Aufsätze

Mittelstandsfinanzierung und Verbriefung - Phasen der Finanzkrise

Die Finanzkrise hält mittlerweile seit über zwei Jahren an. Sie zählt zu den bislang tiefsten Krisen in der wirtschaftlichen Entwicklung weltweit. Obwohl Krisen, Blasen oder Finanzkrisen immer wieder in der Vergangenheit aufgetreten sind, bestehen am Ende wenige Erfahrungen über ihre jeweils konkrete Entwicklung und die angemessenen Reaktionen der wirtschaftspolitisch Verantwortlichen sowie der in den Unternehmen und Banken Verantwortlichen. Gleichwohl ist Tatkraft auf allen Seiten verlangt, um schnellstmöglich das Tal der Tränen zu verlassen.

"Gepflegte Verkürzung"

Eines der "Opfer" der Finanzkrise ist das Instrument Verbriefung. Es wird gleichgesetzt mit "subprime" und damit "der" Ursache der Finanzkrise. Diese gepflegte Verkürzung verstellt den Blick auf Lösungsmöglichkeiten, die Verbriefung für die Kreditversorgung der Wirtschaft erbringen kann und sogar muss. Als Vergleich: Kein Mensch erwägt ernsthaft, dass keine Hypotheken mehr an Hausbauer zur Finanzierung vergeben werden sollen, nur weil die "subprime mortgages" - der Ursprung allen Übels - nun mal Immobilienkredite oder Hypothekendarlehen sind. Nicht das Instrument ist "schlecht", sondern seine unkontrollierte Nutzung.

Vor Beginn der Finanzkrise war Deutschland auf dem Weg einen wachsenden Anteil der Kreditversorgung über Verbriefungen sicherzustellen. Damit wurde der Trend gefördert, dass die Finanzierung der Wirtschaft, die in weit höherem Umfang als in anderen Ländern auf einer Bereitstellung von Krediten durch Banken basiert, zunehmend auch auf den Kapitalmarkt gestützt werden konnte. Gerade für den Mittelstand wurde dadurch zusätzliche Finanzierungskapazität mobilisiert, weil Banken sich auf dem Kapitalmarkt entlasten konnten. Teils konnten sich die Unternehmen auch direkt über Verbriefungen ihrer kurzfristigen Forderungen unabhängig von ihren Banken refinanzieren. Die Leasingbranche war auf dem Weg, ihre Refinanzierung über den Kapitalmarkt "Verbriefung" zunehmend zu bewerkstelligen. Ebenso waren eine Vielzahl von Akquisitionsfinanzierungen indirekt an den Kapitalmarkt über Verbriefungsstrukturen gebracht worden.

Mit der Finanzkrise ist diese Entwicklung jäh abgerissen. An diese Vorarbeiten muss heute schnellstens angeknüpft werden, damit die Kreditversorgung der Wirtschaft und mithin auch des Mittelstands in der laufenden Phase der Krisenbewältigung nicht kurzfristig erheblich mengenmäßig beschränkt wird. Ohne Verbriefung wird der Ausstieg aus den Rettungsmaßnahmen schwieriger werden. In der Nachkrisen-Zeit könnte sich - wenn der Engpass Bankbilanz nicht durch den Kapitalmarktzugang per Verbriefung aufgelöst wird - die Kreditversorgung auf ein Niveau einpendeln, das den Entwicklungsspielraum der deutschen Wirtschaft massiv einschränkt.

Die Unternehmen sind heute mit ihrer Finanzierung vor eine erhebliche Unsicherheit gestellt. Das wird voraussichtlich mindestens solange anhalten, wie die derzeit andauernde Krisenbewältigung noch nicht abgeschlossen und der Ausstieg aus den Hilfsmaßnahmen der Staaten und Zentralbanken noch nicht vollendet sind. Während akut eine Kreditklemme befürchtet wird, müssen die Unternehmen mittelfristig sich an eine veränderte Finanzierungsstruktur anpassen, für die die Verbriefungsmärkte ebenfalls eine wichtige Rolle spielen werden.

