Aufsätze

Die künftige Rolle der Regionalverbände in einer neuen Struktur der genossenschaftlichen Bankensäule

Die genossenschaftliche Bankensäule wird gebildet aus den Volksbanken und Raiffeisenbanken und ihrem Verbund, zu dem Produktlieferanten und Dienstleister zählen - sowie die Verbände. Um die Position der Regionalverbände innerhalb dieses Netzwerkes zu bewerten, sind fünf Kriterien maßgeblich:

1. Die Regionalverbände sollen sein und sind gemäß § 63b Genossenschaftsgesetz (GenG) eingetragene Vereine. Diese Rechtsform macht sie zu mitgliedergetragenen Organisationen, was das Geschäftsmodell der Regionalverbände in der Vergangenheit geprägt hat und dies auch in der Zukunft tun wird.

2. Der Gesetzgeber hat den regionalen Prüfungsverbänden in Abschnitt 4 des Genossenschaftsgesetzes eine Aufgabe zugewiesen: die genossenschaftliche Pflichtprüfung. Sie ist aus den praktischen Bedürfnissen nach Beratung und Betreuung im 19. Jahrhundert entstanden.

3. Exakt dieser Abschnitt 4 gehört zu den Existenzgrundlagen einer Genossenschaft: Nach § 54 GenG muss sie einem Verband angehören, dem das Prüfungsrecht verliehen ist. Die Aufgabenstellung der Volksbanken und Raiffeisenbanken ist in § 1 GenG eindeutig beschrieben (Förderauftrag).

4. Das Rechtskleid der eingetragenen Genossenschaft, das im Genossenschaftsgesetz abgebildet wird, begründet eine autonome unternehmerische Einheit, die im Sinne von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch auf den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung gründet.

5. Schließlich ist die Position der Regionalverbände mit Blick auf die Entwicklungen im wirtschaftlichen Umfeld zu bewerten und mit Blick auf die Strukturveränderungen in der Gruppe - insbesondere in der Primärstufe, das heißt bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken.

Konsolidierung bei Zentralbanken und Dienstleistern

Die Veränderungen für die genossenschaftlichen Regionalverbände, die sich in den letzten zehn Jahren vollzogen haben, lassen sich am Beispiel des Württembergischen Genossenschaftsverbandes beschreiben. Aus diesem Blick in die Vergangenheit kann man Ableitungen für die Entwicklung der Verbände in der Zukunft treffen. Vor zehn Jahren existierte in Württemberg neben dem Verband eine eigenständige GZB-Bank AG als Zentralbank mit Sitz in Stuttgart und die RWG GmbH als Rechenzentrale mit Sitz in Stuttgart. Dies beschreibt eine weitestgehend in sich geschlossene Gruppe in Württemberg, die für sich in der Lage war, autonom in ihrer Region Zukunft zu gestalten. Die Willensbildung der Volksbanken und Raiffeisenbanken war primär regional ausgerichtet.

Veränderungen in den Märkten, des Rechtsrahmens, in dem sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken bewegen, und gewandelte politische Rahmenbedingungen waren Ursachen für die Weiterentwicklung dieser Struktur. Die GZB wurde in der Folge mit der SGZ zur GZ-Bank und später zur DZ Bank verschmolzen. Ähnliche Prozesse haben bei den Rechenzentralen gegriffen. Die RWG ist mit der Fiducia in Karlsruhe zusammengegangen; diesem Schritt folgte die bayerische RBG.

BVR als strategisches Kompetenzzentrum

Nach dem Vollzug dieser Entwicklungen war klar, dass die ausschließlich als regional verstandene Gruppe der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Württemberg ihre Zukunftsthemen nicht mehr autonom entscheiden konnte. Die Ideen sind in der Region zwar nie ausgegangen, aber es lag auf der Hand, dass die kostenverträgliche Weiterentwicklung von Konzepten und die Intensivierung der Arbeitsteilung im Verbund - die ökonomisch geboten war und geboten ist - eine neue Prozedur erforderten. Und damit stellte sich die Frage: Wer ist zuständig für die Strategie der Gruppe der Volksbanken und Raiffeisenbanken?

Zu Beginn dieses Jahrzehnts ist diese Frage mit der Änderung der Satzung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) beantwortet worden. Die Mitgliederversammlung des BVR hat folgerichtig den Zweck und die Aufgaben des BVR um die Entwicklung von Konzepten für die Gruppe als strategisches Kompetenzzentrum erweitert. In der Satzung wurde auch festgehalten, was aber selbstredend ist, dass die Autonomie der Genossenschaft in ihrer strategischen Ausrichtung davon unberührt bleibt.

