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Frage an ... Nils Schmid - Unternehmensfinanzierung in Deutschland: Was kann die Landespolitik leisten?

Die Dynamik der Wirtschaft ist eng mit den Finanzierungsbedingungen verbunden: Gute Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen sind deshalb für die Landesregierung Baden-Württemberg ein zentrales wirtschaftspolitisches Anliegen. Die Unternehmen im Land haben die Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 weitgehend ausgestanden. Sie sind besser durch die Krise gekommen als Unternehmen in anderen Staaten. Die deutsche dezentrale kreditwirtschaftliche Struktur, die zu der mittelständischen Unternehmenskultur passt, hat sich in der Krise einmal mehr bewährt. Dank der unterschiedlichen Geschäftsmodelle verhinderte das deutsche System ein gleichgerichtetes Marktverhalten. Es wirkt als Puffer gegen extreme Entwicklungen auf den Finanzmärkten.

Ausreichend Liquidität für die lokale Klientel

Besonders die regional verankerten Hausbanken waren über ihr Einlagengeschäft in der Lage, ihre lokale Klientel mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Das Gegenbeispiel waren Banken, die im Firmengeschäft zunächst Konditionen-Hopping betrieben, um sich dann in der Krise vorschnell zu verabschieden. Die 53 Sparkassen und 245 Genossenschaftsbanken in Baden-Württemberg haben - im Gegensatz zu den Geschäftsbanken - in den Krisenjahren ihre Kreditvergabe an Unternehmen ausgeweitet. Sie haben sich in der schwierigen Zeit und in der anschließenden Aufschwungphase als verlässliche Finanzierungspartner erwiesen.

Die Fördereinrichtungen des Bundes und der Länder waren in der Krise mit ihren Förderinstrumenten für die Unternehmen ein wichtiges Sicherheitsnetz. Wesentlich waren insbesondere die im Rahmen des "Wirtschaftsfonds Deutschland" beschlossenen Maßnahmen zur besseren Nutzung und Ausweitung des bestehenden inländischen Bürgschaftsinstrumentariums. Dadurch ist die Nachfrage nach Bürgschaften in den Jahren 2009 und 2010 geradezu in die Höhe geschossen. Insgesamt wurden von der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg 2116 im Jahr 2009 und 2533 Bürgschafts- und Garantieübernahmen im Jahr 2010 mit einem Volumen von insgesamt 307 Millionen Euro beziehungsweise 329 Millionen Euro genehmigt. Die höchsten Zahlen seit dem Bestehen der Bürgschaftsbank.

Es ist erfreulich, dass sich seit über einem Jahr das Investitionsklima und auch die Finanzierungsbedingungen bei den Unternehmen deutlich verbessert haben. Die Kreditausleihungen an den inländischen Privatsektor wachsen laut Bundesbank seit Ende 2010 wieder moderat. Die vom Ifo-Institut erhobene Kredithürde verharrt trotz leichtem Anstieg in den vergangenen Monaten - auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Ein ähnliches Bild ergibt sich aus der Betrachtung des Kreditneugeschäfts im KfW-Kreditmarktausblick. Die Kreditvergabekonditionen für Unternehmen verschlechtern sich demnach bislang nur moderat, sodass die KfW von einer weiterhin guten Lage am Unternehmenskreditmarkt ausgeht.

Formelle Mitwirkungsrechte über Bundesrat und informelle Wege

Allerdings sollten wir uns nicht in allzu großer Sicherheit wiegen. Die Schuldenkrise einiger europäischer Länder und die anstehenden Reformen in der Banken- und Versicherungsregulierung bergen gerade für die mittelständischen Unternehmen erhebliche Finanzierungsrisiken. Es ist nicht auszuschließen, dass es infolge der Staatsschuldenkrise zu einem weiteren Abschreibungsbedarf im Bankensektor kommt. Trifft die hieraus resultierende Schwächung der Eigenkapitalposition der Banken gleichzeitig auf regulatorisch bedingt höhere Anforderungen an die Eigenkapitalunterlegung, so ist zu befürchten, dass die Institute ihr Kreditangebot stärker zurückfahren als es bei einem "gesunden" Bankensystem zu erwarten wäre.

Ein Beitrag der Landespolitik liegt in ihrer Mitwirkung bei der Formulierung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmensfinanzierung. Bei europäischen Vorhaben stehen der Landesregierung neben den formellen Mitwirkungsrechten über den Bundesrat informelle Wege offen. Dies sind zum einen die Beratungen mit dem Bund auf bilateraler Ebene oder im Rahmen der Konferenzen der Finanz- und Wirtschaftsminister, deren Ergebnis in Brüssel in die Arbeit der Ratsarbeitsgruppen und damit unmittelbar in die Rechtsetzung Eingang finden. Und es sind zum anderen die Kontakte zu Abgeordneten und Fraktionen des Europäischen Parlaments, die ebenfalls Eingang in die Rechtsetzung finden.

Vorschläge zur Umsetzung von Basel III

Eine bessere Regulierung der Finanzmärkte ist unabdingbar. Deshalb steht die Landesregierung von Baden-Württemberg hinter der durch Basel III verfolgten Zielsetzung, eine möglichst krisenresistente und nachhaltige Finanzwirtschaft zu schaffen. Allerdings müssen wir als Land des Mittelstandes bei der Umsetzung darauf achten, dass die neuen aufsichtlichen Regelungen nicht zulasten der Mittelstandsfinanzierung gehen. Vor diesem Hintergrund hat Baden-Württemberg nachstehende Vorschläge zur Umsetzung von Basel III in die Wirtschaftsministerkonferenz und den Bundesrat eingebracht.