Phasen in der Finanzkrise und Kreditversorgung

Ende Juli 2007 brach die weltweite Finanzkrise über Nacht aus. Sie zog binnen weniger Wochen ihre Kreise, indem sie viele Banken, die Monoline-Versicherer, etliche Investmentbanken, Hedgefonds mit wachsenden Verlusten auf ihre Subprime- Risiken konfrontierte, die sie über Liquiditätslinien, Investments oder Garantien/Credit Defaults Swaps seit Jahren übernommen hatten und die teils zu beträchtlichen Risikoanhäufungen bei Einzelnen geführt hatten. Die meisten Kapitalmärkte brachen über Nacht weg: Zunächst versiegten die Geldmärkte, dann fielen wie Dominosteine fast alle Kapitalmärkte, so auch die Verbriefungsmärkte in Europa und Deutschland.

In dieser Phase waren die Zentralbanken als "lender of last ressort" massiv tätig, um insbesondere das Wegbrechen der Geldmärkte zu kompensieren. Die Politik reagierte auf die Krise mit zunächst punktuellen und sich mit der Zeit häufenden Rettungen, so in Deutschland der IKB und der Sachsen-LB - beide relativ früh im Krisenverlauf - und dann eine Reihe anderer Institute (WestLB, HSH, HRE). Auch in den USA erhöhten sich die Interventionen fortlaufend, deren größte die Rettung von Bear Staerns, Fannie Mae und Freddie Mac sowie dann der AIG waren.

Zunehmend schwierigere Unternehmensfinanzierung

Schon die Phase der ersten Krisenbewältigung war geprägt durch das anhaltende Misstrauen unter den Akteuren an den Finanzmärkten weltweit, insbesondere konnte kein Vertrauen unter den Banken hergestellt werden.

Die Schrumpfung der Bilanzen der Banken (Deleveraging), also der Abbau von Krediten und Fremdfinanzierung, der typisch für eine Finanzkrise ist und kaum Raum für die Vergabe neuer Kredite lässt. Diesen Druck bei den Banken haben etliche Selbstverstärkungseffekte erhöht, so die Prozyklizität von IFRS und Basel II-Regeln, aber auch, dass das für jede Bank vernünftige Verhalten in Summe volkswirtschaftlich zu einem fortlaufenden Druck auf die Vermögenspreise und zu weiteren Verkaufsbemühungen führt (negative Systemrückkopplung).

In dieser Phase war die Kreditversorgung der Wirtschaft in Deutschland noch kaum betroffen, obwohl die typischen negativen Rückkopplungseffekte, beim Platzen einer Blase, sich schon an vielen Stellen in Gang gesetzt hatten und von der Politik nicht aufgehalten werden konnten. Überall wurde das Deleveraging bei den Banken geschildert, das an erster Stelle die Liquidität in den Kapitalmärkten versiegen ließ. Über kurz oder lang hätte das Deleveraging sich auch auf die Kreditvergabe an die Unternehmen ausgewirkt.

Im September 2008 wurde dann der Zusammenbruch von Lehman Brothers zugelassen, der die schon erheblich gestressten Märkte und vor allem Banken nochmals unter Schock setzte. Das nach der Bear-Stearns-Rettung auflebende Vertrauen (große Institute wird man nicht fallen lassen) hatte sich verflüchtigt. Alle großen Investmentbanken wurden skeptisch betrachtet: Gegen sie wurde spekuliert, und sie kamen damit auch unter Druck. Der "meltdown" des Weltfinanzsystems wurde befürchtet. Erst jetzt - nach 14 Monaten der schwersten Finanzmarktkrise und einer fortgesetzten Dynamik nach unten - war offenbar durchsetzbar, dass die Regierungen weltweit umfassende Rettungsprogramme auch parlamentarisch umsetzten konnten.

Deleveraging

Nach dem Zusammenbruch von Lehman ist die "Realwirtschaft" - genauso abrupt erheblich in den Sog der Finanzkrise geraten. Die Auswirkungen waren in den ersten Folgemonaten nicht unmittelbar spürbar, da die deutschen Unternehmen relativ gefestigt in die Krise gegangen sind. Zusätzlich haben eine Reihe von betrieblichen Maßnahmen (Lagerabbau, Kurzarbeit) dazu beigetragen, dass die Unternehmen ihren Kreditbedarf reduzieren konnten und Liquidität aufgebaut haben.

