Leitartikel

Mahnende Sorgenfalten

Neben Basel III zählt der Einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum (Single Euro Payments Area) mit Sicherheit zu den Großprojekten, die Banken, Sparkassen und ihre Verbände seit einiger Zeit in besonderem Maße umtreiben. Dabei beschäftigt Sepa die deutsche Kreditwirtschaft bereits seit mehr als einem Jahrzehnt: Mit der Lissabon-Agenda legte die Europäische Union im Jahr 2000 den Grundstein für die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes im unbaren Zahlungsverkehr. Zwei Jahre später gründete die europäische Kreditwirtschaft den European Payments Council (EPC), der die Sepa-Verfahren entwickelte. Die Europäische Union unterstützte diesen Prozess und sorgte insbesondere mit der Zahlungsdiensterichtlinie für einen gemeinsamen europäischen Rechtsrahmen. Diese Payment Services Directive (PSD) musste von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums bis zum 31. Oktober 2009 in nationales Recht umgesetzt werden. Im Dezember 2010 legte die Europäische Kommission den Vorschlag der Sepa-Verordnung vor, der zum 31. März 2012 in Kraft trat, und Anfang November dieses Jahres verabschiedete der Deutsche Bundestag ergänzende Regelungen für den Übergang der deutschen Überweisungs- und Lastschriftverfahren auf die neuen Zahlverfahren (Sepa-Begleitgesetz). Ab dem 1. Februar 2014 nun müssen Kreditinstitute in der Lage sein, nationale Transaktionen in der europäischen Gemeinschaftswährung im neuen Format abzuwickeln, ab 1. Februar 2016 gilt das auch für internationale Zahlungen.

Man könnte meinen, dass nach einem derart langen Prozess die meisten Vorkehrungen getroffen sind und angesichts eines Vorlaufs von immerhin noch 14 Monaten alle weiteren notwendigen Arbeiten abschließend zu bewältigen sind. Die Realität ist allerdings eine deutlich andere. Offensichtlich beginnen erst jetzt in größerem Maße die zukünftigen Nutzer in Unternehmen und Vereinen mit den Vorbereitungen und stoßen dabei auf zahlreiche Hürden und Probleme. Mit tiefer Besorgnis blickt deshalb das zuständige Vorstandsmitglied der Bundesbank, Carl-Ludwig Thiele, in die Zukunft: Im dritten Quartal 2012 waren lediglich knapp sieben Prozent aller abgewickelten Überweisungen in Deutschland Sepa-Überweisungen, die Sepa-Lastschrift wird bislang noch so gut wie gar nicht genutzt.

Relativ zuversichtlich gibt man sich noch im Hinblick auf die privaten Haushalte, bei denen sich die Umstellung am einfachsten gestaltet. Für sie geht es primär um Informationen. Im Rahmen einer umfangreichen Kampagne will man deshalb Verbraucher die anstehenden Änderungen erläutern. Zu diesem Zweck hat die Bundesbank gemeinsam mit dem Bundesministerium der Finanzen und den Mitgliedern des Sepa-Rates einen Flyer entwickelt, der in einer Auflage von über zehn Millionen Stück verteilt werden soll. Darüber hinaus gibt es seit einiger Zeit die Internet-Seite www.sepadeutschland.de, die zahlreiche Informationen zur internationalen Kontokennung IBAN und zum standardisierten Bank-Code BIC enthält. Ihre persönliche IBAN und BIC sollten die Verbraucher - so Thieles Empfehlung - schnell zur Hand haben, beispielsweise auf den Bankkundenkarten. Bislang führen diese Angaben lediglich die Volksbanken und Raiffeisenban ken auf ihren Girocards auf, bei den privaten Banken und Sparkassen sieht die Bundesbank deshalb noch Nachholbedarf.

