich viele Aktienoptionen zugeteilt wurden, während es an Tagen hoher Kurse nur selten vorkam.21) Dabei erwarben die Manager die Aktien im Mittel zehn Prozent unter dem durchschnittlichen Aktienkurs des entsprechendenMonats2.2) Diese Anomalie lässt auf ein gezieltes Timing schließen, das durch illegales Rückdatieren der Optionszuwendungen erfolgte. Die Daten belegen außerdem, dass die Wahrscheinlichkeit für eine günstige Einräumung einer Option höher war, wenn Vorstand und Management ihre erfolgsabhängigen Optionen am gleichen Tag erhielten.

Die aufgedeckten Unregelmäßigkeiten der Studien belegen, dass die Manager ihren Informationsvorsprung zu ihren eigenen Gunsten ausnutzen. Jedoch gingen die Regelverstöße seit der Implementierung des Sarbanes-Oxley Act (SOX) im Jahr 2002 zwar etwas zurück, dennoch bestätigen die Daten die These, dass Manager mit einem großen Einflussbereich in ihrem Unternehmen nach wie vor zu viel Spielraum für Manipulationen haben.

Anforderungskatalog an nachhaltige Vergütungssysteme

Im Folgenden sollen im Lichte der vorgestellten empirischen Studien konkrete Reformmaßnahmen beziehungsweise Anforderungen an ein nachhaltiges Vergütungssystem diskutiert werden. Ziel ist es, die Prinzipal-Agenten-Problematik zwischen den Eigentümern und den Managern einzudämmen und die Anreize der Manager von kurzfristigen auf nachhaltige Unternehmenserfolge zu lenken.

Als erste Anforderung gilt, dass die Eigenleistung der Manager und nicht der glückliche Umstand honoriert werden muss. Das heißt: bei der Bestimmung der variablen Vergütung muss der Unternehmenserfolg zunächst in zwei Bestandteile (Erfolg aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und Erfolg aus Sondereinflüssen wie glücklichen Umständen oder außergewöhnlichen Ereignissen) zerlegt werden. Außerdem muss eine konsequente Haftung im Misserfolgsfall vorgesehen werden, welche eine Nichtausschüttung von Boni voraussetzt.

Des Weiteren sollten Manager ihre Aktienpakete nicht sofort nach Erhalt beziehungsweise nach Umwandlung der Aktienoptionen verkaufen dürfen. Diese Regelung soll mit der genauen Beobachtung der Kursentwicklung an den Tagen vor der Zuteilung der Aktien flankiert werden, um sicherzustellen, dass die Kurse hier "künstlich" nach unten gedrückt werden. Damit der Manager durch den Erhalt von Aktienpaketen keinen Nachteil erfährt, sollte der Verkauf von Aktien insofern erlaubt sein, dass die anfallenden Steuern kompensiert werden können.23)

Um den langfristigen Erfolg des Unternehmens zu gewährleisten, sollte eine zeitliche Staffelung der Aktienoptionsübertragung eingeführt werden.24) Es ist sinnvoll, eine bestimmte Haltedauer mit einer Gesamtbeschränkung von Aktienverkäufen zu kombinieren. Manager dürfen demnach erst nach Ablauf einer bestimmten Frist (zum Beispiel alle zwei Jahre) nur einen bestimmten Prozentsatz ihrer gesamten Aktien verkaufen.

Empirische Studien haben den Verdacht auf Manipulation bei der Umwandlung von Aktienoptionen erhärtet.25) Deshalb sollen sowohl Optionszuweisungen als auch Aktienverkäufe im Voraus angekündigt werden und nur an öffentlich bekannten Terminen gestattet sein. Dem willkürlichen Timing der Transaktionen wird damit ein Riegel vorgeschoben.26)

Weiter sollte Managern verboten sein, in Derivate oder andere Absicherungsinstrumente mit großer Hebelwirkung zu investieren.27) Diese Forderung dient dazu, das opportunistische Verhalten der Manager zu begrenzen und gleichzeitig für eine Stabilisierung der Finanzmärkte zu sorgen.

