Gespräch des Tages

Deutsche Börse - Verbriefte Derivate: Xetra als Köder

Dass sich LSE und Borsa Italiana nun öffentlich zum Stelldichein bekennen, wird in Frankfurt sicherlich keine Feierstimmung verbreitet haben. Denn so langsam wird in Europa die Partnersuche schwierig - beziehungsweise immer teurer. Und ohne eine solide Basis wird der Frankfurter Handelsplatzbetreiber, trotz der vielleicht wenig geliebten Silo-Aufstellung, irgendwann selbst zum Übernahmekandidaten. Schlimmer noch für den hiesigen Finanzplatz, er könnte in der europäischen Bedeutungslosigkeit versinken. Es muss in Europa also Wachstum her, auch wenn es erst einmal kleinere Brötchen sind, die im Frankfurter Stadtteil Hausen gebacken werden können.

Zwei nicht zu vernachlässigende Vorteile hat die größte deutsche Börse gleichwohl auf ihrer Seite. Da wäre zum einen Xetra. Hierzulande ist die elektronische Handelsplattform dem Xontro-System der Regionalbörsen technisch voraus, zumindest bezogen auf die Belange eines europäischen oder gar weltweiten Akteurs. Und international sind gegenwärtig rund 125 Kreditinstitute aus 18 Ländern bereits an die Plattform angeschlossen; über die Börse Wien, die gerade ihren Xetra-Vertrag vorab verlängert hat, ist ein Zugang zu den Wachstumsmärkten im europäischen Osten vorhanden. Dass die Börse ihr Kronjuwel im Rahmen der Gespräche mit der Euronext sogar zugunsten deren Plattform aufgeben wollte, muss im Rückblick schon fast als fahrlässig gewertet werden. Zum anderen hat sie stärker als die namhaften Wettbewerber Nyse Euronext, Nasdaq oder LSE mit dem Aufbau der Eurex zur weltgrößten Terminbörse wichtige Erfahrungen gesammelt im Geschäft jenseits des originären Aktienhandels. Aber auch wie es nicht geht, hat man leidvoll mit deren US-Tochter erfahren müssen.

Da kann es also nicht verwundern, dass sie sich nun mit dem Joint Venture "Deutsche Börse Smart Trading" (zuerst voreilig auf den Namen "Alex" getauft) zusammen mit der SWX Schweizer Börse beides zunutze machen will. Ab Ende April 2008 sollen im Rahmen der Einführung eines neuen Releases der elektronischen Handelsplattform alle an der Frankfurter Wertpapierbörse gelisteten Produkte auf Xetra handelbar sein. Der Clou: Sollten die sich zwecks Aktienhandel bereits angeschlossenen Banken dafür interessieren, können sie einfach die bestehende Infrastruktur nutzen und sich so kostengünstig dem wachsenden Geschäft mit Anlagezertifikaten, Aktienanleihen oder Hebelprodukten zuwenden. Das würde der Börse nicht nur mehr Liquidität zuspielen, sondern auch ausländische Investoren in den deutschen Markt ziehen. Zumindest lautet so die Hoffnung des Frankfurter Handelsplatzbetreibers.

Der Handel mit strukturierten Derivaten könnte sich dabei - ähnlich dem Termingeschäftesegment der Eurex - als lukrative Marktnische herausstellen: Seit Ende 2004 hat sich das Segment allein in Deutschland auf ein Volumen von mehr als 100 Milliarden Euro verdoppelt. Damit scheint der Markt im Vergleich etwa zum Fondshandel zwar fast unbedeutend. Allerdings konnte Letzterer im zurückliegenden Geschäftsjahr nur ein deutlich geringeres Wachstum vorweisen.

Wie aber steht es um die Wettbewerber? Beim Blick auf die Börsenbranche und die Tatsache im Hinterkopf, dass zwei Drittel des europäischen Handels in strukturierten Wertpapieren in Deutschland und der Schweiz stattfinden, ist der "Feind" der Frankfurter schnell ausgemacht. Mit dem Bereich Euwax hat sich die Börse Stuttgart in den letzten Jahren sukzessiv eine durchaus nennenswerte Basis aufgebaut. Und doch hat es die Deutsche Börse, sagt sie, nicht direkt auf den baden-württembergischen Platz abgesehen. Mehr als 70 Prozent des Umsatzes in dem Segment finden nämlich im sogenannten over-the-counter-Markt (OTC) statt. Und genau hier soll Smart Trading hauptsächlich zuschlagen. Dass man Stuttgart dennoch in einigen Jahren überholt haben will, ist Ehrensache. Schließlich kann der Frankfurter Handelsplatzbetreiber keinen anderen Anspruch haben, als Marktführer zu werden, auch in Europa. Um ihre Standfestigkeit zu sichern, muss die Deutsche Börse ihre angekündigte (Teil-)Strategie organischen Wachstums nun auch konsequent durchziehen. Sieht man sich die Geschwindigkeit des Marktes um sie herum an, ist obendrein höchstes Tempo geboten.

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