Leitartikel

Geübt im Dauerstress

Verglichen mit früheren Zeiten ist es um die deutschen Landesbanken erstaunlich ruhig geworden. Ob diese Wahrnehmung einer verbesserten Lage geschuldet ist oder lediglich andere Banken und Themen in den Vordergrund gerückt sind, wird dabei unterschiedlich eingeschätzt. Aber zumindest die undifferenzierte Pauschalkritik, mit der sich die Bankengruppe schon vor der Finanzkrise und verschärft in deren Anfangsjahren bei nahezu jeder sich bietenden Gelegenheit konfrontiert sah, ist fast verstummt.

Natürlich stehen auch heute sofort die HSH Nordbank und die Nord-LB mit im Fokus, wenn die Lage der Schifffahrtsmärkte betrachtet wird. Für Erstere war das im Frühjahr 2013 sogar Anlass zu einer erneuten Ausweitung des Schutzschirms der beteiligten Bundesländer. Selbstverständlich werden die sieben verbliebenen Landesbanken ebenso in die Betrachtung einbezogen, wenn es um die Gesamtverfassung und mögliche Risiken der Immobilienmärkte geht. Ohne jeden Zweifel rechnen zu den Belastungen der Gruppe auch nach wie vor eine Reihe von Tochtergesellschaften, die längst als Nichtkerngeschäft identifiziert sind, sich aber nur schwierig verkaufen lassen. Bei der Bayern-LB war vor diesen Hintergrund erst dieser Tage von einer Aufspaltung der defizitären ungarischen Tochter MKB Bank in einen guten und einen schlechten Teil die Rede. All das sind aber Aspekte der praktischen Umsetzung einer in vielen Häusern beschlossenen und unter dem Druck der EU-Kommission auch sichtbar eingeleiteten Redimensionierung.

Schon sehr klar erkennbar ist die in allen Landesbanken angepeilte Konzentration auf das Kerngeschäft an der Entwicklung der Bilanzsummen. Noch unter Einbeziehung der damaligen WestLB wurde die Bilanzsumme der Landesbanken in den Jahren 2008 bis 2011 um rund 19,2 Prozent zurückgeführt (siehe Tabelle). Vergleicht man die Ausgangslage am Ende des Jahres 2008 (also noch einschließlich der damaligen WestLB) mit der aggregierten Bilanzsumme Ende des Jahres 2012 (dann schon ohne die WestLB) beträgt der Abbau beachtliche 30,4 Prozent. Selbst von diesem niedrigeren Niveau aus setzte sich das Deleveraging auch im ersten Halbjahr 2013 um mehr als 100 Milliarden Euro fort. Per Ende Juni 2013 summiert sich die Bilanzsumme der verbliebenen sieben deutschen Landesbanken auf gut 1215 Milliarden Euro. Aber weitere Abschmelzungen sind schon absehbar. Denn zum einen haben die von den Beihilfeverfahren der EU-Kommission betroffenen Institute noch nicht die für die kommenden Jahre vereinbarten Zielwerte erreicht. Und zum anderen steht mit dem seit Anfang November 2013 nun auch von den Gremien gebilligten Umbau der LBB zur Berliner Sparkasse der Verkauf der Kapitalmarktaktivitäten sowie der Fondsgesellschaft LBB Invest an die Deka-Bank an. Wie ernst die Landesbanken unter den kommenden regulatorischen Anforderungen die Verschlankung ihrer Bilanzen nehmen, zeigt nicht zuletzt das Beispiel der Helaba. Auch ohne jegliche Vorgaben durch EU-Beihilfeauflagen ist dort die Bilanzsumme nach Übernahme der Zentralbankfunktion und anderen Teilen von der früheren WestLB allein im ersten Halbjahr 2013 wieder um 9,2 Prozent zurückgeführt worden.

