Sparkassenverbund 2012 - Aufsätze

Die baden-württembergischen Sparkassen als Finanzierer der Wirtschaft

Baden-Württemberg ist ein wirtschaftlich erfolgreiches Land. Es gehört zu den wirtschaftsstärksten und wettbewerbsfähigsten Regionen in Europa. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt im Krisenjahr 2009 in Baden-Württemberg nach der jüngsten Revision der statistischen Daten mit 9,5 Prozent regelrecht abgestürzt ist, konnte dieser Einbruch in den beiden folgenden Jahren rasch sogar mehr als ausgeglichen werden. So wuchs die Wirtschaftsleistung in den Jahren 2010 und 2011 real um 6,3 beziehungsweise 4,3 Prozent. Baden-Württemberg erzielte damit im Vergleich der Bundesländer das mit Abstand höchste Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig ging die ohnehin vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit weiter zurück, sodass der Arbeitsmarkt in weiten Teilen des Landes sich der Vollbeschäftigung angenähert hat.

Aufgrund der Schuldenkrise in Europa und der rückläufigen weltwirtschaftlichen Dynamik hat sich im Verlauf dieses Jahres die konjunkturelle Dynamik Baden-Württembergs zwar ebenfalls merklich abgekühlt. Dennoch liegen die Erwartungen für 2012 hinsichtlich des Wirtschaftswachstums immer noch bei 1,5 bis zwei Prozent und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Einzigartige Wirtschaftsstruktur

Worin liegt das Geheimnis dieses badenwürttembergischen Erfolgs? Es ist seine einzigartige Wirtschaftsstruktur: Baden-Württemberg ist eine Hochburg des Mittelstands. Innovationsfreudige, sehr anpassungsfähige und weltweit erfolgreiche kleine und mittlere Unternehmen machen das Bundesland zu einem äußerst dynamischen Wirtschaftsraum. So erwirtschaftet der baden-württembergische Mittelstand mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts, davon jeden zweiten Euro im Auslandsgeschäft. Wichtigster Absatzmarkt sind die Länder der Europäischen Union, wohin 50 Prozent seiner Exporte gehen. Dabei werden zwei Drittel aller Arbeitsplätze von kleinen und mittleren Unternehmen oder Selbstständigen gestellt. 80 Prozent aller Lehrlinge werden in ihren Betrieben ausgebildet, und der Mittelstand ist für 80 Prozent des gewerblichen Steueraufkommens verantwortlich.

Allerdings sind gerade die kleinen und mittleren Unternehmen, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können, auf verlässliche Finanzpartner vor Ort angewiesen, die ihre Kreditversorgung sicherstellen und auf sie zugeschnittene Finanzdienstleistungen anbieten. Der Kapitalmarkt ist, wenn überhaupt, für die mittelständischen Unternehmen aus vielfältigen Gründen lediglich eine Ergänzung zu einer Kreditfinanzierung. So benötigen beispielsweise Existenzgründer und kleinere Unternehmen auch entsprechend kleinere Finanzierungsvolumina, die der Kapitalmarkt nicht zur Verfügung stellt und an denen auch Großbanken in aller Regel selbst in ihrem Kreditgeschäft kaum interessiert sind.

Zu den tragenden Säulen des baden-württembergischen Erfolgsmodells gehören daher auch die in ihrer Region verwurzelten Sparkassen. Mit ihrem streng realwirtschaftlich und regional ausgerichteten Geschäftsmodell garantieren sie eine flächendeckende Kreditfinanzierung des Mittelstands. Zusammen mit ihrer Landesbank, der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), bieten die 53 Sparkassen in Baden-Württemberg ihrer mittelständischen Kundschaft sowohl eine verlässliche Kreditfinanzierung als auch ein umfassendes Finanzdienstleistungsangebot von Produkten aus dem Bereich Corporate Finance über den Zahlungsverkehr bis hin zum Auslandsgeschäft. Ziel der Sparkassen ist es, den Mittelstand optimal bei seinen Investitions- und Geschäftstätigkeiten und der Erschließung neuer Märkte zu unterstützen. Dazu sind die baden-württembergischen Sparkassen mit rund 2 500 Geschäftsstellen überall in der Fläche präsent und nicht nur an den Top-Standorten.

