Aufsätze

Gefahren eines Zerfalls der Euro-Zone – zwei Szenariobetrachtungen

Fehlerfreundliches Handeln bedeutet, zukünftigen Gefahren aufgeschlossen zu begegnen und seien die Ereignisse aus der Sicht des Augenblickes noch so unwahrscheinlich. Die Entwicklung der derzeitigen Weltwirtschaftskrise zeigt zudem, dass bislang Ungedachtes in kurzen Zeiträumen denkbar oder sogar aktuell werden kann. Das hier durchgespielte Worst-case-Szenario wirft die Frage auf, inwiefern die fortschreitende Krise die Stabilität der Europäischen Währungsunion (EWU) gefährdet und zum Ausstieg einzelner Mitglieder führen kann. Die Darstellung ist hypothetisch, aber nicht ohne sachliche Gründe. Im Folgenden werden zwei Szenarien als mögliche Konsequenzen der Finanzmarktkrise durchgespielt. Griechenland dient als Beispiel eines in erhebliche Zahlungsschwierigkeiten gekommenen Landes. Der Fall Deutschland steht für Länder der Euro-Zone, die einen Verstoß gegen den Stabilitätspakt sehen und sich den überwälzten Kosten durch Austritt entziehen wollen. Krisenhafte Rahmenbedingungen Im Rahmen der globalen Finanzmarktkrise sollen national geschnürte Rettungspakete in einem EU-weiten Volumen von 1,7 Billionen Euro die akuten Liquiditätsprobleme des Banken- und Versicherungssektors durch (Teil-)Verstaatlichungen, den Aufkauf ausfallgefährdeter Wertpapiere sowie Bürgschaften sichern. Eine national hinzutretende Immobilienmarktkrise, wie sie derzeit Spanien erlebt, führt zu zusätzlichen Belastungen durch Hypothekenausfälle und einen Nachfrageeinbruch im Bausektor. Die realwirtschaftliche Konjunkturkrise erfasst in erster Linie Länder, deren rigide Arbeitsmärkte wenig anpassungsfähig sind und deren Probleme bislang durch den Zustrom von Immigranten aus Lateinamerika, Osteuropa und Nordafrika überdeckt wurden. Allein seit 1990 sind nach Spanien aus diesen Regionen etwa acht Millionen Menschen, teilweise illegal, eingewandert. Fehlendes Wirtschaftswachstum und ein Leistungsbilanzdefizit können nicht durch eine Abwertung eines nationalen Wechselkurses kompensiert werden, sodass die strukturellen Schwächen offen zutage treten. EU-weite Konjunkturprogramme in Höhe von über 200 Milliarden Euro sollen den Nachfrageausfall lindern. Eine im Jahr 2009 stark ansteigende Arbeitslosigkeit führt zu zusätzlichen Belastungen durch Defizite der Sozialhaushalte. Besonders betroffen sind Länder mit einer bereits hohen Staatsschuld, einer stark ansteigenden Neuverschuldung, einem hohen Leistungsbilanzdefizit sowie einer hohen Auslandsverschuldung. Hinzu treten Mitgliedstaaten, die durch Forderungsausfälle von in Schwierigkeiten geratenen Staaten außerhalb der Euro-Zone (Island, baltische Staaten, Ungarn, Rumänien, Weißrussland, Ukraine) stark belastet werden. Im Ergebnis verschärfen sich die schon seit der Gründung der EWU bestehenden Bedingungen eines nicht optimalen Währungsraumes. Trotz der offiziell zwar einvernehmlichen Beschlüsse sind die divergierenden Interessenlagen unübersehbar. Sanktionen bei Überschreiten der Verschuldungsgrenzen unterbleiben und das generelle Beihilfeverbot wird praktisch außer Kraft gesetzt. Protektionistische Staatshilfen für besonders nachfrageschwache Branchen wie die Automobilindustrie sowie von Großunternehmen führen bereits zu offenen Konflikten auf EU-Ebene. Eine langfristige Gefahr geht auch von der Liquiditäts- und Geldpolitik der EZB aus, die derzeit allgemein als angemessen