Ein Jahr nach der Lehman-Insolvenz zeigt sich ein weiter fragiles Bild. Eine wirtschaftliche Erholung hat auf niedrigem Niveau vorsichtig eingesetzt. Trotz dieser Aufhellung, der Rettungs- und Konjunkturpakete und einer äußerst expansiven Geldpolitik werden in Deutschland staatlicherseits Vorkehrungen gegen eine Kreditklemme getroffen, über deren Existenz lange kontrovers diskutiert wurde. Die Rettungspakete haben bislang offenbar soweit gegriffen, dass zwar allgemein kein Zusammenbruch der Kreditwirtschaft mehr befürchtet wird. Hinsichtlich ihrer Stützungsfunktion für die Kreditversorgung bleiben jedoch Fragen offen.

Die Banken stehen weiter unter dem Druck, ihre Fremdfinanzierung und ihre Bilanzsumme abzubauen (Deleveraging). Das heißt sie müssen Bestandsgeschäfte zurückführen und beim Neugeschäft sehr selektiv sein. Durch den Bilanzabbau können die Banken versuchen, ihre Eigenkapitalquote zu stärken, da die Aufnahme von Eigenkapital am Kapitalmarkt den meisten Banken derzeit verwehrt ist. Können die Bestände nicht bei gleichzeitiger Freisetzung von Kernkapital abgebaut werden, dann entsteht umso mehr Druck, das Neugeschäft zu drosseln.

Bewahrheitet sich nun, dass in den nächsten Monaten die Eigenkapitalbasis weiter durch die Risikovorsorge für die befürchtete hohe Insolvenzwelle angegriffen werden könnte, dann kann die Zurückhaltung im Neugeschäft weiterwachsen oder länger bestehen bleiben. Dazu tragen zudem Anforderungen bei, die den Banken von außen vorgegebenen oder avisiert werden:

Längst fordern der Markt und die "ambitionierter" gewordenen Ratingagenturen höhere Eigenkapitalquoten; heute wird auf das Kernkapital geschaut, das eher im Bereich von mindestens acht Prozent (früher vier Prozent) angesiedelt sein sollte; damit würde arithmetisch im Vergleich zu früher nur noch die Hälfte an Kreditvergabe mit demselben Eigenkapital möglich sein. Steigt die Risikovorsorge an, dann muss die Kreditvergabe stärker als früher eingeschränkt werden. Derselbe Wirkungszusammenhang gilt für die befürchteten Ratingherabstufungen der Ratingagenturen oder Migrationen bei den internen Ratings, die zu höheren Eigenkapitalanforderungen bei den Banken führen.

Die Forderung der Bankenaufsicht weltweit nach höheren Eigenkapitalanforderungen ist in einem solchen Umfeld ambivalent und wird deshalb ergänzt mit dem Hinweis, dass diese erst in einem angemessenen zeitlichen Abstand in Kraft gesetzt werden sollen.

Eigenkapital als Engpass

In diesen Zeiten ist die Versorgung mit hoher Liquidität durch die Zentralbanken und deren Niedrigzinspolitik notwendig, aber nicht hinreichend - entgegen öffentlicher Behauptungen -, weil die relevanten Engpässe für die Kreditvergabe im Eigenkapital der Banken (und dem Zugang zu langfristiger Liquidität) liegen - dessen Höhe im Übrigen gesetzlich definiert und überwacht wird.

In diesem Kontext wären auch die Rettungspakete für die Banken und die Beihilfekontrolle der EU-Kommission auf ihre Wirksamkeit und Konfliktfreiheit in den Zielsetzungen zu betrachten. Die Eingriffe von beiden sind schlicht von der Größenordnung her makroökonomisch und somit auch für Einschränkungen bei der Kreditversorgung bedeutsam. Die von ihnen jeweils verfolgten Hauptziele (Finanzmarktstabilität Wettbewerbsgleichheit) können, aber müssen nicht untereinander und mit dem Ziel Kreditversorgung harmonieren. Die EU bekämpft beispielsweise Wettbewerbsverfälschungen aufgrund von staatlichen Beihilfen durch Verbote für Neugeschäft, die Forderung nach dem Abbau von Geschäftsbereichen (so unter anderem die gewerbliche Immobilienfinanzierung), Verbot von bestimmten Managementmaßnahmen sowie die Vorgabe von Preisen (Kapital, Garantien) für staatliche Hilfen sowie von Mindest-Kernkapitalquoten. Diese Eingriffe in vielen Einzelfällen summieren sich zu einem makroökonomischen Gesamteffekt, der schon von der Art der Maßnahmen prozyklisch wirken könnte. Je nach Eingriffsintensität (unter anderem bis zu einem verlangten Abbau der Bilanzsumme um 50 Prozent) wird zudem die Nutzungsbereitschaft der Rettungspakete durch die Banken negativ tangiert, die zur Vermeidung staatlicher Eingriffe lieber ihr Geschäft temporär einschränken könnten.

