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Emerging Markets - von Renditechancen rund um den Globus profitieren

Die Welt wandelt sich: Während viele Industriestaaten mit Überschuldung und Strukturproblemen zu kämpfen haben, präsentieren sich die Emerging Markets in neuer Stärke. Auch Investoren können davon profitieren. Steigende Wachstumszahlen, eine vorteilhafte Demografie und solide Staatshaushalte bieten gute Renditechancen - bei immer besser einschätzbaren Risiken.

Rückzug auf Vertrautes

Infolge der Ereignisse um den Zusammenbruch von Lehman im Jahr 2008 war zu beobachten, dass sich zahlreiche Anleger auf Vertrautes zurückgezogen haben: Der Großteil der investierten Gelder floss seit Herbst 2008 in heimatnahe oder vertraute Regionen wie Deutschland, Europa und die USA. Gegenwärtig - und auch zukünftig - könnte dies von Nachteil sein. Als Resultat der Finanzkrise stehen Industrienationen heute vielerorts statt für Rendite und Wachstum für negative Szenarien: Überalterung, Schuldenkrise und Strukturprobleme - diese Schlagworte lassen institutionelle Anleger jenseits der Industrienationen nach neuen Chancen suchen.

Im Kontext unterschiedlich verlaufender Erholungsprozesse nach der Krise rücken seit geraumer Zeit verstärkt die Emerging Markets in den Blick: Während sich die US-Wirtschaft rund zwei Jahre nach dem Ende der großen Rezession noch immer nicht erholt hat und sich die Eurozone in einer Schuldenkrise befindet, können die Schwellenländer weiterhin mit starken Wirtschaftsdaten überzeugen. Die dynamischen Regionen rund um den Globus - von China über Indien und Brasilien, bis hin zu Thailand, Vietnam und Türkei - zeigen beträchtliche Wachstumsraten. Zum Beispiel die Länder Südamerikas: Auf dem April-Treffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) machte José De Gregorio, Präsident der chilenischen Zentralbank, auf die positiven Entwicklungen in Chile, Paraguay oder Peru aufmerksam. So überschritt das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von Paraguay im Jahr 2010 die Marke von 15 Prozent - das sei laut De Gregorio die beste wirtschaftliche Performance Paraguays seit den fünfziger Jahren und eine der höchsten Wachstumsraten der Welt.

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine Verschiebung in den Gewichten der Weltwirtschaft ab: Bereits 2012 könnten die Schwellenländer gemeinsam rund die Hälfte zum weltweiten Bruttosozialprodukt beitragen (Abbildung). Die Juni-Prognosen des IWF offenbaren die Schere zwischen den Emerging Markets und den Industrienationen. Liegt das erwartete Wachstum für 2012 für Letztere bei 2,6 Prozent, könnten Schwellen- und Entwicklungsmärkte mit 6,4 Prozent mehr als doppelt so stark wachsen. Gerade China setzt seit Ende der siebziger Jahre auf zunehmende internationale Wirtschaftsverflechtung und erzielt damit seine beeindruckenden wirtschaftlichen Wachstumsraten.

Einer Studie der HSBC zufolge wird die Weltwirtschaft durch das rasante Wachstum einen Wandel mit seismischen Ausmaßen erleben.1) Die Experten haben die 30 größten Volkswirtschaften untersucht und nach der Größe des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2050 geordnet. Das Ergebnis: Gemeinsam werden sich die heute noch als "emerging" beziehungsweise "aufstrebend" eingestuften Volkswirtschaften innerhalb der nächsten 40 Jahre in ihrer gesamten Wirtschaftsleistung verfünffachen. Das größte BIP wird den Prognosen zufolge China erwirtschaften, sodass die Volksrepublik die USA auf den zweiten Platz verweisen wird.

Konsum und Altersstrukturen

Für Kapitalanleger bieten die Schwellenländer gute Renditechancen bei immer besser einschätzbaren Risiken. Denn die Emerging Markets überzeugen insbesondere durch fünf Faktoren: wachsende Konsumausgaben, vorteilhafte Demografie, Infrastrukturausbau, Rohstoffreichtum und geringe Staatsverschuldung. Längst haben die Emerging Markets vielerorts ihre infolge der Wirtschaftskrise gesunkenen Exportraten durch das starke Wachsen ihrer Heimatmärkte überkompensiert. Dem liegt der grundsätzliche Nachholbedarf in Schwellenländern zugrunde - sei es bei Luxusmarken oder im Straßenbau. Zudem wächst die kaufkräftige Mittelschicht. Gehörten 2005 rund 400 Millionen Menschen aus Schwellenländern der globalen Mittelschicht an, werden es Expertenmeinungen nach im Jahr 2030 geschätzt mehr als doppelt so viele sein - also über eine Milliarde.

