Aufsätze

Die Geldpolitik der chinesischen Notenbank im Wandel

Die chinesische Zentralbank, Zhongguo Renmin Yinhang oder People's Bank of China (PBoC), wurde am 1. Dezember 1948 gegründet und übte in einem zentralwirtschaftlichen Monobanksystem sowohl kommerzielle wie Notenbankgeschäfte aus. Nach der Ausgründung der vier großen kommerziellen Geschäftsbanken - Bank of China, Bank of Communications, Industrial and Commercial Bank of China und der Agriculture Bank of China - wurde die PBoC im Jahr 1983 als Zentralbank etabliert einschließlich der Bankenaufsicht, die erst im Jahr 2003 an die China Banking Regulation Commission (CBRC) ausgegliedert wurde.

Nicht unabhängig

Als Ziele der Zentralbank definiert das Zentralbankgesetz gleichberechtigt Preisniveaustabilität und Unterstützung des Wirtschaftswachstums. Die PBoC ist nicht unabhängig, sondern untersteht der chinesischen Regierung und ist an deren Weisung gebunden beziehungsweise muss ihre geldpolitischen Entscheidungen mit ihr abstimmen. Instrumentell steuert die chinesische Zentralbank nicht nur den Geldmarktzins, sondern legt auch den Einlagenzins der Geschäftsbanken fest und bis vor einem Jahr auch noch den Kreditzins. Darüber hinaus beeinflusst sie mit der Politik des sogenannten "window guidance" in Kooperation mit der CBRC direkt die Kreditvergabe der Geschäftsbanken und steuert den Wechselkurs der chinesischen Währung, des Renminbi (RMB), in einem kontrollierten Wechselkurssystem an den Devisenmärkten.

Grundsätzlich kommt dem Zinskanal der chinesischen Geldpolitik in Form des Leitzinses für Repogeschäfte sowie des Geldmarktzinses am sekundären Geldmarkt - der Shanghai Interbank Offered Rate (SHIBOR) - nicht die geldpolitische Bedeutung zu, wie das bei westlichen Zentralbanken der Fall ist. Vielmehr wird der geldpoli tische Transmissionsmechanismus durch direkte Eingriffe in die Geschäftspolitik der Banken, die Steuerung des Einlagenzinses sowie die Sterilisationsgeschäfte im Zusammenhang mit der Kontrolle des Wechselkurses dominiert. Darüber hinaus spielt der Mindestreservesatz von jetzt 20 Prozent eine wichtige Rolle für die Richtung der Geldpolitik (Abbildung 1).

Erfolgreiche Politik

Die ungewöhnlich breitgefächerten und auch teilweise im Zielkonflikt stehenden Ziele der chinesischen Zentralbank - Preisniveaustabilität, Wachstum und Wechselkursstabilität - haben nicht verhindert, dass die PBoC eine weitestgehend erfolgreiche Politik betrieben hat. Insbesondere konnte die Inflationsrate trotz eines teilweise sehr hohen, realwirtschaftlichen Wachstums vergleichsweise stabil gehalten werden, und auch der Wechselkurs des RMB wurde mit einer Aufwertung um rund 30 Prozent seit dem Jahr 2005 gegenüber dem US-Dollar kontrolliert nach oben geschleust.

Dieser Erfolg hängt vor allem damit zusammen, dass es der PBoC mit einer geschickten Sterilisierungspolitik, bei der die Geschäftsbanken kurzfristige Zentralbankwechsel kaufen, gelungen ist, die Geldflut, die aus den Devisenmarktinterventionen resultieren, weitestgehend zu neutralisieren. So entwickelt sich das weite Geldmengenaggregat M2 - die Summe aus Bargeld, Einlagen auf Girokonten, Bankeinlagen bis zu zwei Jahren sowie Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten - seit Jahren moderat. Offenbar ist sowohl der chinesischen Politik wie der chinesischen Zentralbank der Wert stabilen Geldes durchaus bewusst. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass inflationäre Entwicklungen insbesondere den Lebensstandard der mittleren und unteren Einkommen durch den damit verbundenen Kaufkraftverlust verschlechtern und daher die Gefahr sozialer Instabilitäten beinhalten (Abbildung 2).

