Aufsätze

Kreditrisikotransfer im genossenschaftlichen Finanzverbund

Portfoliomodelle ermöglichen den intuitiven Vorteil der Risikostreuung mathematisch zu erfassen. Zentrale Größen sind dabei der "Erwartete Verlust" und der "Unerwartete Verlust" (Value-at-Risk). Der Erwartete Verlust betrachtet den im Durchschnitt innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls anfallenden Verlust durch den Ausfall eines Kreditnehmers. Diese Größe wird unter anderem vom Rating des Kreditnehmers beeinflusst und fließt über die Kalkulation von Standardrisikokosten in die Bepreisung des Kredites ein. Während der so genannte Erwartete Verlust mehrerer Kredite additiv bestimmt wird, betrachtet der Unerwartete Verlust die Korrelationen verschiedener Kredite zueinander.

Wie verhält sich Branche A, wenn es Branche B schlecht geht? Gerät sie in Mitleidenschaft, bleibt sie von der Krise unberührt, oder profitiert sie durch Verschiebungen sogar von den Schwierigkeiten anderer Branchen? Historische Erfahrungen bieten die Datenbasis für die Prognose zukünftiger Umweltzustände.

Kein liquider Markt

Ein wesentliches Problem der Adressrisikosteuerung besteht jedoch darin, dass der Handel von einzelnen Krediten im Gegensatz zu liquiden Forderungen, wie beispielsweise Unternehmensanleihen, stark eingeschränkt ist und ein liquider Markt bisher nicht existiert. Zudem ist die Diversifikationsmöglichkeit im Kreditportfolio einer Genossenschaftsbank schon aufgrund des Regionalprinzips im genossenschaftlichen Finanzverbund eingeschränkt. Somit besteht oftmals eine Konzentration auf bestimmte regional dominierende Wirtschaftszweige. In der Folge entstehen Klumpenrisiken im Kreditportfolio bezüglich Größenklassen, Branchen und Regionen. Kreditportfolioanalysen der WGZ Bank bei den angeschlossenen Mitgliedsbanken belegen dies eindrucksvoll: Berechnungen zum Unerwarteten Verlust des Kreditbuches (Credit-Value-at-Risk) zeigen, dass auf die zehn größten Risikotreiber durchschnittlich 65 Prozent des gesamten Cred-it-Value-at-Risk entfallen. Transaktionen, die es den Genossenschaftsbanken erlauben Kreditrisiken ganz oder teilweise auszulagern und so eine effiziente Risikodiversifikation sicherzustellen, kommt somit eine große Bedeutung im Rahmen eines professionellen, aktiven Kreditrisikomanagements zu.

Mit der Risikotransferplattform "WGZ-Loop" (LOan OPtimizing Pool) eröffnet die Bank die Möglichkeit zur Reduzierung des Adressrisikos der Kreditgenossenschaften. Dabei handelt es sich um ein Pooling von Kreditrisiken, bei dem lediglich das Kreditrisiko ausgesuchter Mittelstandskredite rein synthetisch transferiert wird. Das originäre Kreditgeschäft bleibt unverändert in der Bilanz und der Verantwortung der Bank, die dieses nun jedoch "treuhänderisch" für die übrigen am Risikotransfer beteiligten Banken (Poolingbanken) betreut. Durch die im Zuge des Risikopoolings erzielte Diversifikation in Bezug auf Größenklassen, Branchen und Regionen wird der Credit-Value-at-Risk der teilnehmenden Banken zum Teil erheblich reduziert. Dadurch kann ökonomisches Eigenkapital eingespart und der Rahmen für neue Kreditvergaben erweitert werden (Abbildung 1).

