Aufsätze

Art Banking - eine Kunst für sich!

Die Zeitschrift "Art Review" listet jedes Jahr die 100 einflussreichsten Menschen in der Kunstszene auf - 2013 sind darunter 20 Kunstsammler. An deren Spitze (und auf Platz elf der gesamten Liste) steht Sheikha Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al-Tani. Die 29-jährige Tochter des Emirs von Katar ist die Vorsitzende der dortigen Museumsbehörde. Die Kunstliebhaberin erwarb für 250 Millionen Dollar das Bild "Kartenspieler" von Paul Cézanne, damit das zurzeit teuerste Bild der Welt. Der Kauf erfolgte direkt aus dem Nachlass des 2001 verstorbenen griechischen Milliardärs Georges Embiricos. Kein Markt ist so außergewöhnlich wie der Kunstmarkt!

Nicht immer "Liebe auf den ersten Blick"

Der deutsche Sammler Christian Boros und seine Frau Karen Lohmann schaffen es auf Platz 70 der sogenannten "Art Review Power 100". Ihren Museumsbunker in Berlin-Mitte besuchen jährlich 100 000 Kunstinteressierte. Boros ist Inhaber einer Werbeagentur und begann schon in jungen Jahren Kunst zu sammeln. Mit 18 bekam er das Geld für ein Auto, kaufte sich aber stattdessen ein Kunstwerk von Joseph Beuys. Bei seinen Kunstkäufen bewies Boros ein glückliches Händchen: Zum Beispiel erwarb er früh Zeichnungen von Damien Hirst, für damals 100 D-Mark das Stück.

Heute liegen die Preise von Zeichnungen und Aquarellen des Künstlers zwischen zirka 2 000 und 30 000 Euro. 2007 versteigerte das Auktionshaus Sotheby's für 14,5 Millionen Euro Hirsts Werk "Lullaby Spring", das bis dahin teuerste Kunstwerk eines noch lebenden Künstlers. Damien Hirst gilt heute als der reichste Künstler der Welt. Sein Vermögen wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Doch Christian Boros beteuert, seine Kunstwerke nicht mit dem Blick auf Wertsteigerung zu kaufen, nie würde er ein Kunstwerk seiner Sammlung wieder verkaufen wollen. "Jemand, der nicht die Kunst liebt, sondern den Glamour und das Auratische, der sehr stark an den Markt glaubt, der Nutznießer des Gesellschaftlichen an der Kunst ist, ist kein wirklicher Sammler", erklärte Boros in einem Interview (art Magazin, September 2004).

Doch wie sucht ein Sammler ein Kunstwerk aus? Wie treffen Kunst und Liebhaber aufeinander? Wann springt der Funke über? Christian Boros glaubt nicht an die Liebe auf den ersten Blick bei der Kunst. Er kauft gerne Werke, die sperrig sind, wenig gefällig. "Darunter sind auch Sachen, die mir am Anfang gar nicht gefallen haben. Aber Kunst ist ja dafür da, irritierend zu sein. Sie soll nicht nur das bestätigen, was wir eh' schon denken." (Focus, 28. Juni 2012). Das Verhältnis zwischen Kunstsammler und Kunstwerk ist also ähnlich komplex und widersprüchlich wie der Kunstmarkt an sich. Dem einen gefällt ein Kunstwerk, weil es harmonisch und beruhigend auf ihn wirkt, dem anderen, weil es ihn irritiert und zu neuen Sichtweisen anregt. Genau das macht Kunst so spannend und zu einem idealen Konversationsthema.

Mehr als ein "Spekulationsobjekt"

Julia Stoschek, mit Jahrgang 1975 eine der jüngsten unter den bekannten deutschen Kunstsammlerinnen, beschreibt ihre Art der Kunstauswahl folgendermaßen: "Eine Arbeit muss mir gefallen. Entscheidend ist, dass sie mich fasziniert, mich irritiert, mich verwirrt, mich nicht mehr loslässt. Es gibt eigentlich kein Video in der Sammlung, an das ich mich nicht erinnern kann." (www.susanne-hinrichs.de/txt_Interview_Stoschek).

