Aufsätze

Nachhaltige Fondskonzepte - eine Bestandsaufnahme und ein Blick in die Zukunft

Das Jahr 2013 war von besonderer Bedeutung für all diejenigen, die dem Thema Nachhaltigkeit verbunden sind: Vor genau 300 Jahren kritisierte Carl von Carlowitz in einem umfassenden Werk erstmals den auf kurzfristigen Profit ausgelegten Raubbau der Wälder und mahnte, respektvoll und pfleglich mit der Natur und ihren Rohstoffen umzugehen. Heute ist das Konzept Nachhaltigkeit nicht mehr nur auf die Forstwirtschaft beschränkt, sondern hat in viele Bereiche des alltäglichen Lebens Einzug gehalten - auch in die privaten und geschäftlichen Finanzen.

Zusätzlicher Antrieb durch die Finanzkrise

Anleger wünschen sich zunehmend, vorhandenes Kapital nicht nur auf wirtschaftliche Ziele auszurichten, sondern zudem ökologische und soziale Aspekte bei der Vermögensanlage zu berücksichtigen. Gerade durch die Finanzkrise haben nachhaltige Investments noch einmal zusätzlichen Antrieb bekommen. Dies liegt vor allem daran, dass eine umfassende Nachhaltigkeitsanalyse zentrale langfristige Risiken frühzeitig enttarnt, die in der klassischen Finanzanalyse keine Berücksichtigung finden - nachhaltige Investments sind somit vergleichsweise unbeschadet durch die Krise gekommen.

Der jüngste Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) belegt das eindrucksvolle Wachstum des Volumens nachhaltiger Investments in den vergangenen Jahren. So waren 2012 in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits 120,3 Milliarden Euro nachhaltig investiert. Dies entspricht einem Wachstum von 16,2 Prozent im Vergleich zu 2011.

Insbesondere nachhaltige Investmentfonds und Mandate haben sich dabei überdurchschnittlich positiv entwickelt. Hier betrug der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr 17,8 Prozent. Insgesamt waren 2012 in Deutschland, Österreich und der Schweiz 71,4 Milliarden Euro in nachhaltigen Investmentfonds oder Mandaten investiert. Somit sind Investmentfonds ein wichtiges Anlageinstrument für die nachhaltige Vermögensanlage und von besonderer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Branche.

Große Unterschiede zwischen einzelnen Nachhaltigkeitsansätzen

Unter dem Überbegriff "Sustainable Investments" werden heute in der Fondsbranche eine Vielzahl unterschiedlichster Ansätze zusammengefasst. Wie die aktuelle Studie des European Sustainable Investment Forum (Eurosif) feststellt, gibt es in Europa keinen einheitlichen Markt für nachhaltige Investments. Vielmehr unterscheiden sich Ansätze nicht nur zwischen einzelnen Ländern erheblich, sondern auch innerhalb desselben Landes. Die Vielfalt ist Chance und Herausforderung zugleich. Einerseits ist es so möglich, individuelle Kundenwünsche genauestens zu berücksichtigen. Andererseits kann dieses große Angebot mit all seinen Ausprägungen Investoren auch überfordern. Dies trifft im Besonderen auf Privatanleger zu, vor allem auf diejenigen, die geringe Finanzkenntnisse haben.

Diese Überforderung ist vielleicht auch der Grund dafür, dass eine Auswahl geeigneter Investments über Ausschlusskriterien nach den Ergebnissen der jüngsten Studie des FNG derzeit der am weitesten verbreitete Ansatz ist. Gleichzeitig ist er auch der einfachste Ansatz einer nachhaltigen Investmentauswahl. Hier werden mittels vorgegebener Kriterien bei der Vermögensanlage Unternehmen mit kritischen Aktivitäten ausgeschlossen, also beispielsweise Unternehmen, die Atomenergie, Tabak oder Rüstungsgüter produzieren. Oftmals erfolgt eine Kombination verschiedener Ausschlusskriterien. Ähnlich einfach strukturiert sind Positivkriterien, die die Anlage gezielt auf bestimmte, nachhaltige Bereiche ausrichten, beispielsweise auf erneuerbare Energien.

Einem komplexeren Auswahlprozess unterliegen die Unternehmensanalyse, der sogenannte Bestin-Class-Ansatz, und die Branchenanalyse, auch Bestof-Classes-Ansatz genannt. Beim Bestin-Class-Ansatz wird gezielt in Unternehmen investiert, die umwelt- und sozialverträglicher arbeiten als ihre Konkurrenz - also in die Besten der jeweiligen Branche. Dadurch können über diesen Ansatz beispielsweise auch Rüstungsunternehmen in das Portfolio gelangen, solange sie nur nachhaltiger wirtschaften als ihre Wettbewerber. Beim Bestof-Classes-Ansatz wird zusätzlich die Nachhaltigkeit der übergeordneten Branche berücksichtigt. Somit befinden sich - je nach festgelegten Kriterien - Automobilhersteller beispielsweise deutlich seltener in einem nachhaltigen Anlageuniversum als Telekommunikationsunternehmen. Einige Anbieter setzen eine Kombination aus verschiedenen Modellen ein, um einen möglichst umfassenden Auswahlprozess zu gewährleisten.