Einführung von differenzierten Regelungen für kleine und mittlere Kreditinstitute bei der Eigenkapitalunterlegung. Es ist nicht einsichtig, warum für die Mittelstandskredite künftig 30 Prozent mehr Eigenkapital vorgehalten und damit die Kreditkosten verteuert werden sollen. Nicht die regionalen Banken mit ihrem traditionellen Mittelstandskreditgeschäft haben die Krise ausgelöst, sondern komplizierte Verbriefungen mit bestem Rating der großen international tätigen Institute.

Die European Banking Authority (EBA) mit Sitz in London sollte sich auf die Beaufsichtigung der international tätigen Großbanken konzentrieren. Die Aufsicht über die kleinen und mittleren Institute muss dagegen bei den nationalen Aufsichtsbehörden verbleiben. Die Anwendung vieler der bei Großbanken sinnvoller Regelungen führt bei regional geführten Instituten mit ihrer Ausrichtung auf das Kundengeschäft zu Überforderungen.

Kleine und mittlere Banken sollten von der geplanten Verschuldungsobergrenze (Leverage Ratio) ausgenommen werden, die das Geschäftsvolumen von jeder Risikobetrachtung ausnimmt und damit indirekt risikoreiche Aktivitäten belohnt. Dadurch besteht die konkrete Gefahr, dass traditionelle und solide Geschäftsmodelle risikoarmer Kreditvergabe (unter anderem Mittelstandskredite, Kommunalkredite und Pfandbriefe) überproportional benachteiligt werden. Dies würde den Mittelstand und die Kommunen als typische Schuldner kleiner und mittlerer Banken ungebührlich hart treffen.

Ebenso sollten kleine und mittlere Banken von den langfristigen Liquiditätsstandards (Net Stable Funding Ratio) ausgenommen werden. Diese neuen Anforderungen stellen die Fristentransformation von kurzfristigen Einlagen in langfristige Kredite und damit das Kerngeschäft der Sparkassen, Genossenschaftsbanken und kundenorientierten Geschäftsbanken sowie unsere langfristig ausgerichtete Finanzierungskultur in Frage.

Regulierung des Schattenbanksystems

Über Basel III hinaus müssen wir uns aber auch möglichst rasch mit der Regulierung des Schattenbanksystems beschäftigen. Es kann nicht sein, dass Finanzmarktakteure Geschäftstätigkeiten in nicht oder wenig regulierte Bereiche auslagern.

Die Unternehmensfinanzierung befindet sich in einem ständigen Wandel, der besonders vom Mittelstand große Anstrengungen verlangt. Künftig sollten Unternehmen in der Finanzierung diversifizieren. Aber auch kapitalmarktnahe Finanzierungsformen, wie Schuldscheindarlehen, Anleihen, Genussrechte bis hin zu Private Equity sollten bei den größeren Mittelständlern an Bedeutung gewinnen. Es wird zunehmend darauf ankommen, bei einer komplexer werdenden Unternehmensfinanzierung die richtige Kombination mehrerer Finanzierungsangebote zu finden.

Eine große Herausforderung wird in den nächsten beiden Jahren die Refinanzierung fällig werdender Tranchen eigenkapitalähnlicher Finanzierungsformen (sogenanntes Standard Mezzanine) werden. Nach wie vor stehen Unternehmen vor dem Problem, dass sie die ab 2012 fälligen Papiere nicht zurückzahlen können, weil sie von der Krise noch zu geschwächt sind. Aus meiner Sicht ist es zuerst eine Aufgabe der privaten Finanzwirtschaft tragbare Anschlussfinanzierungen bereitzustellen. Verlässlichkeit, Fair Play und Verantwortungsbewusstsein sollten zentrale Grundlage ihrer Partnerschaft mit Unternehmen sein.

Neue Finanzierungskonzepte erwünscht

Die aktuellen Herausforderungen erfordern auch neue Finanzierungskonzepte. Die Bedeutung der Unternehmensanleihen als attraktives Finanzierungsinstrument hat zuerst die Börse Stuttgart erkannt. Sie hat im Mai 2010 mit Bond-M ein neues Handelssegment für mittelständische Unternehmensanleihen vorgestellt. Bond-M versteht sich als eine Plattform für Emittenten aus Industrie und industrienahen Bereichen, die Anleihen in einem Volumen von 25 bis rund 150 Millionen Euro begeben möchte. Bislang konnten 20 Unternehmen mit einem Anleihevolumen von rund 1,5 Milliarden Euro finanziert werden. Mit Bond-M hat die Börse Stuttgart erneut ihre Innovationskraft unter Beweis gestellt.

Die Finanzierung unserer dynamischen mittelständischen Wirtschaft in Baden-Württemberg kann nur gelingen, wenn neben den Unternehmen auch die Kreditinstitute und die Fördereinrichtungen ein hohes Maß an Anpassungsbereitschaft einbringen. Die Banken und Sparkassen in Baden-Württemberg haben wiederholt versichert, dass sie den mittelständischen Unternehmen auch in Zukunft als verlässliche und leistungsfähige Finanzierungspartner zur Seite stehen. Aus meiner Sicht folgt diese Haltung nicht nur aus gesamtwirtschaftlicher Verantwortung, sie liegt auch im ureigenen geschäftlichen Interesse der Banken und Sparkassen. Sie sind und bleiben die wichtigsten Financiers des Mittelstandes.

Ihnen zur Seite stehen mit der Landeskreditbank Baden-Württemberg, der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg und der MBG Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg die größten und leistungsstärksten Institute ihrer Art in Deutschland. Vor diesem Hintergrund bin ich optimistisch, dass die notwendigen strukturellen Anpassungsprozesse besonders auch in Baden-Württemberg zum Erfolg führen werden.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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