Gespräch des Tages

Britische Banken - Von Nutzen und Schaden

Hat David Cameron mit seiner Blockadehaltung auf dem EU-Gipfel die Banken und Finanzdienstleister seines Landes wirklich auf die sichere Seite gebracht? Davon zeigen sich zumindest die Betroffenen wenig überzeugt, es ist aus den Reihen der großen Banken und Versicherer auffällig ruhig geblieben zum Thema. Die British Bankers Association, der als Branchenverband auch die vier Großbanken HSBC, Barclays, Lloyds und Royal Bank of Scotland angehören, betreibt vorsorglich schon einmal Schadensbegrenzung: Zwar sei es noch zu früh, Schlüsse aus der Politik der britischen Regierung zu ziehen. Man müsse aber sicherstellen, gute und solide Allianzen in der EU zu haben. Überzeugung vom "Fiskal-Veto" sieht anders aus.

Stärker als jedes andere europäische Land ist Großbritannien von seiner Finanzindustrie abhängig. Die britische Fondsmanagementbranche beispielsweise verweist auf Assets von 3,9 Billionen Pfund und deutlich mehr als ein Drittel aller Währungsgeschäfte weltweit werden in der City abgewickelt. Im vergangenen Jahr erzielte die Branche einen Beitrag zum britischen Handelsüberschuss von rund 40 Milliarden Pfund. In den Spitzenjahren stammte eines von acht Pfund an Steuereinnahmen aus der Finanzindustrie, Letztere beschäftigt derzeit weit über eine Million Menschen. Es ist also kein Wunder, dass David Cameron die Interessen von Banken und Finanzdienstleistern zu sichern suchte.

Besonders was die Marktregulierung anbelangt, dürfte einem an der Seite stehenden Großbritannien künftig weniger Einflussmöglichkeiten bleiben. Diesen mühsam erarbeiteten "bargaining chip" hat Cameron verspielt, als er auf ein Zusammenhalten der alliierten Nein-Sager gehofft und für die Protektion des eigenen Finanzsektors zu hoch gepokert hat. Dabei ist die Diskussion um Transaktionssteuern oder Regeln für den Zugang zu Zentralbankliquidität noch lange nicht abgeschlossen. Beides dürfte besonders Interessengruppen wie Investmentbanken, Hedgefonds, Dark Pools oder Algo-Boutiquen, mit denen London gepflastert ist und die einen wichtigen Teil der dortigen Finanzindustrie darstellen, aber ein großer Dorn im Auge sein.

Auch die angedrohte Blockadetaktik bei der etwaigen Nutzung der EU-Institutionen im Rahmen der "17 plus"-Verträge wird in der Realität kaum auf Dauer Bestand haben. Sollte auf der Basis von zukünftigen Regulierungen zudem der Handel von in Euro denominierten Derivaten in die Euro-Mitgliedsländer verlagert werden, könnte die britische Hauptstadt in den Augen US-amerikanischer oder asiatischer Großkonzerne zum europäischen Außenposten verkommen - das Ansehen als größtes Finanzzentrum der Union wäre dann verloren. Ohnehin hat man derzeit mit einigen Interna zu kämpfen. Insbesondere die kontroverse Diskussion um das Selbstverständnis - und die Machtfülle der Bank of England, die zukünftig auch die Finanzaufsicht beherbergt, hat in den vergangenen Monaten für (meist negative) Schlagzeilen gesorgt.

Noch ist - trotz der Blockade des konservativen Premiers - Europa nicht grundlegend entzweit. Und auch auf dem Festland sollte man nicht vergessen, dass "einheimische" Institute durchaus an der einen oder anderen Stelle von den Londoner Möglichkeiten profitieren. Bislang hat das angelsächsische Plädoyer für offene Märkte auf der Insel Europa jedenfalls mehr genutzt als geschadet. Manchmal ausufernder Regulierungswut bot die City mitunter ein nützliches Gegengewicht. Ob Großbritannien diese Rolle auch in Zukunft spielen kann? Wenn nicht, dann hätte das Veto nicht nur denen geschadet, die es hätte schützen sollen.

Übrigens: Den weitaus größten Schaden im Rahmen der Finanzkrise hat die Royal Bank of Scotland mit der rechtlich zweifelhaft durchgeführten und betriebswirtschaftlich katastrophalen Übernahme von weiten Teilen der niederländischen ABN Amro verursacht. Gerade erst hat die britische Finanzaufsichtsbehörde FSA in einem Untersuchungsbericht festgestellt: Hätten die künftigen Basler Vorgaben (Basel III) bereits gegolten, wäre die schottische Bank nicht in der Lage gewesen, überhaupt ein Gebot für den niederländischen Wettbewerber abzugeben. Bei Regulierungsvorhaben, so zeigt diese FSA-Erkenntnis, könnte also auch das Inselland mitunter von (Festland-)europäischen Lösungen profitieren.

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