Aufsätze

Bedeutung ausländischer Kapitalmärkte zur Refinanzierung der Landesbanken

Jörg Huber, Head of Funding & Investor Relations, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Stuttgart Ausländische Kapitalmärkte hatten vor Ausbruch der Finanzmarktkrise eine große Bedeutung für die Refinanzierung der deutschen Landesbanken. Die Turbulenzen im Zuge der Pleite der Lehman Brothers haben dann die Emissionsmärkte für alle Banken fast vollständig ausgetrocknet. Nach einer Anpassungsphase in den vergangenen Jahren erwartet der Autor für die Zukunft nun aber wieder eine eher zunehmende Bedeutung, weil er bei Kreditinstituten wie bei Investoren stärkere Bestrebungen in Richtung Diversifizierung registriert. Aus dem Blickwinkel der Landesbanken unterscheidet er zwischen dem ungedeckten und dem gedeckten Bereich. Während er Ersterem durch die Einbindung in die S-Finanzgruppe zumindest im Inland noch eine gewisse Bedeutung zuschreibt, rechnet er bei Letzterem auch an ausländischen Kapitalmärkten wieder mit einer wachsenden Bedeutung. Diese sieht er keineswegs nur auf die Pfandbriefmärkte beschränkt, sondern er baut auch auf andere Instrumente wie etwa eine Begebung von Nachrangkapital in einer anderen Währung. (Red.) In der Vergangenheit hatten die ausländischen Kapitalmärkte eine hohe Bedeutung für die Refinanzierung der Landesbanken. Durch den Wegfall der Staatsgarantien im Jahr 2005 sowie den Ausbruch der Finanzmarktkrise im Sommer 2007 hat sich das Bild stark verändert. Zeitweise kamen die Märkte für Neuemissionen wochenlang zum Erliegen, bevor es den Zentralbanken mit Hilfe verbaler Interventionen (unter anderem die Rede des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi im Sommer 2012) und spezieller Liquiditätsbeziehungsweise Refinanzierungsprogramme (zum Beispiel LTRO Long Term Refinancing Operation der EZB) gelang, die Finanzmärkte wieder zu öffnen. Auch einige Landesbanken waren von der Finanzkrise schwer betroffen, zum Teil so stark, dass Institute von ihren Eigentümern gestützt werden mussten. Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich der Landesbankensektor ausdifferenziert, und es wurden Geschäftsmodelle mit zum Teil ganz unterschiedlichen Schwerpunkten implementiert. Gezielte Diversifizierung der Investorenbasis Gemeinsam ist all diesen Geschäftsmodellen, dass die ausländischen Kapitalmärkte nach wie vor von Bedeutung für die Refinanzierung der Landesbanken sind. So wird etwa die Notwendigkeit größer, bestimmte Geschäfte, die in US-Dollar abgewickelt werden, in US-Dollar zu refinanzieren. Auch die Begleitung mittelständischer Unternehmenskunden ins Ausland erfordert beispielsweise Exportfinanzierungen in Fremdwährung. Zudem bietet die Refinanzierung über ausländische Kapitalmärkte den Landesbanken die Möglichkeit, ihre Investorenbasis gezielt zu diversifizieren, ihre Produktpalette zu verbreitern (etwa durch die Emission von US-Dollar-Anleihen) und sich zusätzliche Märkte zu erschließen (zum Beispiel durch die Begebung von Nachrangkapital in Schweizer Franken bei Schweizer Kunden oder in US-Dollar in Asien). Bis 2005 unterlagen die Landesbanken der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Diese beiden Unterstützungsmechanismen stellen die Verpflichtung des Trägers dar, seine Anstalt mit den zur Aufgabenerfüllung nötigen finanziellen Mitteln auszustatten und funktionsfähig zu erhalten (Anstaltslast) beziehungsweise subsidiär für ihre Verbindlichkeiten zu haften (Gewährträgerhaftung). Damit waren die Landesbanken insolvenzunfähig, was zu hervorragenden Bonitätsbewertungen