Innerhalb des BVR wurde die Verantwortung für strategische Projekte dem Verbandsrat zugewiesen, für die Facharbeit wurden sieben Fachräte neu gebildet. Dabei wurde sichergestellt, dass die Strategie der Gruppe nicht im luftleeren Raum entsteht, sondern in Form der Fachratsarbeit abgefedert ist. Diese Veränderung war auch deswegen zielführend, weil der BVR ebenso wie die Regionalverbände mitgliedergetragen ist. Die Verbände sind dadurch von ihrer Grundstruktur her auf die Mitgliederinteressen ausgerichtet. Sie verfolgen im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung keine Eigeninteressen. Ein solches Konstrukt erscheint geboten, weil die Primären Plattformen benötigen, auf denen sie ihre homogenen, aber auch heterogenen Interessen einbringen können. Dabei müssen wir die Ganzheit im Auge behalten. Die genossenschaftlichen Verbundunternehmen sind selbstredend in den Gremien des BVR mit Sitz und Stimme vertreten.

Ständiger Anpassungsprozess

Der genossenschaftliche Verbund wird sich evolutionär weiterentwickeln. Die Zentralbanken und die Rechenzentralen werden ihre Strukturen, wie auch jetzt bei den Verbänden in Frankfurt und Hannover sowie in Karlsruhe und Stuttgart, weiter optimieren, um ihre Aufgabe innerhalb des Verbundes wahrzunehmen. Nichts im Markt ist garantiert. Aber gerade die ständige Weiterentwicklung verhilft der Gruppe zur Stärke. Damit werden sich Strukturen auch in der Zukunft Anpassungsprozessen unterziehen, wobei letztere dort ihre Grenzen haben, wo die Autonomie der Genossenschaft in Frage gestellt werden würde. Solche Prozesse werden neuen Schub in die Weiterentwicklung der Genossenschaftsorganisation innerhalb der EU bringen. Auch hier geht es mit Blick auf die Entscheidungsprozesse für Regional- und Spitzenverbände darum, die Interessen ihrer Mitglieder einzubringen und zu vertreten.

Bei all diesen Schritten stellt sich die Frage: Wo liegt das Optimum der Verbundstruktur? Wo liegt die optimale Betriebsgröße der Verbundeinrichtungen - die Verbände eingeschlossen - und der Ortsbanken? Diese Frage lässt sich mit einem Zitat des italienischen Wirtschaftswissenschaftlers Alberto Alesina beantworten: Die Größe der einzelnen Elemente des Verbundes und die Struktur des Verbundes haben dann ein Gleichgewicht erreicht, "wenn sich der Nutzen seiner Größe und Struktur und die Kosten seiner Vielfalt die Waage halten".

Das sagt uns, dass sich Strukturen und Größe nicht ins Unendliche entwickeln können, denn damit sind Kosten verbunden, die den Nutzenvorteil überkompensieren könnten. Anders formuliert: Es ist einer Entwicklung der Verbundorganisation das Wort zu reden, die dadurch geprägt ist, dass die unternehmerische Logik zunehmenden Zentralisierungstendenzen folgt, andererseits sich diese Struktur aber überfordert, wenn sie nicht durch aktive, gewollte, physische Dezentralität begleitet wird. Das ist wie in der Natur. Zentrieren wir Ressourcen massiv bis zur Einförmigkeit, dann setzt sich das System Natur zur Wehr, da ihr wesentliche Stränge für ihr Überleben genommen werden.

Damit gewinnt das neue Bild der Verbände Konturen. Während sie gestern die Strategie für ihre Mitglieder autonom entwickelt haben, arbeiten sie heute in den Gremien des BVR an der Weiterentwicklung der Gruppe mit. Sie greifen die marktgetriebenen Ideen ihrer Mitglieder auf, kommunizieren sie in den Fachräten des BVR, arbeiten an der Entwicklung der Projekte mit und haben nicht zuletzt die Aufgabe, ihre Mitglieder bei der Umsetzung der Projektergebnisse zu unterstützen.

Regionalverbände wären überfordert

Die neue Form der Zusammenarbeit lässt sich an zwei großen Projekten belegen: VR-Control für die Unternehmenssteuerung und VR-Process für die Ablauforganisation. Sowohl bei der Entwicklung der Projekte, insbesondere aber bei der Umsetzung kommt den Regionalverbänden eine federführende Aufgabe zu. Dabei wäre jeder für sich allein ökonomisch überfordert, die Architektur zu solchen Projekten zu entwickeln, die benötigte IT-Begleitung sicherzustellen und die Umsetzung zu organisieren. Der Vorteil des Netzwerkes zwischen den Regionalverbänden und ihrem Spitzenverband greift hier. Genau diese Netzwerkstruktur hat in der Vergangenheit der Gruppe in der Auseinandersetzung mit der Konkurrenz zum Vorteil gereicht - und wird das auch in Zukunft tun.

Um Projekte wie VR-Control und VR-Process erfolgreich zu implementieren, ist ein gewaltiges Know-how erforderlich, das über Beratung, Bildung und Prüfung dem genossenschaftlichen Netzwerk zugänglich gemacht werden muss. Und gerade in diesen Arbeitsfeldern kommt den Regionalverbänden in der Zukunft eine federführende Rolle zu.