Sichtbar werden die Umbaumaßnahmen des Landesbankensektors auch an dem Abbau der Risikoaktiva. Zwar sind diese Volumina wegen unterschiedlicher Erfassung in den Risikoberichten der einzelnen Häuser nicht untereinander vergleichbar. Doch die exemplarische Betrachtung der drei größten Institute lässt auch hier einen klaren Trend erkennen. So berichtet etwa die LBBW allein für das erste Halbjahr 2013 von einer weiteren Rückführung des Volumens ihrer Risikoaktiva durch den Abbau kundenfernen Geschäfts gegenüber dem Jahresende 2012 um rund 7 Milliarden Euro auf 89,2 Milliarden Euro. Der entsprechende Wert vor den noch laufenden Restrukturierungsaktivitäten wird auf 178 Milliarden Euro beziffert. Die Bayern-LB spricht im Geschäftsjahr 2012 von einer Verringerung ihrer Risikoaktiva allein im Kerngeschäft um 20 Prozent auf 57,4 Milliarden Euro. Darüber hinaus meldet die Bank für das Berichtsjahr 2012 einen Abbau der Risikopositionen um 3,9 Milliarden Euro auf 8,3 Milliarden Euro in ihrer Restructuring-Unit und verweist auf die damit verbundene Kapitalentlastung. Um 10,8 Prozent auf 72,6 Milliarden Euro sind schließlich per 30. Juni dieses Jahres die in der Segmentberichterstattung erfassten Risikoaktiva der Nord-LB gegenüber dem Vorjahreswert zurückgegangen. Dass Risikoaktiva zum normalen Geschäftsbetrieb jeder Bank gehören, ist unbestritten. Aber es bleibt eine gewisse Unklarheit hinsichtlich der in den Bilanzen getrennt ausgewiesenen Abbauportfolios des Nichtkerngeschäftes und den bereits ausgegliederten Teilen wie etwa der EAA. Nach wie vor besteht das latente Misstrauen, als könnten künftig noch öffentliche Haushalte durch Zweit-, Dritt- und Mehrrundeneffekte belastet werden.

Von alles entscheidender Bedeutung bleibt für die deutschen Landesbanken gleichwohl die Tragfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle. Und an dieser Stelle stellt sich sehr wohl die berechtigte Frage nach Überschneidungen der Geschäftsfelder beziehungsweise einer optimierten Arbeitsteilung innerhalb der S-Gruppe. Dazu gehören zweifellos Überlegungen, inwieweit sich alle verbleibenden Landesbanken auch künftig mit der Ausübung der Zentralbankfunktion für die Sparkassen beschäftigen sollten. Ebenso wird sich in vielen anderen Geschäftsfeldern immer wieder erweisen müssen, ob das teils auf eigene Rechnung und teils in engem Schulterschluss mit den Sparkassen vor Ort betriebene Geschäft eine vernünftige Lebensgrundlage bietet. Das gilt etwa für die Aktivitäten im Bereich der privaten Vermögensverwaltung und im institutionellen Asset Management, aber ganz besonders in dem derzeit so beliebten Mittelstandsgeschäft. Gerade in dieser Disziplin werden die Landesbanken unter Beweis stellen müssen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen keineswegs darauf ausgelegt sind, in den Wettbewerb mit Sparkassen zu treten, sondern additiv zu deren eigenen Möglichkeiten gemeinsame neue Lösungskonzepte zu entwickeln und Marktchancen zu eröffnen, beispielsweise im Auslands- und/oder im Kapitalmarktgeschäft. Nicht zuletzt werden sich auch nach der Neuordnung der Deka-Bank wieder die alten Fragen stellen: Bieten das Depotbank- sowie das Derivate- und Zertifikategeschäft auf Dauer noch Platz für mehrere Anbieter aus dem Sparkassensektor?

Man sollte die deutschen Landesbanken mit Blick auf die bemerkenswerte Rückführung von Bilanzpositionen und Risikoaktiva also sicher nicht als Musterknaben der europäischen Bankenszene hinstellen, ohne ihre Bewährung in ihrer künftigen strategischen Aufstellung genau im Auge zu behalten. Aber man darf durchaus konstatieren, dass permanente öffentliche Anfeindungen im Zuge der Finanzkrise, die kritische Beäugung durch Medien und Öffentlichkeit, die Durchleuchtung durch die EU-Kommission mit den anschließenden EU-Auflagen zur Redimensionierung die Institute im Dauerstress abgehärtet haben. Sie mussten sich früher und stärker mit der Tragfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle auseinandersetzen, sie hatten früher als andere Häuser die kritischen Hürden für das Erreichen der notwendigen Eigenkapitalausstattung im Blick. Und sie haben sich allem Eindruck nach mit alledem zumindest nicht schlechter auf die anstehende Prüfung durch den Comprehensive-Assessment-Prozess von EZB und EBA vorbereitet als viele andere der 128 betroffenen Banken in Deutschland und Europa. Erfahrungsgemäß sind allerdings gewisse Überraschungen nicht auszuschließen. Die Risiken liegen in nicht absehbaren Widrigkeiten beim geplanten Restabbau von Risikoaktiva sowie in allen Geschäftsbereichen immer wieder in der Kannibalisierung von Geschäften untereinander sowie mit den Sparkassen.

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