durch die Ratingagenturen führte. Bereits Anfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verfügten die ersten Landesbanken über Ratings. Die Südwestdeutsche Landesbank beispielsweise, ein Vorgängerinstitut der Landesbank Baden-Württemberg, unterzeichnete schon im April 1992 einen Ratingvertrag mit Moody's Investors Service. Emissionen über Investmentbanken Bis Anfang der neunziger Jahre war das Ausland für die Refinanzierung deutscher Landesbanken relativ unbedeutend. Mit der zunehmenden Globalisierung und den damit einhergehenden Möglichkeiten international als Kreditgeber aufzutreten, wurden auch ausländische Kapitalmärkte als Refinanzierungsquelle attraktiver. Durch die genannten Sicherheitsmechanismen Gewährträgerhaftung und Anstaltslast war es für die deutschen Landesbanken einfach, ein Top-Rating von allen Ratingagenturen zu erhalten. Dadurch war der Zugang zu den Refinanzierungsmärkten weltweit geöffnet und aufgrund der von den Ratingagenturen bescheinigten, hohen Bonität waren beste Refinanzierungskonditionen gegeben. Aufgrund dieser hervorragenden Ratings und da oftmals internationale Emissionen zu günstigeren Sätzen begeben werden konnten als vergleichbare Inlandsemissionen, emittierten die Landesbanken in den Folgejahren sehr hohe Volumina an den ausländischen Kapitalmärkten. Diese Emissionen wurden zum Großteil über international agierende Investmentbanken (sogenannte Intermediäre) begeben. Die Nachfrage der internationalen Investoren war hoch, da die Preise für AAA geratete Wertpapiere aus Deutschland im Vergleich zu anderen internationalen AAA-Emittenten günstig waren. Im Juli 2003 wurde die Gewährträgerhaftung abgeschafft und die Anstaltslast wurde durch eine normale wirtschaftliche Eigentümerbeziehung gemäß marktwirtschaftlichen Grundsätzen ersetzt. Außerdem wurde eine bis Mitte 2005 laufende Übergangsregelung vereinbart. Einige Landesbanken nutzten die Übergangsregelung intensiv, um sich an den ausländischen Kapitalmärkten günstig mit Refinanzierungsmitteln einzudecken (sogenanntes Pre-Funding). Exkurs: Pfandbriefe Um weiterhin den gewonnenen ausländischen Investoren AAA geratete Emissionen anbieten zu können, wurden verstärkt Pfandbriefe in Benchmarkformat aufgelegt. Pfandbriefe stellen einen Sonderfall bei der internationalen Refinanzierung der Landesbanken dar. Der Pfandbriefmarkt ist einer der größten Märkte für festverzinsliche Wertpapiere in Deutschland mit einem gesamten Pfandbriefumlauf von zirka 525 Milliarden Euro im Jahr 2012.1) Die Landesbanken spielen traditionell eine bedeutende Rolle am Pfandbriefmarkt und gehören - speziell bei den öffentlichen Pfandbriefen - zu den größten Emittenten. Ein wesentlicher Teil der Pfandbriefemissionen liegt bei internationalen Investoren, und nach wie vor begeben die Landesbanken regelmäßig (Jumbo-)Pfandbriefe an den internationalen Kapitalmärkten. Beispielsweise hat die LBBW in den vergangenen Jahren mehrere Pfandbriefe in US-Dollar in Form von Privatplatzierungen und syndizierten Transaktionen bei internationalen Investoren platziert. Zudem gelang der Norddeutschen Landesbank (Nord-LB) kürzlich die erfolgreiche Begebung ihres zweiten US-Dollar-Jumbo-Pfandbriefs. Die Finanzmarktkrise nahm ihren Anfang im Sommer 2007 in den USA. Der überhitzte US-Immobilienmarkt war durch Spekulationen aufgebläht. Das Platzen dieser Immobilienblase und die damit verbundenen Schwierigkeiten im Interbankenmarkt brachten weltweit Banken und Finanzdienstleister in Bedrängnis und übertrugen sich schließlich auf die Realwirtschaft. Einen Höhepunkt erreichte die Krise