bewertet wird. Das hierin angelegte Inflationspotenzial ist bei entsprechend träger Rückführung dieser dann expansiv wirkenden Politik ebenfalls offensichtlich. Gefahr einer Destabilisierung Unter den hypothetischen Annahmen, dass die Liquiditätskrise andauert, die Rettungspakete nicht geahnte Ausmaße annehmen, die staatlichen Konjunkturhilfen nur mäßige Wirkungen zeigen und Zahlungsausfälle verschiedener Länder außerhalb der Euro-Zone einzelne EWU-Mitgliedsländer treffen, entstehen Rahmenbedingungen einer Destabilisierung der Euro-Zone. Eine drastisch gestiegene Staatsverschuldung, ein durch Zweifel an der zukünftigen Zahlungsfähigkeit des Landes hervorgerufener Zinsanstieg für Kredite und die Aussicht auf jegliche Handlungsspielräume einschnürende Zinslasten öffentlicher Haushalte machen Rufe nach einer Entschuldung hörbar. Da weitere EU-Hilfen aus Förderfonds nicht gewährt werden, die No-bail-out-Klausel des Nizzavertrages eine gemeinschaftliche Rettung ausschließt und Eingriffe in nationale Kompetenzen bei offensichtlichem Insolvenzstatus als politisch inakzeptabel gelten, wird als Ausweg ein Austritt aus der Euro-Zone erwogen. Überforderungshypothese Die Überforderungshypothese beschreibt die Flucht eines Landes aus der marktorientierten Haushaltsdisziplin. Als mögliche Kandidaten infolge der Finanzmarktkrise kommen Irland, Griechenland, Spanien, Italien und eventuell Österreich infrage. Bereits 2008 wiesen Griechenland mit einer öffentlichen Defizitquote von 3,4 Prozent und einem öffentlichen Schuldenstand von 94,0 Prozent sowie Italien mit Werten von 2,8 Prozent beziehungsweise 105,7 Prozent gemessen am BIP problematische Strukturdaten der Staatsverschuldung auf.*) Schätzungen der Nettoneuverschuldungsrate für 2009/2010 lassen für Griechenland (3,7 Prozent/4,2 Prozent), Italien (3,8 Prozent/3,7 Prozent), Frankreich (5,4 Prozent/5,0 Prozent), Spanien (6,2 Prozent/5,7 Prozent) sowie für Irland (11,0 Prozent/13,0 Prozent) einen weiteren starken Anstieg erwarten. Allerdings erscheint auch die Einhaltung des Defizitkriteriums durch Deutschland (2,9 Prozent/ 4,2 Prozent) als eher unwahrscheinlich. Annahmegemäß führen erhebliche Risiken aus dem Osteuropageschäft durch die Zahlungsunfähigkeit verschiedener baltischer, vor allem der Balkanstaaten sowie der Ukraine und Weißrussland zu Zahlungsausfällen. So haben österreichische Banken sowie der Staat zirka 300 Milliarden Euro Auslandsforderungen gegenüber Ungarn, Rumänien und der Ukraine. Dies entspricht in etwa 80 Prozent des BIP. Hohe ausfallgefährdete Forderungen gegenüber osteuropäischen Ländern weisen auch Griechenland und Italien auf. Hinzu kommen Forderungsausfälle aus dem zusammenbrechenden heimischen Immobilien- und Hypothekenmarkt. Die realwirtschaftliche Krise verschlechtert die Lage weiter aufgrund starrer Arbeitsmärkte mit geringer Lohnflexibilität und Immobilität der Arbeitskräfte. Der Wegfall des nationalen Wechselkursmechanismus verschärft die strukturellen Wettbewerbsprobleme dieser Länder. Dem stehen gewisse Vorteile als Mitglied der EWU gegenüber, die unter anderem eine Überwälzung des Zinsanstiegs auf die anderen EWU-Teilnehmer betreffen. Eine zum Teil mangelnde Stabilitätskultur sowie der offizielle Konsens zur krisenbedingten Aufhebung des Sanktionsmechanismus bei Überschreiten der Defizitkriterien infolge der Finanzmarktkrise öffnen die Schleusen einer kreditfinanzierten Bankenrettung