Aufsätze

Emerging Markets: vom "exotischen Randinvestment" zu einer etablierten Anlageform

Die Suche nach attraktiven Renditen treibt viele Anleger neuen Zielen zu. Die Investition in Aktien aus den Emerging Markets hat sich bereits seit Längerem auch im privaten Anlagebereich als "Beimischung" etabliert. Für Investoren, die ihre Aktienquote nicht erhöhen wollen oder können, wie etwa Versicherungen oder Pensionskassen, rücken nun auch die Anleihen aus den Schwellenländern in den Fokus.

Weiterhin Aufholpotenzial

Schwellenländer sind Staaten, die traditionell noch zu den Entwicklungsländern zu zählen sind, aber bereits aus ihrer eigenen Dynamik heraus beachtliche wirtschaftliche Fortschritte erzielt haben. Die Wachstumsaussichten für diese Länder sind vielversprechend und dürften die der Hartwährungsländer langfristig deutlich übertreffen. Ein Investment in den Emerging Markets bietet auf lange Sicht gleich mehrere Ertragschancen: attraktivere Renditen und höheres Kurspotenzial gegenüber vergleichbaren Anlagen von Industriestaaten und Chancen aus der Aufwertung der Währungen. Der Konvergenzprozess - also der Aufhol- und Integrationsprozess zu den "etablierten Industriestaaten" - ist trotz der bisher erzielten Erfolge noch lange nicht beendet. Dennoch besteht im Hinblick auf Lebensstandard, Preisniveau, Pro-Kopf-Einkommen, Arbeitsproduktivität und das wirtschaftliche Know-how weiterhin Aufholpotenzial.

Schon das Stichwort "Infrastrukturinvestitionen" lässt erahnen wie viel Entwicklungspotenzial noch in den Emerging Markets schlummert. Das Aufholpotenzial spiegelt sich in den Wachstumsprognosen wider: Während der Internationale Währungsfonds für die Industrieländer trotz der Erholungsphase nach der Finanzkrise Wachstumsraten unter drei Prozent für den Zeitraum 2010/2011 erwartet, wird ein Großteil der Schwellenländer Wachstumsraten über drei Prozent, in Asien und einem Teil von Afrika voraussichtlich sogar über fünf Prozent erwirtschaften. Auch in der längerfristigen Prognose bis 2015 werden die Schwellenländer ihren Wachstumsvorsprung von etwa vier Prozent - der auch in der Finanzkrise gehalten werden konnte - gegenüber den Industrienationen verteidigen können.

Allein die Diskrepanz zwischen dem Anteil an der Weltbevölkerung und dem bisher durch die Schwellenländer erwirtschafteten Beitrag zum weltweiten Bruttosozialprodukt spricht langfristig für ein enormes Aufholpotenzial (Abbildung 1). Betrachtet man noch die Abweichung zwischen dem Anteil der Schwellenländer am weltweiten Bruttosozialprodukt und der aktuellen Marktkapitalisierung zeigt sich, dass auch hier eine Lücke zu schließen ist, wenn sich mit zunehmender wirtschaftlicher Konvergenz auch die Finanzierungsstrukturen an die der Industrieländer angleichen. Das Angebot attraktiver Anlageinstrumente aus den Emerging Markets wird deshalb steigen. Allerdings wird auch die Nachfrage zunehmen. Denn der Anteil am Bruttosozialprodukt ist zugleich ein guter Allokationsmaßstab für ein nach einem "All-Country"-Ansatz gemanagtes globales Portfolio.

Geringerer Verschuldungsgrad

Die Schwellenländer sind erstaunlich gut durch die Finanzkrise gekommen. Die Begründung, das Bankensystem der Schwellenländer sei eben deshalb quasi ungeschoren davongekommen, weil es schlichtweg mangels Masse nicht an der Verbriefung fragwürdiger Kredite beteiligt war, lässt den wesentlichen Punkt außer Acht: Fakt ist, dass sowohl die Verbraucher wie auch die Staaten auch vor der Finanzkrise eine deutlich geringere Verschuldungsquote hatten (Abbildung 2).