Finanzielle Repression

Die Kehrseite der Politik der PBoC ist eine Zinspolitik, die seit Jahrzehnten zu einer finanziellen Repression in China führt, wie sie auch im Westen seit der Finanzkrise bekannt ist. Dadurch, dass die PBoC die Zinsen einschließlich Einlagen- und Kreditzinsen künstlich niedrig hält, kommt es zu einer permanenten Vermögensumverteilung von Sparern zu Schuldnern und damit vom Haushalts- zum Unternehmenssektor. Tatsächlich sind die Realzinsen in China, also die Differenz von Nominalzins und Inflationsrate, meistens nahe Null oder gar negativ.

Dementsprechend kommt es beim Haushaltssektor zu keinen Vermögenseffekten im Sinne von Zinseinkommen, die wiederum die dramatisch niedrige Konsumquote erhöhen könnte, und auf der Unternehmensseite steht eine außergewöhnliche hohe Schuldenquote - das meiste in Form von Krediten - von zurzeit rund 180 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes aufgrund des zu niedrigen Zinsniveaus.

Die großen Gewinner der Zinspolitik der PBoC sind die mächtigen chinesischen Geschäftsbanken, die sich mehrheitlich im Staatsbesitz befinden und den Bankenmarkt dominieren. Mit einer Zinsspanne von annähernd 300 Basispunkten und einer Kreditquote von fast 80 Prozent aller Unternehmensfinanzierungen in China ist es kein Wunder, dass die chinesischen Großbanken seit Jahren zu den profitabelsten Banken der Welt gehören. In Politik und Wirtschaft gehören sie zu einer der stärksten Lobbygruppen des Landes, die einer weiteren Liberalisierung des Finanzsektors eher ablehnend gegenüberstehen.

Neue Politik

Seit dem Jahr 2012 beziehungsweise 2013 hat China eine neue Partei- und Staatsführung. Staatspräsident Xi Jinping und Regierungschef Li Keqiang legen anders als ihre Vorgänger mehr Wert auf Strukturreformen. So hat das sogenannte 3. Plenum der Partei im vergangenen November beschlossen, dass dem Markt in Zukunft "eine entscheidende Rolle" zukommen soll. Für den Finanzsektor wurde festlegt, private Finanzinstitute in Zukunft stärker zu fördern, die Zinsen und den Wechselkurs weiter zu liberalisieren und den RMB verstärkt zu internationalisieren. Die neue Politik hat auch einen großen Einfluss auf die Geldpolitik.

So hat Zhou Xiaochuan, der Präsident der chinesischen Zentralbank, jüngst aus Anlass des alljährlichen Volkskongresses in Peking verkündet, dass die Konvertibilität des RMB gestärkt und auch der Einlagenzins als "letzter Schritt der Liberalisierung der Zinsen" in den nächsten zwei Jahren endgültig freigegeben werden soll. Parallel dazu hat Regierungschef Li Keqiang für 2014 eine "ausgewogene Geldpolitik" angekündigt mit einer Inflationsrate von maximal 3,5 Prozent - 2013: 2,6 Prozent - und einem Geldmengenwachstum von M2 um etwa 13 Prozent - 2013: 13,6 Prozent. Dazu passt, dass der Schuldenabbau der privaten und staatlichen Industrie und der lokalen Provinzregierungen fortgesetzt und weitere Blasen im Immobiliensektor verhindert werden sollen.

Die neue Geldpolitik bedeutet nämlich insbesondere, dass sich die Zeiten des billigen Geldes und einer überschäumenden Liquidität und Kreditvergabe in China dem Ende nähern. Bereits im vergangenen Jahr kam es aufgrund der restriktiven Politik der PBoC zu deutlichen Verspannungen am Geldmarkt, die international die Sorge eines Liquiditäts- und Bankencrashs in China geschürt haben. Tatsächlich signalisiert die chinesische Geldpolitik damit, dass sie in eine neue Phase eingetreten ist, die sich als eine Fokussierung der Geldpolitik auf ihre Kernaufgaben beschreiben lässt, bei gleichzeitiger Liberalisierung der Zinsen und einem stärker marktwirtschaftlich orientiertem Bankensektor.