sowie einer Konjunkturpolitik nach keynesianischem Muster. Unbeachtet bleibt in der öffentlichen Diskussion, dass diese Ausnahmefenster für die betroffenen Länder langfristig bei entsprechender Neuverschuldung unweigerlich ein Defizitverfahren aufgrund des Niveaueffektes sowie der Zinsbelastung hervorrufen werden. Neben dieser negativen Perspektive im Rahmen der EWU wird annahmegemäß Forderungen nach weitergehenden Finanzhilfen aus dem Strukturfond nicht entsprochen. Im Rahmen des 200 Milliarden Euro Konjunkturprogramms der EU sind die bis 2013 eingeplanten EU-Mittel bereits aufgebraucht, und die Nettozahler lehnen eine Aufstockung durch weitere Sonderüberweisungen ab. Bereits im Oktober 2008 kam es zu ersten Störungen im Anleihehandel für Staatspapiere der Mittelmeeranrainer. Eine Differenz der An- und Verkaufskurse von 0,5 bis 0,75 Prozent brachte den Handel dieser Anleihen zeitweise zum Erliegen. Ebenfalls ein Zeichen des Misstrauens und der Spekulation über zukünftig notwendige Staatskredite stellt der Renditeaufschlag von drei Prozentpunkten einer griechischen und von 1,5 Prozentpunkten einer italienischen Staatsanleihe mit zehnjähriger Restlaufzeit dar. Als weitere Indikatoren einer negativen Markteinschätzung kommen eine Herabstufung der Bonität für Auslandsschulden dieser Länder durch verschiedene Rating-Agenturen sowie steigende Risikoprämien für Kreditabsicherungen (Credit Default Swaps, CDS) hinzu. Die insbesondere langfristig negativen Perspektiven eines Verbleibs in der Euro-Zone führen in Griechenland annahmegemäß zum Entschluss eines währungspolitischen Neubeginns. Die Einführung eines Neä Drachmä (ND) nutzt die griechische Regierung gleichzeitig für eine Entwertung der Staatsschulden und eine Verringerung der Geldmenge. Neben degressiv gestaffelten Umtauschsätzen wird eine Ungleichbehandlung nach Art der Euro-Forderung vorgenommen. So könnten beispielsweise staatliche Schuldtitel gegenüber Bargeld und Giralgeld besonders niedrige Umtauschkurse erhalten, um der Regierung neue Handlungsspielräume zu verschaffen. Soweit sich die Inhaber von Euro-Forderungen der Enteignung entziehen können, werden sie keinen Umtausch in den ND vornehmen. Durch die deshalb geringe Rückführung der Euros an die griechische Zentralbank kann diese keine vollständige Schuldentilgung gegenüber dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) vornehmen. Als Pfand behält das ESZB unter Umständen den griechischen Kapitalanteil an der EZB ein. Als weitere Konsequenz der geringen Euro-Rückgabe an das ESZB entsteht in der Rest-Union ein Inflationspotential. Es errechnet sich aus der Differenz der Änderungsrate des durch den Austritt verringerten Unionssozialprodukts und der Rate des (geringeren) Rückgangs der Euro-Geldmenge. Bedingt durch die relative Größe Griechenlands zur Rest-Union ist die Gefahr einer Desintegrationsinflation zwar gering. Im Falle Italiens wäre sie jedoch nicht unerheblich. Wechselkursrisiko In Aussicht auf einen "ungeordneten" Austritt mit den gezeigten negativen Wirkungen für die Rest-Union könnte sich Griechenland ein "geordnetes", einvernehmliches Ausscheiden abkaufen lassen. Hierzu müsste Griechenland durch eine Gleichbehandlung der verschiedenen Euro-Forderungen Rahmenbedingungen schaffen, die den Umtausch der Inländer-Euros gegen den ND zumindest nicht behindern. Im Gegenzug würden die Länder der Rest-Union über den Strukturfond und/oder durch