im September 2008 mit der Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers und dem darauf folgenden Zusammenbruch des Interbankenmarktes. Auch die seit Herbst 2009 schwelende Staatsschuldenkrise im Euroraum gilt als Folge der Finanzmarktkrise. An Deutschland ging die Finanzmarktkrise ebenfalls nicht spurlos vorüber. Dabei kam es zu Bankenrettungen und staatlichen Stützungsmaßnahmen. Mit dem Ausbruch der Finanzmarktkrise kam es zeitweilig zum nahezu vollständigen Erliegen der Emissionsmärkte für Banken. So ist beispielsweise der Verbriefungsmarkt auch heute noch weit von seinem Vorkrisenniveau entfernt. Schließlich gelang es den Zentralbanken mit Hilfe verbaler Interventionen sowie spezieller Liquiditäts- und Refinanzierungsprogramme die Märkte wieder zu öffnen und dadurch Banken und Unternehmen die Refinanzierung zu erleichtern. Auch für gedeckte Emissionen startete die EZB zwei Aufkaufprogramme, obwohl sich insbesondere der deutsche Pfandbriefmarkt als relativ krisenresistent erwies. So gelang es der LBBW bereits Anfang Februar 2009 - also nur knapp fünf Monate nach der Insolvenz der Lehman Brothers - den Jumbo-Pfandbrief-Markt wieder zu öffnen. Bei der Begebung belief sich der Anteil der ausländischen Orders auf nahezu 30 Prozent, was im Hinblick auf das damalige schwierige Marktumfeld als sehr positiv zu werten war. Derzeit ist der Landesbankensektor weiter in einem länger andauernden Konsolidierungsprozess.2) Die vergangenen Jahre haben die Landesbanken konsequent zur Neuausrichtung ihrer Geschäftsmodelle genutzt. Dabei wurden auch Bilanzsummen verringert und Garantiemechanismen zur Risikoabschirmung implementiert. Renationalisierung der Kapitalmärkte Die im Zuge der Finanzmarktkrise entstandene Renationalisierung der Kapitalmärkte dauert - bedingt durch den laufenden Deleverage-Prozess bei vielen Banken - nach wie vor an. Daher ist die Bedeutung der ausländischen Kapitalmärkte für die Refinanzierung der Landesbanken im ungedeckten Bereich derzeit eher gering. Hier refinanzieren sich die Landesbanken nahezu ausschließlich im Inland bei Privatund Unternehmenskunden. Sie profitieren dabei von ihrer stabilen Einbettung in die Sparkassen-Finanzgruppe, die ihnen den Zugang zum Retailmarkt öffnet. Darüber hinaus gibt es auch Landesbanken, wie die LBBW, die über eigenes Privatkundengeschäft verfügen. Im gedeckten Bereich, also im Pfandbrief-Markt, sind die Landesbanken hingegen nach wie vor im Ausland diversifiziert. In diesem Marktsegment besteht eine breite, relativ stabile Investorenbasis, die gezielt gepflegt wird. Auch im kurzfristigen Geldmarktgeschäft sind Landesbanken international nach wie vor gut vertreten. Das anstehende Ende der Übergangsfrist für den Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung am 31. Dezember 2015 kommt für die Landesbanken nicht überraschend. Sie konnten sich auf diesen Termin vorbereiten wie die Neuausrichtung beziehungsweise Anpassung der Geschäftsmodelle zeigt. Darüber hinaus stellt die weitgehend kongruente Refinanzierung für das Neugeschäft sicher, dass fälligen Wertpapieren auch fällige Aktiva gegenüberstehen. Zudem spielt die in manchen Häusern durch das Pre-Funding entstandene Inkongruenz in 2015 in der Regel keine große Rolle. Zwar haben diese Verbindlichkeiten sehr attraktive Einstandssätze, aber die Wertpapiere wurden nahezu ausschließlich dazu verwendet, Aktiva zu refinanzieren, die vor 2015 auslaufen. Daher besteht kein Refinanzierungsrisiko, und das Wiederanlagerisiko ist durch günstige Refinanzierungssätze abgemildert. Der Wegfall der Staatsgarantien hat