Aufsätze

"Auf ethisch fundierte Eigenverantwortung können wir nicht verzichten"

Wenn man einen Vertreter der Kreditwirtschaft zum Thema "Vertrauen" sprechen lässt, dann geht man kein Risiko ein. Denn man weiß, was geschehen wird:

- Der Redner erklärt, dass Kundenvertrauen zur Grundlage der Tätigkeit seines Instituts gehört.

- Er legt dar, dass eine hohe Zahl von Kunden seiner Bank schon sehr lange und immer stärker vertraue.

- Er versucht, an einem konkreten Kundenfall grenzenloses gegenseitiges Vertrauen zu beweisen.

Sollte dann das Publikum noch immer zweifeln, greift der Redner zur ultimativen Waffe: Er erklärt geheimnisvoll, "Vertrauen" gehöre zum Namenbestandteil der Kreditwirtschaft. "Credere" bedeutet "vertrauen" - wenn man doch schon so heißt ... quod erat demonstrandum.

Ein alarmierender Befund für die gesamte Branche

Warum nur, so fragt sich der Redner dann selbst, macht die Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen nur so etwas offensichtlich Zusammengehöriges wie "Banken" und "Vertrauen" zum Thema einer ganzen Tagung? Warum gleich mit vier Rednern? Und warum in einem Titel, der nicht eine einfach zu beantwortende Frage stellt, sondern beide Begriffe ohne Fragezeichen gleich zu einem Manifest verbindet? Ist das eine ganz besonders perfide Form, Redner ins offene Messer der Zuhörererwartungen laufen zu lassen? Oder liegt die Raffinesse vielleicht eher darin, dass man zu diesem Thema einen Notenbanker, einen Sparkässler und einen echten Privatbanker sprechen lässt - und dann an der Stelle der zu erwartenden Großbank einen Stadtdekan und Pfarrer? Sie haben unter einem harmlosen Titel das wohl schwierigste und wichtigste Thema für unsere Branche aufgeworfen. Ich könnte mir nun die Beantwortung einfach machen und auf Zahlen der jährlichen Forsa-Untersuchung vom Januar 2012 verweisen:

- Vertrauen in Sparkassen: 52 Prozent der Bevölkerung, gegenüber dem Vorjahr plus drei Prozentpunkte.

- Vertrauen in Banken: 22 Prozent, minus vier Prozentpunkte.

- Und nur zur Einordnung: Vertrauen in die Bundesregierung 34 Prozent, minus zwei Prozentpunkte.

Offensichtlich gibt es zwischen Banken und Sparkassen große Unterschiede. Ich könnte deshalb im Folgenden über die gute Marktstellung der Sparkassen, ihre hohe Kundenzahl und viele zufriedene Kunden sprechen. Das Vertrauensproblem könnte ich getrost den Kollegen anderer kreditwirtschaftlicher Sektoren überlassen. Das wäre aber zu einfach. Denn es würde nicht berücksichtigen, dass nach Feststellungen der Gesellschaft für Konsumforschung rund die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes keinem Anbieter der Finanzwirtschaft Ehrlichkeit, Integrität und Aufrichtigkeit zubilligt.

Wenn - was ich teile - das Vertrauen die Grundwährung der Finanzwirtschaft ist, dann ist dies ein alarmierender Befund für die gesamte Branche. Und dann sind trotz besserer Einzelwerte auch die Sparkassen zum Nachdenken und zum Handeln aufgerufen. Zumal - das will ich ausdrücklich einräumen - mit einzelnen Landesbanken auch Teile unserer Gruppe einen Anteil am Vertrauensverlust haben.

Nach meiner Überzeugung stellt die Finanzkrise eine Zeitenwende dar - vielleicht vergleichbar der Zeitenwende in der Energiewirtschaft nach dem Atomunfall in Fukushima. Allerdings haben wir es in der Finanzwirtschaft nicht nur mit einem einzigen Beben zu tun. Es folgen immer weitere Erschütterungen. Ich nenne nach Lehman nur beispielhaft milliardenschwere Fehlspekulationen einzelner Händler, Geldwäschevorwürfe bei Großbanken oder zuletzt die augenscheinliche Manipulation des Libor. Bei einer derartigen Kette von skandalösen, juristisch wie ethisch zweifelhaften Vorgängen kann man nicht der Bevölkerung die Überzeugung verdenken, die Finanzwirtschaft folge völlig anderen Wertvorstellungen und Handlungsparametern als sie selbst.