Einfache Grundstruktur

Der Risikotransfer erfolgt mittels so genannter Credit Default Swaps (CDS). In einem CDS überträgt der Sicherungsnehmer (Protection Buyer) das Ausfallrisiko eines Referenzaktivums gegen Zahlung einer Prämie auf den Sicherungsgeber (Protection Seller). Der Sicherungsgeber verpflichtet sich, bei Eintritt eines vertraglich vereinbarten Kreditereignisses dem Sicherungsnehmer seinen Verlust adäquat zu ersetzen.

Erster Schritt: Die Genossenschaftsbank überträgt einzelne Kredite ihrer Wahl über so genannte Primär-CDS auf den Pool.

Zweiter Schritt: Im Gegenzug nimmt die teilnehmende Bank Kreditrisiken über so genannte Pro-Rata-CDS aus dem Pool. Die Volumina der entnommenen Kredite entsprechen dem Umfang der eingelieferten Kredite.

WGZ-Loop funktioniert damit als Kreislaufmodell (Abbildung 2). Dem Preis für die Abgabe von Kreditrisiken an den Pool steht der Ertrag für die Übernahme von Risiken aus dem Pool gegenüber. Zahlungssalden können dabei lediglich dadurch entstehen, dass die durchschnittliche Bonität der Kredite, die eine Poolingbank in den Pool eingebracht hat, von der durchschnittlichen Bonität aller in den Pool eingebrachten Forderungen abweicht und sich durch das Pooling der Erwartete Verlust der Poolingbank verschlechtert oder verbessert.

Diese möglichen Differenzen werden durch entsprechende Prämienzahlungen zu Beginn der Transaktion kompensiert. Das unbesicherte Risikovolumen bleibt hierbei unverändert.

Hierzu ein Beispiel:

1. Schritt: Zehn Banken bringen jeweils zehn Kredite über jeweils eine Million Euro in Loop ein. Damit besteht der Pool aus 100 Krediten mit einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro.

2. Schritt: Jede der zehn Banken nimmt zehn Millionen Euro aus dem Pool.

Ergebnis: Erstens ist das Kreditvolumen jeder Bank unverändert. Zweitens ist jede Bank an insgesamt 100 Krediten in Höhe von jeweils 100000 Euro beteiligt. Drittens hat Loop die Größenklumpen deutlich reduziert und das Kreditvolumen stärker diversifiziert.

Einsatz im regionalen Finanzverbund

Jede Poolingbank ist Sicherungsnehmer für ihre über die Primär-CDS eingebrachten Kreditrisiken. Die Poolingbank zahlt dafür die so genannte Primär-CDS-Prämie. Die Berechnung der Primär-CDS-Prämie erfolgt auf Basis der potenziellen Ausgleichszahlungen für das abgesicherte Referenzaktivum, des verbundinternen Ratings (BVR-II), wo jedem Rating konkrete Ausfallwahrscheinlichkeiten zugeordnet sind, sowie unter Berücksichtigung der zum Abschlussdatum gültigen Diskontfaktoren. Jede Poolingbank ist gleichzeitig Sicherungsgeber für den Pool, indem sie anteilig Kreditrisiken über den Pro-Rata-CDS zurücknimmt. Die Poolingbank erhält hierfür die Pro-Rata-CDS-Prämie.

Die Berechnung der Pro-Rata-CDS-Prämie erfolgt auf Basis des Pro-Rata-Anteils, also dem Verhältnis des eigenen in WGZ-Loop eingebrachten Risikovolumens zum gesamten Poolvolumen und der Prämiensumme aller Primär-CDS. Um die Komplexität der ersten Transaktion zu reduzieren, ist der Pool zudem statisch angelegt, so dass während der vierjährigen Laufzeit von Loop keine neuen Kreditrisiken in den Pool eingebracht werden können. Die Portfoliostruktur einschließlich der erwarteten Entwicklung wesentlicher Parameter wie Tilgungsverlauf oder Ausfallwahrscheinlichkeit sind daher schon bei Valutierung bekannt.

