Aufsätze

Identifikation und Vergütung von Risk Takern als Wettbewerbsfaktoren

Jede Bank hat sie: Risk Taker. Dabei handelt es sich um diejenigen Mitarbeiter, die durch ihre Aufgabenstellung und den damit verbundenen Kompetenzen einen deutlichen Einfluss auf das Gesamtrisiko des Kreditinstituts haben können und deren Fehlleistung deshalb schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen kann. Für diese Mitarbeitergruppe gelten besondere Anforderungen an die Vergütung: Einerseits muss das künftige Vergütungssystem das Risikobewusstsein der Risk Taker langfristig fördern und Anreize für ein nachhaltiges Wirtschaften setzen. Andererseits muss das Kreditinstitut jedoch wettbewerbsfähig bleiben und die besten Köpfe mit angemessenen Vergütungspaketen langfristig binden können.

Verschiedene Leitlinien in unterschiedlichen Ländern

Die Umsetzung der Anforderungen erfordert zunächst einmal die Identifizierung derer, auf die die besonderen Anforderungen zutreffen. Was einfach klingt, stellt die Verantwortlichen in den Instituten durchaus vor Herausforderungen. Die Bestimmungen von Gesetzgeber und Bankenaufsicht im Heimatmarkt sind meistens unscharf und interpretierbar. Im länderübergreifenden Vergleich sehen sich international tätige Institute vor der Herausforderung, in unterschiedlichen Ländern verschiedene Leitlinien erfüllen zu müssen.

Aber auch im heimischen Markt sind nicht alle Institute gleich betroffen. In Abhängigkeit von Größe, Internationalität und der Komplexität der betriebenen Geschäfte gelten die verschärften Bedingungen für die Risk Taker - oder eben nicht. Es entsteht eine Mehrklassen-Gesellschaft mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Vergütungsgestaltung. Für eine Branche, die traditionell auf die extreme Wettbewerbsfähigkeit ihrer Vergütungen schaut ist dies ein erfolgskritisches Thema. Dieser Beitrag beleuchtet die bisherige Praxis in Hinblick auf die Identifikation und die Vergütung von Risk Takern in Banken. Dabei wurde der Stand der Umsetzungen der regulatorischen Spielregeln im deutschsprachigen Raum mit berücksichtigt. Zu dieser Thematik wurden im ersten Halbjahr 2011 mehrere Studien1) veröffentlicht und in zahlreichen Beratungsprojekten Institute bei Design und Implementierung unterstützt.

Wichtige Risiko- und Steuerungsfaktoren

Warum ist es sinnvoll, Risk Taker im Kreditinstitut zu identifizieren? Für die Identifizierung von Risk Takern bei Banken und anderen Finanzdienstleistern gibt es drei wesentliche Gründe:

1. Die volkswirtschaftliche Funktion der Banken verlangt es: Banken spielen eine wichtige volkswirtschaftliche Rolle bei der Transformation von Risiken in einer offenen Volkswirtschaft. Jede Bank handelt mit Risiko und ist darauf angewiesen, das Risiko zu kalkulieren und richtig einzuschätzen. Risikomanagement ist deshalb ein inhärentes Geschäftsmodell jeder Bank.

2. Der Wettbewerb verlangt es: Kreditinstitute benötigen leistungsfähige Mitarbeiter - insbesondere in Funktionsbereichen, in denen Risk Taker agieren. Entsprechend wichtig ist es, diese Schlüsselpositionen zu identifizieren und den entsprechenden Führungskräften und Experten eine attraktive Vergütung zu bieten. Mit den besten Köpfen in den richtigen Positionen steigert die Bank langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit.

3. Der Gesetzgeber verlangt es: In allen reifen Finanzmärkten haben Gesetzgeber und/oder Bankenaufsicht als Folge internationaler Regulierungsinitiativen Regelungen für die Vergütung in Banken erlassen, bei denen neben den Geschäftsleitern die sonstigen Risk Taker im Mittelpunkt stehen. In Deutschland sind die Vorgaben bereits zu einem frühen Zeitpunkt und inhaltlich sehr weitgehend ergangen. Seit Ende 2009 gibt es in der Schweiz gesetzliche Vorgaben der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma), die allerdings nur für eine recht begrenzte Anzahl besonders bedeutender Institute gilt. In Liechtenstein wird derzeit die Verabschiedung einer Richtlinie zur Übernahme der neuen EU-Bestimmungen diskutiert. In Österreich hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) sehr ähnliche Regelungen im Vergleich zu Deutschland erlassen.