Noch alarmierender als manche öffent liche Proteste in der Vergangenheit, Stichwort Occupy, ist die ohnmächtige Verachtung, die Vertretern der Kreditwirtschaft heute, sogar aus anderen Wirtschafts kreisen, entgegenschlägt. Denn sie zeigt, dass man der Finanzindustrie zwar alles zutraut, von ihr aber kaum mehr etwas erwartet.

Eine Krise in unterschiedlichen Gewändern

In den letzten fünf Jahren hat sich die Krise in unterschiedlichen Gewändern gezeigt - als Subprime-Krise, als Liquiditätskrise, als Solvenzkrise und jetzt auch als Staatsschuldenkrise. Der Kern ist immer derselbe: Es fehlt an Vertrauen, dass Versprochenes eingelöst werden kann und dass die vorhandene Vermögens- und Kapitalsubstanz ausreicht, um alle eingegangenen Verpflichtungen erfüllen zu können.

Vertrauen hat also etwas mit Wertesubstanz zu tun. In der Finanzwirtschaft gilt dies durchaus im doppelten Wortsinne. Es wird deshalb nicht ausreichen, nur Absichten zu erklären oder nachdenkliche Interviews zu geben. Ich möchte aus einer Fülle von notwendigen Maßnahmen heute nur drei herausgreifen:

Der erste Schritt hin zu Vertrauen muss sein, Transparenz über die eigenen Werte herzustellen und bewusst an deren Stärkung zu arbeiten. Bei den Vermögenswerten geschieht dies bereits in vielfältiger Weise. So soll etwa durch Basel III die Eigenkapitalsubstanz der Kreditinstitute deutlich verbessert und darüber mehr Transparenz hergestellt werden. Wenn nach unterschiedlichen Risiken differenziert wird, bin ich damit sehr einverstanden.

Ethische Werte offenlegen

Das allein wird aber bei Weitem nicht ausreichen. Mindestens ebenso wichtig scheint mir, dass die Finanzwirtschaft ihre ethischen Werte offenlegt und - wo notwendig - stärkt. Oder um es anders zu sagen: Wir sprechen derzeit zwar viel über die Unterlegung von Finanzgeschäften mit Eigenkapital. Ganz wenig ist allerdings die Rede davon, mit welcher ethisch-moralischen Substanz Geschäfte unterlegt werden müssen. Was erwarten Gesellschaft, Wirtschaft oder einzelne Kunden eigentlich von Kreditinstituten?

- Kreditinstitute sollen Geldströme als Gegenleistung zu Waren und Dienstleistungen störungsfrei und sicher gestalten. Erst mit dieser Sicherheit werden weiträumige, sogar globale Wirtschaftsbeziehungen möglich.

- Kreditinstitute sollen Kunden die Möglichkeiten bieten, ihre Finanzmittel werterhaltend anzulegen und auf diese Weise Wohlstand und Absicherung von Lebensrisiken für einen späteren Zeitpunkt zu gewährleisten.

- Und sie sollen schließlich die teilweise kleinvolumigen Mittel bündeln und für wirtschaftlich sinnvolle Investitionen zur Verfügung stellen.

Leider müssen wir feststellen, dass viele Kreditinstitute diese drei Grundfunktionen gar nicht mehr erfüllen. Etwa, wenn sie nur Einlagen einsammeln, sie aber nicht direkt in Kredite ausreichen. Und es gibt heute sogar Kreditinstitute, die keiner dieser Anforderung mehr gerecht werden.

Klare Maßstäbe für das Handeln

Wenn wir allerdings diese drei Punkte als Kernaufgaben der Kreditwirtschaft akzeptieren, ergeben sich daraus klare Maßstäbe für unser Handeln:

1. Finanzprodukte dürfen niemals Selbstzweck sein, sondern müssen in einem direkten Zusammenhang zu einem realen Austausch von Waren oder Dienstleistungen stehen. Das schließt, von begründeten Ausnahmen abgesehen, Eigenhandel ebenso aus wie strukturierte Produkte jenseits des Bedarfs konkreter Kunden.

