Aufsätze

Auswirkungen der neuen Basel-III-Kennzahlen auf die Liquiditätssteuerung: Net Stable Funding Ratio

Prof. Dr. Thomas Heidorn, Frankfurt School of Finance & Management, Dr. Christian Schmaltz, Frankfurt School of Finance & Management und True North Partners LLP, London, und Dirk Schröter, DekaBank Deutsche Girozentrale, alle Frankfurt am Main Dass die Regulatoren als Reaktion auf die Finanzkrise eine Berichtspflicht für zwei neue Kennziffern zu Liquiditätsrisiken beschlossen haben, wird in der Bankenwelt kontrovers diskutiert. So sind die Auswirkungen der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und die Net Stable Funding Ratio (NSFR) auf die künftigen Risikopositionen in den Bankbilanzen und letztlich auf die Finanzstabilität durchaus umstritten. Im ersten Teil haben die Autoren das Konzept und die Auswirkungen der LCR vorgestellt (Kreditwesen 8-2011, Seiten 397 ff.). In diesem zweiten Teil, der nur im Internet abzurufen ist, widmen sie sich der Funktionsweise der NSFR und deren Wechselwirkungen mit der LCR. Eine ihrer Schlussfolgerungen: Der zunehmende Wettbewerb um stabile Spareinlagen und langfristige Termineinlagen wird in attraktiveren Zinsen für Privatkunden zum Ausdruck kommen. (Red.)

Anknüpfend an den ersten Teil der sich verändernden Liquiditätssteuerung in deutschen Banken wird hier die Funktionsweise der neuen Basel-III-Kennzahl Net Stable Funding Ratio (NSFR) sowie deren Auswirkungen
beleuchtet. Des Weiteren werden Wechselwirkungen zwischen den beiden Basel-III-Kennziffern Liquidity Covered Ratio
(LCR) und dem NSFR aufgezeigt.

Eine der Hauptfunktionen von Banken ist die Fristentransformation, das heißt die Aufnahme kurzfristiger Mittel in Form von
Einlagen und Emissionen und deren Investition in langfristige Aktiva. Banken bevorzugen die kurzfristige Mittelaufnahme,
weil die Refinanzierungskosten im Allgemeinen mit der Fristigkeit ansteigen. Kurzfristige Mittel steigern deshalb die Erträge. Sie steigern aber auch das (Liquiditäts-)Risiko: Einlagen setzen die Bank einem Abruf-, Emissionen einem Prolongationsrisiko aus. Als Beispiel für das Prolongationsrisiko sei die vor der Finanzkrise beliebte Refinanzierung
illiquider ABS durch kurzfristige Commercial Paper genannt: beim Austrocknen der Commercial-Paper-Märkte
wurde dieses schlagend und zeigte die Risikoseite der Fristentransformation.

Schrittweise Einführung

Solche Abrufrisiken werden mit einem Liquiditätspuffer gehedged, deren regulatorische Mindesthöhe unter Basel III über
das Liquidity Coverage Ratio (LCR) hergeleitet und im ersten Teil diskutiert wurde (Printausgabe ZfgK 8-2011, S. 397). Das
Prolongationsrisiko wird durch einen Höchstbetrag an kurzfristigen Mitteln oder – umgekehrt – durch einen Mindestbetrag
an langfristigen Mitteln begrenzt. Bisher wurde dieses Risiko nicht reguliert. Unter Basel III wird es durch die Net Stable Funding Ratio limitiert:1) Frühestens ab 1. Januar 2012 müssen deutsche Banken NSFR monatlich an die BaFin im Sinne einer Beobachtungskennziffer berichten, ab 1. Januar 2018 müssen sie diese auch einhalten.

Dieser Beitrag motiviert diese neue Kennziffer, beschreibt deren Funktionsweise und erläutert, welche Auswirkungen sie
auf die Bilanzstruktur von deutschen Banken haben wird.

Struktur und Anwendungsbereich

Konzeptionell entspricht die NSFR der „Goldenen Bankregel“: Illiquide Aktiva, die langfristig gehalten werden muss, sollten
langfristig refinanziert werden. Ausgangspunkt für die Kennzahl ist die Liquidität der Aktiva (Fristigkeit und Veräußerbarkeit) und die der Passiva (Fristigkeit). Darüber hinaus muss noch festgelegt werden, was „langfristig“ im Sinne des NSFRs bedeutet. Die Regulatoren definieren „langfristig“ als „länger als 1 Jahr“. Um den Leser mit den Prinzipien des Baseler NSFR vertraut zu machen, stellt Abbildung 1 ein (vereinfachtes) Modell zur Begrenzung der Fristentransformation vor. Das Basel-IIINSFR ist eine granularere Version des Modells aus Abbildung 1. Zur Abgrenzung sind auch die Gewichtungen für die kurzfristige LCR-Kennzahl (ebenfalls in einer vereinfachten Version) eingetragen.