Grundsätzlich gilt: Jede Bank sollte ihre Risk Taker kennen - unabhängig davon, wie klein oder groß sie ist, in welchem Land sie ihren Standort hat und egal, ob es gesetzliche Vorgaben gibt oder nicht. Die Identifikation der Risk Taker und die Festlegung ihrer Vergütung erweisen sich als wichtige Risiko- und Steuerungsfaktoren, welche die Leistungsfähigkeit von Kreditinstituten zunehmend beeinflussen.

Richtige Anreize für ein risikoadäquates Verhalten

Wie gehen die Kreditinstitute bei der Identifikation ihrer Risk Taker vor? Unabhängig vom Geltungsbereich regulatorischer Bedingungen müssen sich Banken bei der Selektion ihrer Risk Taker folgende Fragen stellen: Wer entscheidet über risikobehaftete Transaktionen, und wer verfügt über eine signifikante variable Vergütung? Letzteres ist vor allem deswegen wichtig, weil den Banken als Folge der Finanzkrise unterstellt wird, dass falsche Anreizsysteme die Verwerfungen an den Märkten mit verursacht beziehungsweise verschärft haben sollen. Die Regulatoren haben dabei ein Bild von den Risk Takern vor Augen, dass diese ihren individuellen Bonus versuchen zu optimieren und dafür bereit sein können, unangemessene Risiken für ihr Institut einzugehen. Die variable Vergütung soll deshalb in der Zukunft die richtigen Anreize für ein risikoadäquates Verhalten setzen und nur für nachhaltige Ergebnisse belohnen.

Es überrascht nicht, dass die Institute durch die zum Teil unterschiedlichen Selektionsmuster unterschiedlich agieren. Im Ergebnis zeigen sich sehr heterogene Ergebnisbilder: Mal legen die Banken nur eine sehr geringe Anzahl von betroffenen Personen vor. Insbesondere wenn staatliche Unterstützungen in Anspruch genommen wurden und der öffentliche und politische Fokus geschärft ist, kommen deutlich höhere Risk-Taker-Quoten zutage.

Mehrstufiger Selektionsprozess

In Deutschland sind vor allem die spezifischen Vorgaben dafür verantwortlich, dass die Risk-Taker-Identifikation erheblich weiter fortgeschritten ist als in den Nachbarländern. Auswahlkriterien für die Selektion der Risk Taker bilden die Unternehmensgröße, die Höhe der beeinflussbaren Risiken, die Art der betriebenen Geschäfte sowie die variable Vergütungsopportunität. In der Schweiz und in Liechtenstein wird diese Selektion vielfach noch wenig vorgenommen. Hier haben bisher lediglich die Großbanken und einige wenige Privatbanken systematisch Risk Taker bestimmt - teilweise auch durch die unmittelbare Verpflichtung seitens der Finma. In Österreich zeigt sich ein Spiegelbild der Struktur des Finanzplatzes: Im Wesentlichen haben die fünf großen Institute die Risk Taker identifiziert und spezielle Vergütungslösungen für diese umgesetzt.

In der Praxis der bisherigen Umsetzungen hat sich ein mehrstufiger Prozess für die Selektion von Risk Takern bewährt, wobei die Auswahl der Personengruppe stufenweise eingegrenzt wird. Der Prozess wird meistens von der Personalfunktion gesteuert und durch das Risikomanagement begleitet:

Aufgabeninhalt: Zunächst werden diejenigen Mitarbeiter anhand ihrer Aufgabenstellung, Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen selektiert, die überhaupt einen Einfluss auf das Gesamtrisiko des Unternehmens haben.

Hierarchische Einordnung: In Abhängigkeit vom Senioritäts-Level der ausgeübten Funktion bestehen mehr oder weniger große Einflussmöglichkeiten auf Risiken bei Einzelgeschäften, Portfolios oder auch Grundsatzfragen zur Risikomessung und -kontrolle. Viele Institute legen dabei die gesamte dem Vorstand beziehungsweise der Geschäftsleitung nachgelagerte Führungsebene kategorisch als Risk Taker fest.

