Gespräch des Tages

Kreditwirtschaft - Imagepflege

"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert." Dieses altbekannte Sprichwort geht einem sofort durch den Kopf, wenn man die Schlagzeilen der vergangenen Wochen verfolgt. Da ist der deutsche Chef einer amerikanischen Investmentbank, der die Politik manipuliert und selbst Ministerpräsidenten lediglich als marionettenartige Erfüllungsgehilfen auf dem Weg zu enormen Gewinnen betrachtet und behandelt. Dank säuberlichster E-Mail-Verwaltung ist das nun auch der Öffentlichkeit bekannt. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall! Da ist der Landesbanker, der dem Glamour und Glitzer der großen weiten Welt der Stars und Sternchen erlegen ist, in dieser natürlich ebenfalls glänzen wollte und sich frei von jeder Moral kaufen ließ. Der "Berg von Geld" war einfach zu verführerisch. Und statt schnell reinen Tisch zu machen und Bedenken zu äußern, gab er erst dann das ohnehin Bekannte zu, als es dafür längst zu spät war.

Da ist die britische Großbank, die innerhalb weniger Stunden den Chairman und den Vorstandsvorsitzenden verlor, weil sie durch Manipulation des Libor-Satzes günstigere Refinanzierungskosten vorgaukelte und nette Handelsgewinne einstrich. Zum Glück wurden die Positionen irgendwann so groß, dass die ehedem Verbündeten nicht widerstehen konnten, zu Gegnern zu werden, was für das betroffene Haus gewaltige Verluste zur Folge hatte. Die Äußerung, man habe das nur getan, weil man davon ausging, dass andere Banken ebenfalls zu niedrige Zinsen meldeten, ist keineswegs ausreichend als Entschuldigung - auch wenn diese Annahme zweifelsohne stimmen mag. Denn es hat schließlich auch nicht interessiert, dass durch dieses Geschäftsgebaren Unmengen von Privat- und Firmenkunden geschädigt wurden, da der täglich fixierte Libor-Satz als Referenz für Kredite, Derivate sowie andere Finanzprodukte im Volumen von 360 Billionen Dollar dient. Herzlichen Dank! Und da ist der allmächtige Chef einer amerikanische Großbank, die dank ausgefeilter Handelsstrategien mal eben mehrere Milliarden verzockte, was nicht nur die amerikanischen Abgeordneten, sondern sogar die Bundespolizei FBI auf den Plan rief. Eben dieser Chef bekommt für das abgelaufene Geschäftsjahr 23 Millionen US-Dollar Gehalt, die inzwischen gefeuerte Chefin der Investmentabteilung geht immerhin mit dem satten Handgeld von 15 Millionen US-Dollar Gehalt. Schuldgefühle sucht man hier ebenso vergebens wie das gesunde Risikobewusstsein bei den ausführenden Händlern.

Nein, man muss sich wahrlich nicht wundern, wenn sich das Volk über die Banken und die Banker empört und wenn Politiker und Aufseher (vergebens) versuchen, Schlimmeres zu verhindern und die Kreditwirtschaft mit Gesetz um Gesetz überziehen. Das ist Imagepflege vom Feinsten. Aber das eigentlich Erschreckende an all dem ist, dass es sich hierbei keineswegs nur um Einzelfälle einiger weniger besonders gieriger oder haltloser Exemplare dieser Spezies handelt, sondern dass "das über die Grenze des Erlaubten Hinausgehen" System hat. Man bewegt sich in Graubereichen, und da sind Manipulation, Betrug und Bestechung ganz offensichtlich so selten nicht. Die Branche weiß das, die Branche billigt das. Und solange das so ist, bleibt jede öffentliche Empörung über Banker angemessen. Wie viel davon von Aufsichtsräten, Aufsehern und Zentralbanken gewusst und vielleicht sogar gebilligt wird, ist ein anderes Thema.

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