Während davon auszugehen ist, dass die Staatsverschuldung der Industrieländer befeuert durch die Kosten der Finanzkrise weiter ansteigt, wird in den Schwellenländern mit einer weitgehenden Stabilisierung der Verschuldungsquote auf einem relativ niedrigen Niveau von rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gerechnet. Demgegenüber ist die 100-Prozent-Marke bei den Industrieländern bereits deutlich überschritten. Diese Verbesserung der Positionierung der Schwellenländer im globalen Vergleich hat am Kapitalmarkt bereits sein Pendant gefunden. Die durchschnittlichen Bonitätsbewertungen von Anleihen, die von Emittenten aus Schwellenländern in Hartwährung begeben wurden, haben sich im Laufe der letzten zehn Jahre bis auf das Investment-Grade-Niveau verbessert. Diese Entwicklung galt insbesondere für Anleihen, die das individuelle lokale Wechselkursrisiko für den Anleger ausgeschlossen haben. Richtet man nun sein Augenmerk auf die inzwischen enorm gestiegenen Devisenreserven, die sich bei den Notenbanken der Schwellenländer angesammelt haben, hat das Verlustrisiko aus Fremdwährungspositionen nicht nur abgenommen, sondern es bestehen vermehrt auch Aufwertungschancen, die aktiv genutzt werden können. Folglich ist damit zu rechnen, dass sich der Prozess der Ratingverbesserung auch bei den Anleihen, die von den Schwellenländern in Landeswährung begeben werden (sogenannte Local Emerging Market Debt) wiederholt.

Bessere Bedingungen für privatwirtschaftliche Altersvorsorge

Schon jetzt lässt sich feststellen, dass sowohl das Handelsvolumen als auch das Emissionsvolumen in Lokalwährungsanleihen im Anleihensegment Schwellenländer die Volumina von Hartwährungsanleihen deutlich übertreffen. Schätzungen zufolge sind bereits 85 Prozent der ausstehenden Volumina öffentlicher wie auch privater Emittenten in der jeweiligen Lokalwährung begeben worden.

Damit offenbart sich ein struktureller Wandel, der auf der Nachfrageseite seine Entsprechung findet. Mit zunehmender Wirtschaftskraft steigt innerhalb der sich entwickelnden Gesellschaften die Möglichkeit, eine privatwirtschaftliche Altersvorsorge aufzubauen. Bei zunehmender Geldwertstabilität und damit einhergehendem Aufwertungspotenzial steigt auch die Bereitschaft privater und professioneller inländischer Anleger, am lokalen Kapitalmarkt zu investieren. Hinzu kommt der zunehmende Strom ausländischer Gelder. Denn die relativ niedrigen Renditen beziehungsweise Gewinnaussichten in den Industrieländern zwingen professionelle Anleger dazu, Alternativen zu suchen. Die Struktur der Investoren hat sich verändert und damit an Qualität gewonnen. Die Schwellenländerbörsen werden nicht mehr nur durch kurzfristige Glückssucher geprägt, sondern vermehrt durch langfristig orientierte Anleger. Dies erhöht tendenziell die Marktliquidität und dürfte die Marktschwankungen enger werden lassen.

Die positiven Aussichten für die Wirtschaften der Schwellenländer haben sich sowohl bei den Aktien als auch bei festverzinslichen Anlagen in einer gegenüber Euro-Anlagen überdurchschnittlichen Wertentwicklung niedergeschlagen. Trotz der rasanten Wertentwicklung der vergangenen Monate bleibt noch weiteres Potenzial, das durch erfahrene Fondsmanager genutzt werden kann. Im Hinblick auf die verbesserte Chance-Risiko-Bilanz und den Diversifikationsaspekt zu den etablierten Märkten ist eine wirklich global aufgestellte Anlagestrategie empfehlenswert.

Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die Einzelengagements - sowohl auf der Aktien- wie auch auf der Rentenseite - einer intensiven Überprüfung und laufenden Beobachtung unterzogen werden müssen. Für den privaten Investor ist es häufig schwierig alles im Blick zu behalten. Deshalb sind Investmentfonds eine gute Alternative, um an der gezielten Auswahl werthaltiger Investments zu partizipieren. Dabei sollte der Anlageschwerpunkt geprüft werden. Denn so populär und werbewirksam "BRIC"-Fonds (Brasilien, Russland, Indien und China) und deren Varianten auch sind - regionale Klumpenrisiken vermeidet man am besten mit einer breiten geografischen Streuung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich bei dem wirtschaftlichen und strukturellen Aufstieg der Emerging Markets um einen der globalen Megatrends des 21. Jahrhunderts handelt, bei dem der bei Weitem größte Teil des Weges noch nicht beschritten - und somit großes Potenzial noch nicht gehoben ist.

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