einen Teilerlass bestehender griechischer Staatsschulden einmalige Finanzhilfen leisten. Der Austritt Griechenlands könnte die Rest-Union zudem konvergenter machen und durch den Abbau von Spannungen zur mittelfristigen Stabilisierung der Rest-Union beitragen. Zwei gravierende Probleme dürften jedoch der griechischen Regierung den Schritt hin zur Wiedereinführung einer nationalen Währung erschweren. Bereits die Aussicht auf einen Austritt wird einen Verkaufsdruck auf griechische (Staats-)Anleihen auslösen und einen weiteren Kursverfall respektive Zinsanstieg für diese Papiere bewirken. Die Finanzmärkte werden die Gefahr eines Staatsbankrotts sofort höher einschätzen und eine zukünftige staatliche Kreditfinanzierung erschweren. Zudem kann ein Währungsgesetz den Euro allenfalls in Verträgen zwischen Inländern durch den ND verbindlich ablösen. Demgegenüber werden Verträge mit dem Ausland zu offenen Euro-Währungspositionen mit hohem Wechselkursrisiko für den griechischen Partner. Die in der Vergangenheit bei hohen Leistungsbilanzdefiziten aufgebauten Nettoauslandsschulden machen das Risiko deutlich. Eine Abwertung des ND kann griechische Banken und Importeure als Euro-Schuldner in unvorhergesehene Schwierigkeiten mit hohen Verlusten und Liquiditätsproblemen führen. Frustrationshypothese Die Frustrationshypothese begründet den Austritt Deutschlands als ein relativ stabiles Mitglied aus der EWU mit einem Verfehlen des Stabilitätsziels in der langen Frist, das heißt mit einem starken Verfall des inneren und gegebenenfalls auch des äußeren Wertes des Euro durch Inflation und Abwertung. Die Ursache könnte eine zögerliche Umstellung einer expansiv wirkenden Geldpolitik nach Beendigung der Wirtschaftskrise bilden, die den an einer Schuldenentwertung interessierten Ländern entgegenkommt. Die institutionelle Grundlage besteht in der Regel des Mehrheitsentscheids im EZB-Rat, welcher die Medianposition hoch verschuldeter Länder zur Durchsetzung bringt. Damit steht der Stabilitäts- und Wachstumspakt als Fundament der Währungsunion infrage, der mit seinen Verschuldungsregeln die "offene Flanke" der Währungsunion in Gestalt einer fehlenden staatlich-fiskalischen europäischen Einheit schließen soll. Eine ausdrückliche nationale Legitimation erfährt ein so gerechtfertigter Austritt durch das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 89, 155 [205]). Eine im Vergleich zur Geschichte der DM hypothetisch angenommene ungewöhnlich hohe Geldentwertung in der Euro- Zone weckt Erinnerungen an die zwei Währungsreformen in Deutschland. Sie schürt Ängste in der Bevölkerung und ruft die zwischenzeitlich still gewordenen Euro-Kritiker wieder auf den Plan. Die Inflationslasten spiegeln sich für Deutschland in der Entwertung seiner Netto-Gläubigerposition (in Euro) wider. Unter Umständen verschlechtert sich außerdem das reale Austauschverhältnis gegenüber der Nicht-Euro-Zone, was zu einem Kaufkraftverlust der Exporte führen würde. Die Kapitalmarktanspannungen, verursacht durch übermäßige Haushaltsdefizite verschiedener EWU-Teilnehmer, wirken dem allerdings entgegen. Die einhergehende Zinssatzsteigerung belastet jedoch trotz einer vergleichsweise erfolgreich praktizierten Haushaltsdisziplin der deutschen Gebietskörperschaften zunehmend den öffentlichen Schuldendienst. Sie lenkt Kapital vermehrt in die Defizitländer und verdrängt in Deutschland private Investitionen (Zins-satz-crowding-out). Dies