Leitartikel

Fit für die Trendwende?

In Anbetracht der Finanzkrise hat sich der Wertpapier- Spezialfonds wacker geschlagen. Mit dieser beruhigenden Botschaft schließt die aktuelle BVI-Studie zur Entwicklung dieses hierzulande unverändert wichtigsten Segments des Institutionellen Asset Managements (Beitrag Till Entzian, Seite 740). Zu verstehen ist dieses versöhnliche Urteil freilich nur unter den besonderen Bedingungen im Jahr eins nach der Lehman-Pleite. Angesichts der seit Monaten düsteren Konjunkturdaten und der teilweise dramatischen Minusziffern wichtiger Indikatoren in vielen Wirtschaftszweigen ist man mehr als in normalen Zeiten geneigt, jeglichen noch so zarten Anstieg als Hoffnungsschimmer zu werten. Und immerhin hat die Spezialfondsbranche trotz der heftigen Marktverwerfungen im vergangenen Herbst nicht nur auf das gesamte Berichtsjahr 2008 bezogen ein ordentliches Plus im Neugeschäft gerettet. Sondern auch die inzwischen verfügbaren Halbjahreszahlen 2009 signalisieren noch einen bescheidenen Zuwachs. Konkret haben Wertpapier-Spezialfonds den neuen Zahlen des Branchenverbandes nach in den ersten sechs Monaten ein Mittelaufkommen von 2,265 Milliarden Euro verzeichnen können. Damit hat ihr Fondsvermögen mit knapp 662 Milliarden Euro nahezu den Vorjahresstand von 664,6 Milliarden Euro verteidigt. Und gegenüber dem Referenzwert vor der Krise - also den knapp 700 Milliarden Euro von Ende Juni 2007 - betragen die Einbußen erträgliche fünf Prozent.

Gemessen an dem registrierten Wertverfall des Investmentfondsvolumens im europäischen Ausland (siehe Beitrag Markus Neubauer, Seite 751) oder der höchst bescheidenen Bilanz amerikanischer Hochschulstiftungen mag sich die Entwicklung des Spezialfondssegments stabilisierend auf den Fondsmarkt als Ganzes auswirken und den Einbruch zumindest in der Gesamtschau als vergleichsweise moderat erscheinen lassen. Und auch die Nutzung von Spezialfonds als Garant zur Liquiditätssicherung mag besonders während der Marktturbulenzen im Herbst vergangenen Jahres eine Erklärung für die verhaltenen Mittelzuflüsse liefern. Verglichen mit dem längerfristigen Trend indes hat die Finanzkrise heftige Schrammen hinterlassen. Schon der Vergleich mit dem Mittelzufluss von rund 29,5 Milliarden Euro aus dem ersten Halbjahr 2006 deutet für die weitere Entwicklung der laufenden Berichtsperiode die Grenzen des Machbaren an. Ob die relativen Tiefpunkte der Neugeschäftsentwicklung aus den letzten 15 Jahren (sprich 17,8 Milliarden Euro aus 2008 und 17,0 Milliarden Euro aus 2004) überboten werden können, scheint aus derzeitiger Sicht höchst zweifelhaft. Anders als in der Vergangenheit geht derzeit allem Eindruck nach die größte Gefahr für den erhofften Aufschwung mehr von der unsicheren Marktentwicklung und weniger von bedrohlichen Rahmenbedingungen aus. Zwar gibt die EU-Richtlinie zur Regulierung von Managern für Alternative Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) Anlass zur Sorge (siehe Beiträge Entzian und Neubauer wie auch die jüngsten Äußerungen des BVI-Präsidenten), allerdings ist sie wie so viele europäische Regularien derzeit noch in der Gestaltungsphase. Und andere Wünsche an die Politik, wie etwa die Schaffung eines Level Playing Field bei der Behandlung des Pension Pooling gegenüber dem Finanzplatz Luxemburg sind in der jetzigen Vorwahlkampfphase der deutschen Politik viel zu speziell, um sie lautstark zu positionieren. Folglich tangieren die Autoren dieses Heftes mit ihren Analysen, strategischen Ansätzen und der Produktpolitik (siehe Maria Kopitzki/Dyrk Vieten, Seite 786) primär jene Handlungsfelder, die sie selbst in ihren Häusern beeinflussen können.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus den Entwicklungen des vergangenen Jahres betrifft dabei die Defizite im Risikomanagement. Viele der bislang gebräuchlichen Modelle, so der übereinstimmende Tenor in den Beiträgen von Hans-Jörg Frantzmann (Seite 756) und Alexander Schindler (Seite 770), sind zu grob und einfach gestrickt. Konkret werden beispielsweise eine zu starke Vergangenheitsorientierung, zu schlechte Reaktionen auf Extrembedingungen und eine zu träge Reaktionsgeschwindigkeit auf die heutigen Marktgegebenheiten konstatiert. Auch die Allgemeingültigkeit der positiven Wirkung einer Diversifikation der Anlageklassen wird angesichts der beobachtbaren Korrelationen in der Krise hinterfragt und angezweifelt. Und wie in vielen anderen Segmenten der Finanzdienstleistungsbranche wird das Fehlen an der gebührenden Aufmerksamkeit für das Liquiditätsrisiko eingeräumt und ein verbesserungsbedürftiges Liquiditätsmanagement angemahnt. Doch bei aller fundamentalen Kritik an der Modellgläubigkeit plädieren die Autoren dieses Heftes keinesfalls für die Abwendung von finanzmathematischen Verfahren, sondern für deren konstruktive Weiterentwicklung im Rahmen der heutigen Erkenntnisse.