China ist ein besonders anschauliches Beispiel dafür: Die Inlandsnachfrage, insbesondere durch die aufstrebende Mittelklasse verursacht, steigt. Zugleich erhöhen sich die Löhne, was zu einer Anhebung der Kaufkraft der heimischen Arbeiter führt und den Konsum steigert. Daher sind die Experten überzeugt, dass es für den Erfolg einer Marke mittelfristig immer bedeutender sein wird, wie sehr sie in China gefragt ist. In der Volksrepublik leben rund 477 000 Millionäre und 128 Milliardäre. Diese investieren gerne in Luxusgüter, und der Bedarf an Statussymbolen scheint in China vergleichsweise hoch zu sein. So erfreuen sich Modeunternehmen wie Hugo Boss und Automobilhersteller wie Daimler oder BMW hoher Absätze. Während 2009 in China über 13 Millionen Automobilkäufe registriert wurden, waren es in den USA nur knapp elf Millionen.2) Ähnlich positiv sieht es in Lateinamerika aus: In Brasilien stieg das durchschnittliche Einkommen seit 2005 auf realer Basis landesweit um ein Viertel auf derzeit 1 500 Real. Dies entspricht rund 670 Euro.3) Zugleich sank die Arbeitslosenquote bis September 2010 auf ein Rekordtief von 6,2 Prozent.4) Inzwischen zählen fast 50 Prozent der brasilianischen Bevölkerung zur sogenannten Mittelschicht.

Schwellenländer profitieren zudem von ihren Altersstrukturen. Während die Alterspyramide der Industrienationen auf einem dünnen Sockel steht und nach oben hin zunimmt - was die Überalterung der Bevölkerung verdeutlicht -, fußt die Altersstruktur in den Emerging Markets auf einem breiten Fundament junger Menschen.

Nach Schätzungen der United Nations sollen 2025 in der Türkei nur 15 Prozent der Bevölkerung älter als 60 Jahre sein.5) Spitzenreiter ist Indien: Hier ist jeder Dritte jünger als 15 Jahre. Aber auch in Indonesien, Brasilien oder China sind 20 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre. In Deutschland sind es gerade mal 13,7 Prozent.6) Die junge Bevölkerung erhält zudem immer besseren Zugang zu Bildung. Allein in China verlassen jährlich mehr Absolventen die Hochschulen als in Europa insgesamt überhaupt studieren. So wandelt sich Asien langsam aber sicher vom Billigproduzenten zum Technologieexporteur.

Infrastruktur und Rohstoffe

Weiterhin blüht der Infrastrukturaufbau. In Brasilien fördern insbesondere zwei Großereignisse den Ausbau der Infrastruktur: 2014 findet dort die Fußball-Weltmeisterschaft statt, und 2016 werden in Rio de Janeiro die Olympischen Sommerspiele ausgetragen. Auch in Asien schreitet der Infrastrukturaufbau stark voran. Die chinesische Regierung hat für 2011 den Bau von zunächst zehn Millionen Wohnungen geplant, 36 Millionen weitere Wohnungen sollen folgen. Der vorprogrammierte Bedarf Chinas an Rohstoffen unterstützt zugleich andere Schwellenmärkte. So will Brasilien bis zum Jahr 2020 der viertgrößte Ölexporteur der Welt werden. Zusätzlich profitiert das Land in hohem Maß von den steigenden Rohstoffpreisen - ebenso wie Chile. Das BIP-Wachstum Chiles - in diesem Jahr könnte es laut OECD bei 6,5 Prozent liegen - wird auch durch die derzeit hohen Kupferpreise gestützt.

Der Rohstoffreichtum der lateinamerikanischen Länder - in Brasilien befinden sich zum Beispiel zwölf Prozent des immer begehrteren weltweiten Frischwassers - macht die Region zum größten Rohstoffexporteur der Welt.7) Erst im Juni beurteilte der IWF das Wirtschaftswachstum Lateinamerikas als robust und die hohen Rohstoffpreise als wichtigen Faktor für die Binnennachfrage. Diese positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Prognosen stellen längst infrage, ob der Begriff "Schwellenländer" für die dynamischen Regionen überhaupt noch zutrifft.

