Gespräch des Tages

Mannesmann-Prozess - Untreue-Vorwurf wäre rechtlich nicht haltbar gewesen

Es war aus der persönlichen Sicht Josef Ackermanns wie aus der Sicht der Deutschen Bank verständlich und sicher auch richtig, die Einstellung des Strafverfahrens gegen eine Geldauflage anzustreben und die Verteidigungsstrategie darauf auszurichten. Schließlich gelten Ackermann und die Mitangeklagten nach der Einstellung des Verfahrens als "nicht schuldig". Dieser Unschuldsstatus ist naturgemäß, da er mit einer Gegenleistung in Geld gewissermaßen "erkauft" worden ist, nur ein solcher zweiter Klasse, lässt er doch den möglichen Restzweifel selbst gutwilliger Mitmenschen offen, ob denn nicht bei Durchführung des Verfahrens doch etwas von dem Untreue-Vorwurf "hängen geblieben" wäre. Aus juristischer Sicht (sie hat aber, um das eindeutig zu sagen, hier hinter die persönlichen Beweggründe der Angeklagten und das Unternehmensinteresse der Deutschen Bank zurückzutreten) wäre freilich wünschenswert gewesen, auch materiell-rechtlich rechtskräftig festzustellen, dass der Vorwurf der Untreue von vornherein haltlos gewesen ist.

Im "Gespräch des Tages" in Heft 3/2006 (Seite 109) dieser Zeitschrift wurde die Frage angesprochen, ob der BGH in seinem Urteil vom 24. Dezember 2005 den wichtigen Punkt vernachlässigt hat, dass die bei wirtschaftlicher Sicht noch allein am Vermögensbestand der Mannesmann AG interessierte Vodafone ihr Einverständnis mit den Prämienzahlungen erklärt und somit darin eingewilligt hatte, das von ihr zu übernehmende Mannesmann-Vermögen um den auszuschüttenden Prämienbetrag zu mindern. Der BGH führte dazu aus, dass dieses Einverständnis der Vodafone schon deshalb die Untreue nicht entfallen lasse, "weil es an der erforderlichen Zustimmung aller Anteilseigner der Mannesmann AG oder der diese repräsentierenden Hauptversammlung (fehle)". Vodafone habe im Zeitpunkt ihrer Zustimmung nur 9,8 Prozent der Mannesmann-Aktien besessen und sei im Zeitpunkt der Auszahlung der Prämien auch "nur Mehrheitsaktionärin" mit 98,66 Prozent gewesen. Diese Besitzverhältnisse würden für ein "rechtlich wirksames Einverständnis in die Vermögensschädigung" nicht ausreichen, weil ein solches "vor der Tat erteilt worden sein muss". Dazu wurde in dem Beitrag angeregt, im weiteren Prozessverlauf der Frage nachzugehen, ob die Angeklagten angesichts der Tatsache, dass den Altaktionären ein verbindliches, durch die Prämien unbeeinflusstes (den Vermögenswert der Aktienpakete der Altaktionäre damit festlegendes) Abfindungsangebot vorlag, sie also in ihren Vermögen weder geschädigt noch gefährdet (im Sinne § 266 StGB) werden konnten, davon ausgehen durften, dass ihre Prämienbeschlüsse, ungeachtet ihrer "moralischen" Bewertung in einer breiteren Öffentlichkeit, in Bezug auf die Aktionärsvermögen keine strafrechtliche Relevanz haben würden.