Risikoindikatoren: Anhand von Risikoindikatoren wird die nach Aufgabeninhalt und Hierarchie erfolgte Vorauswahl weiter validiert. Nur wenn diese vom Unternehmen festgelegten Key-Risk-Indikatoren (zum Beispiel risikogewichtete Aktiva, Value-at-Risk oder Economic Capital) erreicht oder überschritten werden, bleibt die Funktion weiter im Fokus der Selektion.

Höhe der Vergütung: Da die neuen Vergütungsregeln falsche Anreizsysteme verhindern sollen, bleibt die individuelle Vergütung des Mitarbeiters zu berücksichtigen, denn diese soll gerade nicht zulasten der Unternehmensrisiken optimiert werden dürfen. Im Fokus steht nicht die tatsächlich ausgezahlte, sondern die Höhe der Opportunität, das heißt des maximal erreichbaren variablen Vergütungsbetrags.

Die Ergebnisse dieses Auswahlprozesses werden in der Folge mit den betroffenen Geschäftsbereichen abgestimmt und die Auswahl der Risk Taker durch den Vorstand beziehungsweise die Geschäftsleitung beschlossen.

Extrem unterschiedliche Quoten

Für die einzelnen Länder zeigen sich in der Praxis einige signifikante Auffälligkeiten: In Deutschland und Österreich richten sich die betroffenen Kreditinstitute überwiegend am vorstehenden Selektionsschema aus. Dennoch unterscheiden sich die Auswahlergebnisse je nach Größe und Geschäftsmodell zum Teil recht stark. So beziehen beispielsweise nur etwa zwei Drittel der Institute in Deutschland neben den ri-siko-generierenden auch die risiko-kontrollierenden Funktionen ein. Banken, die infolge der Finanzkrise staatliche Hilfen in Anspruch genommen haben, sind bei der Auswahl der Risk Taker in den eigenen Reihen besonders streng. Sie identifizierten tendenziell eine größere Anzahl von Risk Takern als Banken ohne staatliche Unterstützungen.

In der Schweiz und Liechtenstein orientieren sich vor allem Großbanken und teilweise auch international ausgerichtete Privatbanken am skizzierten Auswahlprozess. Allerdings haben nur wenige Institute bereits Risk Taker im eigenen Unternehmen identifiziert, um deren Vergütung unter Risikogesichtspunkten festzulegen. Die Institute, die bereits ihre Risk Taker bestimmt haben, kommen auf extrem unterschiedliche Quoten. Besonderen Nachholbedarf haben mehrheitlich vor allem Regional- und Privatbanken, die bislang weitgehend auf die Bestimmung ihrer Risk Taker verzichtet haben.

Sofern Institute nicht durch die geltenden Anforderungen zur Bestimmung ihrer Risk Taker aufgefordert sind, ist dies dennoch im Sinne einer "Good Practice" zu empfehlen. Eine abwartende "Erst mal sehen, was die Großen machen"-Haltung ist nicht unbedingt hilfreich, um die eigene Vergütung risiko- und krisenfest zu machen.

Die Vergütung von Kreditinstituten auf dem Prüfstand

Die angemessene Vergütung ihrer Führungskräfte und Spezialisten ist einer der wichtigsten Bausteine für die Wettbewerbsfähigkeit der Kreditinstitute einerseits und die adäquate Risikovermeidung andererseits. Nur langfristig ausgerichtete Vergütungsmodelle verhindern die kurzfristige Bonusoptimierung zulasten ihres Instituts. Die geforderte Nachhaltigkeit setzt an zwei Punkten an: Bei der Bemessung der variablen Vergütung sorgen bessere Kennzahlen, die auch Risiko-, Liquiditäts- und Eigenkapitalkosten abbilden für eine treffgenauere Leistungsmessung. Auch werden längere Leistungszeiträume als nur ein Jahr bei der Messung berücksichtigt, was durch die Eigenart des Bankgeschäftes induziert wird, dessen Geschäftsarten typischerweise über einen Jahreszeitraum hinauslaufen.

Der zweite Ansatzpunkt liegt bei der Auszahlung der variablen Vergütung, die zukünftig zu wesentlichen Anteilen nicht sofort, sondern erst verzögert über mehrere Jahre erfolgt. Die aufgeschobene Auszahlung steht außerdem unter Vorbehalten, die die Angemessenheit der Vergütungshöhe bis zum tatsächlichen Auszahlungszeitpunkt sicherstellen sollen.