Enge Verbindung von Mittelstand und Sparkassen

Diese Nähe zum Kunden und die feste Verankerung in der Region machen die Sparkassen zu Experten, was die Bedürfnisse und Besonderheiten der Unter nehmen angeht. Das schätzen die Unternehmen an den Sparkassen als Mittelstandsfinanzierer Nummer eins. Über 70 Prozent aller Mittelständler haben eine Geschäftsverbindung zu einem Institut der Sparkassen-Finanzgruppe. Gleichzeitig bezeichnen mehr als vier von zehn Unternehmen die Sparkasse gar als ihre Hausbank. Zudem begleiten die Sparkassen jeden zweiten Existenzgründer, die nicht nur eine Frischzellenkur für die Volkswirtschaft sind, sondern selbstverständlich auch potenzielle Kunden der Sparkassen.

Durch ihr Selbstverständnis sehen die Sparkassen dabei in ihren Kunden viel mehr als lediglich kurzfristige "Renditebringer". Das langfristige Wohlergehen ihrer Kunden und der ganzen Region, in der sie wirtschaften, liegt ihnen am Herzen, wie auch im eigenen Interesse. Denn wenn es der Wirtschaft vor Ort gut geht, profitiert auch die Sparkasse davon in ihrer Geschäftsentwicklung. Deshalb besteht in der Regel zwischen der jeweiligen Sparkasse und den ansässigen Unter nehmen vor Ort eine langfristige, oft generationenübergreifende, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung. Das oftmals in der Vergangenheit für tot erklärte Hausbankprinzip leben die Sparkassen und ihre mittelständische Kundschaft intensiv.

Diese enge Verbindung von Mittelstand und Sparkassen hat sich insbesondere seit Ausbruch der Finanzkrise als scharfes Schwert gegen eine Kreditklemme im Mittelstand erwiesen. Während sich Groß- und Auslandsbanken aus der Finanzierung der mittelständischen Wirtschaft zurückzogen, bauten die baden-württembergischen Sparkassen ihr Kreditengagement für den Mittelstand gerade in der Krise weiter aus. So erhöhten in den Jahren 2009 bis 2011 die baden-württembergischen Sparkassen ihre Kredite an Unternehmen und Selbstständige im Land um mehr als sieben Prozent auf über 47 Milliarden Euro. Aktuell sind es knapp 48 Milliarden Euro.

Rückzug der Großbanken

Hingegen reduzier ten nach Zahlen der Bundesbank die Großbanken ihr Engagement in diesem Bereich um rund zwei Prozent und die Auslandsbanken sogar drastisch um 22 Prozent. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass in Baden-Württemberg inzwischen mehr als jeder zweite Euro Unternehmenskredit von den Sparkassen und ihrer Landesbank kommen.

Die verlässliche und verantwortungsvolle Kreditpolitik der baden-württembergischen Sparkassen hat sich dabei für alle Seiten ausgezahlt. Die anfänglichen Befürchtungen eines explodierenden Wertberichtigungsbedarfs bestätigten sich nicht. Im Gegenteil: Die Unternehmen konnten die Durststrecke durchstehen und die Chance aus der weltwirtschaftlichen Erholung im Laufe des Jahres 2009 ergreifen und ihre Produktions- und Investitionsaktivitäten schnell wieder hochfahren. Dadurch lagen die Abschreibungen im Kreditgeschäft der baden-württembergischen Sparkassen in den letzten beiden Jahren deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt. 2011 waren sogar so gut wie keine Wertberichtigungen im Kreditgeschäft erforderlich - ein Novum.