Genossenschaftlicher Gedanke

Der Erfolg der Volksbanken und Raiffeisenbanken und ihres Verbundes liegt in ihrem Geschäftsmodell und in der von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch begründeten Unternehmensphilosophie. Dieses traditionelle Arbeitsfeld wird unabdingbar bei den Regionalverbänden verbleiben. Es gilt, diese Unternehmensphilosophie immer zeitgemäß zu entwickeln und dabei ihre Grundfesten zu bewahren, denn Unternehmen ohne begründete Unternehmensphilosophie sind ohne Halt. Es bleibt eine Aufgabe der Verbände, die genossenschaftliche Philosophie mit Leben zu füllen, ihr Inhalt zu geben und Inhalte permanent in die gedankliche Auseinandersetzung, an die Mitglieder heranzutragen. In einer Welt, in der es an Egoismen nicht mangelt, sind die Regionalverbände hier besonders gefordert.

Nicht von ungefähr stellen wir in den Regionen nachhaltigen Bedarf an der Neugründung von Genossenschaften fest, nicht bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken, aber im Waren- und Dienstleistungsbereich. Die Neugründungen sind das Salz in der Gruppe und führen den Gesamtverbund an wirtschaftliche Betätigungen neuer Art heran. Gleichzeitig sind die Neugründungen der beste Beleg für die Aktualität und Zukunftsfähigkeit der Rechtsform eG und der Regionalverbände.

Mit ihrer Arbeit stabilisieren die Regionalverbände Meinungs- und Willensbildungsprozesse als Teil eines funktionstüchtigen Verbundes. Es geht darum, Meinungen zu artikulieren, aber dann die ganze Kraft auf die Straße zu bringen, wenn man sich nach einem Entscheidungsprozess aus mehreren Alternativen auf ein konkretes Konzept fokussiert. Das ist gelebte Demokratie unter dem Dach der Regionalverbände in der genossenschaftlichen Gruppe. Sie hilft den

Volksbanken und Raiffeisenbanken, sich wahrnehmbar im Konzert des Verbundes zu artikulieren. Dabei wäre es einäugig, die Interessen der Verbundunternehmen außen vor zu lassen. Die Verbände müssen die Genossenschaften und die Verbundunternehmen in den Entscheidungszirkeln zum Einklang bringen.

Die Volksbanken und Raiffeisenbanken leben nicht für sich auf einer Insel. Sie sind Teil der Gesellschaft und insbesondere aufgrund ihrer Mitgliederstruktur eng mit ihr vernetzt. Viele Mitglieder der Volksbanken und Raiffeisenbanken sind Mitglied von berufs- oder branchenbezogenen Verbänden. Es bleibt deshalb Aufgabe der Regionalverbände, Kontakte zu diesen Verbänden zu organisieren, um Interessen zu bündeln.

Die politischen Entscheidungsprozesse sind in der EU und in Deutschland dezentral strukturiert. Für viele Gesetze ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Dies verlangt die nachhaltige Lobbyarbeit der Regionalverbände im politischen Raum, aber auch die Arbeitsteilung mit dem BVR, dessen Aufgabe sich auf die Interessenvertretung in Berlin und Brüssel/Straßburg richtet. Die politische Arbeit zwischen Mitgliedern, Regionalverbänden und Spitzenverbänden optimal abgestimmt und kommuniziert ist die Basis, um ein zutreffendes Bild der Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Öffentlichkeit zu zeichnen.

"Kümmerer für alle Belange"

Die Uraufgabe der Regionalverbände ist und bleibt, sich als Kümmerer für alle Belange ihrer Mitglieder einzusetzen. Damit ist das vielfältige Tagesgeschäft angesprochen. Konzeptionell steht dahinter ein breites Angebot an Beratungsfeldern, an Gruppen für den Erfahrungsaustausch, an gruppenspezifischen Statistiken und Analysen sowie eine Fülle von Hilfen in der Führung und Organisation oder in Rechts- und Steuerfragen.

Auch auf den Prüfungsauftrag für Regionalverbände nach dem Genossenschaftsgesetz und auf dessen Sonderheit ist hinzuweisen. Diesem Prüfungsansatz kommt ein nicht zu unterschätzender Stellenwert zu. Dies lehrt gerade die Finanzkrise. Vom Inhalt her ist der Auftrag sehr weit gesteckt, da er neben dem üblichen Prüfungsrahmen die Prüfung der Geschäftsführungsverantwortung, -tätigkeit und -organisation umfasst und damit nach der Erfüllung des Förderauftrages fragt. Es überrascht nicht, dass der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer in seiner Lobbyarbeit exakt darauf achtet, dass die Jahresabschlussprüfungen in keinem Fall die Grenze zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung überschreiten.

Um eine solche Prüfung ableisten zu können, bedarf es einer besonderen Qualifikation der Prüfer und einer adäquaten Organisation. Die Prüfung bleibt auch in der Zukunft ein elementares Geschäftsfeld eines Regionalverbandes.

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