Am 3. Juli 2006 konnte mit WGZ-Loop erstmals ein Pooling illiquider Mittelstandskredite im regionalen Finanzverbund realisiert werden. Im Rahmen dieser Transaktion haben 15 Kreditgenossenschaften aus dem Rheinland und Westfalen das Adressrisiko aus 150 Kundenbeziehungen in den Pool eingebracht. Insgesamt wurde dabei ein Risikovolumen in Höhe von 65,3 Millionen Euro gepoolt, dem etwa 440 Millionen Euro gewerbliches Kreditvolumen zugrunde liegt. Dies bedeutet, dass vor dem Pooling jedes teilnehmende Institut an durchschnittlich zehn Kreditnehmern mit einem Risikovolumen von jeweils rund 435000 Euro und nach dem Pooling an 150 Kreditnehmern mit einem Risikovolumen von jeweils rund 29000 Euro beteiligt ist.

Mindestanforderungen gegen die Moral-Hazard-Problematik

Um die hohe Qualität des Risikopoolings sicherzustellen, berücksichtigt Loop sowohl konzeptseitig, als auch in der Abwicklung und Betreuung der Transaktion hohe Standards. Eindeutige und allgemein verbindliche Mindestanforderungen (Poolingkriterien) gelten dabei für sämtliche Adressrisiken, Referenzaktiva und teilnehmende Banken sowie für den Pool. Die Kriterien orientieren sich insbesondere an der Maßgabe einer einfachen Abwicklung, einer größtmöglichen Standardisierung sowie vertrauensbildenden Maßnahmen.

So garantieren beispielsweise die verpflichtende Einhaltung verschiedener Richtlinien und Arbeitsanweisungen, etwa bei der Bewertung von Kreditsicherheiten, sowie die durchgängige Anwendung des BVR-II-Ratings unter Beachtung einer strikten Bonitätsuntergrenze eine hohe Qualität des Pools, das noch Investmentgrade-Charakter besitzt.

Die Poolingkriterien dienen zudem der Reduzierung der so genannten "Moral Ha-zard"-Problematik. Moral Hazard drückt allgemein die Gefahr aus, dass der Abschluss einer Versicherung Anreize zur Verhaltensänderung gibt. Da ein Credit Default Swap auch als handelbare Versicherung oder Garantie betrachtet werden kann, sind in Loop wichtige Grundbausteine aus der Versicherungstheorie eingebaut worden, um das gegenseitige Vertrauen aller teilnehmenden Institute zu vergrößern.

Es verleibt daher ein Selbstbehalt von mindestens 40 Prozent des ungesicherten Risikovolumens bei der absichernden Poolingbank. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Bank ihre Adressrisiken auch nach Einbringung in den Pool weiterhin sorgfältig betreut und ihren Informationsvorteil aus der Kundenbeziehung nicht missbraucht. Zudem ist die Einbringung von Kreditnehmern mit offensichtlichen Leistungsstörungen in der Vergangenheit, in Analogie zum Ausschluss von "Vorerkrankungen" in der privaten Krankenversicherung, nicht möglich. Bestehen während der Laufzeit Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit eines Kreditereignisses, kann zudem auf einen externen Gutachter zurückgegriffen werden. Dieser klärt beispielsweise, ob ein Kredit schon zum Zeitpunkt der Einbringung in den Pool die festgelegten Poolingkriterien verletzt hat.

Monitoring und Reporting

Während der Laufzeit der Transaktion gewährleisten laufende Informationen und Meldungen der Poolingbanken und der WGZ Bank die hohen Ansprüche an ein zeitgemäßes Monitoring und Reporting. So sind kurzfristige Ad-hoc-Meldungen an die WGZ Bank erforderlich, sobald einzelkreditnehmerbezogene Informationen bekannt werden, die den Risikogehalt der eingebrachten Kredite beeinflussen. Kommt es während der Laufzeit zu einem Kreditereignis bei einem in Loop eingebrachten Kreditnehmer, meldet die betroffene Poolingbank dies ebenfalls unverzüglich an die WGZ Bank. Als Kreditereignis (Credit Event) im Sinne von Loop gelten dabei die Insolvenz und eine strikte Auslegung der Nichtzahlung.