2. Kreditinstitute sollen für ihre Kunden Risiken minimieren. Damit ist es nicht vereinbar, Risiken einzugehen oder gar selbst zu schaffen, die eigene Kunden oder gar völlig Unbeteiligte in ihrer Vermögenssubs tanz gefährden. Für mich leitet sich da raus auch die Folgerung ab, dass Kreditinstitute nicht so groß und risikoreich sein dürfen, dass Dritte keine freie Wahl mehr haben, ob sie im Krisenfall helfend eingreifen. Die "too-big-to-fail"-Problematik ist deshalb nicht nur eine Frage von Risiken und Abwicklungsregimen, sondern auch eine grundlegende Legitimationsfrage eines Kreditinstituts.

3. Kreditinstitute müssen das Ziel verfolgen, möglichst mit jedem Geschäft, mindestens aber in der Gesamtschau der eigenen Geschäftstätigkeit den Wohlstand Dritter zu fördern - nicht zu vermindern und auch nicht zu gefährden!

Rückbesinnung auf das klassische kreditwirtschaftliche Modell

Gegen alle drei Anforderungen haben wesentliche Teile der Finanzwirtschaft in den letzten Jahren verstoßen. Und zum Teil gilt das auch heute noch:

- Nach wie vor gibt es strukturierte Produkte, die keinerlei Bezug zum realen Austausch von Waren und Dienstleistungen haben.

- Auch heute verdienen einzelne Banken ihr Geld damit, Produkte in den Markt zu bringen, mit denen ein Teil der Investoren zwangsläufig verlieren muss.

- Noch immer ist die "too-big-to-fail"-Problematik ungelöst.

- Und mehr denn je wandern Finanzgeschäfte zu Institutionen, die Grundfunktionen eines Kreditinstituts nicht erfüllen - "Schattenbanken" genannt.

Daraus kann man eigentlich nur die Konsequenz ziehen, dass das klassische kreditwirtschaftliche Modell - Einwerben von vielen, auch kleinen Einlagen, Bündelung und Risikoübernahme durch das Kreditinstitut, Weitergabe als Kredite für reale Investitionen - wieder an Unterstützung gewinnen sollte. Das wird besonders erfolgreich möglich sein, wenn Anlegern und Kreditnehmern dieser direkte Zusammenhang wieder deutlich wird. In einer Region ist das besonders gut darstellbar.

Wir haben für uns bereits erste Schritte gemacht: Bereits 2009 wurden die Steuerungsparameter der Sparkassen verändert. Die Eigenkapitalrendite wurde in ihrer Bedeutung deutlich zurückgenommen und nicht mehr in einem Ziel-, sondern einem ökonomisch notwendigen Mindestwert ausgedrückt. Wir haben beim Sparkassentag 2010 Grundsätze der Anlageberatung definiert, die das Kundeninteresse in den Mittelpunkt jeglicher Beratung stellen und reinen Produktverkauf, gar gegen die Kundeninteressen, ausschließen. Und wir haben vor Kurzem ein neues Selbstverständnis der Sparkassen beschlossen, das die Erfahrungen der Finanzkrise und die aktuellen Wertefragen aufnimmt und für die Sparkassen handhabbar macht. Ich stelle mir vor, das im nächsten Jahr zur Grundlage eines breit angelegten Diskussionsprozesses mit unseren Kunden zu machen.

Zweitens: Die Kreditwirtschaft wird nur wieder Vertrauen gewinnen, wenn Menschen in den Mittelpunkt des Bankgeschäfts gestellt werden. Dabei muss es natürlich in erster Linie um Kunden gehen. Im Mittelpunkt der Geschäftsstrategie muss aber auch der eigene Mitarbeiter stehen. Eine kreditwirtschaftliche Marke wird für Kunden nicht über haptisch wahrnehmbare Produkte, sondern über die Mitarbeiter erlebbar. Nicht umsonst haben die den Kunden persönlich bekannten Kundenberater auch in der Krise kaum an Vertrauen verloren.

