Aufsätze

Moderne Risikomanagementkonzepte für institutionelle Anleger

Seit dem Ausbrechen der Finanzmarktkrise hat die Nachfrage institutioneller Investoren nach Risikomanagement und Risikosteuerung nochmals einen Schub bekommen. Hierzu trugen nicht zuletzt auch das relativ gute Abschneiden jener Investoren bei, deren Kapitalanlagen aufgrund etablierter Risikomanagementprozesse und
-systeme deutlich weniger durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Doppelschlag zweier gravierender Kursrückschläge innerhalb einer Dekade bringt das Thema Risikosteuerung nun nochmals akzentuiert auf die Tagesordnung, zumal sich die Risikobudgets vieler Anleger noch nicht wieder vom Platzen der TMT-Blase zu Beginn des Jahrtausends erholt hatten.

Weiterentwicklung des Risikomanagements

Sogar dort, wo schon entsprechende Systeme installiert sind, kann es sinnvoll sein, die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit für eine Weiterentwicklung von Konzepten zu nutzen. Dabei erfordert die aktuelle wirtschaftliche und finanzielle Situation eine ganzheitliche Herangehensweise: Weiterhin ist mit einer erhöhten Volatilität an den Aktienmärkten und bei den Corporate Spreads zu rechnen. Auch die Inflations- und Langlebigkeitsrisiken sollte man dabei nicht aus dem Blick verlieren. Schließlich hat die Krise auch die Augen dafür geöffnet, dass neben der aktuellen Finanzierungsthematik die Pensionsverpflichtungen sehr häufig das größte finanzielle Risiko für Unternehmen darstellen - bis hin zur Existenzbedrohung.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass die aktuelle Finanzierungssituation bei Pensionsverbindlichkeiten davon profitiert, dass die Corporate Spreads, die als Basis für die Abdiskontierung der Verbindlichkeiten dienen, außergewöhnlich hoch sind. Bei sinkenden Risikoprämien werden die hieraus resultierenden Finanzierungslücken deutlicher sichtbar. Ebenso müssen sich viele nach HGB bilanzierende Unternehmen mit der Anwendung der Regelungen des BilMoG ab 2010 auf eine steigende Zinssensitivität der Pensionsverpflichtungen einstellen.

"Schwarze Schwäne" als Lackmustest

Die dramatischen und weitgehend unerwarteten Ereignisse des Jahres 2008 mit einer Vielzahl von Bankenzusammenbrüchen und staatlichen Notprogrammen entsprachen in ihrem Charakter dem Bild des "Schwarzen Schwans", das der Wertpapierhändler und Essayist Nassim Nicholas Taleb in seinem mittlerweile zu Weltruhm gelangten Buch gleichen Namens für seltene Ereignisse mit extremer Folgewirkung geprägt hat. Schwarze Schwäne haben im Nachhinein großen Einfluss auf das Denken und Handeln. Bei der langfristigen Analyse von Finanzmarktdaten stellt man fest, dass schwarze Schwäne häufiger auftreten als in den gängigen Finanzmarktmodellen angenommen wird, die oft eine Normalverteilung der Renditen unterstellen. Insoweit sollte heute die Notwendigkeit von Risikomanagement nicht mehr umstritten sein, es geht vielmehr um das "Wie" eines effizienten Systems.

Ein professionelles und effizientes Risikomanagement in der Kapitalanlage soll zum einen normale wie extreme Risiken korrekt erfassen und zum anderen Regeln aufstellen, um diese Risiken möglichst zu vermeiden oder auf ein akzeptables Niveau zu reduzieren. Anders formuliert ist ein systematisches Risikomanagement regelmäßig erforderlich, wenn die langfristigen Renditeziele der Anleger mit kurzfristigen Risikovorgaben in Einklang zu bringen sind.

Eine typische Anlagezielsetzung lautet beispielsweise: Erreichen einer Zielrendite von 5,5 Prozent per annum über einen gesamten Marktzyklus bei einem jährlichen Risikobudget von fünf Prozent vom jeweiligen Jahresanfangsportfoliowert (definiert als 95 Prozent Conditional Value at Risk). Traditionelle statische (sogenannte "strategische") Allokationen, zum Beispiel 30 Prozent Aktien und 70 Prozent Renten, schaffen es in aller Regel nicht, ambitionierte Renditeziele und gleichzeitig Risikoziele zu erreichen.