Mit 500 Arbeiten ist ihre Videokunst-Sammlung hierzulande einzigartig. Seit 2007 wird die Sammlung in einer denkmalgeschützten ehemaligen Bilderrahmen-Fabrik im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel öffentlich präsentiert. Stoschek hat Betriebswirtschaft studiert und ist Gesellschafterin des väterlichen Familienunternehmens, der Coburger Brose-Gruppe. Auch für Stoschek steht die Wertentwicklung ihrer Sammlung nicht an erster Stelle: "[...] ich habe Betriebswirtschaft studiert und verfolge die Wertentwicklung meiner Sammlung. Kunst ist für mich aber kein Spekulationsobjekt! Was ich erworben habe, soll, so lange es mir möglich ist, in der Sammlung bleiben. Sammeln bedeutet für mich ,beschützen' und ,bewahren'. Aber natürlich freue ich mich auch, wenn Arbeiten im Wert steigen." (Süddeutsche Zeitung, 17. Mai 2010).

Erfolgreiche Kunstsammler sammeln aus Leidenschaft - ein Kunstwerk, das man liebt, kann zumindest für einen selbst nie an Wert verlieren. 1931 prophezeite der Kunstwissenschaftler Walter Benjamin den Niedergang des Sammelns. Doch heute ist das Gegenteil der Fall. Die großen zeitgenössischen Sammlungen des 20. Jahrhunderts sind ausschließlich von privaten Sammlern angelegt worden. Dabei hat sich die Zahl der Sammler von Gegenwartskunst je nach Schätzungen in den letzten Jahren verdoppelt bis verfünffacht.

So formuliert die Kunstexpertin Piroschka Dossi die Faszination Kunst treffend in ihrem Buch "Hype! Kunst und Geld": "Im Kunstwerk feiert die moderne Gesellschaft den Glauben an ihre Macht, die Welt nach ihrem Willen zu formen und die Bedingungen ihres Glücks selbst zu erschaffen." Sammler wie Julia Stoschek oder Christian Boros haben mit ihren Ausstellungsräumen die Museumslandschaft in Deutschland enorm bereichert.

Kunstmarkt ist ein emotionaler Markt

Auch wenn die großen Sammler sich beim Kunstkauf allein auf ihre Leidenschaft zur Kunst berufen, sind und bleiben der Preis eines Kunstwerks und seine Wertsteigerung ein spannen des Thema. So schadet es nicht, wenn man sich beim Kauf eines Kunstwerks darüber informiert, ob ein Angebot auch wirklich dem Markt entspricht und wie die Chancen eines Künstlers für eine positive Entwicklung in der Kunstgeschichte und damit auch auf dem Kunstmarkt stehen. Wer sich in ein Werk eines unbekannten Künstlers verliebt, der eher keine Chancen mehr auf späten Ruhm hat, muss sich den Kauf deswegen nicht ausreden - die Freude am Kunstwerk steigert sich nicht mit der Steigerung des Werts. Man sollte nur nicht glauben, das Werk später zum gleichen oder einem höheren Preis wieder verkaufen zu können. Spätestens seit der Finanzkrise ist Kunst als Investment, als Anlageobjekt in aller Munde. Ab einem sechsstelligen Betrag lohnt sich der Einstieg.

Als konservative Anlagen mit geringem Risiko gelten Alte Meister und Werke aus der Klassischen Moderne. Bereits etablierte Zeitgenossen werden als wachstumsorientierte Anlage betrachtet, junge Gegenwartskunst ist spekulativ. Empfohlen wird meist die Streuung des Risikos, indem in verschiedene Künstler aus verschiedenen Epochen investiert wird. Neben der Wertenwicklung kann Kunst als Sachwert auch gegen eine mögliche Geldinflation schützen - ein gewichtiges Argument, gerade in diesen Zeiten. Der Kunstmarkt ist jedoch volatil und undurchsichtig. Es lohnt sich also, in jedem Fall die Kunstwerke zu kaufen, die einem wirklich gefallen. Wenn ein Kunstwerk sich außerdem im Wert steigert, ist das ein schöner Nebeneffekt.

