Gespräch des Tages

Genossenschaftsverband - Breite Nähe gesucht

Michael Bockelmann hatte es leicht bei seiner ersten Jahrespressekonferenz als Präsident des größten deutschen Genossenschaftsverbandes. Denn die Kernbotschaft fiel erfreulich aus. Die 324 Volksbanken seines 13 Bundesländer umfassenden Verbandsgebietes konnten im Berichtsjahr 2009 ihr ordentliches Betriebsergebnis um gut 19 Prozent von 1,6 auf 1,9 Milliarden Euro steigern. Und auch in der Relation zur durchschnittlichen Bilanzsumme wurde mit 1,10 Prozent eine Marke erreicht, die in den letzten fünf Jahren nicht einmal annähernd zu Buche stand. Hinzu kam eine Verbesserung der Cost Income Ratio auf 68,0 (72,2) Prozent sowie eine Aufstockung des gesamten Eigenkapitals um 3,3 Prozent, die damit stärker war als das Volumenwachstum der Bilanzsumme (plus 2,5 Prozent auf 173,3 Milliarden Euro).

Als Schwerpunktthema hatte sich Bockelmann das Thema Postdienstleistungen in den Primärbanken ausgesucht. Anders als die Sparkassenorganisation, die sich nach einigen Pilotversuchen nicht flächendeckend zu einer regionalen Versorgung mit Postdienstleistungen durchgerungen hat, setzt die genossenschaftliche Bankengruppe auf den strategischen Ansatz, durch diverse "Mehrwertleistungen" möglichst viele Kunden in ihre Filialen zu locken. Die Ortsbanken sollen mehr als "Kundenkümmererbanken" agieren. Mit der Geno-Post eG ist bereits ein gruppeneigener Dienstleister gegründet worden, der interessierte Mitgliedsinstitute darin unterstützen soll, standardisierte Postdienstleistungen in der Region anzubieten - unter anderem durch das Aushandeln der vertraglichen Regelungen mit den externen Anbietern. In weiteren Schritten ist daran gedacht, zusätzliche Leistungen für das Filialgeschäft zur Verfügung zu stellen. Mit seinen rund 13 500 Bankstellen baut der Genossenschaftssektor damit auch auf die Neukundenakquise unter der bisherigen Deutschen-Post- Klientel.

Andere wichtige verbandspolitische Fragestellungen hat der neue Präsident noch nicht grundsätzlich und offensiv aufgegriffen, sondern allenfalls schlagwortartig seine Position angedeutet.

Bestimmt und eindeutig hat er beispielsweise seine Vorbehalte gegen jede Art von säulenübergreifenden Sicherungssystemen artikuliert. Klare Aussage dazu: Der Genossenschaftssektor will nicht für Geschäftsmodelle anderer Bankengruppen zahlen, die er selbst so nicht betreiben würde. Damit dürfte er ebenso auf der Linie seiner Mitgliedsbanken liegen wie bei der aktuellen Diskussion über Vergütungsstrukturen. Denn nicht einmal drei Prozent der Gesamtvergütung veranschlagt er als leistungsabhängiges Entgelt. Einen vergleichsweise harmlosen "Stein ins Wasser geworfen" hat Bockelmann schließlich in Richtung Bundespolitik. Zwar hat er eine Verdopplung des Sparer-Pauschbetrages erst einmal angeregt, ohne konkrete Finanzierungsvorschläge mitzuliefern. Aber der Ansatz passt sehr wohl in das Bild einer Förderung und aktiven Betreuung der privaten Altersvorsorge. Der Präsident weiß eben zu genau, was der Kundenklientel seiner Primärbanken in besonderem Maße nutzt und damit den genossenschaftlichen Verbund in eine gedeihliche Zukunft trägt.

Behutsam wird er hingegen mit zwei anderen Themen umgehen müssen, für die an der genossenschaftlichen Basis tunlichst ohne den Druck der Tagesaktualität Überzeugungsarbeit geleistet und schlüssig argumentiert werden muss. Wenn der Präsident andeutet, sich von den vielen Vorgaben des Verbraucherschutzes keineswegs gegängelt zu fühlen, sondern sie offensiv als Elemente des Mitgliederschutzes vermarkten zu wollen, wird er seinen Primären detailliert aufzeigen müssen, wieso es sich lohnen könnte, sich trotz möglicher Kostenbelastungen diverser Regularien offensiv an die Spitze dieser Bewegung zu setzen. Und die Aufbringung von Eigenkapital für die großen Banken der genossenschaftlichen Gruppe als wichtiges Thema der Zukunft aufzurufen, birgt selbst in den vergleichsweise ruhigen Zeiten des Frühjahrs 2010 die Gefahr, weniger als grundsätzliche Anregung zu einer konstruktiven Suche nach intelligenten Zukunftsperspektiven ausgelegt zu werden, denn als Hinweis auf akute Notlagen in der Gegenwart.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X