Gespräch des Tages

Deutsche Börse - Alles bleibt anders

Dass die Deutsche Börse zur Bilanzpressekonferenz nicht wie in den vergangenen Jahren in die Frankfurter Nationalbibliothek, sondern in den Plenarsaal des historischen Börsengebäudes in der Frankfurter Innenstadt geladen hatte, mag mehreren Faktoren geschuldet gewesen sein. Zum einen war man sich vielleicht schon vorab bewusst, dass das Thema Börse per se in Zeiten der Wirtschaftskrise weniger Interessierte umtreibt, als das in den letzten Jahren der Fall war. Mehr als die Markbetreiber steht derzeit wohl das Geschehen an den Börsen im Fokus des öffentlichen Interesses, denn um die großen Börsenorganisationen ist es seit der letzten Konsolidierungswelle, in der Nyse Euronext oder auch Nasdaq OMX geboren wurden, deutlich ruhiger geworden. Zum anderen aber wollte der Frankfurter Handelsplatzbetreiber wohl mit dem "Bekenntnis für Frankfurt" auch einige Wogen glätten, die sich nach dem angekündigten Umzug der Konzernzentrale ins benachbarte Eschborn aufgetan haben. Um sicherzugehen, dass die Nachricht wirklich ankommt, beteuerte das Unternehmen auch gleich in den ersten beiden Eröffnungssätzen seine Hingabe zum Finanzplatz Frankfurt.

Schaut man sich den gegenwärtigen Stand des deutschen Leitindexes an, fühlt man sich tatsächlich in die Vergangenheit versetzt. Von den 10 000 Punkten, die allzu optimistische Banker noch vor gut einem Jahr vorhergesagt hatten, ist nicht viel geblieben. Im Jahresverlauf 2008 und in den ersten Monaten 2009 hat der Dax auf seiner Talfahrt eine "psychologisch wichtige" Grenze nach der anderen unterboten. Zuletzt die von 3 700 Punkten. Trotz aller Bemühungen, das Gegenteil zu zeigen, ist bei der Deutschen Börse, die freilich bei einem ausländischen Aktionärsanteil von 85 Prozent längst keine deutsche Börse mehr ist, heuer nichts mehr "beim Alten". Allein der Blick auf die Geschäftsstruktur macht das deutlich. Längst verdient sie ihr Geld nicht mehr mit dem Aktienhandel, das Geschäft auf dem Parkett der Frankfurter Wertpapierbörse ist ohnehin längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Im vergangenen Jahr hat sich deutlich mehr noch als in den Vorjahren gezeigt, dass der Terminhandel sowie das Clearing und die Verwahrung weitaus gewinnbringender sind.

Dass die Börse diesen Entwicklungen auf der Handelsseite früh mit der Gründung der Eurex und im letzten Jahr mit der Übernahme der US-amerikanischen International Securities Exchange begegnet ist, kommt ihr nun zugute: Mit einem Ebita (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Wertminderungsaufwand für Geschäfts- oder Firmenwert) von fast 600 Millionen Euro hat die zusammen mit der schweizerischen SWX-Gruppe geführte Terminbörse nicht nur ihr eigenes Ergebnis um ein Drittel steigern können, sondern weist auch knapp das Dreifache des Ergebnisses in der Sparte Xetra aus. Kurzum: Ohne den starken Gewinnbeitrag der Eurex hätte die Deutsche Börse für das Krisenjahr 2008 kaum wieder ein "Rekordergebnis" vermelden können (siehe Börsen in diesem Heft für ausführliche Geschäftszahlen).

Aber auch der Handel selbst hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert. Dass im Börsengeschäft des Jahres 2008/2009 nicht, wie das fast schon romantische Bild des Börsenhändlers es braucht, hektisch mit Kurszetteln und mehreren Telefonhörern hantiert wird, ist keine Neuigkeit. Längst hat der Computer diese Utensilien ersetzt. Und sogar der Händler selbst rückt immer stärker in den Hintergrund. Im Rahmen des Algorithmic Trading werden Kaufentscheidungen nicht mehr getroffen, sondern errechnet - und dies schneller, als es der Mensch jemals könnte. Deutlich mehr als 40 Prozent der Xetra-Umsätze kommen bereits auf diese Weise zustande (einen Schwerpunkt zum Thema algorithmischer Handel bringt die Ausgabe Technik - IT für Finanzdienstleister am 15. April dieses Jahres).

Was aber zeigt der Blick auf das laufende Jahr? Neue Rekordergebnisse zumindest werden 2009 nicht zu erreichen sein. Allem Anschein nach aber kratzt das nicht am Selbstvertrauen der Unternehmensführung: Mit einer zum Vorjahr unveränderten Dividende und einem vorerst ausgesetzten Aktienrückkaufprogramm scheut sie zumindest nicht die Konfrontation mit ihren beiden kontroversen Großaktionären, den Hedgefonds TCI und Atticus. Das Unternehmen agiert sichtlich freier, als das noch vor einigen Monaten der Fall war. Dazu gehört auch, dass man sich intensiv mit dem Thema einer eigenen Multilateral Trading Facility (MTF), also einer MiFiD-konformen außerbörslichen Handelsplattform, beschäftigt - bislang hatte man hier immer abgewiegelt. Der Druck in dieser Hinsicht wird jedoch zunehmend größer. Chi-X und Turqouise mögen vielleicht nicht so stark am klassischen Börsengeschäft schaben, dass es für die etablierten Handelsplätze existenzgefährdend werden könnte. Mit ihren Dark Pools aber schaffen sie es, einen Großteil des Over-the-Counter (OTC)-Geschäfts auf sich zu ziehen. Wettbewerber wie Nyse Euronext oder auch die Londoner Börse haben längst eigene Angebote auf den Weg gebracht. Das zeigt, wie notwendig es ist, in Sachen MTF schnell eine Entscheidung zu treffen - gleichgültig ob "make or buy". Andernfalls wird eine Alternativstrategie notwendig sein, um mehr Transaktionen auf die bestehenden Systeme zu ziehen. Eine Senkung der Gebühren würde freilich gleichzeitig die Einnahmen mindern. Und mit einer möglichen Teilveräußerung von Clearstream könnte die Börse ihre (oftmals kritisierten) Strukturen aufweichen, ohne die immer als besonders effizient beworbene Silo-Aufstellung tatsächlich aufzugeben. So ließen sich im Rahmen einer strategischen Partnerschaft neue Kundengruppen und Regionen erschließen. Fest steht, die Börse braucht mehr Geschäft. Niedrigere Gewerbesteuern allein werden zur dauerhaften Stärkung der Erträge jedenfalls nicht ausreichen.

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