Aufsätze

FVA - Berücksichtigung der Finanzierung in der Derivatebewertung

Während noch vor einigen Jahren der Marktstandard für die Bewertung von Standard-Derivaten wie Zinsswaps eindeutig war und wenig mathematische Komplexität aufwies, werden Banken sowie Industrieunternehmen nun auch durch solche einfacheren Instrumente vor Herausforderungen gestellt. Denn spätestens seit der Finanzkrise ist allgemein akzeptiert, dass Derivate wesentliche Kontrahenten- und Finanzierungsrisiken aufweisen können.1)

Zwischen Konsens und Herausforderungen

Um Kontrahentenrisiken im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen, hat sich ein Credit Valuation Adjustment (CVA) als Standard etabliert. Auch über die Berücksichtigung des eigenen Kontrahentenrisikos in Form eines Debt Valuation Adjustment (DVA) herrscht - zumindest für bilanzielle Zwecke nach IFRS beziehungsweise US-GAAP - Konsens.

Dahingegen wird die Berücksichtigung einer Anpassung für die Finanzierung von außerbörslichen Derivaten - auch als Funding Valuation Adjustment (FVA) bezeichnet - noch kontrovers diskutiert. Durch diese Anpassung soll möglichen Finanzierungskosten und -erträgen Rechnung getragen werden, die insbesondere bei Derivaten ohne Collateral-Verträge eine Rolle spielen können.

Umfragen zufolge etabliert sich ein entsprechender FVA in der Vorkalkulation, auch wenn dies einige modelltheoretische Fragen offen lässt.2) Fraglich bleibt die bilanzielle Berücksichtigung eines FVA als Teil des Fair Value beziehungsweise des Exit Price.3) Eine Herausforderung stellt auch die korrekte Trennung zwischen FVA und DVA dar.

Dabei kann sich der FVA gerade bei Derivaten zwischen Kontrahenten mit ähnlich guter Bonität, die nicht mit einem beidseitigen Collateral-Vertrag abgesichert sind, als die wesentlichere Anpassung herauskristallisieren. Finanzierungsrisiken beschäftigen auch den Regulator.

So fordern beispielsweise die im Dezember 2012 aktualisierten MaRisk systematische Verrechnungspreise, also ein sogenanntes Funds Transfer Pricing. Auch das neue Baseler Diskussionspapier zur vorsichtigen Bewertung (Prudent Valuation) geht explizit auf FVA als eine im Rahmen der Ermittlung von Eigenkapitalanforderungen zu berücksichtigende Bewertungsanpassung ein.4)

Rational FVA

Neben Prämien, Kupon- und Nominalzahlungen stellen Collateral-Zahlungen5) eine weitere Quelle des Finanzierungsbedarfs von Derivaten dar. Wenn einerseits Derivate ohne Collateral-Verträge eingegangen werden, dem andererseits Hedge-Geschäfte mit täglichen Margin-Zahlungen gegenüberstehen, entsteht ein Exposure, welches kontinuierlich finanziert werden muss. Eine solche Ausgestaltung ist üblich für Banken im Geschäft mit Industrieunternehmen, Institute der öffentlichen Hand oder innerhalb eines Verbunds. Diese Derivate werden wiederum regelmäßig am Interbankenmarkt mittels Derivaten mit Collateral-Vereinbarungen gehedgt.

Die Kosten dieser Konstellation sind derzeit in vielen Häusern spürbar, indem Receiver-Zinsswaps eingegangen worden sind. Für viele dieser Derivate, die vor 2008/09 abgeschlossen wurden, liegen aufgrund stark gesunkener Zinsen signifikante positive Werte für die Banken vor. Dies hat zur Folge, dass die Banken für ihre Hedge-Geschäfte, die einen entsprechenden negativen Wert aufweisen, wesentliche Collateral-Beträge zu stellen haben. Während Barsicherheiten zu Eonia verzinst werden, refinanzieren sich die Institute zu einem höheren Zinssatz, sodass der Funding-Spread als Aufwand beim Institut verbleibt.

Fundingerträge können ent sprechend bei den Geschäften entstehen, für die Collateral-Zahlungen vereinnahmt werden, die nicht für Margening-Zahlungen abgesicherter Derivate weitergeleitet werden. Gegenüber dem Kontrahenten, der die Sicherheiten stellt, wird nur zu Eonia verzinst, während die Anlage zu einem über Eonia liegenden Satz erfolgt. Abhängig von der Höhe der Collateral-Zahlungen ergeben sich Finanzierungskosten oder -erträge.