Betriebswirtschaftliche Grundlage für das hohe Engagement der Sparkassen in der

Kreditfinanzierung der Wirtschaft sind zwei Dinge: Erstens eine solide Eigenkapitalausstattung, und zweitens eine gesicherte Refinanzierungsbasis. Mit einer Kernkapitalquote von aktuell 11,5 Prozent erfüllen die baden-württembergischen Sparkassen die aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalanforderungen in ausreichendem Maße. Dank einer guten Ertragsentwicklung in den Krisenjahren konnten die Sparkassen in diesem Bundesland ihr Eigenkapital auch in der jüngsten Vergangenheit stärken.

Dennoch bleibt die kontinuierliche Eigenkapitaldotierung für die Sparkassen eine der entscheidenden Herausforderungen. Nicht nur weil die Sparkassen hier für langfristig betriebswirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen bleiben müssen, da sie aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtsform ihr Eigenkapital nur über selbst erwirtschaftete Gewinne stärken können, sondern weil auch die Regulierungsflut infolge der Krise, etwa mit Basel III, die Anforderungen in diesem Bereich immer weiter nach oben schraubt. Und dies ungeachtet der Tatsache, dass sich gerade das Mittelstandskreditgeschäft als stabilisierender Faktor in der Krise erwiesen hat.

Aus diesem Grundsetzen sich die Sparkassen bei Basel III auch vehement für eine mittelstandsgerechte Ausgestaltung ein, die von der Politik in Deutschland mitgetragen und unterstützt wird. Dadurch konnten in den letzten Monaten entsprechende Fortschritte bei der geplanten Umsetzung von Basel III in europäisches Recht erzielt werden. Eine regulatorische Strangulierung des im Vergleich zum Kapitalmarktgeschäft relativ risikoarmen Mittelstandskreditgeschäfts der Sparkassen wäre fatal für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen und damit für Wachstum und Stabilität der mittelständisch geprägten Wirtschaft. Aus diesem Grund halten die Sparkassen auch eine zentrale europäische Bankenaufsicht nur für die größten systemrelevanten europäischen Banken für sinnvoll, eine Einbeziehung von rein national und regional agierenden Kreditinstituten wie den Sparkassen dagegen für falsch, weil einer europäischen Aufsicht hier die notwendige Marktnähe fehlt.

Neben einer soliden Eigenkapitalausstattung benötigen die Sparkassen als Hauptfinanzierer der Wirtschaft ebenso eine stabile Refinanzierungsbasis, die sie über die umfangreichen Einlagen ihrer Kunden haben. Darüber refinanzieren sich die Sparkassen in bewährter und sicherer Weise. Die baden-württembergischen Sparkassen verfügen derzeit über Kundeneinlagen in Höhe von rund 115 Milliarden Euro bei einem Kreditvolumen von insgesamt 102 Milliarden Euro. Seit Beginn der Finanzkrise im September 2008 konnten die Sparkassen ein Plus von 15 Milliarden Euro verzeichnen. Allein im vergangenen Jahr stiegen die Einlagen um vier Milliarden Euro. Das bis heute anhaltend hohe Einlagenwachstum bei den Sparkassen zeigt eindeutig, dass das Sicherheitsbedürfnis der Kunden durch die Krise stark gewachsen ist. Es bestätigt außerdem das große Vertrauen, welches die Menschen den Sparkassen entgegenbringen.

Preisaggressive Konkurrenz durch Auslandsbanken

Allerdings sehen sich die Sparkassen in letzter Zeit einer zunehmend preisaggressiven Konkurrenz im Einlagengeschäft gegenüber. Infolge der Schuldenkrise in Europa und den Verwerfungen an den Märkten haben sich erhebliche Zinsdivergenzen zwischen den Ländern herausgebildet. Aufgrund des extrem niedrigen Zinsniveaus in Deutsch land sind daher die Kundengelder im deutschen Markt sehr attraktiv, gerade für Banken aus dem Ausland. Denn das Zinsniveau im Einlagengeschäft in Deutschland erlaubt ihnen eine Refinanzierung mit Kundengeldern zu günstigen Konditionen, die weder an den Kapitalmärkten noch in vielen anderen Ländern realisierbar sind.