Die Bank versorgt ihrerseits die Poolingbanken im Rahmen eines Quartalsreporting in anonymisierter Form mit allen notwendigen Informationen zum Pool. Wichtige Bestandteile sind dabei das Poolvolumen, das Durchschnittsrating, die Branchenverteilung sowie Informationen zu Ratingveränderungen und Kreditausfällen.

Schließlich unterstützt die WGZ Bank in ihrer Funktion als Koordinator und Dienstleister die Poolingbanken während der gesamten Umsetzungsphase bis hin zur Valutierung. Alle handels- und aufsichtsrechtlichen Fragestellungen wurden in Abstimmung zwischen der Bank und dem Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband (RWGV) sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geklärt.

Die systemseitige Erfassung und Abbildung von Loop im Meldewesen konnte erfolgreich in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Rechenzentrum (GAD) sichergestellt werden. Die Kreditnehmerauswahl erfolgt in enger Abstimmung zwischen den Experten von Genossenschaftsbank und Zentralbank. Zudem beschreibt ein ausführlicher Leitfaden alle wesentlichen Aspekte der Transaktion, von der Produktbeschreibung bis hin zum MaRisk-konformen Neue-Pro-dukte-Prozess, dessen Implementierung in den teilnehmenden Instituten beratend durch die WGZ Bank unterstützt wird.

Loop bietet den Kreditgenossenschaften im regionalen Finanzverbund erstmalig eine innovative Risikotransferplattform für das Mittelstandskreditgeschäft. Die mit dem Risikopooling erreichte Diversifikation im Kreditportfolio dient dabei nicht nur als "Versicherung" gegen schwerwiegende Ausfälle. Mit der Risikotransferplattform konnte der Grundstein und der Einstieg in ein aktives Kreditrisikomanagement gelegt werden. Die Reduzierung von ökonomischem Eigenkapital und die Erweiterung des Rahmens für neue Kreditvergaben können dabei ebenso das betriebswirtschaftliche Kalkül bestimmen, wie das Generieren von Zusatzerträgen durch die bewusste Absicherung von Krediten erstklassiger Bonität bei gleichzeitiger Risikoübernahme geringerer Bonität des Pools.

Hohe strategische Bedeutung für die Genossenschaftsbanken

Daneben bedeutet die Teilnahme an Loop für die Institute einen Know-how-Aufbau in den zukunftsweisenden Themen der Portfoliomodellierung und der Kreditderivate. Von Loop bis zum Einsatz von Credit Default Swaps auch im liquiden Bereich, etwa zur Steuerung im Depot-A oder als Kreditersatzgeschäft, ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Schließlich wird Loop dem formulierten Anspruch der Genossenschaftsbanken, ihre Autonomie im Markt und in der Steuerung zu bewahren, gerecht, indem es wirksam dazu beiträgt, die unternehmerische Freiheit im regionalen Kreditgeschäft zu sichern und zu stärken. Langfristiges Ziel der WGZ Bank ist es daher, Loop als regelmäßige Risikotransferplattform im regionalen Finanzverbund zu etablieren.

Weiterentwicklungen geplant

Dabei sind auch konzeptionelle Weiterentwicklungen vorgesehen. So könnten durch das "Aufbrechen des Kreislaufmodells" Poolingbanken zukünftig nur die Rolle des Sicherungsnehmers odergebers einnehmen. Bei einer "Dynamisierung" könnten zudem Kreditrisiken nicht nur zu einem Stichtag, sondern regelmäßig in den Pool eingebracht oder wieder herausgenommen werden. Letztendlich könnte über eine Verbriefung der Kredite auch eine Öffnung für den Kapitalmarkt und somit eine Auslagerung von Risiken aus dem regionalen Finanzverbund erfolgen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X