Stärkung der Berater

"Von Menschen, für Menschen" - so stelle ich mir die Zukunft des Bankgeschäfts vor. Nicht von Maschinen für Menschen, nicht von Menschen für Kapitalinteressen und schon gar nicht von Maschinen für reine Kapitalinteressen. Nun weiß ich natürlich, dass im Kommunikationszeitalter Kunden auch über technische Plattformen Produktabschlüsse suchen. Und auch, dass bei Standardprodukten Preis und technische Einfachheit abschlussrelevante Gesichtspunkte sind. Entscheidend ist für mich aber, dass wir in jeder Phase einer kreditwirtschaftlichen Beziehung Beratung durch Menschen ermöglichen und Kunden nicht mit technisierten Abläufen allein lassen. Gerade in einer durch Vernetzung bestimmten Social-Media-Welt sehe ich hier bessere Chancen für mitarbeiterbasierte Geschäftsmodelle als in der Web 1.0-Welt. Ich plädiere deshalb dafür, Berater zu stärken und ihnen das notwendige Vertrauen zu geben. Tatsächlich spricht aber aus den Regulierungen, vor allem in der Wert papierberatung, nur noch Misstrauen gegenüber Mitarbeitern von Kreditinstituten:

- Wertpapierberater müssen in Beratungsregister gemeldet, gleichsam schon präventiv am Pranger angemeldet werden.

- Beschwerden von Kunden müssen ohne Prüfung von Berechtigung, Substanz oder Fortbestehen "angezeigt" werden - allein schon der Begriff rückt die Mitarbeiter in die Nähe von potenziellen Straftätern. Verdeckte Ermittler in Form von staatlichen "Testkäufern" passen dann ins Bild.

- Und eine umfassende Dokumentation einer Beratung ist offenbar heute wichtiger als eine gute Beratung selbst.

Falsche Weichenstellungen der Politik

Das sind Irrwege, die aus der Fehleinschätzung geboren werden, Berater trachteten flächendeckend danach, Kunden "über den Tisch" zu ziehen. So etwas mag es im Einzelfall geben. Für unsere Berater kann ich das aber zurückweisen. Unsere Mitarbeiter wohnen dort, wo ihre Kunden wohnen. Sie treffen sie auch jenseits des Berufslebens. Und vor allem: Sie begleiten sie häufig lebenslang. Es ist absurd zu vermuten, eine solche umfassende Beziehung lasse sich auf falschen Beratungen oder Verkauf nicht benötigter Produkte aufbauen. Und es ist völlig lebensfremd, Vertrauen durch mehr Reglementierung und Bürokratisierung herbeiführen zu wollen. Die falschen Weichenstellungen der Politik führen inzwischen aber dazu,

- dass, wo immer möglich, wegen des hohen Aufwands auf Beratung verzichtet wird,

- dass in der Fläche qualifizierte Wertpapierberatung abgebaut wird

- und dass gute, motivierte Mitarbeiter immer stärker das Wertpapier- und das Vermögensanlagegeschäft meiden.

Ich habe Verständnis für politische Dynamiken. Aber mit dieser Art von Regulierung wird Beratung erschwert, werden Berater demotiviert und wird Vertrauen von Kunden in Kreditinstitute systematisch untergraben. Und ganz nebenbei wird auch noch der letzte Rest an Aktienkultur in Deutschland zerstört, weil potenzielle Anleger immer weniger für Wertpapieranlagen begeistert werden.

Mein dritter wichtiger Punkt zum Vertrauen: Es darf keinerlei Zweifel darüber bestehen, dass Kreditinstitute Kundeninteressen wahrnehmen. Ein vertrauenswürdiges Kreditinstitut darf einem Kunden ein Produkt verkaufen, bei dem es mit deutlich überlegenem Marktwissen gleichzeitig selbst die Gegenpartei stellt. Das gilt nicht nur gegenüber Privatanlegern, sondern auch gegenüber institutionellen Investoren, auch gegenüber anderen Banken.