Kritische Prüfung der Gesamtvergütungen

Ein weiterer Reformvorschlag liegt in einer kritischen Prüfung der Gesamtvergütungen, die transparenter werden muss. Um eine faire und transparente Managervergütung zu gewährleisten, ist eine Monetarisierung und Offenlegung der verschiedenen Vergütungsvarianten notwendig, die von fixen Gehaltszahlungen über variable Bonussysteme bis hin zu sonstigen Privilegien (insbesondere Sozialleistungen wie Altersbezüge oder Abfindungszahlungen beim vorzeitigen Ausscheiden) reichen.

Im Kontext einer erfolgsabhängigen Vergütung ist es ratsam, die bestehenden Erfolgskriterien zu hinterfragen. Es ist anzunehmen, dass jeder Manager versucht, alles Mögliche zu unternehmen, um den Aktienkurs positiv zu beeinflussen, da er an der Entwicklung des Aktienkurses während eines bestimmten Zeitraums gemessen wird. Neben der Transformation von kurzfristigen in langfristige Ziele gibt es andere Kriterien, mit denen der nachhaltige Erfolg eines Managers beurteilt werden kann: Schaffung neuer Jobs, Forschung und Patente, Kundenzufriedenheit, Vertrauen und Anerkennung gegenüber Mitarbeitern und der Öffentlichkeit sowie ökologische Aspekte.28)

Schließlich ist es wichtig, die bestehenden Regulierungslücken zu beseitigen. Gleichgültig, ob es regulatorische Lücken oder Mängel in der Aufsicht sind, werden sie ausgenutzt und führen zu Ineffizienzen im System, ohne dass sich der Manager regelwidrig verhält. Deshalb ist es unerlässlich, sowohl politische und rechtliche Rahmenbedingungen zu reformieren als auch die Überwachungs- und Aufsichtsstrukturen zu optimieren.

Bedeutender Schritt zu einer nachhaltigen Unternehmenspolitik

Bei aller Kritik über die hohen Gehälter von Spitzenmanagern ist es entscheidend darauf hinzuweisen, dass die Fähigkeit eines Spitzenmanagers positive Auswirkungen auf den Firmenerfolg hat.29) Zu einer Tätigkeit mit einer hohen Verantwortung gehört auch ein entsprechend hohes Gehalt. Trotzdem sollen die genannten Anforderungen bei einer Neugestaltung der nachhaltigen Vergütungsstrukturen berücksichtigt werden. Denn solange ein Manager für einen zufälligen Erfolg zusätzliche Vergütungen erhält, kann das weder im Interesse der Aktionäre noch der Gesellschaft sein.

Mit der Verankerung der neuen Insti- tuts-Vergütungsverordnung im deutschen Recht ist ein bedeutender Schritt zu einer langfristigen und nachhaltigen Unternehmenspolitik erfolgt und eine Umsetzung der internationalen Vorgaben von Europäischer Kommission und G20-Staaten gelungen. Viele Länder haben die neuen Vorgaben noch nicht implementiert. Es kommt in naher Zukunft darauf an, dass alle Industrie- und Schwellenländer die internationalen Richtlinien in nationale Gesetzgebung umwandeln, damit keine Regulierungsarbitrage zwischen den einzelnen Staaten entsteht. Inwiefern diese Gesetze in der Praxis dazu beitragen, den Fokus von kurzfristigen auf nachhaltige Ziele zu lenken und die "richtigen" Anreize für Manager zu schaffen, wird die Zukunft zeigen.

Literatur

Ariely, A. (2010), Wir müssen anders messen. In: Harvard Business Manager, 11/2010, S. 106 bis 107. Bebchuk, L. A. (2010), How to fix bankers' pay. In: Harvard, DP, No. 677.

Bebchuk, L. A., Fried, J. (2006), Pay without Performance, First Harvard University Press paperback edition, Cambridge, Massachusetts, and London, England.

Bebchuk, L. A., Fried, J. (2010a), Paying for long-term performance. In: Harvard, DP, No. 658.

Bebchuk, L. A., Fried, J. (2010b), How to Tie Equity Compensation to Long-Term Results. In: Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 22, No. 1, S. 99 bis 106.

Bertrand, M., Mullainathan, S. (2001), Are CEOs rewarded for luck? The ones without principals are. In: Quarterly Journal of Economics 116, 2001, S.901 bis 932.

Blanchard, O., Lopez-de-Silanes, F., Shleifer, A. (1994), What Do Firms Do with Cash Windfalls? In: Journal of Financial Economics, 1994, S. 337 bis 360.