Gefahr einer negativen Rückkopplung in der Realwirtschaft

Der Engpass Kreditversorgung wird vor diesem Hintergrund - ohne den Hinweis auf den Unwillen der Banken - erklärbar. Die eigene Bilanz und das dafür benötigte Eigenkapital stellen die wesentlichen Beschränkungen dar. Banken haben zugleich nur einen begrenzten Zugang zum Kapitalmarkt, um diese Restriktionen aufzulösen. Öffentliche Kapitalerhöhungen sind den meisten nicht möglich, unbesicherte öffentliche Anleihen können in größeren Volumen nur wenige begeben und der Transfer von Kreditrisiken an den Kapitalmarkt funktioniert nicht. Das könnte noch einige Zeit andauern.

Die eigentliche Gefahr einer Kreditklemme liegt darin, dass nach den negativen Abwärtsspiralen in der Finanzwirtschaft sich auch noch eine negative Rückkopplung in der Realwirtschaft entwickelt. Unternehmen, die keinen Kredit erhalten, könnten die Zahl der Insolvenzen steigern, sodass die Risikovorsorge bei den Banken sich erhöht und sie noch weiter ihre Kreditvergabe einschränken. Sollte diese Rückkopplung eintreten, dann ist an eine Finanzierung des "Aufschwungs" nicht zu denken. Für eine durchgreifende wirtschaftliche Erholung müssten die Investitionen steigen, die Kreditnachfrage erhöhte sich und müsste in diesem Umfang von den Banken bedient werden können.

Für die Unternehmen bedeutet diese Phase (die Krisenbewältigung dauert noch an), dass sie noch längere Zeit sehr achtsam sein müssen, ihre Refinanzierung sicherzustellen und über genügend Liquidität zu verfügen. Besonders betroffen bleiben diejenigen, deren Unternehmensgröße nicht erlaubt, sich am Anleihemarkt bei Investoren direkt zu verschulden, also an den Banken vorbei. Der Markt für Unternehmensanleihen floriert mit hohen Volumina seit Monaten. Absehbar ist auch, dass für kapitalmarktfähige Großunternehmen die Beschaffung von Kapital (Wandelanleihen, Kapitalerhöhungen) bald wieder in größerem Ausmaß möglich sein wird.

Kleinere, nicht kapitalmarktfähige Unternehmen bleiben auf ihre Banken angewiesen, die aber grundsätzlich den genannten Beschränkungen unterliegen. Für sie stellt sich die Frage nach Alternativen, um im Aufschwung sowohl ihre Betriebsmittel als auch ihre Investitionen so ausweiten zu können, dass sie wettbewerbsfähig bleiben und nicht zum Ziel von Übernahmen werden. Viele werden versuchen sich der Unterstützung von einer oder mehreren Hausbanken zu vergewissern. Neben den beschriebenen begrenzten Kapazitäten der Banken bleibt allerdings die Vorhersage schwierig, welche Bankenstruktur sich in Deutschland durchsetzen wird und wer der richtige Partner sein wird. Im Interesse dieser Unternehmen liegt es, dass die "Krisenbewältigung" möglichst schnell abgeschlossen wird, und für sie zumindest indirekt die Kapitalmärkte erschlossen werden.

Die hohe Aufmerksamkeit für Finanzierungsfragen wird sich in den Folgejahren bei den Unternehmen fortsetzen. Die Regierungen weltweit stehen vor der Frage, wie und wann sie aus den massiven Rettungsmaßnahmen ohne Gefährdung aussteigen können. Das ist ein historisch einmaliger Vorgang. Damit sich die Marktwirtschaft wieder selbst trägt und reguliert, wäre ein schneller Ausstieg ordnungspolitisch wünschenswert. Das kann allerdings nicht um den Preis der Systemstabilität geschehen. Die Wirtschaftspolitik steht hier vor schwierigen Abwägungen, so unter anderem:

Wann kann die Geldpolitik aus ihrer Rolle als lender of last ressort wieder wechseln auf eine stärkere Betonung des Ziels der Preisstabilität, das im Grundsatz durch die hohe Bereitstellung von Liquidität sowie durch die starke Zunahme der Staatsverschuldung gefährdet sein könnte. Verfügt die Zentralbank dann über die geeigneten Instrumente?