Wie hoch dieser Anreiz ist, zeigt sich in der Bundesbankstatistik. Sie weist bei Zweigstellen ausländischer Banken von Anfang 2011 bis Mitte 2012 mit 32,7 Milliarden Euro beziehungsweise 80 Prozent einen starken Anstieg von Kundeneinlagen inländischer Nichtbanken auf. Auf der anderen Seite verringerte sich bei diesen Instituten die Kreditvergabe an Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland um gut vier Milliarden Euro respektive knapp neun Prozent auf 43,8 Milliarden Euro, wohingegen die Kredite an ausländische Banken im gleichen Zeitraum mit 28,2 Milliarden Euro um weit über ein Drittel erhöht wurden.

Für die Sparkassen ist das eine schwierige Herausforderung im Markt, der sie nicht mit Kampfkonditionen im Einlagengeschäft begegnen können. Denn erstens ist das Kreditgeschäft der Sparkassen ebenfalls bestimmt durch das niedrige Zinsniveau hierzulande und nicht durch die höheren Zinsen in ausländischen Märkten. Und zweitens sind Sparkassen keine Discounter, sondern Qualitätsanbieter. Für sie stellt sich im Wettbewerb gerade im Einlagengeschäft daher die Aufgabe, das Profil als Qualitätsanbieter mit einem umfassenden Service- und Beratungsangebot zu fairen Preisen noch stärker bei ihren Kunden herauszustellen. Die persönliche Beratung und Betreuung flächendeckend in rund 2 500 Geschäftsstellen durch knapp 36 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Trümpfe der baden-württembergischen Sparkassen. Diese Nähe der Sparkassen zum Kunden kann keiner kopieren.

Hinzu kommt die einzigartige regionale Verwurzelung im Geschäftsmodell der Sparkassen. Es muss in der Beziehung zum Kunden noch klarer kommuniziert werden, dass die Sparkassen Einlagen vor Ort in Kredite vor Ort lenken, aber auch, dass die Ersparnisse der Sparkassenkunden die Investitionen und die Geschäftstätigkeit des Mittelstands finanzieren und damit in vielen Fällen auch den Arbeitsplatz der Sparer sichern helfen. Und bei alledem bieten die Sparkassen mit ihrem funktionierenden Sicherungssystem noch einen optimalen Kundenschutz.

Allerdings droht die aktuelle Diskussion um eine Bankenunion mit einer einheitlichen Einlagensicherung in Europa hier den Wettbewerb regulatorisch so zu verzerren, dass die Unterschiede im Geschäftsmodell aus Sicht der Kunden eingeebnet werden und der Wettbewerb ausschließlich auf den Preis reduziert wird. Gleichzeitig sollen solide Sparkassen als Haftungsmasse in Europa herhalten. Die Konsequenzen daraus wären, dass die Sparkassen ihres krisenerprobten Geschäftsmodells, die Sparkassenkunden des hohen Schutzes ihrer Gelder und der Mittelstand seiner gesicherten Kreditfinanzierung beraubt wären. Dagegen wehren sich die Sparkassen mit allen Mitteln. Denn wer Wachstum und Stabilität in Europa fördern will, darf die Soliden nicht schädigen, zumal die Entwicklung von Baden-Württemberg eindrucksvoll zeigt: Ein wettbewerbsfähiger Mittelstand und stabile Sparkassen als verlässliche Kreditgeber sind die beste Versicherung gegen Krisen.

Peter Schneider , Präsident , Sparkassenverband Baden-Württemberg e.V., Stuttgart
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