Chang, Y. Y., Dasgupta, S., Hilary, G. (2010), CEO Ability, Pay, and Firm Performance. In: Management Science, Vol. 56, No, 10, S. 1633 bis 1652.

Cicero, D. C. (2009), The Manipulation of Executive Stock Option Exercise Strategies: Information Timing and Backdating. In: The Journal of Finance, Vol. LXIV, No. 6, S. 2627 bis 2663.

Deutsche Bundesbank (2009), Aufarbeitung der Krise: In Finanzstabilitätsbericht, November 2009, S. 74 bis 89.

Eucken, W. (2004), Grundzüge der Wirtschaftpolitik. 7. Auflage, Mohr Siebeck, Tübingen.

FSB (2009), Principles for Sound Compensation Practices. http://www.financialstabilityboard.org/publications/r_0904b.pdf.

Jensen, M. C., Murphy, K. J. (1990), Performance Pay and Top-Management Incentives. In: Journal of Political Economy, Vol. 98, Nr. 2, S. 225 bis 264.

Jensen, M. C., Murphy, K. J. (2010), CEO Incentives - It's Not How Much You Pay, But How. Reprinted by Harvard Business Review, 1990. In: Journal of Applied Corporate Finance, Vol. 22 No. 1, S. 64 bis 76.

Murphy, K. J. (1999), Executive Compensation. In: Handbook of Labor Economics, Vol. 3, bk. 2, ed. O. Ashenfelter and D. Card, Elsevier, New York.

Shaw, K. W., Zhang, M. H. (2010), Is CEO Cash Compensation Punished for Poor Firm Performance? In: The Accounting Review, Vol.85, No. 3, S. 1065 bis 1093.

Fußnoten

1) Vgl. Bebchuk (2010), S. 1.

2) Vgl. Bebchuk (2010), S. 2f.

3) Eucken (2004), S. 279.

4) Vgl. Deutsche Bundesbank (2009), S. 84.

5) FSB (2009), S. 2.

6) Vgl. Bebchuk/Fried (2006), S. 19.

7) Vgl. Bebchuk/Fried (2006), S. 124 f und S. 132 ff. Beschränkte Haftung und nachsichtige Sanktionen bestätigen die Anreizprobleme für Manager.

8) Vgl. Jensen/Murphy (2010), S. 64 ff. sowie Jensen/Murphy (1990), S. 225ff.

9) Vgl. Shaw/Zhang (2010), S. 1065ff.

10) Vgl. Bebchuk/Fried (2006), S. 102ff.

11) Vgl. Bebchuk/Fried (2006), S. 107ff.

12) Vgl. Bebchuk/Fried (2006), S. 67f.

13) Vgl. Bertrand/Mullainathan (2001), S. 901 ff. Ein Erfolg wird als ein glücklicher Erfolg bezeichnet, wenn eine Änderung der Firmenperformance außerhalb des Einflussbereichs des Managers zustande kommt. Für einen glücklichen Erfolg, der für die Aktionäre beobachtbar ist, wären sie nicht bereit einen Bonus zu bezahlen.

14) Vgl. Bertrand/Mullainathan (2001), S. 901ff.

15) Vgl. Blanchard et al. (1994), S. 337ff.

16) Vgl. Murphy (1999), S. 2535ff.

17) Vgl. Bebchuk/Fried (2006), S. 122ff.

18) Vgl. Cicero (2009), S. 2628 und 2637.

19) Vgl. Cicero (2009), S. 2628.

20) Vgl. Cicero (2009), S. 2629.

21) Vgl. Bebchuk et al. (2010), S. 2369.

22) Vgl. Bebchuk et al. (2010), S. 2371.

23) Vgl. Bebchuk/Fried (2010a), S. 9.

24) Vgl. Deutsche Bundesbank (2009), S. 84, Bebchuk/Fried (2010a), S. 18ff. sowie Bebchuk/Fried (2010b), S. 106.

25) Vgl. Cicero (2009), S. 2628.

26) Vgl. Bebchuk/Fried (2010a), S. 24f. sowie S. 36.

27) Vgl. Bebchuk/Fried (2010a), S. 39.

28) Vgl Ariely (2010), S. 106f.

29) Vgl. Chang et al. (2010), S. 1663ff.

Prof. Dr. Tristan Nguyen , Professor für Economics, Finance & ­Accounting , Hochschule Fresenius, München
Noch keine Bewertungen vorhanden


X