erklärt umgekehrt den Wunsch Dänemarks, vor allem aber Ungarns, nach baldiger Aufnahme in die Euro-Zone, mit der sie die Hoffnung auf geringere Kreditzinsen verbinden. Ein induzierter Kapitalzufluss in die Euro-Zone aus der Rest-Welt führt darüber hinaus zu Aufwertungseffekten des Euros. Mit ihnen gehen in den Mitgliedsländern bei verminderten Exporten sinkende Einkommen einher (Wechselkurs-crowding-out). Umgekehrt profitiert die Rest-Welt von hohen Sickerverlusten der kreditfinanzierten Ausgabenerhöhung der Defizitländer. Bei reduziertem Wachstum kommt die Aussicht hinzu, zukünftig im Rahmen von Hilfeleistungen an die in Schwierigkeiten gekommenen Staaten zu vermehrten Nettozahlungen in den EU-Haushalt genötigt zu werden. Zwar gilt die No-bail-out-Klausel (Art. 103 EGV) als eine scheinbar unverrückbare institutionelle Notbremse, nach der die Gemeinschaft und die einzelnen Mitgliedstaaten weder eine Haftungszusage im Vorhinein geben, noch bei akuten Zahlungsschwierigkeiten eines Mitgliedslandes für dessen Verbindlichkeiten einstehen dürfen. Sie kann als Appell an die Marktteilnehmer angesehen werden, die mit der Kreditgewährung verbundenen Risiken richtig einzuschätzen und mögliche Konditionen oder gar Kreditverweigerungen hiernach auszurichten. Die Wirksamkeit dieser marktkonformen Regel scheitert jedoch an einem Glaubwürdigkeitsproblem. Zum einen kommt ein Staatsbankrott dem politischen Eingeständnis eines Scheiterns der EWWU gleich. Zum anderen fehlen für diesen Fall jegliche institutionelle Vorkehrungen im Rahmen der Gemeinschaft. Bei realistischer Einschätzung sind Umgehungsmöglichkeiten zur Abwendung einer drohenden Zahlungsunfähigkeit durch die Gemeinschaft wahrscheinlicher, was faktisch wiederum einer Kostenüberwälzung zulasten solider Mitglieder gleichkommt. Drei Alternativen wären denkbar: Es könnten entlastende Zahlungen aus einer Aufstockung des Struktur- sowie des Kohäsionsfonds geleistet werden (Art. 159 ff. EGV). Des Weiteren sieht Art. 119 EGV "einen gegenseitigen Beistand" bei gravierenden Zahlungsbilanzproblemen vor. In der Vergangenheit wurden entsprechende Kredithilfen zum Beispiel an Italien und Griechenland vergeben. Zumindest nach heutiger Vertragsinterpretation wären Finanzhilfen als dritte Möglichkeit "aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse, die sich seiner [des Mitgliedsstaates, Anm. d. Verf.] Kontrolle entziehen" (Art. 100 Abs. 2 EGV), für das Problem genereller Zahlungsschwierigkeiten nicht gestattet. Spekulationsgeschäfte vermeiden Annahmegemäß sieht die deutsche Regierung nach verschiedenen erfolglosen Versuchen der Einflussnahme keine Chance einer angemessenen Interessenberücksichtigung. Das Scheitern der Verhandlungen zur Einbindung des Euro in ein internationales Währungssystem (US-Dollar/Yen) zwecks Stabilisierung des Außenwerts wird neben einer erfolgversprechenden Klage vor dem BVerfG zum Anlass genommen, den Austritt aus der EWU einzuleiten. Zur Wahrung des Rechtsfriedens wird eine Entlassung im Konsens der verbleibenden Mitglieder angestrebt. Die Notwendigkeit der Zustimmung aller nationalen Parlamente macht diesen Weg aber unsicher und langwierig. Um dem Entschluss Ausdruck zu verleihen, wird der Vollzug mit der Rückübertragung der Währungssouveränität auf die Deutsche Bundesbank (Art. 88 Satz 2 Grundgesetz) und die damit verbundene Ausgabe der Neuen Deutschen Mark (NDM) für spätestens in