Ausstieg aus der Krisenbewältigung

Ab wann kann die Bankenaufsicht ihre neuen Regeln einführen, ohne dass damit neuerlich bei den Banken eine Negativspirale einsetzt?

Ab wann werden die Rettungspakete geschlossen? Derzeit könnte der SoFFin - falls die EU das akzeptiert - noch bis Ende 2010 Hilfen zur Verfügung stellen.

Schon diese Fragen deuten darauf hin, dass auch für die Unternehmen sich noch längere Zeit immer wieder Überraschungen beziehungsweise Unsicherheiten bei der Finanzierung ergeben können.

Verhinderung von neuen Finanzkrisen

Zur Verhinderung neuer Finanzkrisen, von Blasen und Manien soll eine neue Finanzarchitektur geschaffen werden. Deren wesentliche Bausteine sind:

Banken sollen weit höheren Eigenkapitalanforderungen unterliegen. Damit wird die Transformationsleistung der dann gesunden Banken niedriger ausfallen als in der Vergangenheit gewohnt. Die Banken werden ihren Kunden weniger Kredit zur Verfügung stellen können. Die Konditionen werden eher höher sein und hoch bleiben.

Evident ist dieser Zusammenhang für die heute propagierte Leverage-Ratio, die Bilanzsumme und Eigenkapital in ein festes Verhältnis setzt und mit Sicherheit auf einem Niveau festgelegt werden wird, das sich historisch betrachtet, bei Weitem nicht mit einer Blase verträgt.

Im Aufschwung werden die Eigenkapitalanforderungen ansteigen, um neue Blasen von vornherein zu vermeiden beziehungsweise abzuschwächen. Damit wird das Kreditangebot automatisch in guten wirtschaftlichen Lagen verknappt. Stellt sich ein Abschwung ein, dann kann dieser Puffer negativ werden, um das Kreditangebot zu stabilisieren und keine Rationierung eintreten zu lassen. Über den fristgerechten Einsatz dieser Maßnahmen der Gegensteuerung soll ein Stabilitätsrat wachen, der unabhängig wie die Zentralbanken sein soll.

Die Banken sollen zu einer fristenkongruenten Refinanzierung angehalten werden. Damit könnte sich auch die Laufzeit ihrer Kreditvergabe in der Tendenz verkürzen.

Für große, systemisch relevante Banken sollen eigene Regeln geschaffen werden, die verhindern, dass die Staaten durch diese Banken (zu groß, um auszufallen) allein aufgrund der schieren Größe der Bank und der Kollateralschäden für das System bei ihrem Ausfall erpressbar sind. Zu diesen eigenen Regeln zählen höhere Eigenkapitalanforderungen (als für kleinere Banken) und ein Mechanismus für eine geordnete Abwicklung solcher Institute, der Systemschäden vermeidet.

Makroökonomische Aufsicht als Herzstück

Der Handel mit Finanzprodukten soll ebenfalls durch erhöhte Eigenkapitalanforderungen eingegrenzt werden. Folglich wird sich die Liquidität an den meisten Märkten in der Tendenz reduzieren und die gehandelten Produkte werden sich verteuern.

Das außerbilanzielle Geschäft soll durch Konsolidierung in den Bilanzen transparent werden. Genauso sollen die verbrieften Portfolios für die Investoren vollständig transparent sein.

Das Herzstück der neuen Regulierung wird jedoch die makroökonomische Aufsicht sein. Geldpolitik und Bankenaufsicht wollen aus den eigenen Fehlern in der Vergangenheit Lehren ziehen. Ein Stabilitätsrat soll drohende Finanzkrisen frühzeitig erkennen und Maßnahmen zur Gegensteuerung einleiten, die vorzugsweise bei der Kreditvergabe der Banken ansetzen. Sollte es mit diesen Vorschlägen gelingen, wiederkehrende Finanzkrise zu vermeiden oder abzuschwächen, dann könnte dies nicht nur die hohen Kosten aus Finanzkrisen drastisch reduzieren, sondern den Unternehmen auch eine höhere Planungssicherheit geben und die - teils unverschuldeten - Gefahren für sie senken, die sich durch drastische Kontraktionen im Kreditangebot entwickeln können.