Es wird mitunter argumentiert, dass die Finanzierungsstruktur des Investors keinen Einfluss auf den Marktwert eines Investments haben darf, sodass FVA keine Berücksichtigung finden soll.6) Im Rahmen der Preisstellung werden jedoch Preise im Sinne von Replikationskosten gestellt. Hierbei geht es vorrangig um eine Deckungsbeitragssicht, in der - wie auch im Kreditgeschäft üblich - alle erwarteten Kosten und Erträge eines Derivates und somit auch FVA projiziert und berücksichtigt werden. Dies führt regelmäßig auch dazu, dass die Kontrahenten trotz gemeinsamer Preisfindung keine übereinstimmende Bewertung vornehmen.

Quantifizierung des FVA

Für die Quantifizierung des FVA sind die Kosten des (zukünftigen) Finanzierungsbedarfs zu bestimmen. Sofern die Refinanzierung eines Derivates immer symmetrisch auf einer Kurve erfolgt, zum Beispiel OIS bei besicherten Derivaten oder Fundingkurve bei unbesicherten Derivaten, kann der FVA durch eine differenzierte Diskontierung der Cash-Flows bestimmt werden. Der so abgeleitete implizite FVA ist in der Praxis relativ verbreitet: Während besicherte Derivate mit OIS diskontiert werden, wird für nicht besicherte Derivate auf eine Zinsstrukturkurve zurückgegriffen, die einen Funding Spread beinhaltet. Genaugenommen müsste jedoch eine simulationsbasierte Unterscheidung der Funding- und Depositseiten erfolgen.

Häufig sind - etwa bei einseitiger Besicherung - für die Ermittlung des FVA Methoden zu verwenden, die für die Berechnung der Exposure für CVA und DVA bereits entwickelt wurden. Monte-Carlo-Methoden gehören dabei zu den Standardverfahren. Bei diesen Verfahren werden mögliche zukünftige Marktszenarien generiert. Für jedes dieser Szenarien wird ein Preis und somit das Exposure ermittelt. Dieses Vorgehen lässt sich erweitern um die Ermittlung des Fundingbedarfs und somit für die Bestimmung des FVA verwenden.7)

Um den zukünftigen Finanzierungsbedarf zu ermitteln, werden die Instrumentenpreise zu verschiedenen zukünftigen Zeitpunkten errechnet. Aus der Menge dieser zukünftigen Preise lässt sich dann ein vollständiges Exposure-Profil erstellen, welches die Grundlage zur Ermittlung des FVA bildet und aus dem sich die zukünftigen Finanzierungskosten und -erträge ableiten lassen.

Die Anwendung dieser Methode erlaubt es, alle wichtigen Vertragseigenschaften in den Szenarien zu berücksichtigen. Insbesondere können die Regeln zur Stellung von Collateral samt den definierten Thresholds und Minimum Transfer Amounts abgebildet werden. Insgesamt lässt sich so der tatsächliche Finanzierungsbedarf von Einzelgeschäften schätzen.

Eine Berücksichtigung aller Geschäfte eines Portfolios erlaubt es, in den Simulationsszenarien die gleich- und gegenläufigen Wertänderungen zu modellieren. Entsprechend können in den Simulationen Portfolioeffekte angemessen berücksichtigt werden. Dieses Vorgehen wird in vielen Banken bereits für die Berechnung des CVA verwendet.8) Für eine sachgerechte Berechnung der Fundingkosten müssen hierbei die Zusammenhänge von Exposure, CVA und DVA sowie FVA berücksichtigt werden. Dabei treten spezielle Eigenschaften des FVA zutage, welche die Quantifizierung der Finanzierungskosten erschweren.

Aspekte der Quantifizierung und Steuerung

Als Komplement zur Berechnung von CVA und DVA lässt sich der FVA im Allgemeinen nicht als ein direktes Add-on zum Marktpreis bestimmen. Zwar kann der FVA formal als die Differenz zwischen zwei Preisen mit beziehungsweise ohne Berücksichtigung von Fundingkosten angeben werden, die Berechnung dieser Größe erfolgt üblicherweise aber rekursiv.9) Als Konsequenz daraus ist eine klare Unterscheidung von CVA, DVA und FVA nicht mehr eindeutig möglich.

In der Praxis werden die Kreditrisiko- und Finanzierungskosten in der Regel voneinander getrennt betrachtet. In diesem Fall wird zwischen CVA/DVA einerseits und FVA andererseits unterschieden. Teilweise werden auch Verfahren gewählt, die einer Unterteilung in CVA einerseits und DVA/FVA andererseits entsprechen. Bei letzterem Ansatz wird argumentiert, dass es so einfacher sei, die Ausfall- und Fundingrisiken getrennt zu steuern und somit einer möglichen Doppelberücksichtigung von Finanzierungserträgen und DVA entgegenzuwirken.

Zur Ermittlung des FVA wird neben den Exposure-Profilen ein Funding Spread benötigt. Dieser stellt die Differenz zwischen einer Basiskurve (zum Beispiel der OIS-Kurve) und der jeweiligen Finanzierungskurve dar. Der Funding Spread setzt sich im Wesentlichen aus einer Kreditrisikound einer Liquiditätskomponente zusammen.

