Gespräch des Tages

Erbschafts- und Schenkungssteuer - "Gerechtigkeit" tut Not bei der anstehenden Gesetzesreform

Der Leitartikel in der FAZ vom 1. Februar 2007 zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsvorschriften für die Erbschafts- und Schenkungssteuer trug die - ohne Fragezeichen versehene - Überschrift "Schleichender Tod einer Steuer". Das war zwar keine "Todeserklärung", weil das BVerfG nicht über das Gesetz als Ganzes zu entscheiden hatte. Man durfte die Überschrift aber als Zielvorgabe und als Aufruf an den Gesetzgeber verstehen, die Erhebung von Erbschafts- und Schenkungssteuern nicht nur hinsichtlich der Bewertungen und Bemessungsgrundlagen, sondern ganz grundsätzlich auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand zu stellen und die Rechtsstaatlichkeit einer Abgabe zu hinterfragen, die sich bei Licht und ohne verteilungspolitische Scheuklappen besehen schlicht als eine Annexion des Eigentums der Staatsbürger darstellt.

Man wird zwar von der Politik, welcher Couleur auch immer, kaum den Willen und die Kraft erwarten können, eine Steuer schleichend oder schlagartig zu "töten", die sich trotz ihrer Marginalität wie kaum eine andere als Nachweis für die angeblich soziale Gerechtigkeit des Gesetzgebers darstellen lässt. Es geht hier indessen nicht primär um die Befriedigung von sozialen Gerechtigkeitsgefühlen, sondern vor allem um die Befriedigung sozialer Neidgefühle, eine bei uns Deutschen leider besonders ausgeprägte und daher auch wahlbestimmende Gefühlsrichtung. Vermutlich würde uns - wie bei der Vermögenssteuer - nur das BVerfG von einer Steuer befreien können, deren Verteidiger offenbar die Begriffe Gerechtigkeit und Gleichmacherei bewusst verwechseln.

Diese Verwechslungsgefahr hat der Gesetzgeber trickreich und massenpsychologisch geschickt dadurch ermöglicht, dass er die Erbschaftssteuer nicht als Besteuerung des Nachlasses als solchem, sondern als Erwerbssteuer auf den Vermögenszuwachs der Erben und Vermächtnisnehmer angelegt hat. Er beförderte damit die gerade jetzt wieder in einem bemerkenswert linkslastigen Artikel im Spiegel (Heft 6 Seite 20 ff.) zu Tage getretene Äpfel-und-Birnen-Gleichstellung von Erbenerwerb mit Arbeitseinkommen und die am Beispiel von wenigen Milliarden-Erben aufgezeigte, populistisch verallgemeinernde Diffamierung von Vermögenserben als dekadente und mehr oder weniger auf das sinnlose Verprassen des Ererbten ausgerichtete Schmarotzer.

Faktum ist indessen, dass ein Bürger, der während seines Lebens honorig und steuerehrlich zum Beispiel ein Vermögen (nach Steuern) von zwei Millionen Euro erarbeitet und erspart hat, dafür Bruttoeinkünfte von etwa 3,5 Millionen Euro erzielt und davon bereits etwa 1,5 Millionen Euro an Einkommensteuern abgeführt haben muss. Wenn nun sein Sohn, zu dessen Zukunftssicherung die Ersparnisse neben der eigenen Alterssicherung auch gedient haben, nach Abzug seines Freibetrags von 205 000 Euro 1 795 000 Euro mit 19 Prozent = rund 341 000 Euro zu versteuern hat, bleibt von den ursprünglich eingenommenen 3,5 Millionen Euro nur noch ein Rest von 1,659 Millionen Euro, also weniger als die Hälfte des Ursprungsbetrags übrig, und das nur, weil dieser ehrbare Bürger verstorben ist und sein Vermögen nicht konsumiert, sondern hinterlassen hat. Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass es sich bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer um eine staatliche Vermögensannexion und um Enteignung handelt, die freilich der Zustimmung derer sicher sein kann, denen, aus welchen Gründen auch immer, keine vergleichbaren in Geld messbaren Lebensleistungen gelungen sind.

Aber kann der Umstand, dass die Lebensleistungen der Bürger schicksalsbedingt ungleich ausfallen, rechtfertigen, die höhere Lebensleistung nachträglich durch Teilenteignung der Vermögensnachfolger praktisch zu "bestrafen"? Solange sich die Menschen nicht genetisch "normieren" lassen, werden ihre geldlich messbaren Lebensleistungen immer unterschiedlich ausfallen und in der Größenordnung zwischen null und zehn hoch x differieren. Es kann nicht "gerecht" sein, diese leistungs-, schicksals- oder glückbedingten Unterschiede post mortem mittels Besteuerung einzuebnen; und man kann dem Staat nicht einfach zugestehen, sich unter dem Vorwand der Befriedigung sozialer Gerechtigkeitsgefühle versteuertes Bürgervermögen in Form einer nochmaligen Versteuerung anzueignen. Die Frage der FAZ, die sie vor dem Hintergrund der neuerdings zusätzlich eingeführten "Reichensteuer" stellt, ist berechtigt: "Warum muss dann das, was der Erblasser aus hochversteuertem Einkommen aufgebaut hat, noch einmal belastet werden?"

Auch wenn einige andere Staaten, wie Italien, Schweden, Portugal und in gewissem Sinn auch Österreich die Erbschaftssteuer in den letzten Jahren abgeschafft haben, wird man die Hoffnung auf einen "Tod" dieser Steuer bei uns in Deutschland bei realistischer Betrachtung zwar hegen, aber doch nur gering einschätzen dürfen. Wir werden unsere Aufmerksamkeit daher zunächst darauf zu fokussieren haben, wie die Politik mit den Vorgaben des BVerfG umgehen und sie umsetzen wird. Es wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung, wenn nicht nur die Vereinheitlichung der Bewertung dabei herauskäme, sondern auch der Ansatz der vom BVerfG angesprochenen Verschonungsregeln erkennen ließe (zum Beispiel: Verdoppelung der bisherigen Freibeträge und Herabsetzung der Steuersätze wenigstens in der Steuerklasse I), dass man immer noch in unserem Rechtsstaat der Gerechtigkeit den Vorrang vor undifferenzierter Gleichmacherei einräumt. Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

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