Im Ergebnis wird als Folge der Krise zwar kaum Hoffnung auf weniger komplexe, wohl aber auf offenere Modelle gemacht. Und darüber hinaus wird bei allen Akteuren mit einem wachsenden Grundbedürfnis gerechnet, die relevanten Abläufe wieder besser zu verstehen. Bei den Asset Managern dürfte sich das in einer Aufwertung von robusten und einfachen Entscheidungsregeln äußern. Und angesichts der anhaltenden Skepsis im gesamten Finanzdienstleistungsgewerbe gegenüber Ratingurteilen spricht allgemein vieles für eine stärkere Rückdelegation unternehmerischer Verantwortung an die Anleger.

Eine allgemeine Erkenntnis neben dem Risikomanagement, die auch die künftigen Anlagekonzepte betrifft, ist die undifferenzierte Beurteilung von Diversifizierungseffekten. Es gibt Zeiten, so haben Investoren und Asset Manager im Verlauf der Finanzkrise schmerzlich erfahren müssen, in denen Märkte und Anlageklassen ein hohes Maß an Gleichlauf aufweisen. Risikoreduzierende Diversifikationsvorteile durch "Satellite"-Investments in Emerging Markets oder alternative Assetklassen, wie Hedgefonds, so konstatiert Torben Lütje in diesem Zusammenhang (Seite 782), haben sich in den turbulenten Marktphasen nicht als werthaltig erwiesen. Im Gegenteil, viele bislang negativ korrelierte Märkte zeigten in dieser Zeit positive Korrelationen und wiesen ähnlich negative Entwicklungen auf. Als Konsequenz plädiert er für einen intelligent aufgesetzten Core-Satellite-Ansatz in Master-Fonds-Strukturen in Kombination mit einer dynamischen Echtzeit-Risikosteuerung.

Beide Ansatzpunkte werden gleich von mehreren anderen Autoren aufgegriffen und/oder an Beispielen illustriert. So lässt Oliver Behrens (Seite 777) im Zuge der Erläuterung der Investmentprozesse in der Deka-Bank - ohne es explizit anzusprechen - durchaus Konkurrenz zur Helaba Invest und anderen Anbietern im Sparkassensektor anklingen. Nicht zuletzt mit Blick auf das Masterfonds-Konzept einschließlich des Overlay Managements dürfte es somit in den kommenden Jahren von Interesse sein, wie sich das Geschäftsfeld Asset Management im Zuge der Landesbankenkonsolidierung weiterentwickelt. Für die Helaba Invest selbst, wie außerhalb der Sparkassenorganisation etwa für die Universal und die Inka, gehört die schon vor Jahren gefällte strategische Grundsatzentscheidung für die Master-KAG zweifellos zu den klugen Weichenstellungen für die Zukunft. Deren wachsende Marktrelevanz wird durch die aktuelle BVI-Studie noch einmal untermauert. Demnach konnten die Master-KAGs im Zeitraum von 2003 bis 2007 jedes Jahr ihre Spezialfondsvolumina mit durchschnittlich 11,9 Prozent doppelt so stark steigern wie der Gesamtmarkt. Und auch die Einbettung von Spezialfonds in Master-Strukturen, so wird aus dem Blickwinkel des begünstigten Anbieters Universal ergänzt, hat sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich etabliert.