Deutlich schwieriger als bei Privatkunden gestaltet sich die Anpassung bei Unternehmen, insbesondere wenn diese eigene IT-Systeme einsetzen und technische Änderungen notwendig sind. Viele Firmen sind sich allerdings den Herausforderungen noch nicht bewusst. Insbesondere bei kleineren und mittelständischen Unternehmen besteht noch ein immenses Informationsdefizit. Sorgenkind sind darüber hinaus die 580 000 Vereine in Deutsch land, die ihre Mitgliedsbeiträge in der Regel per Lastschrift einziehen. Das geht in Zukunft nur mit einer Gläubiger-Identifikationsnummer. Nach Angaben der Bundesbank sind bislang gerade einmal 95 000 dieser Nummern vergeben worden - erst 2,6 Prozent der rund 3,6 Millionen Unternehmen sowie der rund 580 000 Vereine in Deutschland. Viele Unternehmen und Vereine scheuen sich davor, ihre Kunden schriftlich auf die bevorstehende Lastschriftumstellung hinzuweisen. So haben beispielsweise die Betreiber von Fitness-Studios die nicht unbegründete Befürchtung, dass die Sepa-Anschreiben die zukünftigen Mitgliedsbeiträge schrumpfen lassen:

Schließlich nutzt nur ein Bruchteil der Mitglieder die Einrichtungen regelmäßig, während die Mehrzahl die Studios sicherlich nur in den ersten euphorischen Wochen nach Anmeldung aufgesucht haben, allerdings nach wie vor fleißig ihre Beiträge per Dauerauftrag entrichten. Würden diese "Schläfer" nun einen Brief zur Umstellung ihrer Beitragslastschriften bekommen, bestünde die Gefahr, dass einige ihre Mitgliedschaft hinterfragen und kündigen.

Wenn die Banken und Sparkassen ihre Geschäftskunden auf die Umstellungsnotwendigkeiten hinweisen, erhalten sie nicht selten zunächst Vorwürfe, was sich die Banken denn nun wieder ausgedacht hätten, um den Kunden neuerlich Geld aus der Tasche zu ziehen.

Die größten Schwierigkeiten bei Banken und Sparkassen bereiten derzeit zweifellos die Umstellungen beim Lastschriftverfahren. In wesentlichen Punkten unterscheidet sich die Sepa-Variante vom bislang geltenden nationalen Verfahren. Künftig müssen Unternehmen, die eine erteilte Einzugsermächtigung nutzen wollen, hierzu ein spezielles Mandat von ihren Kunden einholen und darüber hinaus eine sogenannte Gläubiger-ID angeben, die sie bei der Bundesbank beantragen. Grundsätzlich wissen die Kreditinstitute, was sie in diesem Zusammenhang zu tun haben, eine Fülle von Detailfragen ist jedoch nach wie vor ungeklärt. Ungewiss ist beispielsweise, wie hoch das Risiko grenzüberschreitender Lastschriften für Banken und Sparkassen sein wird. Da Lastschriften acht Wochen lang storniert werden können, verlangen deutsche Institute von ihren Kunden einen Bonitätsnachweis, wenn sie Lastschriften einlösen wollen. Ob ausländische Institute das in jedem Fall genauso handhaben werden, ist allerdings unklar.

Nicht zuletzt deshalb ist der Fortschritt bei der Sepa-Umstellung im Ausland ein weiterer Knackpunkt. Kleinere Länder wie Luxemburg, Finnland oder Slowenien haben bereits fast komplett umgestellt, andere hinken noch deutlich hinterher. Nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Steria Mummert unter 300 deutschen, französischen und britischen Unternehmen haben in Großbritannien lediglich drei Prozent der Firmen ein entsprechendes Projekt gestartet, und 60 Prozent befinden sich noch nicht einmal in der Planungsphase. In Frankreich haben 35 Prozent der befragten Unternehmen angegeben, bei der Einführung noch im Zeitplan zu liegen oder die Vorbereitungen bereits abgeschlossen zu haben.

Wie einfach wäre es doch, wenn das Thema Sepa zumindest ein bisschen sexy wäre. Bekanntlich lässt sich mit einer Prise Sex alles viel besser verkaufen, sodass auch eine solch dröge Materie wie der gemeinsame europäische Zahlungsverkehrsraum sicherlich mehr Interesse fände. Doch leider erscheint Sepa den Marktteilnehmern offenbar nicht spannend genug, und auch Carl-Ludwig Thiele musste jüngst zugestehen, dass das Thema einfach nicht sexy ist. Somit bleibt der Bundesbank nichts anderes übrig, als für die verbleibenden 14 Monate mit sorgenvollem Blick eindringlich vor allzu viel Bummelei zu warnen.

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