Stabile Staatshaushalte und gute Bonität

Die in den vergangenen Jahren deutlich gewordene Widerstandkraft gegen Krisen spricht für die Emerging Markets. Aktuell befinden sich die meisten Staatshaushalte im Plus, und die Gesamtverschuldung beträgt weniger als die Hälfte der Bruttoinlandsprodukte. Als besonderes Beispiel für die wachsende Zuverlässigkeit der Staatsfinanzen lässt sich Brasilien anführen: Noch bis 2005 nahm das Land die Hilfe des IWF in Anspruch. Heute besitzt der größte Staat Südamerikas Devisenreserven von rund 250 Milliarden US-Dollar. Seit 2009 unterstützt Brasilien den IWF, damit dieser anderen Krisenstaaten helfen kann. Insgesamt ist die Auslandsverschuldung der lateinamerikanischen Länder gemessen am Bruttosozialprodukt auf rund 20 Prozent gesunken. So konnten etliche Schwellenländer innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte ihre Bonität stetig verbessern.

In den frühen neunziger Jahren hatten nur fünf Prozent der Schwellenmärkte das Gütesiegel Investment Grade. Das bedeutet, dass nur die wenigsten dieser Länder als grundsätzlich solide Schuldner mit einer Mindestbewertung von BBB- (S&P-Standard) galten. Indes konnten 2010 bereits über 40 Länder diese Einstufung ihrer Kreditwürdigkeit nachweisen. Zudem zeigt die Türkei, wie eine Dekade politischer Stabilität und Strukturreformen eine positive Wende bewirken: Bis 2008 wuchs die Wirtschaft im Schnitt um sechs Prozent.8)

Für institutionelle Anleger bedeutet das: Kapitalanlagen sind bei guten Renditechancen und immer besser einschätzbaren Risiken möglich. Daher sollten europäische Investoren überdenken, inwiefern heimatnahe Investitionen tatsächlich zukunftsweisend sind. Für Investoren besteht die Gefahr, den größten, langfristigen Wandel der Weltwirtschaft zu verpassen: den Aufstieg der Emerging Markets zu gleichwertigen Partnern der "alten" Industrienationen. Dieser Prozess wurde bereits vor über 20 Jahren mit der Globalisierung eingeleitet. Weder Aktienverweigerung noch die Flucht in vertraute Regionen wie die Eurozone gelten zukünftig als hilfreich, bezogen auf die von Anlegern angestrebten Anlageziele realer Kapitalerhalt und positive Rendite.

Für die Industrienationen erwarten viele Marktteilnehmer eine jahrzehntelange Abfolge von einerseits geringem Wachstum und andererseits einem wiederholt sinkenden Preisniveau. Wie dargelegt, sind die Aussichten für die Schwellenmärkte deutlich vielversprechender. Längst steht Investoren auch in diesem Segment ein breites Anlageuniversum zur Verfügung: Aktien, Währungen sowie Staats- oder Unternehmensanleihen. Gerade Schwellenländer-Währungen haben sich seit der Lehman-Pleite 2008 gegenüber dem Euro beachtlich entwickelt. Allen voran der brasilianische Real mit einer Aufwertung von über 31 Prozent, gefolgt von einem ebenfalls beachtlichen Plus von über 17 Prozent des polnischen Zloty.9) Zudem ließ die People's Bank of China den Referenzkurs des Yuan seit Juni 2010 um 5,6 Prozent aufwerten. Die Aufwertung der lokalen Währungen in den Schwellenländern sollte aufgrund der positiven Wirtschaftsdaten und der geringen Verschuldung anhalten.

Schwellenländer-Anleihen besser als Aktien

Investoren sollten zunehmend auf Schwellenländer-Anleihen setzen, da diese unter Rendite-Risiko-Aspekten sehr attraktiv sind. In den letzten 15 Jahren haben sich Anleihen aus den Schwellenländern deutlich besser entwickelt als globale Aktien. Ein Vergleich: Anleger, die in Schwellenländer-Anleihen investiert waren, konnten von April 1996 bis April 2011 einen durchschnittlichen jährlichen Wertzuwachs von beinahe elf Prozent verbuchen. Dagegen erzielten Schwellenländer-Aktien im gleichen Zeitraum "nur" ein Plus von etwa acht Prozent. Besitzer globaler Aktien der entwickelten Länder mussten sich sogar mit nur knapp sechs Prozent begnügen.10)