Während die Vergütung der obersten Führungsebene in fast allen deutschen Kreditinstituten auf den Prüfstand gestellt und gemäß der InstitutsVergV umgestellt wurde, trifft dies mangels analoger rechtlicher Vorgaben bei den Instituten in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein überwiegend nur auf sehr wenige, international ausgerichtete Banken zu. Das Schlüsselkriterium für eine langfristig ausgerichtete Vergütung scheint vor allem die Internationalität und der Risikogehalt des Geschäfts zu sein. Institute, die nicht unter diese Kriterien fallen, verfügen in ihrem Vergütungsansatz bislang nicht über langfristige Vergütungs- beziehungsweise Auszahlungsinstrumente.

Die Banken richten den Vergütungsmix erkennbar daran aus, dass sie als Arbeitgeber attraktiv bleiben - und zwar auch im internationalen Vergleich. Weil es für die kleineren und regional aufgestellten Institute keine Vorgaben für die Vergütung von Risk Takern gibt, müssen diese für sich entscheiden, welche Vergütungsmodelle für sie am besten geeignet sind.

Eine langfristige Vergütung mit Nachhaltigkeitskomponenten, die nicht nur den Vorstand beziehungsweise die Geschäftsleitung, sondern auch die Risikoträger an der Geschäftsentwicklung beteiligt, erscheint für jede Bank sinnvoll. Die Tragweite von Risikoentscheidungen sollte unbedingt an die Vergütung gebunden sein.

Alles auf gutem Wege - aber ...

Der Vergleich zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz/Liechtenstein zeigt: Während Banken in Deutschland schon überwiegend auf einem guten Weg sind, die Vergütung der Spitzenmanager und auch der Risk Taker umzugestalten, besteht bei Instituten in Österreich, der Schweiz und in Liechtenstein noch deutlicher Nachholbedarf. Vor allem die gesetzliche Regelung in Deutschland führt zu Lerneffekten in den Nachbarmärkten.

Künftig wird sich bei allen Kreditinstituten gleich welcher Größe, Ausrichtung oder Standort die risikoadäquate Vergütung von Risk Takern durchsetzen. Denn nur so lässt sich die notwendige Verankerung der Vergütungsgestaltung in ein umfassendes Risikomanagement erreichen und die Wettbewerbsfähigkeit der Institute nachhaltig festigen. Es bleiben aber weitere Fragestellungen, bei denen die Vergütungsentscheider gefordert sind. Die Wichtigsten sind:

- Wie passt die Umsetzung der regulatorischen Regeln in das Gesamtvergütungskonzept des Unternehmens?

- Wie können die umgestellten Vergütungskonzepte die notwendige Attraktivität der Vergütungspakete am Arbeitsmarkt gewährleisten?

- Welchen Anpassungsspielraum bieten die aktuellen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen?

- In welcher Granularität können die geforderten externen Veröffentlichungen zu den Risk-Taker-Vergütungen erfolgen ohne gegen Vertraulichkeit und Datenschutz zu verstoßen?

- Wie wird der Spagat zwischen Regeln im Heimatland und abweichenden Standards im Ausland bewältigt?

- Welchen Change-Prozess haben Risk- und Personal-Management erfolgreich zu gestalten, um die neue Compensation Governance in ihren jeweiligen Instituten nachhaltig zu etablieren?

Inwieweit die vielfältigen regulatorischen Veränderungen tatsächlich sicherstellten, dass unangemessene Anreize vermieden werden, wird die Zukunft zeigen. Die extreme Komplexität der globalen Verflechtungen auf den Finanzmärkten wird auch für die Spieler in diesen Märkten in der Zukunft weitere - vielleicht auch wieder ganz andere - Herausforderungen bringen.

Fußnote

1) Vgl. unter anderem Filbert, D.; Klein, W.; May, A.: Bankenstudie 2011 Deutschland - Aktueller Umsetzungsstand zur Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV). April 2011; und May, A.: Bankenstudie 2011 für die Schweiz und Liechtenstein - Wettbewerbsfähigkeit von Vergütungssystemen. Juni 2011

Werner Klein , Inhaber und Managing Consultant , compgovernance, Düsseldorf
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