zwölf Monaten angekündigt. Zur Vermeidung möglicher Spekulationsgeschäfte im Hinblick auf die Erwartung einer Hartwährung sowie des Zustroms von "gebietsfremden" Euros aus der Rest-Union sollte die Ankündigung der Währungsreform sehr kurzfristig, möglichst an einem Wochenende, erfolgen. Die Umtauschfrist wäre sehr kurz zu halten und könnte sich auf die nächsten beiden Banktage beschränken. Die Höhe des festgelegten Umtauschkurses ist prinzipiell frei wählbar, nur sollten keine Differenzierungen nach Art und Höhe der Euro-Forderungen vorgenommen werden, um Enteignungen sowie Manipulationen entgegenzuwirken. Möglichst konfliktarmer Austritt Ein Schutz vor auswärtigen Euro-Zuflüssen aufgrund von Aufwertungserwartungen wird sich auch bei Nachweis der deutschen Gebietszugehörigkeit nicht vollständig durchsetzen lassen. Kurzfristig mögen die einhergehende höhere NDM-Geldbasis sowie deshalb enttäuschte Aufwertungserwartungen zu übersteigerten Ausschlägen auf den Devisen- und Kapitalmärkten führen. Mittelfristig könnte eine von der Bundesbank angekündigte Geld- und Währungspolitik diese Effekte jedoch abmildern. Außerdem könnte sie durch Verkauf der illegal eingetauschten 'gebietsfremden' Euros die unfreiwillig ausgegebenen NDM wieder stilllegen. Insbesondere für die Rest-Union stellt sich damit die generelle Frage, wie die Bundesbank die umgetauschten Euro-Währungsbestände verwenden wird. Um nicht auch den erreichten Gemeinsamen Markt zu gefährden, hat die Bundesrepublik annahmegemäß ein Interesse an einem möglichst konfliktarmen Austritt. Deshalb wird die Bundesbank zunächst die inländischen Verbindlichkeiten gegenüber dem ESZB mit der Rückgabe von Euros auflösen und auf sich übertragen. Im Gegenzug würde die Bundesbank ihren Kapitalanteil, die anteiligen Rücklagen sowie die sonstigen Aktiva zurückerhalten. Für die noch verbleibenden Euro-Bestände der deutschen Zentralbank bestehen mindestens drei alternative Verwendungen: Erstens könnten sie einseitig auf die EZB übertragen werden, sodass sich ähnlich dem Fall realisierter Währungsgewinne bei der EZB ein Notenbankgewinn zulasten Deutschlands ergeben würde. Zweitens wäre eine langfristige Stilllegung im ESZB gegen einen Forderungserwerb der Bundesbank möglich. Als dritte und für die Rest-Union wegen der inflationären Wirkung ungünstigste Möglichkeit kommen eine Anlage auf dem freien Kapitalmarkt oder ein Devisentausch in Betracht. Die Krise der EWU, insbesondere der Austritt des größten und eines stabilitätsorientierten Mitglieds, das bislang zugleich der bedeutendste Nettozahler der EU war, dürfte den Abwertungsdruck auf den Euro weiter verstärken. Die Gefahren einer Inflationsspirale sowie die Spekulation auf einen Zusammenbruch der EWU führen zu einem sich selbst verstärkenden Austrittswettlauf der verbliebenen Teilnehmer. Wie wahrscheinlich sind die dargestellten Szenarien eines Austritts, und welche Auswirkungen hätten sie für den Gemeinsamen Markt und die politische Integration? Die Ausführungen haben gezeigt, dass die Finanzmarktkrise die Währungsunion durch den Austritt eines Mitgliedes destabilisieren kann. Gefahren einer Desintegrationsinflation durch eine unvollständige Rückführung der eingetauschten Euro-Geldbestände an die EZB machen Kapitalverkehrskontrollen zum Schutz gegen den (illegalen) Zustrom von Euro-Geld sowie Einschränkungen des Warenexports zur Verhinderung eines unkontrollierten Ressourcenabflusses