Insbesondere soweit sich der Untreuevorwurf auf das Vermögen der Mannesmann AG als eigenständige juristische Person bezog, machte es sich der BGH mit seiner Bewertung des "Einverständnisses" der Vodafone zu einfach. Dieses von Vodafone erteilte Einverständnis mit den Prämienbeschlüssen erfolgte schließlich unter der aus damaliger Sicht ganz selbstverständlichen (konkludenten), aber vom BGH anscheinend nicht bewerteten Voraussetzung des Zustandekommens und der Durchführung der Übernahme der Mannesmann AG. Die Prämienbeschlüsse der Angeklagten standen daher ihrerseits zwangsläufig unter der gleichen Voraussetzung. In die juristische Bewertung umgesetzt, bedeutet das aber: Die Prämienbeschlüsse standen sachlogisch unter der aufschiebenden Bedingung der erfolgreichen Übernahme des Vermögens der Mannesmann AG durch Vodafone und deren damit eintretenden rechtlichen Verfügungsgewalt über dieses Vermögen. Folgerichtig wurden die bei einer Vodafone-Beteiligung von 9,8 Prozent beschlossenen Prämien auch erst ausgezahlt, nachdem Vodafone insgesamt 98,66 Prozent des Aktienkapitals erworben hatte und damit faktisch und bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtung die aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit der Prämienbeschlüsse eingetreten war. Am endgültigen Vollzug der Übernahme konnte es bei dieser Beteiligungshöhe keine Zweifel mehr geben. Es wäre insoweit geradezu absurd, den Untreuevorwurf an den restlichen 1,34 Prozent des Aktienkapitals "aufzuhängen", zumal auch diese Restaktionäre Anspruch auf die ausgelobte Abfindung hatten.

Der BGH meinte, dass eine strafbefreiende Einwilligung des zukünftigen Alleinaktionärs "vor der Tat" hätte erteilt werden müssen. Nun sind die aufschiebend bedingten Prämienbeschlüsse erst mit Eintritt der gesetzten Bedingung zivilrechtlich wirksam und insoweit zur "Tat" im strafrechtlichen Sinne geworden. Da kann es doch nur folgerichtig sein, die unter der gleichen aufschiebenden Bedingung stehende "Einwilligung" und die "Tat" als gleichzeitig oder als mit einer "juristischen Sekunde" Abstand erfolgt zu werten. Für die strafbefreiende Relevanz der "vor" der Tat erforderlichen Einwilligung hätte das ausgereicht. Vor diesem Hintergrund wäre daher auch kein auf das Vermögen der Mannesmann AG bezogener Untreuevorwurf gegen die Angeklagten aufrechtzuerhalten gewesen. Sie haben sich gerade nicht, wie der Senatsvorsitzende des BGH meinte, als Gutsherren geriert, obwohl sie nur Gutsverwalter waren. Sie haben vielmehr als Gutsverwalter der Empfehlung des zukünftigen Gutsherrn Vodafone folgend einen in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden Beschluss unter der aufschiebenden Bedingung gefasst, dass Vodafone tatsächlich "Gutsherr" wird. Und sie haben den Beschluss erst vollzogen, als diese Bedingung zwar formal erst zu 98,66 Prozent eingetreten, aber das Erreichen der 100 Prozent nicht mehr zweifelhaft war.

Auf die in dem Verfahren breit behandelte Frage, ob nicht auf die Zukunft des Unternehmens gerichtete Prämien aktienrechtlich zulässig sind, kam es für den Untreue-Vorwurf angesichts der Tatsache überhaupt nicht an, dass Vodafone, nachdem sie Alleinaktionärin geworden war, insoweit jede Freiheit gehabt hat, über das erworbene Vermögen zu verfügen. Die Überlegungen zu den nachträglichen Prämienzahlungen waren für die Rechtsfortbildung zweifellos hilfreich, gingen aber im Mannesmann-Fall am Kern vorbei. Hier kam es nur auf den uralten Rechtsgrundsatz "Volenti non fit iniuria" an: Vodafone als Einzige durch die Prämienbeschlüsse in ihrem künftigen Vermögen Betroffene hatte in ihre "Schädigung" durch Weggabe des Prämienbetrags wirksam eingewilligt. Ihr ist daher kein strafbares Unrecht widerfahren, ein Untreue-Vorwurf gegen die Angeklagten war obsolet. Bei aller Genugtuung über das nun "friedliche" Ende dieses von vornherein unseligen Strafverfahrens, bleibt das - juristische - Bedauern, dass es nicht zu einem "nicht schuldig" erster Klasse durch einen rechtskräftigen Freispruch gekommen ist.

Rechtsanwalt Dr. Claus Steiner (Wiesbaden)

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