Doch wie entsteht der Preis eines Kunstwerks? Dem Mythos nach ist ein Kunstwerk ein Ge schenk des Künstlers an die Menschheit. Dennoch bezahlen Menschen hohe Summen für Kunst. Der Kunstmarkt ist ein emotionaler Markt, die Ratio wird hier ab und an ausgeblendet. Kunst weckt Emotionen, Kunst weckt Leidenschaft, Kunst war und ist ein Statussymbol. Der Preis eines Kunstwerks orientiert sich vor allem an der Reputation des Künstlers. In keinem anderen Markt ist die Unsicherheit über den Wert der gehandelten Ware so groß wie auf dem Kunstmarkt. Die Erweiterung des Kunstbegriffs im 20. Jahrhundert und die damit ein hergehende Freiheit der Kunst haben die eindeutige Definition der Qualität eines zeitgenössischen Kunstwerks unmöglich gemacht. Stattdessen hat sich ein System der Kunstbewertung entwickelt, das vor allem von Marktinteressen bestimmt wird.

Art Banking in der Beratung

Viele Sparkassen haben Kunst längst als bedeutsames Thema für Gespräche mit vermögen den Kunden entdeckt. Zunehmend wird Art Banking zum selbstverständlichen Bestandteil einer umfassenden Beratung für Top-Kunden. In einem Gespräch über Kunst zeigt sich der Kunde von seiner privaten Seite. Kunstwerke lösen in jedem Betrachter andere Assoziationen und Reaktionen aus; sich darüber auszutauschen, bringt einander näher. Über das übliche Bankgeschäft hinaus kann so eine persönlichere Bindung zwischen Berater und Kunde entstehen - und diese ist unabdingbar für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung. Der Deutsche Sparkassenverlag entdeckte die besondere "Ware" Kunst schon 1974 in Zusammenhang mit dem Weltspartagsplakat: Es wurden namhafte Künstler eingeladen, das Plakat zu gestalten, und die entsprechenden Motive wurden auch ohne Werbeaufdrucke als hochwertige Grafikeditionen herausgegeben und den Sparkassen zum Kauf angeboten.

In den folgenden Jahren wurden auf diese Weise Editionen mit HAP Grieshaber, Günther Uecker, Cornelia Schleime, Thomas Bayrle und vielen mehr realisiert. Der Service "Kunstberatung" wuchs zu einer eigenen Abteilung, dem DSV Kunstkontor. Heute erscheint immer noch je des Jahr im Sommer die "Edition S", aber inzwischen nicht nur mit eigenen Editionen, sondern einer breiten Auswahl des jährlich wechselnden Angebots an Grafik, Malerei, Skulptur und Neuen Medien. Zum Leistungsangebot des DSV Kunstkontors gehören heute neben Kunstausstattungen auch die Betreuung von Kunst-am-Bau-Projekten, Ausstellungen, Kunstkatalogen und die Beratung im Bereich Art Banking.

Enge Zusammenarbeit mit Sparkassen

Beim Art Banking arbeiten die Kunstberaterinnen des DSV Kunstkontors eng mit den Private-Banking-Bereichen der Sparkassen zusammen. Wichtig für die Sparkassen ist es, bei den Beratern erst einmal das Interesse und die Begeisterung für das Thema Kunst zu wecken und sie mit den wichtigsten Begriffen und Themen vertraut zu machen. Dazu können die Sparkassen zum Beispiel das Seminarangebot "Wie spreche ich über Kunst?" nutzen. In zwei halben Tagen beleuchten zwei Referenten nicht nur den Kunstmarkt, sondern auch spezielle Sammelgebiete wie Teppiche, Uhren, Schmuck und Antiquitäten.

Des Weiteren vermittelt das DSV Kunstkontor Vorträge rund um das Themengebiet Kunst als Wertanlage, zu denen kunstinteressierte Privatkunden eingeladen werden. Bei einem anschließenden Imbiss können die Berater in ungezwungener Atmosphäre das Gespräch mit ihren Kunden suchen. Spricht der Berater einen Kunstsammler auf seine Leidenschaft an, muss er dazu keine großen Fachkenntnisse besitzen - die meisten Sammler werden von alleine ins Schwärmen kommen und von ihren Schätzen erzählen. Ein paar interessierte Fragen zu stellen, reicht da meist aus. Für Fachfragen beziehungsweise individuelle Beratungen kann der Berater die Anfragen seiner Kunden dann an die Experten des Kunstkontors weiterleiten.