Flexibilisierung des Wechselkurses

Zur Normalisierung der chinesischen Zentralbankpolitik im Sinne der Konzentration auf die Kernaufgaben einer Zentralbank - Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität, Sicherstellung von Preisniveaustabilität und Unterstützung des Wirtschaftswachstums solange die Preisniveaustabilität nicht gefährdet ist - gehört auch das Bemühen, den Wechselkurs des RMB weiterhin zu flexibilisieren. So soll die jetzige Handelsspanne des RMB an den Devisenmärkten von derzeit plus/minus ein Prozent auf plus/minus zwei Prozent im Laufe dieses Jahres angehoben werden. Das würde bedeuten, dass parallel auch die Devisenmarktoperation der Zentralbank zur Verteidigung der Spanne reduziert werden können und die inländischen Ziele der Geldpolitik stärker in den Vordergrund rücken.

Unter dem gegenwärtigen Währungsregime kann die PBoC ihre geldpolitische Unabhängigkeit im Inland nur durch Kapitalverkehrskontrollen aufrechterhalten, die verhindern, dass zusätzlich zu den Devisenmarktoperationen die inländische Geldmenge weiter anschwillt. Die Kapitalverkehrskontrollen sind es im Übrigen auch, die dazu beitragen, dass die PBoC nicht in den Sog der Geldpolitik des "tapering" der Fed gerät wie andere Zentralbanken aufstrebender Volkswirtschaften, beispielsweise Indiens und der Türkei, die teilweise dramatisch die inländischen Zinsen anheben müssen, um Kapitalabflüsse mit entsprechenden Folgen für ihre Realwirtschaften abzuwehren.

Allerdings zeigt die jüngste Abwertung des RMB gegenüber dem US-Dollar auch, dass die PBoC im Fall der Fälle jederzeit den Wechselkurs in die eine oder andere Richtung beeinflussen kann. Immerhin verfügt die chinesische Zentralbank über Währungsreserven von annähernd vier Trillionen US-Dollar und damit einem Betrag der größer ist als das reale Bruttoinlandsprodukt Deutschlands eines Jahres. Die Kontrolle des Wechselkurses ist nicht nur für die chinesische Exportwirtschaft von Bedeutung, sondern auch für die Steuerung der internationalen Kapitalflüsse. Trotz der Kapitalverkehrskontrollen der State Administration of Foreign Exchange (SAFE) gelingt es nämlich immer wieder mit "carry trade"-Geschäften, bei denen geliehene Dollars in RMB umgetauscht werden, um vom höheren Zinsniveau und an der Aufwertung der chinesischen Währung zu partizipieren, Kapital ins Land zu schleusen, die ihrerseits den inflationären Druck im Inland erhöhen.

Internationalisierung der chinesischen Währung

Die Geldpolitik der chinesischen Zentralbank befindet sich im Wandel. Dieser wird getrieben durch die Fortschritte der Marktwirtschaft in Chinas Finanzsektor. Dazu gehören insbesondere die Liberalisierung der Bankzinsen und die Internationalisierung der chinesischen Währung. Beides bewirkt, dass sich das Modell der PBoC der westlichen Geldpolitik annähert mit der Kontrolle des Geldmarktzinses als wichtigste Steuerungsgröße der geldpolitischen Ziele.

Neben diesen strukturellen Veränderungen zeichnet sich aktuell eine gemäßigte Straffung der Geldpolitik ab. Damit soll die finanzielle Repression beendet werden, die zu einem kreditgetriebenen Wachstum insbesondere seit der Weltfinanzkrise der Jahre 2007 und 2008 in China geführt hat.

Außerdem sollen Vermögenseffekte stimuliert werden, die die schwache inländische Konsumnachfrage beleben. Darüber hinaus sollen die Geschäftsbanken angehalten werden, ihr Risiko- und Liquiditätsmanagement zu verbessern, um die Abhängigkeit von direkten Einflussnahmen der Zentralbank zu verringern. Die chinesischen Banken sollen sich im freien Wettbewerb behaupten können, auch und gerade um knappes Zentralbankgeld.

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