Bisher hat sich nach der Finanzkrise die öffentliche Diskussion vor allem auf diejenigen Kreditinstitute gerichtet, bei denen Verluste angefallen sind. Dass dort Fehler gemacht worden sind und Konsequenzen gezogen werden müssen, ist offensichtlich. Zu Recht wird der Blick aber immer mehr auf diejenigen gerichtet, die die Voraussetzungen für solche Verluste geschaffen haben. Aus meiner Sicht ist das dringend notwendig: Denn die Krisensymptome eines nicht werthaltigen Investments zeigen sich zwar beim Käufer. Ursächlich sind aber diejenigen, die solche Anlageformen kreiert und in den Markt gebracht haben. Bei ihnen sind aber nicht notwendigerweise sichtbare Schäden angefallen. Für wirksame Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise müssen wir uns deshalb angewöhnen, viel stärker auch dorthin zu sehen, wo auf den ersten Blick nichts sichtbar ist.

Regulierung nach Größe und Risiko differenzieren

Nun haben die letzten Jahre auch gezeigt, dass die Kreditwirtschaft allein das verloren gegangene Vertrauen in die Funktionsfähigkeit von Finanzmärkten nicht wieder herstellen kann. Das wird nur gemeinsam mit der Politik und mit Notenbanken gelingen. Die zu starke Deregulierung hat die Deformation eines Teils der Finanzwirtschaft und damit die Finanzkrise erst möglich gemacht. Zu Recht zieht die Politik daraus die Schlussfolgerung, wieder mehr und strengere Regulierungen vornehmen zu müssen.

Allerdings muss man die Politik davor bewahren, die eigenen Möglichkeiten zu überschätzen. Regulierung kann zwar heute erkanntes unerwünschtes Verhalten begrenzen. Es kann aber nicht künftig notwendiges ethisches Verhalten erzwingen. Die Politik sollte nicht den Fehler machen, durch zu detaillierte und in ihrer Gesamtwirkung nicht abgestimmte Regulierungen alles und jedes rechtlich vorgeben zu wollen. Bei einem solchen allumfassenden Anspruch besteht die Gefahr, dass ethisch alles erlaubt scheint, was nicht detailliert verboten ist. Auf ethisch fundierte Eigenverantwortung können wir aber nicht verzichten. Denn es sind Zweifel angebracht, ob die Politik alle künftigen Entwicklungen regulatorisch voraussehen kann.

Und sie sollte auch bedenken, dass nicht nach Größe und Risiko differenzierende Regulierungen die Gefahr beinhalten, gerade die kleineren, realwirtschaftlich ausgerichteten und mit besonders hohem Kundenvertrauen ausgestatteten Institute zu belasten. Viel hilft nicht viel, nur die richtige Dosis des richtigen Wirkstoffes zeigt Erfolge - das trifft nicht nur bei Medikationen, sondern auch bei Finanzmarktregulierungen zu.

Beispiele Mittelstandskredit und Einlagensicherung

Nur zwei Beispiele dazu: Es dürfte zum Allgemeingut zählen, dass der Mittelstandskredit die Finanzkrise weder ausgelöst noch verschärft hat. Er steht angesichts der guten Risikostreuung auch nicht im Verdacht, künftige Krisen auszulösen. Im Gegenteil: Der Mittelstandskredit hat in der Krise geholfen, diejenigen Wirtschaftsakteure zu stabilisieren, die volkswirtschaftliche Leistungsträger waren und unser Land schnell wieder aus der Krise geführt haben. Jetzt soll Basel III kommen. Bis heute verstehen europäische Institutionen nicht, dass die geringere Ausfallwahrscheinlichkeit von Mittelstandskrediten eine Absenkung ihres Risikogewichts bei der Eigenkapitalunterlegung rechtfertigt. Wie, glauben Sie, würde es sich auf das Vertrauen zwischen einer Sparkasse und ihren Kunden auswirken, wenn als Folge der Finanzkrise wegen höherer Eigenkapitalkosten die Konditionen für Mittelstandskredite steigen müssten?