Aktivpositionen sind illiquide, wenn zwei Bedingungen zutreffen: sie sind „langfristig“ und „nicht verkaufbar“. Diese illiquiden Positionen gehen zu 100 Prozent, die liquiden zu 0 Prozent in das Ratio ein. Passivpositionen mit Laufzeiten größer einem Jahr können als langfristig angesetzt werden. Ob Investoren die Passiva vor Fälligkeit weiterverkaufen können oder nicht, spielt für die emittierende Bank und ihre Steuerung der Fälligkeitsstruktur keine Rolle. Die langfristige Passiva (inklusive Eigenkapital) geht mit 100 Prozent, die kurzfristige (inklusive Sichteinlagen) mit 0 Prozent ein. Die Fristigkeits-(Goldene Bank-)bedingung ist erfüllt, wenn die langfristige Passiva die illiquide Aktiva übersteigt.

Vereinfachtes Modell

Ebenfalls wird deutlich, dass sich das (vereinfachte) NSFR-Modell mit seinem 1-Jahreshorizont in einem anderen Zeitfenster bewegt als das (vereinfachte) LCR-Modell mit seinem 30-Tages-Horizont: Das LCR berücksichtigt (gewichtet) liquide Aktiva und Passiva, das NSFR illiquide Aktiva und Passiva. Das Baseler NSFR-Modell unterscheidet
sich von dem hier vorgestellten vereinfachten Modell durch eine dynamische Sichtweise: Anders als in dem hier betrachteten Modell können kurzfristige Mittel aufgrund von Prolongationen langfristig als Bodensätze zur Verfügung stehen. Deshalb werden kurzfristige Einlagen im Baseler NSFR nicht grundsätzlich mit 0 Prozent angesetzt. Analog dazu können auf der Aktivseite kurzfristige Kredite mit Laufzeiten unter einem Jahr durch mehrere Prolongationen faktisch zu langfristigen Krediten werden, die nunmehr langfristige Refinanzierung brauchen. Außerdem ist das Attribut „verkaufbar“ bei den liquiden Assets nicht differenziert genug, da es hoch liquide Assets genauso wie „nur mit hohen Abschlägen“ verkaufbare Assets gibt. Weil die NSFR keine vertraglichen, sondern faktische Laufzeiten modelliert, wird nicht von langfristigen Positionen, sondern von stabilen Positionen gesprochen.

Ebenfalls unberücksichtigt blieben im vereinfachten Modell Eventualverbindlichkeiten, die Kunden nicht immer nur zur vorübergehenden Refinanzierung von Liquiditätsengpässen, ondern zum Teil auch zur langfristigen Refinanzierung nutzen.
Dementsprechend muss auch ein Teil dieser Eventualverbindlichkeiten langfristig refinanziert sein. Im folgenden Abschnitt
werden die Details des Basel-III-NSFR beschrieben und erläutert. 

Net Stable Funding Ratio unter Basel III

Das NSFR fordert, dass Aktiva, die aufgrund ihrer Illiquidität noch mindestens ein Jahr lang gehalten werden müssen, mit
Mitteln, die mindestens noch ein Jahr zu Verfügung stehen, refinanziert werden. Das angenommene Jahr ist dabei kein „business-as-usual“-Jahr, sondern ein finanziell angespanntes Jahr, in welchem die Bank (i) einen signifikanten Gewinneinbruch beziehungsweise Risikoerhöhung bekanntgeben muss und einer möglichen Ratingherabstufung
entgegensieht und/oder (ii) der Ruf beziehungsweise die Kreditwürdigkeit der Bank durch ein anderes adverses Ereignis
schwer beschädigt wurde. Das NSFR ist wie das LCR ein Stressszenario, allerdings komplementär zum LCR, weil es „nur“ ein bankspezifischer und kein systemweiter Stress ist und der Modellhorizont ein Jahr und nicht 30 Tage beträgt.

Das NSFR fordert, dass (i) die benötigten langfristigen Mittel aufgrund illiquider...

Noch keine Bewertungen vorhanden


X