Leitartikel

Zwischen Neuanfang und Imagepflege

Wenn Projekte aus welchen Gründen auch immer zu scheitern drohen, kann es im privaten wie im geschäftlichen Leben Sinn machen, sich nicht erst lange mit Kurskor rekturen oder Modifikationen aufzuhalten, sondern einen kompletten Neuanfang zu wagen. Überträgt man diesen Gedanken auf den derzeitigen Ruf der Verbriefung in der breiten Öffentlichkeit, muss diese Branche in der Tat darüber nachdenken, ob sie weiter Imagepflege betreiben, einen kompletten Neustart angehen oder einfach aufgeben will. Denn allein mit dem Begriff Verbriefung - und mit Abstrichen auch mit den in der Öffentlichkeit weniger geläufigen Asset Backed Securities (ABS) - sind bei vielen Menschen massive negative Assoziationen und emotionale Berührungspunkte zu den fatalen Fehlentwicklungen im Vorfeld der Finanzmarktkrise und ihren wirtschaftlichen Folgen verbunden. Sie sind schlichtweg blockiert, sich mit einer Fortentwicklung dieses Instrumentes überhaupt konstruktiv auseinanderzusetzen. Für die True Sale International (TSI) ist das eine harte Bewährungsprobe. Denn diese vor fünf Jahren von 13 hiesigen Banken ins Leben gerufene Interessengemeinschaft will just die Bedingungen auf den Verbriefungsmärkten fördern. Ist diese Mission nach so kurzer Zeit schon gescheitert?

Seitens der TSI darf man das zu Recht verneinen. Ihr Umfeld aus Banken, Wirtschaftsprüfern, Ratingagenturen, Beratungsunternehmen, Kanzleien und sonstigen (technischen) Dienstleistern ist von einer Zukunftsfähigkeit der Verbriefung Made in Germany überzeugt. Und zu den Fachkreisen der Wissenschaft wie dem politischen Parteienspektrum hat man eine gute Vernetzung aufgebaut. Die TSI sucht den Dialog und findet weiter Gehör. Trotz aller sachlichen Aufklärungsarbeit über das Instrument der Verbriefung und seine speziellen Bedingungen in Deutschland und trotz der kontinuierlichen Aufrechterhaltung der Gesprächsbereitschaft ist es derzeit aber außerordentlich schwer, im politischen und aufsichtsrechtlichen Umsetzungsprozess und Neuordnungsgetümmel die erwünschte Unterstützung zu erhalten. Selbst wenn man nach dem Sonderklima des Wahlkampfes hierzulande bald zu einer vernünftigen Diskussion in der Sache zurückkehren kann, wird es hartnäckiger Überzeugungsarbeit bedürfen, - in Deutschland und international - zukunftsweisende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Dass das Instrument der Verbriefung auch nach den Exzessen im Zuge der jetzigen Finanzmarktkrise nicht per se verwerflich ist, wird von neutraler Seite gerne bescheinigt. Ob Bundesbankpräsident Axel A. Weber, BaFin-Chef Jochen Sanio, viele Kapitalmarktexperten aus der Wissenschaft oder Fachspezialisten im Regierungslager wie in anderen politischen Parteien, sie alle haben nicht generell mit ABS und Verbriefung gebrochen. Und sie wissen auch grundsätzlich um die besonderen, sprich solideren Bedingungen der Branche in Deutschland. Aber an die Spitze einer Finanzplatzbewegung, die den deutschen Verbriefungsweg allzu offensiv propagiert, wollen sie sich verständlicherweise nicht setzen. Dazu gibt es nach den trüben Erfahrungen national wie international zu viele berechtigte Vorbehalte und sicher auch reichlich offene Details zu klären. Wenn sich dieser Tage nun internationale Organisationen wie der IWF auf seiner traditionellen Jahrestagung mit der Weltbank in seinem Weltfinanzstabilisierungsbericht für eine Wiederbelebung der ausgetrockneten Verbriefungsmärkte ausspricht, bietet das sicherlich Möglichkeiten, die auf Nachhaltigkeit ausgelegten deutschen ABS-Usancen in die internationalen Beratungen zur Neugestaltung einfließen zu lassen.