Chancen nutzen bei geschmolzenem Risikobudget

Dies gilt insbesondere für das aktuelle Niedrigzins-Umfeld mit Staatsanleihen-Renditen von etwas mehr als drei Prozent für zehnjährige Fälligkeiten im Euro-Raum. Hier stellt sich für viele Investoren die Frage, wie an den erwarteten Risikoprämien für riskante Anlageklassen (zum Beispiel Aktien und Corporate Bonds) partizipiert werden kann, und gleichzeitig die oftmals zusammengeschmolzenen Risikobudgets eingehalten werden können.

Vor diesem Hintergrund sind sicher auch die Resultate der "Kleine-Finanzmarktstudie 2009" des Research Center for Financial Studies an der Steinbeis Hochschule Berlin interpretierbar: 60 Prozent der befragten institutionellen Anleger gaben an, aktuell bereits Wertsicherungskonzepte beziehungsweise allgemeine Risikosteuerungsansätze einzusetzen, 61 Prozent beurteilen diese für die Zukunft als attraktiv. Ähnlich hohe Zustimmungswerte in dieser Studie erzielen Absolute-Return-Strategien. Über 71 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Anlagestrategien mit Risikolimits künftig noch an Bedeutung gewinnen werden. Wie sieht nun ganzheitliches Risikomanagement aus, das gleichzeitig die mittelfristigen Ertragsziele wirksam befördert?

Ganzheitliches Konzept

Ganzheitliches Risikomanagement umfasst grundsätzlich drei Phasen: In Phase 1, der Risikoidentifikation und Risikomessung, müssen alle Portfoliorisiken, das heißt Marktrisiken (Beta), Managerrisiken (Alpha) und Hedgerisiken, mittels geeigneter Methoden erfasst werden. Die Charakteristika der verschiedenen Anlageklassen sind dabei entsprechend zu berücksichtigen.

Dies ist besonders wichtig, wenn das Portfolio alternative Anlagen, Derivate oder asymmetrische Strukturen aufweist. Die geeignete Erfassung von Extremrisiken steht dabei besonders im Mittelpunkt. Regelmäßig ist dafür ein genaues Verständnis des zugrunde liegenden Instrumentes (zum Beispiel eine Put-Option) beziehungsweise der zugrunde liegenden Strategie (zum Beispiel eine Call-Overwriting-Strategie1) notwendig. Eine alleinige Analyse des Anlagerisikos auf Basis historischer Daten ist in der Regel nur bedingt aussagekräftig.

Gegenstand der Risikosteuerung in Phase 2 ist die Auswahl eines Regelwerks, das auf Basis der Kundenpräferenzen das gewünschte Rendite-/Risiko-Profil generiert. Einige Anleger geben dabei eine maximale Verlusttoleranz im Sinne einer harten Untergrenze vor, andere Anleger formulieren ein Risikobudget, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschritten werden soll (weiche Untergrenze). Das angestrebte Profil ist in aller Regel asymmetrisch, um Risiken zu begrenzen und Gewinnchancen möglichst zu erhalten. Gegenstand einer aktiven und systematischen Risikosteuerung sind Marktrisiken. Diese sind üblicherweise für zirka 90 bis 95 Prozent des Gesamtportfoliorisikos verantwortlich.

Im Rahmen der Risikokontrolle (Phase 3) wird überprüft, ob die gewählten Risikoparameter eingehalten wurden. Gegebenenfalls muss das System oder der Prozess im Zeitverlauf angepasst werden.

Statische und dynamische Ansätze

Generell kann man bei systematischen Risikosteuerungsansätzen zwischen statischen und dynamischen Ansätzen unterscheiden. Beide Ansätze verfolgen letztlich die gleiche Aufgabenstellung - das vom Kunden gewünschte Zielprofil wie beispielsweise eine hohe Chancen-Partizipation in Verbindung mit einem verbesserten Risikoschutz zu generieren. Der Weg dorthin ist jedoch unterschiedlich. Bei den statischen Ansätzen kommen in der Regel optionsbasierte Verfahren zum Einsatz.

