Gespräch des Tages

Bundesgerichtshof - "Beratungsverschulden" trotz Aufklärung

Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner, Wiesbaden, schreibt der Redaktion: "Ein Urteil des BGH vom 14. Juli 2009 (Aktenzeichen XI 152/08, abgedruckt in ZIP 2009 Seite 1654) öffnet eine bemerkenswerte , Haftungsfalle' für nicht dem Einlagensicherungsfonds des BVDB angeschlossene Banken, deren Verbindlichkeiten gegenüber Kunden nach dem ESAEG nur mit der gesetzlichen Mindestdeckung von 90 Prozent der Anlagesumme und einem Höchstbetrag von 20 000 Euro gesichert sind. Der Sachverhalt: Die in 1995 gegründete und in 2003 von der BaFin geschlossene B.-Bank hatte einer Anlegerin auf deren Wunsch nach einer , sicheren' und , gut verzinslichen' Geldanlage zunächst in 1999 eine, später mehrere weitere Festzinsanlagen (Sparbriefe) im Gesamtbetrag von etwa 81 000 Euro empfohlen und verkauft sowie ein Tagesgeldkonto für sie eröffnet. Im Rahmen der Anlagegespräche hatte die B.-Bank die Anlegerin - auch nach der in dem Urteil ausführlich begründeten Ansicht des BGH - inhaltlich und formal zureichend über die nur beschränkte Einlagensicherung der Geldanlagen aufgeklärt und damit ihre Pflichten aus § 23a Abs. I Satz 2 KWG voll erfüllt.

Über die B.-Bank verhängte die BaFin 2003 ein Moratorium und stellte später den Entschädigungsfall fest. Die Anlegerin erhielt den gesetzlichen Entschädigungsbetrag von 20 000 Euro; ferner zahlte der Insolvenzverwalter der B.-Bank später einen Abschlag von rund 9 300 Euro auf die mit etwa 61 000 Euro anerkannte vertragliche Rückzahlungsforderung. Mit ihrer Klage gegen den Insolvenzverwalter der B.-Bank verlangte die Anlegerin Schadensersatz in Höhe des Ausfalls mit ihrer Einlageforderung, beschränkt auf einen Anspruch gegen das Versicherungsunternehmen, bei der sich die B.-Bank gegen Haftpflichtschäden versichert hatte.

Nachdem das Landgericht der Klage stattgegeben und das OLG sie abgewiesen hatte, kam der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz zum Zuge. Dessen Bankensenat gliederte den Fall rechtlich in zwei Teile: Er stellte in seinem ersten Leitsatz zunächst fest, dass eine Bank ihre (Aufklärungs-)Pflicht nach § 23 Abs.1 Satz 2 KWG erfülle, nämlich ihren Kunden schriftlich in leicht verständlicher Form über die gegebene Sicherungseinrichtung zu informieren, wenn die Information in ihren AGB enthalten sei und sie den Kunden hierauf vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung gesondert hinweise. Die B.-Bank hatte das alles richtig gemacht. Der BGH bestätigte ausdrücklich, dass , auch für einen wirtschaftlich unerfahrenen Kunden hinreichend klar ersichtlich (war), dass bei der ... (B.-Bank) eine umfassende Einlagensicherung nicht gewährleistet war'.

Der unbefangene Leser des Urteils mochte an dieser Stelle erwarten, dass der BGH daher die Schadensersatzklage abweisen wolle. Aber weit gefehlt: Im zweiten Teil des Urteils ließ der BGH die , Haftungsfalle' zuschnappen! Nach Meinung des Senats genüge es nämlich nicht, den Kunden über die eingeschränkte Einlagensicherung in leicht verständlicher Form zu informieren. Vielmehr müsse die Bank, wenn sie aufgrund (konkludenten) Beratungsvertrags einen Kunden berate, der besonderes Interesse an der Nominalsicherheit seiner Geldanlage offenbart habe, schlicht davon absehen, eine Anlage bei ihr selbst zu empfehlen, wenn bei ihr nur die gesetzliche Mindestsicherung nach dem ESAEG bestehe. Wörtlich führte der BGH aus: , Die Empfehlung der ... (B.-Bank) zum Kauf der von ihr selbst emittierten Sparbriefe und zur Anlage eines Tagesgeldkontos ... (ist) nicht anlegergerecht und stellt daher ein zum Schadensersatz verpflichtendes Beratungsverschulden dar'. Und: , Da die ... (B.-Bank) in ihrem eigenen Portfolio über keine , passenden' Anlageprodukte verfügte, hätte sie den Anlagewunsch der Klägerin abweisen müssen; zur Empfehlung von Anlageprodukten anderer Banken war sie nicht verpflichtet'.

Man kann geteilter Meinung sein, ob dieses Ergebnis angemessen und auf alle vergleichbaren Sachverhalte übertragbar ist. Der Übergangsbereich zwischen , Aufklärung' und , Empfehlung' ist vielschichtig und nuancenreich; die Grenze kann schon durch die bedachte oder unbedachte Wortwahl oder den Tonfall des Bankberaters gestreift werden. Hier hatte der Berater der Anlegerin klar und deutlich gemacht, dass sie im Insolvenzfalle nur eine eingeschränkte Einlagensicherung haben werde. Ob der BGH in dieser Situation den Bankberater nicht überfordert, wenn er die Kundin trotz dieser Aufklärung praktisch auch noch an die , Konkurrenz gegenüber' verweisen soll, um die Haftungsfalle für sein Institut abzuwenden?"

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