Die Umsetzung der allgemein als überaus nützlich eingeschätzten Elemente eines dynamischen Risikomanagements wird gleich mehrfach konkretisiert. Just dieser Tenor spiegelt sich etwa in dem Beitrag von Reinhold Hafner, Michael Korn und Thomas Stephan (Seite 766) wider. Das in ihrem Haus entwickelte Verfahren der dynamischen Risikosteuerung erhebt den Anspruch, dem Anleger eine höhere Sicherheit in schwachen Märkten zu bieten und gleichzeitig in hohem Maße von einer Markterholung zu profitieren. Im konkreten Fall des Handlings der Pensionsverpflichtungen der MAN SE (Horst Grögler/Uwe Trautmann, Seite 779) umfasst es die Aufnahme der Volatilität als Einflussfaktor für die zwischen Investor und Asset Manager vereinbarte Wertsicherungsmethodik. Und in einem neuen Konzept der WGZ Bank (Frank Schmeing/André Wöllenweber, Seite 774) betrifft es die Umsetzung einer möglichst ganzheitlichen Risikosteuerung durch die Einbeziehung des Depot-A-Managements der Primärbanken in eine integrierte Gesamtbanksteuerung. Ausgehend von einer reinen Optimierung des Depot-A wurde dazu die Asset-Allocation-Beratung dahingehend weiterentwickelt, auch das Kundenkreditgeschäft sowie die Verbindlichkeiten der Primären in die Analysen zu integrieren. Man will damit von einem Trend profitieren, den sich derzeit auch viele kleinere Institute (Hubert-Ralph Schmitt, Seite 789) und spezialisierte Finanzdienstleister zunutze machen.

Angesichts der vergleichsweise großen Spreads und der unübersichtlichen und unsicheren Marktlage lassen sich aktuell gute Gewinne im Eigenhandel beziehungsweise der Eigenhandelsberatung erzielen.

Nachweislich zu den Profiteuren der Finanzmarktkrise gehören auch nach wie vor die Anbieter von Exchange Traded Funds. Dass ETFs gerade in der Finanzkrise nicht zuletzt bei institutionellen Anlegern einen sichtbaren Aufschwung genommen haben, will Andreas Fehrenbach (Seite 784) der Liquidität, Transparenz, Effizienz und den günstigen Kostenstrukturen zugerechnet wissen. Aktives Management und ETFs sind dabei für ihn kein Widerspruch. Im Gegenteil, weil die liquide Handelbarkeit selbst bei größeren Positionen den Spezialfonds die Chance gibt, schnell auf Opportunitäten zu reagieren oder neu gefasste Ausrichtungen umzusetzen, profitieren selbst aktive Management-Ansätze von passiven Investmentinstrumenten. Und auch Dachfonds investieren zunehmend in ETFs.

Die Bewertung von aktiven und passiven Management-Ansätzen fällt bei Matthias Klein (Seite 760) zwar grundsätzlich anders aus, gleichwohl baut auch er den Anbietern von Passivprodukten unter den derzeitigen Marktverhältnissen eine Brücke. Mit dem Zwang, den Kauf und Verkauf von Wertpapieren dem Diktat des Marktes zu unterwerfen, so seine Marktanalyse, agieren passive Anlagestrategien prozyklisch, indem sie Trendentwicklungen verstärken und jede Fehlentwicklung des Marktes noch verschlimmern. Wenn keine vollständige Effizienz am Markt vorliegt, wie es auch viele andere Autoren dieses Heftes konstatieren, ergeben sich damit grundsätzlich gute Anlagemöglichkeiten für aktive Asset Manager. Genau diese Marktsituation dürfte noch für geraume Zeit anhalten. Bis sich im institutionellen Geschäft aktive und passive Elemente auf das optimale Marktverhältnis eingeschwungen haben, können beide Seiten also von einem harmonischen Nebeneinander profitieren.

Ob all die Einsichten und Maßnahmen der Verfeinerung des Risikomanagements, neue Produkte und die Rückbesinnung auf durchschaubare Abläufe ausreichen, um die Trendwende im Neugeschäft einzuleiten? Bisherigen Erfahrungen nach müsste die jüngste Aufwärtsentwicklung an den Börsen das institutionelle Asset Management begünstigen, die sich bietenden Chancen zu nutzen. Mo.

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