Die hiesige Verbriefungsbranche selbst weiß um ihr derzeit schlechtes Image und stellt sich offensiv der Krisenbewältigung. Jedenfalls blendet sie nicht einfach aus, dass in den USA ein fatales Geschäftsmodell unter Massenbeteiligung der breiten Bevölkerung gedeihen konnte. Schon vor der Lehman-Pleite wurde hierzulande klar und deutlich die unheilvolle Zergliederung der Wertschöpfungskette im amerikanischen Subprime-Markt analysiert. In einem Umfeld, in dem Kreditentscheidung und -verarbeitung, Vertrieb und Risikomanagement bei unterschiedlichen Parteien lagen, konnten sich alle Beteiligten der kurzfristigen Provisions- und Ertragsmaximierung widmen. So hatten die Broker bei der Kreditvergabe kein Interesse an langfristigen Kundenbeziehungen. Die Finanzintermediäre beeilten sich, die angekauften Kredite zu verbriefen und an den Kapitalmarkt weiterzureichen. Für die Kreditbearbeitung wurde auf spezialisierte Unternehmen zurückgegriffen. Und die Investoren verließen sich weitgehend ungeprüft auf die Urteile der Ratingagenturen. Anreiz und Verantwortung waren entkoppelt und die aufsichtsrechtlichen Strukturen nicht darauf ausgelegt, diese fatale Wirkungskette zu durchbrechen. Funktionieren konnte das alles nur, solange sich die Preisspirale am US-Häusermarkt nach oben bewegte. Als sich das änderte und die Schieflage auf den Subprime-Märkten sehr rasch auf andere Segmente des ABS-Marktes abstrahlte, brachte das in der Folgewirkung letztlich Lehman-Brothers zu Fall und machte weltweit die gigantischen (geld-)politischen Stützungsmaßnahmen notwendig.

In der tieferen Ursachenforschung werden rückblickend die Fehler einer von den USA ausgehenden expansiven Geld- und Fiskalpolitik für das Entstehen der weltweiten Verbriefungsmaschinerie verantwortlich gemacht. Aber bei aller Selbstkritik, die sich wie ein roter Faden durch die Beiträge dieses Heftes zieht, wird auch bei näherer Betrachtung der spezifischen deutschen Verhältnisse eine "gepflegte Verkürzung der Zusammenhänge" beklagt und eine schwer vermittelbare Komplexität der Wirkungszusammenhänge ins Feld geführt. Letztlich wird in der aktuellen Situationsanalyse auch die hiesige Branche in der öffentlichen Wahrnehmung als Sündenbock oder als Opfer der Finanzmarktkrise identifiziert. Für außenstehende Beobachter ist diese Sippenhaftung freilich nicht verwunderlich. Schließlich haben all die geschilderten Mechanismen über ihre Fernwirkungen auf andere Kapitalmarktsegmente auch den deutschen Verbriefungsmarkt faktisch zum Erliegen gebracht. Und all die fatalen Marktturbulenzen hatten und haben die bekannten Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Da hat es eine noch so differenzierte Öffentlichkeitsarbeit der Branche schwer, überhaupt in der breiten Öffentlichkeit anzukommen.

Dass hierzulande die Verbriefungstechnik auf solideren Grundlagen basiert als in anderen Ländern, dass nur Assets verbrieft werden, die das Risikomanagement der normalen Kreditvergabe durchlaufen haben, dass die über die KfW-Plattform abgewickelten Transaktionen wie auch die diversen Verbriefungsaktivitäten der VW-Töchter bis heute einen sehr präsentablen Verlauf genommen haben und dass ohnehin weite Teile des Verbriefungsvolumens über das Kreditbuch in den eigenen Büchern verbleiben, hat sich bisher nicht als deutsches Qualitätskriterium vermitteln lassen. Mehr noch, betrachtet man die Darstellung in verschiedensten Medien, ist es in vielen Fällen nicht einmal gelungen, ganz elementare Dinge klarzumachen. Der Unterschied zwischen soliden Verbriefungen, die im Inland strukturiert wurden und werden, und heiklen Verbriefungspapieren, die deutsche Investoren im Ausland gekauft haben, wird vielfach nicht wahrgenommen. In vielen Medienberichten landet alles in einem Topf, und alles ist schlecht.