notwendig. Eine Aufweichung des Subventionsverbotes im Rahmen der Finanzmarktkrise untergräbt zudem die Grundprinzipien des Gemeinsamen Marktes. Unterlassene Schuldentilgungen des Austrittslandes einerseits und mögliche Schadenersatzforderungen der verbleibenden Mitglieder andererseits können das Verhältnis zusätzlich belasten. Damit wird deutlich, wie der Ausstieg eines Landes nicht nur die Währungsunion, sondern darüber hinaus auch die realwirtschaftliche Integration und die politische Verständigung innerhalb der EU gefährden kann. Die sowohl in Großbritannien wie auch in Dänemark neu entflammte Diskussion hinsichtlich eines Beitritts zur Euro-Zone deutet darauf hin, dass die ökonomisch eher schwachen Länder die Vorteile der Währungsunion durchaus hochschätzen. Der Nutzen besteht insbesondere in den verhältnismäßig niedrigen Zinsen und in der Stabilität des Außenwertes der Einheitswährung gegenüber einer möglichen Währungsspekulation, verbunden mit einer Abwärtsspirale der Währung eines kleinen Landes. Vordergründig betrachtet machen die hohen Kosten für das betreffende Land einen Austritt somit eher unwahrscheinlich. Betrachtet man hingegen mögliche Handlungsalternativen bei Zahlungsunfähigkeit eines Landes, so ergibt sich ein anderes Bild. Eine gemeinschaftliche Schuldenregulierung verbietet die No-bail-out-Klausel. Die Hinnahme eines offensichtlichen Staatsbankrotts eines Euro-Landes dürfte jedoch ebenfalls unrealistisch sein. Dieser würde zum einen den Euro dauerhaft schwächen, zum anderen die Risikoaufschläge für weitere, ebenfalls als bonitätsschwach eingestufte EU-Länder drastisch steigen lassen. Eine Welle von Liquiditätsstörungen wäre die Folge. Deshalb erscheint als dritte Möglichkeit der einvernehmliche Ausstieg mit im Gegenzug gewährten Hilfen aus gemeinschaftlichen Förderfonds sowie eine zinsgünstige Anschlussfinanzierung insbesondere der EU-Auslandsschuld des betreffenden Landes als eher wahrscheinlich. Sollten die Restriktionen des EU-Vertrages auch hier entgegenstehen, könnten die Hilfen über den Internationalen Währungsfonds koordiniert werden. Zerreißprobe Ein Austritt Deutschlands aus der Euro- Zone dürfte das mittelfristige Ende dieser Währungsunion bedeuten. Eine notwendige Bedingung für einen Währungsausstieg läge in einer langfristigen Gefährdung der deutschen Interessenlage in der EU. Eine zukünftig dauerhaft hohe Rate der Geldentwertung, die Durchsetzung protektionistischen Verhaltens ohne Sanktionen sowie die Forderung nach Übernahme weiterer Nettolasten im Rahmen des EU-Haushaltes zugunsten krisengeschwächter Mitglieder wären mögliche Faktoren. Als mediales Vehikel könnte eine weitere Klage vor dem Bundesverfassungsgericht dienen. Bereits im Maastricht- Urteil zog es ökonomische Grenzen ein, und im laufenden Verfahren zur deutschen Staatlichkeit im Sinne souveräner Entscheidungsfreiheiten werden voraussichtlich politische Demarkationspunkte gesetzt. Unter dem Mantel demokratischer Gewaltenteilung wären einer deutschen Regierung Angriffspunkte genommen, die sich aus der historisch-politischen Verantwortung für die europäische Integration, wie auch aus der französischen Bedingung einer Gemeinschaftswährung im Gegenzug zur Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung ergeben.

Prof. Dr. Dirk Meyer , Institut für Volkswirtschaftslehre , Helmut-Schmidt-Universität
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