Neben der langfristig attraktiven Wertentwicklung sprechen weitere Faktoren für Schwellenländer-Anleihen. So ist diese Assetklasse im Vergleich zu früher deutlich weniger volatil. Des Weiteren ist die Kreditqualität in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen: Aktuell verfügen über 80 Prozent der Schwellenländer-Anleihen über ein Investment-Grade-Rating.11) Hinzu kommt, dass der Markt für Schwellenländer-Anleihen seit Jahren kontinuierlich wächst: Die Marktkapitalisierung der weltweiten Anleihemärkte liegt aktuell bei rund 90 000 Milliarden US-Dollar. Die Marktkapitalisierung der globalen Schwellenländer-Anleihen dagegen nur bei rund 8 000 Milliarden US-Dollar, also bei knapp neun Prozent. Bislang repräsentiert diese Anlageklasse jedoch erst fünf Prozent der globalen Anleihen-Benchmarks - hieraus resultiert ein deutliches Kurssteigerungspotenzial.

Zudem ist das Anlageuniversum bei Schwellenländer-Anleihen inzwischen sehr diversifiziert und bietet Investoren die Möglichkeit einer breiten Streuung. Bereits 1952 wies der US-Ökonom Harry Markowitz nach, dass Diversifikation das Risiko-Rendite-Profil optimieren kann. Investoren stehen Staatsanleihen, Anleihen supranationaler Organisationen und Unternehmensanleihen zur Auswahl. Diese können in "harten" Währungen wie dem US-Dollar oder in Lokalwährungen notieren. In den letzten Monaten haben sich zwei Trends herauskristallisiert: Zum einen dominieren verstärkt Unternehmensanleihen - mehr als 70 Prozent der in 2010 emittierten Hartwährungsanleihen stammen von Unternehmen. Zum anderen erfreuen sich Lokalwährungsanleihen wachsender Beliebtheit.

Lokales Know-how für direkten Marktzugang

Vielen Investoren stellt sich die Frage, wie sie Eintritt in die für sie oft noch sehr fremden Märkte erlangen. Attraktive Einzeltitel zu identifizieren ist schwierig. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, bei Investments in Schwellenländer-Anleihen eine andere Form als die Direktanlage zu wählen. Eine bereits bei Anlagen in Titeln der etablierten Volkswirtschaften bewährte Form sind klassische Investmentfonds. Sie bieten den Vorteil, durch Auswahl verschiedener Anleihen eine breite Streuung und damit attraktive Renditen bei reduziertem Risiko zu ermöglichen. Außerdem können Investoren dadurch mit einem einzigen Investment mehrere Regionen und Branchen in ihr Portfolio einbeziehen.

Zudem profitieren Anleger hierbei von der Erfahrung des Fondsmanagers. Aufgrund der unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Schwellenländer bieten insbesondere die Fondsmanager Nutzen, die bereits lange vor Ort präsent sind: Sie kennen die lokalen Märkte und Spezifika sehr genau. Durch eine global vernetzte Wissensstruktur ergeben sich weitere positive Effekte. Zum einen haben die Experten umfassende Einblicke in das tatsächliche Geschäftsleben örtlicher Unternehmen. Zum anderen fördert der enge lokale Kontakt die Qualität ihrer Einschätzungen. Die Nähe zum Markt schafft folglich Wissen und ermöglicht damit fundierte Anlageentscheidungen. Ausländische Investoren können also nicht nur vom Wachstum, gesunden Staatshaushalten, treffsicheren Prognosen oder der breiten Aufstellung ihres Depots von den boomenden Schwellenmärkten profitieren. Das örtliche Knowhow ihres Asset Managers verbessert zusätzlich die Renditechancen in den Emerging Markets.

Fußnoten

1) Vgl. HSBC Research: "Die Welt im Jahr 2050", Februar 2011.

2) Quelle: Reuters EcoWin.

3) Stand: 18. Juli 2011.

4) Quelle: Devisenkompass Treasury Research HSBC Trinkaus, Oktober 2010.

5) Quelle: Turkstat, United Nations, Juni 2010.

6) Quelle: UBS, Januar 2010, und Bloomberg, Oktober 2010.

7) Quelle: IBGE Instituto Brasileiro de Geografica e Estatistica und Welt Bank.

8) Quelle: Turkstat, United Nations, Oktober 2010.

9) Quelle: Bloomberg, Zeitraum 1. März 2009 bis 28. Februar 2011.

10) Quelle: JP Morgan, Barclays Capital, MSCI; Zeitraum: 30. April 1996 bis 30. April 2011. Die Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. EMD Hard Currency = JPM EMBIG; EM Equity = MSCI Emerging Equity; Global Developed Equity = MSCI World.

11) Quelle: HSBC, Stand: 28. Februar 2011.

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