sogar einen positiven Nebeneffekt. Die Landesbanken waren in den vergangenen Jahren gezwungen, eine eigene Salesforce für den internationalen Vertrieb aufzubauen. Früher war der internationale Vertrieb vollständig von Intermediären abhängig, heute sind die Landesbanken in stärkerem Maße selbst im Vertrieb in ausländischen Kapitalmärkten aktiv. Künftig wird die Bedeutung der internationalen Kapitalmärkte für die Refinanzierung der Landesbanken wieder zunehmen. Entscheidend hierfür ist, dass die Diversifikation, das heißt die gezielte Verbreiterung der Investorenbasis, und der konsequente Ausbau der Produktpalette immer wichtiger werden. Nur über die systematische Nutzung der ausländischen Kapitalmärkte lässt sich eine Marktsegmentierung erzielen, um die verschiedenen Marktsegmente sinnvoll zu nutzen. Die Landesbanken können sich auf diese Weise zusätzliche Emissionsmöglichkeiten erschließen. So kann zum Beispiel die Begebung von Nachrangkapital in einer anderen Währung (etwa Schweizer Franken) und/oder einer anderen Weltregion (zum Beispiel US-Dollar-Nachrangemissionen in Asien) unter bestimmten Bedingungen deutlich günstiger sein als eine vergleichbare Inlandsemission oder ein deutlich größeres Emissionsvolumen ermöglichen. Zudem ist eine sinnvolle Erweiterung der Produktpalette bei den Emissionsprodukten nur über internationale Kapitalmärkte darstellbar, zum Beispiel Wandelanleihen zu Bail-in-Zwecken. Auch für Investoren wird das Thema Diversifikation immer wichtiger. Neue regulatorische Anforderungen zwingen die Investoren künftig die Risiken stärker zu streuen und auf einen angemessenen Risiko ausgleich zu achten. Dies sorgt dafür, dass inländische Anleger weiter im Inland diversifizieren, aber auch, dass ausländische Investoren weiterhin Emissionsprodukte von deutschen Emittenten nach fragen. So können beispielsweise auch Landesbanken profitieren, wenn Zentralbanken einen Teil ihrer Währungsreserven in Europa anlegen. Da die Landesbanken zumindest im nationalen Vergleich akzeptable Ratings aufweisen, stellen ihre Emissionen - vor allem Pfandbriefe - eine mögliche Assetklasse für diese Investorengruppe dar. Diversifizierte Investorenbasis pflegen Nicht zuletzt erfordert allein die Tatsache, dass die Landesbanken je nach deren Geschäftsmodell im Ausland aktiv sind, die Möglichkeit einer Refinanzierung an ausländischen Kapitalmärkten. Speziell für eine Landesbank wie die LBBW, die sich auf das mittelständische Unternehmenskundengeschäft fokussiert hat, ist es wichtig, eine international breit diversifizierte Investorenbasis zu pflegen, um im Bedarfsfall in den entsprechenden Marktsegmenten international emissionsfähig zu sein. Die LBBW zum Beispiel stellt ihren Kunden Handels- und Exportfinanzierungen in den gängigen Währungen zur Verfügung. Da diese Forderungen eher kurzfristig sind - in der Regel beträgt die Laufzeit bis zu einem Jahr - werden sie über den Devisenmarkt refinanziert. So hat das Kapitalmarktgeschäft der LBBW seinen Platz eng an der Seite der Firmenkunden, wie es auch in einem Vortrag von der Deutschen Bundesbank zur Neuordnung der Landesbanken empfohlen wird.3) Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung der ausländischen Kapitalmärkte für die Refinanzierung der Landesbanken nach wie vor gegeben und dürfte künftig sogar weiter zunehmen. Fußnoten 1) Quelle: vdp (Verband deutscher Pfandbriefbanken). 2) LBBW: Financial Compass, September 2013. 3) Dr. Andreas Dombret: Elemente einer Neuordnung des Landesbankensektors, 6. September 2011.

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