Gleichwohl werben die Autoren dieses Heftes beharrlich für eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes durch Orientierung an (deutschen) Qualitätsstandards. Genau das freilich war auch vor einem Jahr der Fall. Schon rund um den Berliner TSI-Kongress 2008 wurde die Idee transportiert, durch Transparenz, feste technische Abwicklungsregeln und zeitnahes, offenes Reporting deutsche Verbriefungen als Markenartikel zu positionieren, der sich als Grundlage für einen vertrauenserweckenden Aufschwung der Branche erweisen könnte. Genutzt hat das zunächst wenig, zumal mit Lehman erst einmal ein weiterer Rückschlag zu verkraften war. Inzwischen erschließt sich die Verbriefung mit dem enormen Ausmaß der expansiven Rettungsmaßnahmen durch Politik und Notenbanken sowie den Befürchtungen einer Kreditklemme für die Wirtschaft aber eine zusätzliche Dimension. Nutzten hiesige Banken das Instrument bisher traditionell für Zwecke des Risiko- oder Bilanzmanagements sowie als alternative Refinanzierungsquelle, kommt jetzt ein überraschendes Argument dazu. Ohne Verbriefung, so klingt es in diesem Heft aus Sicht der Praxis wie der Wissenschaft an, dürfte der Ausstieg aus den weltweiten expansiven Rettungsmaßnahmen schwieriger werden. In diese Richtung einer Flankierung des Deleveraging im Finanzsektor zielt auch der jüngste IWF-Appell. Ausgerechnet die Verbriefung soll also dabei helfen, den "gesitteten Rückzug" abzufedern.

Solche neu erwachte Grundsympathie auf internationaler Ebene, dürfte auch das Diskussionsklima für Vorschläge aus der hiesigen Branche verbessern, die insbesondere an der Abwehr einer Kreditklemme ansetzen. Zum einen wird dazu ein Ankauf von ABS-Papieren durch EZB beziehungsweise Bundesbank ins Spiel gebracht. Zum anderen werden staatliche Garantien auf ABS-Tranchen und/oder deren Ankauf durch KfW und/oder Bund vorgeschlagen. Dabei ist bekanntlich seit Monaten umstritten, ob eine Kreditklemme überhaupt vorliegt oder zu erwarten ist. Anhand der Bundesbankstatistik lassen sich Engpässe in der Kreditversorgung der Wirtschaft bisher nicht eindeutig nachweisen. Unstrittig ist freilich die schwierige Kreditvergabe für langfristige Investitionen und/oder für größere Unternehmen. Seitens der großen Wirtschaftsverbände wird zudem die Befürchtung genährt, dass sich alles noch zuspitzen könne. Und selbst die Bundesbank und die EZB geben sich angesichts der jüngsten Monatszahlen und den Einschätzungen ihrer Volkswirte vorsichtiger und wollen Engpässe nicht mehr ausschließen.

Selbst wenn diese Widerstandslinie genommen ist, bleibt die Frage, ob solche Ansinnen einer Branche, die für Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre sicherlich mitverantwortlich gemacht werden kann, von den politischen Entscheidungsträgern überhaupt aufgegriffen werden. Das ist schon eine Sache der grundsätzlichen Einstellung, wie auch die Bedenken zeigen, die in diesem Heft artikuliert werden. Denn natürlich neigen die Banken zu dem bequemen Weg, sich bei neuen Verbriefungen auf zusätzliche Staatsgarantien verlassen zu können. Angesichts der ohnehin von der EZB zu niedrigem Aufwand garantierten Liquidität, wird zu Recht gefragt, ob es jetzt nicht in der Verantwortung der Banken liegt, den nächsten Schritt in den Wiederaufbau effizienter Sekundärmärkte für Verbriefungspapiere zu machen.

Im politischen Sektor werden derweil nicht zuletzt unter dem sanften Druck großer Wirtschaftsverbände zwei Handlungsstränge diskutiert. Zum einen wird daran gedacht, die Mittelstandsverbriefung im Rahmen der allgemeinen Förderpolitik abzusichern. Und als größere Lösung könnten sich viele Branchenvertreter ein spezielles Verbriefungsgesetz vorstellen, wie es an dieser Stelle schon einmal diskutiert worden ist (Kreditwesen 4-2008). Diese Variante hätte zweifellos den Charme, auch die rechtlichen und steuerlichen Schwachpunkte mitregeln zu können, die in der Verbriefungspraxis der vergangenen Jahre ausgemacht worden sind. Auf welchem Anspruchsniveau die Branche dabei ihr Produkt gerne angesiedelt hätte, zeigt ein geschickt gewähltes Anschauungsbeispiel - das französische Champagne-Gesetz. Mo.

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