Die klassische Variante dieser Strategieklasse ist der sogenannte Protective Put, das heißt die Kombination aus einem risikobehafteten Asset, zum Beispiel einem Aktieninvestment, und dem gleichzeitigen Kauf einer Put-Option. Erweiterungen dieser Grundstrategie basieren dann zum Beispiel auf exotischen Optionen. Ein Nachteil dieser Strategieklasse sind die - im Vergleich zu den dynamischen Verfahren - im Durchschnitt höheren Kosten.2) Dies gilt vor allem in Phasen wie jetzt mit hohen impliziten Volatilitäten und damit hohen Put-Prämien. Ein weiterer Nachteil betrifft die Umsetzbarkeit. Für ein gemischtes Portfolio mit verschiedenen Anlageklassen ist es in der Regel sehr schwierig, geeignete und kompetitiv bepreiste Optionen mit hoher Liquidität zu bekommen.

Einen Ausweg in dieser Situation bieten dynamische Risikosteuerungsansätze. Diese generieren das gewünschte Zielprofil durch regelgebundene Anpassungen der Allokation (zum Beispiel Aktienquoten) über die Zeit. In der Regel erfolgt die Anpassung der Allokation über entsprechend liquide und dadurch kosteneffiziente Futures-Kontrakte. In dieser Strategieklasse gibt es ebenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Steuerungsansätze. Der bekannteste Vertreter ist sicher die "Constant Portfolio Proportion Insurance" (CPPI-Strategie). In der einfachsten Form wird hierbei die Gewichtung in einer chancen- und risikoreichen Anlageklasse (zum Beispiel Aktien) als (konstantes) Vielfaches des aktuellen Risikobudgets (Differenz von Portfoliowert und diskontiertem Mindestportfoliowert) gesteuert.

Diese Strategie ist prozyklisch, reagiert also beispielsweise auf Kurssteigerungen am Aktienmarkt mit einer aktiven Erhöhung der Gewichtung von Aktien. Im Allgemeinen ist dieses prozyklische Verhalten renditefördernd, da im Durchschnitt ein leicht trendhaftes Verhalten der meisten Anlageklassen vorliegt.

Multi-Asset-Lösungen mit weicher Untergrenze

In volatilen Marktphasen ohne klare Trends haben klassische CPPI-Ansätze jedoch Schwächen. Hieran knüpfen diverse in der Anlagepraxis bewährte Verbesserungen an: Sogenannte Handelsfilter-Algorithmen optimieren diese Allokationsanpassungen, indem sie Reaktionen auf Marktveränderungen, welche das Risikobudget nur wenig verändern, unterdrücken.

Dynamische Risikosteuerung findet auch bei modernen Multi-Asset-Lösungen mit weicher Untergrenze Anwendung. Hierbei wird dem Anleger zwar kein fester Mindestportfoliowert zugesichert, jedoch eine im Vergleich zu klassischen Balanced- Lösungen deutlich höhere Sicherheit in schwachen Märkten. Hierbei kommen eine Reihe von dynamischen Verfahren infrage, welche auf eine Verbesserung des Value at Risk (VaR)3) oder weiterer Downside-Risk-Maße wie beispielsweise dem Conditional Value at Risk abzielen.

In diese Klasse von Verfahren fällt eine von Allianz Global Investors unter dem Namen Dynamic Strategy Portfolio (DSP) entwickelte Strategie. Anders als die CPPI-Strategie kombiniert die DSP-Strategie pro- und antizyklische Elemente. Das Ergebnis ist ein sehr attraktives Renditeprofil für den Anleger, welches - im Vergleich zu einer klassischen Aktien-/Renten-Benchmark - eine überlegene Durchschnittsrendite bei deutlich erhöhter Sicherheit und Stabilität bewirkt. Weitere dynamische Verfahren sind beispielsweise Best-of-N-Strategien4) sowie Kombinationen aus mehreren der genannten Ansätze: zum Beispiel CPPI in Verbindung mit optionsbasierter Absicherung, oder Best-of-N zusammen mit einer VaR-Steuerung.

Dynamische Risikosteuerungsansätze im Stresstest der Finanzmarktkrise

Im Herbst 2008, insbesondere im Oktober, brach über die Finanzmärkte ein Orkan herein, der in dieser Stärke als kaum mehr möglich erachtet wurde. Die tägliche Volatilität des S&P 500 übertraf sogar die Werte aus der Zeit der Großen Depression in den dreißiger Jahren. Die Tagesschwankungen der Aktienmärkte betrugen in der Spitze über zehn Prozent und waren vorwiegend nach unten gerichtet. Insgesamt verlor das Marktbarometer für die Eurozone, der Dow Jones Euro-Stoxx 50, im September und Oktober 2008 knapp 24 Prozent seines Wertes. Wie konnten sich in einem solchen Extremszenario Fonds behaupten, die ihren Anlegern die Einhaltung eines Mindestportfoliowertes zusicherten?