Neben Beratung bei Ankäufen handelt es sich oft um Anfragen nach Schätzungen von Erbstücken und einer entsprechenden Verkaufsbetreuung. Wenn Kunst vererbt wird, die dem Erben nicht gefällt, wird der aktuelle Wert des Objekts natürlich zur wichtigsten Frage. Hier geht es darum, zu prüfen, welchen Preis ein Kunstwerk aktuell auf dem Markt erzielen kann und wo sich die besten Verkaufschancen bieten.

Erfolgreiche Verkaufsbetreuung

So geschehen bei einer Private-Banking-Kundin einer Sparkasse im Rheinland: Diese Kundin erzählte ihrem Berater beiläufig, dass ihr Mann bis kurz vor seinem Tod Kunst gesammelt habe und nun das Haus voller Kunst hänge, ihre Kinder und Enkel jedoch nicht viel damit anfangen könnten. Nun wollte sie in Erfahrung bringen, was die Arbeiten wert sind, um abzuwägen, ob ein Verkauf lohnenswert ist. Der Private-Banking-Berater der Sparkasse stellte den Kontakt zu den Expertinnen des DSV Kunstkontors her und schickte ihnen einige Fotos der Kunstwerke und die vorliegenden Informationen zu Künstler, Titel, Jahresangabe, Technik und Maßen. Die Kunsthistorikerinnen konnten mit diesen Angaben bereits eine erste grobe Werteinschätzung abgeben. Die Kunstwerke stammten hauptsächlich aus der Zeit der Klassischen Moderne, darunter waren Namen wie Emil Nolde, Ludwig Kirchner, Otto Müller und Max Beckmann. Es konnte ein durchschnittlicher Schätzwert festgesetzt werden, der sich anhand von Auktionsergebnissen aus dem In- und Ausland der letzten 10 bis 15 Jahre ergibt.

Da ein Schätzwert auch immer vom Zustand der jeweiligen Arbeit abhängig ist, stand als nächstes ein Besuch bei der Kundin an, um die Arbeiten im Original sichten und bewerten zu können. Nach der Aufnahme des gesamten Bestandes und Sichtung der noch vorhandenen Ankaufsunterlagen, die teilweise bis in die fünfziger Jahre zurückreichten, konnten die Expertinnen vom Kunstkontor zum nächsten Schritt übergehen: Auktionshäuser und Galeristen wurden kontaktiert, die besten Verkaufsoptionen ausgehandelt und an die Kundin weitergegeben. Entscheidet man sich, die Arbeiten über ein Auktionshaus zu verkaufen, sollte man vorab recherchieren lassen, welches Haus sich am besten dafür eignet. Durch die Möglichkeit, eine Arbeit einem großen Publikum zu präsentieren, erhöhen sich die Chancen eines Verkaufs.

Art Banking stärkt Kundenbeziehung

Dennoch gibt ein Auktionshaus keine Verkaufsgarantie. Eine Alternative ist, das Kunstwerk einem Galeristen anzubieten, der die entsprechende Sammlerklientel bedient. Hier muss man - je nach Künstler und Ankaufsdatum - damit rechnen, dass der Erlös nicht ganz so hoch ist wie bei einem Auktionshaus, dafür erhält der Verkäufer jedoch die ihm zugesagte Summe. Wofür auch immer sich der Kunde am Ende entscheidet - wichtig ist, dass vorab der Markt sondiert wurde und die alternativen Möglichkeiten abgewogen wurden. Die Kundin der Sparkasse hatte sich für den Verkauf über ein Auktionshaus entschieden und am Ende konnte sich auch der Berater darüber freuen, dass der hohe Erlös für die erfolgreich versteigerten Kunstwerke auf das Konto bei der Sparkasse floss.

Art Banking ist also eine Kunst für sich, die im rechten Moment beim richtigen Kunden gewinnbringend eingesetzt werden kann. In jedem Fall stärkt ein Gespräch zwischen Berater und Kunden über Themenfelder, die nichts mit der Finanzwelt zu tun haben, die Beziehung und das Vertrauen ineinander. Der Kunde fühlt sich als Mensch wahrgenommen, als Individuum mit jeweils eigenen Interessen, und der Berater kann dadurch seinen Kunden insgesamt besser einschätzen und beraten. So verabschieden sich nach dem Beratungstermin nicht einfach Kunde und Berater voneinander, sondern zwei Menschen, die ein interessantes Gespräch geführt und sich wirklich persönlich kennengelernt haben. Eine ideale Voraussetzung für gute Geschäfte.

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