Die Kehrseite ist allerdings, dass sich das gesamtwirtschaftliche Wachstum strukturell verringern könnte. Bereits heute wird aufgrund der Tiefe und Länge der Finanzkrise mit einem geringeren Potenzialwachstum in den nächsten Jahren gerechnet. Die Verringerung des Transformationspotenzials der Banken weist in dieselbe Richtung - auf geringeres Wachstum.

Die Unternehmen werden in diesem Umfeld um die insgesamt knappen Finanzierungskapazitäten der Banken verstärkt konkurrieren. Sie müssen ihre eigene Fremdfinanzierung reduzieren - also Deleveraging. Für Investitionen wird anteilig mehr Eigenkapital benötigt. Die strukturelle Verknappung des Kreditangebots wird die Risikoprämien erhöhen. Der Zugang zum Kapitalmarkt wird - gerade im Aufschwung - nochmals wichtiger werden.

Ungewiss bleibt, inwieweit und bis wann diese Pläne umgesetzt werden. Es bestehen etliche Zielkonflikte, die es einem Stabilitätsrat nicht leicht machen werden. So tangiert weniger Wachstum in den Marktwirtschaften viele Bereiche (Verteilung, Altersversorgung, Wettbewerbsfähigkeit) negativ, oder per Inflation lassen sich hohe (Staats-)Schulden abbauen.

Verbriefung

Bis die skizzieren Phasen (nach der Insolvenz von Lehman) durchlaufen sind, könnten Jahre vergehen. Die Wiederbelebung der Verbriefung von Forderungen, insbesondere von Mittelstandskrediten kann in allen drei Phasen die Kreditversorgung positiv beeinflussen, weil letztlich der Engpass Bankbilanz vermieden beziehungsweise abgemildert werden kann.

In der andauernden Krisenbewältigung kann über ein Anschieben des Verbriefungsmarktes den Banken geholfen werden, mehr Kredite vergeben zu können, sodass eine Kreditklemme vermieden wird. Die Banken und andere Finanzinstitute können ihre Eigenkapitalbelastung zum Teil an den Kapitalmarkt transferieren und bei einem "true sale" wieder eine kongruente und eigenständige Refinanzierung verwirklichen. Die Institute nutzen den Kapitalmarkt sozusagen stellvertretend für ihre mittelständischen Unternehmen. In den anschließenden Phasen (Ausstieg und Verhinderung neuer Finanzkrisen) ist die Förderung der Kapitalmärkte, so auch des Verbriefungsmarktes grundsätzlich ebenfalls von Vorteil. Gelingt der Anschub des Marktes, dann können die Zentralbanken und Staaten ihre Hilfsmaßnahmen schneller und leichter zurücknehmen. Zur Verhinderung neuerlicher Krisen ist es genauso wie für die Wiedereröffnung des Marktes entscheidend, dass die Verbriefungsprodukte strengen Qualitätskriterien unterliegen.

Ohne ein staatlichen Anschieben werden sich die Verbriefungsmärkte derzeit nicht binnen kurzem wieder öffnen. Diese Märkte leiden besonders unter dem Vertrauensverlust, der von den "subprime-Produkten" der US-Wirtschaft ausging, obwohl europäische und deutsche ABS mit diesen nichts gemein haben. Werden staatliche Maßnahmen zum Anschub ergriffen, dann müssen sie je nach Phase andere Zielsetzungen stärker betonen:

Staatliche Interventionen

Zur Vermeidung einer Kreditklemme beziehungsweise Bereitstellung eines höheren Kreditangebots müssen zunächst umfassendere und flexible staatliche Interventionen möglich sein, während zugleich aber Qualitätsstandards gesetzt werden, die vor allem das Investoreninteresse an Transparenz und Anreizkompatibilität bei der Vergabe der verbrieften Kredite schützen. Das ist die Grundvoraussetzung, dass der Markt später überhaupt selbsttragend wird und sich aus der staatlichen Anschubhilfe lösen kann. Hier kann aufbauend aus den Lehren der Vergangenheit der Staat gestalten, auch im Eigeninteresse.

Zur Vorbereitung des Ausstiegs aus anderen staatlichen Rettungshilfen und der Anschubhilfe für den Verbriefungsmarkt muss die Gewinnung von Investoren das oberste Ziel werden. Bis dahin gilt es ferner zu vermeiden, dass seitens der Aufsichtsbehörden - quasi reflexartig - die Regulierungseingriffe unnötig erhöht werden und gerade Investoren abschrecken könnten.