Zweites Beispiel: Einlagensicherung. Grundlegend für das Vertrauen zwischen Kunde und Kreditinstitut ist die Erwartung, anvertraute Einlagen ungeschmälert zurückzuerhalten, möglichst mit einer die Geldentwertung mindestens ausgleichenden Rendite. Grundlage dafür ist die Solidität des Instituts selbst, aber für den Notfall auch die Leistungsfähigkeit des dahinter stehenden Sicherungssystems. Wir sind deshalb vollends damit einverstanden, wenn die EU in allen europäischen Ländern leistungsfähige Sicherungssysteme fordert und dafür Standards vorgibt. Das ist aber etwas völlig anderes als unterschiedliche nationale Sicherungssysteme in eine Art europäische Haftungsgemeinschaft zu zwingen.

Natürlich hören wir die Botschaft, das stünde derzeit nicht an. Und natürlich sollen uns Beschwichtigungen beruhigen, es gehe nur um "Kredite". Es steigert aber weder das Vertrauen unserer Kunden in die Sicherheit von Einlagen noch das Unsrige in die europäische Ebene, wenn Worten und Absichten auseinanderzufallen scheinen. Denn tatsächlich würde auch eine Verpflichtung zur Kreditvergabe an nicht mehr leistungsfähige ausländische Sicherungssysteme zu einer Minderung der für unsere Kunden bestimmten Sicherungsmittel führen. Es ist deshalb gut, dass sich EZB-Präsident Draghi klar für nationale Einlagensicherungssysteme ausgesprochen hat. Eine solche Klarstellung würde auch der EU-Kommission gut tun.

Ein letzter Gedanke zu den Notenbanken. Ich respektiere, dass die EZB sich gezwungen sieht, in einer außergewöhnlichen Situation auch zu außergewöhnlichen Maßnahmen zu greifen. Und ich erkenne auch an, dass die Ankündigung unbegrenzter, aber konditionierter Anleihekäufe zu einer gewissen Beruhigung der Märkte geführt hat. Meine Einschätzung ist allerdings, dass diese Art Vertrauensleihe auf Sicht nur funktioniert, wenn die Mitgliedsländer der Währungsunion an den tatsächlichen Problemen arbeiten und dadurch wieder Vertrauen herstellen. Man kann ein Überschuldungsproblem nicht dadurch lösen, dass man Schuldnern die Refinanzierung alter oder gar die Aufnahme neuer Schulden erleichtert.

Kauf von Zeit mit Nebenwirkungen

Derzeit kaufen wir mit einem immensen Haftungsrisiko nur Zeit, stoßen aber noch zu wenig zur eigentlichen Krisenlösung vor, nämlich der Reduzierung zu hoher Altschulden in vielen Staaten der Währungsunion. Dieser Kauf von Zeit hat aber erhebliche Nebenwirkungen:

- Sparer und Lebensversicherungskunden werden durch Entwertung ihrer Einlagen und ihrer Alterssicherungen zu ungefragten Solidarleistungen herangezogen.

- Und es wird der Keim für neue Instabilitäten in der Zukunft gelegt.

Ich befürchte, dass damit auf Dauer nicht nur das Vertrauen der Sparer in den Euro beschädigt wird, sondern dass auch die EZB selbst in ihrem Ansehen Schaden nehmen könnte. Das würde auch das Vertrauen von Anlegern in ihre Kreditinstitute belasten.

Meine Damen und Herren, "Vertrauen ist der Anfang von allem", warb einmal eine Bank, bevor andere Attribute im Außenauftritt wichtig wurden. Die Finanzkrise führt vor Augen, dass verlorenes Vertrauen schnell das Ende von allem sein kann. Verloren ist Vertrauen schnell, wieder erworben werden kann es nur über viele, viele Jahre. Banken, Sparkassen, Notenbanken und Politik müssen ein gemeinsames Interesse daran haben, das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes und in die Redlichkeit der Kreditinstitute zu stärken. Das wird nicht möglich sein, wenn eine Gruppe die Profilierung zulasten der jeweils anderen sucht. In einem Wahljahr wird das eine schwierige Herausforderung. Aber manchmal erfordert Vertrauensaufbau eben auch Zurückhaltung und Disziplin.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich der 58. Kreditpolitischen Tagung "Banken und Vertrauen" der ZfgK am 9. November 2012.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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