Risikosteuerung durch spezialisierte Markteinheiten

Ausgangspunkt für die Festsetzung des Funding Spreads sind zunächst die tatsächlichen Refinanzierungskosten der Bank beziehungsweise die möglichen Finanzierungserträge. Darüber hinaus müssen für die verschiedenen Instrumentenklassen die jeweiligen Liquiditätskomponenten ermittelt werden. Banken stehen hier vor der Herausforderung, einen angemessenen Funding Spread zu ermitteln, um die Refinanzierungskosten sachgerecht zu allokieren. Dazu werden häufig Mischzinssätze gebildet, die allen Refinanzierungsquellen - zum Beispiel Anleihen und Einlagen - gerecht werden.

Innerhalb der Banken werden die Risiken vermehrt durch spezialisierte Markteinheiten gesteuert, die zum Beispiel für das Collateral Management oder die Refinanzierung (Funding Desk) zuständig sind. Ein Funding Desk würde beispielsweise die Risiken berücksichtigen, die mit der Fristentransformation zusammenhängen. Durch ein System von internen Geschäften können so die Risiken und damit die Kosten intern transferiert werden.10) Die Quantifizierung des FVA kann über Hedging-Strategien erfolgen.11) Diese führen je nach Voraussetzung zu unterschiedlichen Ergebnissen.12) Im Allgemeinen werden Banken allerdings nicht in der Lage sein, jede theoretische Hedging-Strategie auch tatsächlich umzusetzen.

Auch wenn die Berücksichtigung eines FVA in der Bewertung im Zuge der Nachkalkulation einige unbeantwortete Fragen aufwirft, sprechen vor allem die gestiegenen Refinanzierungskosten der Banken für die Preisstellung eines FVA in der Vorkalkulation. Eine Quantifizierung des Fundingeffekts stellt die Grundlage für eine systematische, sachgerechte und anreizkompatible Verrechnung von Fundingkosten und -erträgen dar. Bei einer Finanzierung der Geschäfte über Treasury können diese Effekte zum Beispiel im Rahmen von Funds Transfer Pricing (FTP) festgelegt werden, um die tatsächlichen Finanzierungskosten angemessen berücksichtigen zu können.

Dieser Artikel gibt die Meinung der Autoren wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der DZ Bank oder von Deloitte.

Fußnoten

1) Um möglichst "risikofreie" Zinssätze zu verwenden, werden nun - statt Libor-basierten Kurven - Overnight-Index-Swap-Sätze (OIS) herangezogen, da diese auch für die Verzinsung unter Collateral-Verträgen Anwendung finden und ein relativ marginales Kontrahentenrisiko aufweisen.

2) Vgl. Deloitte LLP, Solum Financial Partners LLP (Hrsg.) (2013), Counterparty Risk and CVA Survey.

3) Einige Banken haben bereits in ihren Geschäftsabschlüssen für 2012 ein FVA ausgewiesen, vgl. unter anderem Goldmann Sachs (2012), Royal Bank of Scotland (2012), Lloyds (2012).

4) Vgl. European Banking Authority (2012), Relating to Draft Regulatory Technical Standards on prudent valuation under Article 100 of the draft Capital Requirements Regulation (CRR), Discussion Paper.

5) Hier ist grundsätzlich Cash-Collateral gemeint oder solches, welches zumindest mittelbar zur Refinanzierung in Cash gewandelt werden kann.

6) Vgl. insbesondere Hull/White (2012), Risk 25: The FVA debate, in: Risk magazin, 8/2012.

7) Die Ansätze können im Falle einfacher Produkte analytische Approximationen umfassen. Eine solche Approximation kann beispielsweise für Swaps durch eine Reihe von Swaptions auf den Rest-Swap dargestellt werden, vgl. Glischke/Mach/Stemmer (2012), CVA - Credit Valuation Adjustments, White Paper No. 33, Deloitte.

8) Vgl. Pykhtin/Zhu (2007), A Guide to Modelling Counterparty Credit Risk, in: Global Association of Risk Professionals, 7/2007.

9) Vgl. u. a. Pallavicini/Perini/Brigo (2011), Funding Valuation Adjustment: a consistent framework including CVA, DVA, collateral, netting rules and rehypothecation.

10) Vgl. Fries/Zinnegger (2012), Funded Inside: The Internal Transfer of Costs and Risks from Collateralized and Funded Derivatives.

11) Vgl. Fries (2011), Funded Replication: Valuing with Stochastic Funding.

12) Unter der Annahme, dass Banken ihre Bonds mit unterschiedlichen Verwertungsraten handeln können, kann gezeigt werden, dass durch eine perfekte Replikation keine Fundingkosten entstehen; vgl. Burgard/Kjaer (2011), In the Balance, in: Risk magazine 11/2011.

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