Vielleicht mit Blick auf diese Zusammenhänge werden in einigen Ländern aktive Maßnahmen zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes ergriffen. In den USA und in UK werden ABS-Produkte von den Zentralbanken beziehungsweise der Treasury angekauft, um dem Markt wieder Liquidität zu geben. Ähnlich wie bei Pfandbriefen sollte versucht werden, dass die EZB beziehungsweise die Bundesbank eingebunden wird und auch ABS ankaufen kann. Daneben bleiben für Deutschland der Einsatz von Garantien auf ABS-Tranchen und/oder der Ankauf von solchen Tranchen durch den Bund oder die KfW als Investments.

Eigenkapital- und Liquiditätsspielräume schaffen

Diese Maßnahmen können für Verbriefungsstrukturen grundsätzlich in den folgenden Konstellationen eingesetzt werden. (siehe Abbildung). Die jeweilige Instrumentierung sollte flexibel möglich sein. Sie muss insbesondere beachten,

- dass in den drei Phasen unterschiedliche Ziele verfolgt werden (siehe oben): Zur Verhinderung der Kreditklemme müssen den Banken schnell Eigenkapital- und Liquiditätsspielräume geschaffen werden, die neben den grundsätzlichen Qualitätsstandards mit Auflagen zur Verwendung für eine Neukreditvergabe verknüpft sind; der Staat wird im Sinne der Krisenbewältigung deshalb größere Anteile an den Verbriefungstranchen übernehmen, damit die Transaktionen insgesamt gelingen; die Marktschaffung bleibt strenge Nebenbedingung.

Zur Vorbereitung des Ausstiegs wird der Umfang der Intervention zunächst auf die Tranchen reduziert, die nach wie vor schwieriger zu platzieren sind, und dann gänzlich zurückgenommen.

- dass die Banken unterschiedlich schwergewichtige Ressourcenengpässe haben: Institute mit starker Einlagenbasis benötigen eventuell nur eine Eigenkapitalentlastung, die über eine synthetische Lösung schneller umgesetzt werden kann, wenn beispielsweise der Staat ein hinreichendes Risiko aus den mezzaninen Tranchen übernimmt - Institute mit (auch) einem Engpass bei der Refinanzierung werden eine True-Sale-Lösung bevorzugen. So könnten Leasingunternehmen für eine Absicherung des Verkaufs der AAA-Tranche optieren. Dieser könnte durch eine Garantie oder durch Ankauf durch staatliche Stellen gesichert werden.

Verbindliche Qualitätsstandards vorgeben

Wichtig ist ferner, dass staatlicherseits verbindliche Qualitätsstandards vorgegeben werden - nicht zuletzt, um das Produkt von jeglichem Subprime-Verdacht abzuheben. Zu den Bedingungen zählen mit Sicherheit:

- keine leistungsgestörte Kredite,

- Standards für die Kreditvergabe und Kreditbearbeitung,

- angemessener Eigenbehalt der Institute,

- Nutzung eines deutschen SPVs,

- nachgewiesene hohe Qualität der laufenden und aktuellen Berichterstattung,

- Verwendung einfacher, transparenter und qualitativ hochwertiger Verbriefungsstrukturen,

- Mindeststandards für Market Making.

Ein Güteprodukt schaffen

Diese Standards sollten mit der Zeit und zeitgerecht angezogen werden, um insgesamt ein Güteprodukt, beispielsweise unter dem Arbeitstitel "Deutscher Mittelstandsbrief" zu schaffen. Mittelstandskredite "eignen" sich besonders für diese Initiative, da unter den mittelständischen Unternehmen viele mit einer Verknappung des Kreditangebots ihrer Banken sowohl kurzfristig als auch auf längere Dauer (siehe Phasen oben) konfrontiert sind oder werden, ohne über einen eigenen Kapitalmarktzugang zu verfügen. Zudem sind verbriefte Mittelstandsprodukte im internationalen Vergleich bereits eine Stärke und Spezialität des deutschen Finanzplatzes vor der Krise gewesen. Deshalb sollte die laufende Krisenbewältigung schnellstens um Maßnahmen zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes ergänzt werden.

Anton F. Börner , Präsident, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Berlin
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