Allianz Global Investors hat für die Steuerung von Mandaten mit harter Wertuntergrenze ein dynamisches Verfahren entwickelt, welches deutlich umfassender als ein klassischer CPPI-Ansatz ist. Bei dem Portfolio Insurance Plus (PIP) genannten Ansatz wird mit Hilfe des statistischen Verfahrens der Extreme Value Theory5) die Möglichkeit schwarzer Schwäne systematisch berücksichtigt. Ähnliche Methoden werden auch in der Rückversicherung herangezogen, um die Wahrscheinlichkeit von extrem seltenen Katastrophen wie beispielsweise Tankerunglücken oder Erdbeben abzuschätzen. Alle mit PIP gesteuerten Mandate konnten in 2008 wie auch in allen Jahren zuvor ihre "harten" Sicherungsziele erreichen beziehungsweise übertreffen. Beispielhaft ist in der Abbildung 1 die Wertentwicklung eines Fonds gezeigt, der Anlegern auf 12-Monatssicht 90 Prozent des Anfangswertes garantiert und darüber hinaus die Partizipation am europäischen Aktienmarkt ermöglicht.

PIP unterscheidet sich von einer klassischen CPPI insbesondere durch eine höhere Ertragsstärke durch Einbeziehung aktiver Managementansätze, wirksame Handelsfilter sowie die effizientere Allokation des vorhandenen Risikobudgets über die Zeit. Die Stärken dieses in der langjährigen Praxis ausgereiften Verfahrens kamen im extremen Marktverlauf von 2008 zum Tragen: Der Fonds konnte nicht nur alle Garantien einhalten, sondern übertraf auch eine klassische CPPI-Lösung allein in dieser Phase um 4,4 Prozentpunkte.

Auch für Portfolios mit weicher Wertuntergrenze bot das Jahr 2008 eine extreme Herausforderung. Die Wertentwicklung eines nach dem innovativen DSP-Ansatz gemanagten repräsentativen Kundenmandats von Allianz Global Investors zeigt, dass diese Strategie nicht nur in der Theorie funktioniert (Abbildung 2):

Bereits in den Jahren mit positiver Marktentwicklung (2005 bis Mitte 2007) konnte das Mandat mit Hilfe der dynamischen Allokationssteuerung einen Renditevorsprung gegenüber der Benchmark erarbeiten. Im Markteinbruch von 2008 stellte der DSP-Ansatz sein überlegenes Risikomanagement unter Beweis: Während die Benchmark (55 Prozent Aktien Welt/45 Prozent Renten Euroland) über 19 Prozent verlor, konnte das Mandat sogar ein leichtes Plus von 0,24 Prozent verbuchen. Seit Auflage wurde damit die Benchmark um über 30 Prozentpunkte übertroffen - und absolut für den Anleger mehr als 23 Prozent erzielt.

Asset Management unter dem Primat der Risikosteuerung

Gemäß Frank Knight, dem Begründer der Chicagoer Schule der Ökonomie und Vater der wirtschaftswissenschaftlichen Analyse der Unsicherheit, besteht die volkswirtschaftliche Funktion des Unternehmers darin, nicht berechenbare Unsicherheiten (Ungewissheiten) einzugehen. Das Ziel jeder ambitionierten Kapitalanlage muss es sein, diese Unsicherheiten möglichst realistisch abzuschätzen und in einem effizienten Risikosteuerungskonzept zu berücksichtigen.

Schwarze Schwäne sind selten, aber von erheblicher Bedeutung für den Anlageerfolg. Diversifikationseffekte brechen in diesen Marktphasen häufig weg, sodass traditionelle (strategische) Balanced- oder Multi-Asset-Ansätze nur unzureichend gegen massive Abwärtsbewegungen schützen. Mit modernen dynamischen Verfahren der Risikosteuerung kann der Anleger eine wesentlich höhere Sicherheit in schwachen Märkten erzielen - und gleichzeitig in hohem Maße von einer Markterholung profitieren, die bislang am Ende jeder Finanz- und Wirtschaftskrise stand. Das reibungslose Funktionieren dieser Ansätze in der Praxis ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein übergreifendes fiduziarisches Asset Management im entscheidenden Bereich der Risikosteuerung sein Ziel erreichen kann.

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