Kombination mehrerer Ansätze für anspruchsvolle Investoren sinnvoll

So arbeitet die Bank J. Safra Sarasin beispielsweise mit einem umfassenden zweidimensionalen Nachhaltigkeitsansatz und kombiniert für die Analyse den Best-of-Classes und den Best-in-Class-Ansatz zu einer Nachhaltigkeitsmatrix. Bei der Bewertung von Unternehmen beurteilen die Analysten somit einerseits die Branche im Hinblick auf ihren Beitrag zu Umwelt- und Sozialrisiken. Andererseits bewerten sie die effektive Leistung eines jeden einzelnen Unternehmens relativ zu seiner Branche - es wird also untersucht, wie die Unternehmen mit den branchenspezifischen Risiken umgehen und entsprechende Chancen nutzen. Die Unternehmen werden dann entsprechend der Ergebnisse der Analyse in die Matrix eingeordnet.

Die Selektion der einzelnen Unternehmen ist dabei umso strenger je höher die typischen Branchenrisiken sind. Das Fondsmanagement darf nur in die Wertpapiere von Emittenten investieren, die im blau unterlegten Bereich der Matrix positioniert sind und mindestens dem Branchendurchschnitt entsprechen. Darüber hinaus sind Unternehmen aus dem Investmentuniversum ausgeschlossen, die mehr als fünf Prozent des konsolidierten Umsatzes in folgenden Bereichen erwirtschaften: Kernenergie, Rüstungsgüter, Chlor- und Agrochemikalien, Tabakwaren, in der Landwirtschaft eingesetzte Gentechnik sowie Pornografie. Ebenfalls ausgeschlossen sind - unabhängig vom Umsatzanteil - die 30 Unternehmen mit den weltweit größten Umsätzen durch Militäraufträge sowie die zehn Unternehmen mit den weltweit größten Umsätzen durch gentechnisch verändertes Saatgut.

Die Hauptkriterien sind dabei für alle Branchen identisch. Sie werden im Umwelt- und Sozialprofil des Unternehmens im Vergleich zum Branchendurchschnitt dargestellt und anschließend zur Gesamtbewertung zusammengefasst. Die Gewichtung der Hauptkriterien und die Auswahl der Unterkriterien richten sich nach den Besonderheiten der Branche. Bestimmte Geschäftsaktivitäten, die mit einer nachhaltigen Entwicklung als nicht vereinbar gelten, können dann zum Ausschluss aus dem nachhaltigen Anlageuniversum führen. Auch für Staaten gelten Mindeststandards. So zählen beispielsweise Länder nicht zum Anlageuniversum, die ABC-Waffen ohne konkrete Abschaffungspläne besitzen oder die Todesstrafe vollstrecken (Abbildung 1).

Institutionelle Investoren bestimmen den Markt weiterhin maßgeblich. Gemäß den aktuellen Zahlen des FNG haben sie in Deutschland derzeit einen Marktanteil von 77 Prozent. Damit ist ihre Bedeutung für die Anbieter im Vergleich zu den Vorjahren noch einmal deutlich gestiegen. Bei einer genauen Betrachtung der einzelnen Investorengruppen zeichnet sich jedoch ein Umbruch ab. Während in den Vorjahren noch vor allem kirchliche und gemeinnützige Einrichtungen nachhaltig investierten, ist im vergangenen Jahr ein starker Zuwachs nachhaltiger Investments bei Stiftungen zu verzeichnen. Sie halten nun knapp die Hälfte des Volumens nachhaltiger Investments, das in den Händen institutioneller Investoren ist.

Ein weiterer Zuwachs ist bei der öffentlichen Hand zu verzeichnen. Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen dagegen haben leicht an Bedeutung verloren. Der Marktanteil von Privatanlegern lag 2012 in Deutschland bei 23 Prozent und ist somit im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig. Bei einem vergleichenden Blick auf die Nachbarländer Österreich und Schweiz zeigt sich, dass auch hier der Anteil der institutionellen Investoren gestiegen ist. Sogar in der Schweiz, in der traditionell besonders viele Privatanleger nachhaltig investieren, übertrifft nun der Anteil an institutionellen Investoren den der Privatanleger (Abbildung 2).

Anleihen bleiben stärkste Assetklasse, Aktien auf dem Vormarsch

Anleihen sind in Deutschland nach wie vor mit einem Anteil von über 50 Prozent die am stärksten vertretene Assetklasse bei nachhaltigen Investments. Dies kann teilweise mit dem konservativen Ziel vieler institutioneller Investoren begründet werden, die mit Fokus auf den langfristigen Kapitalerhalt investieren. Allerdings haben Aktien im vergangenen Jahr deutlich aufgeholt - ein Drittel aller nachhaltigen Investitionen wird nun über eine Aktienanlage getätigt. Diese Tendenz zeigt sich auch in der Schweiz. Dort ist der Aktienanteil seit Jahren deutlich höher als in Deutschland. Trotzdem ist er im vergangenen Jahr noch einmal leicht gestiegen.

Selbst in Österreich, wo der Anteil an Anleiheinvestitionen seit Jahren bei über 80 Prozent liegt, zeichnet sich ein leichter Zuwachs der Bedeutung von Aktien in der nachhaltigen Vermögensanlage ab. Insgesamt von eher geringerer Bedeutung sind derzeit länderübergreifend Geldmarkt- oder Bankeinlagen sowie Direktbeteiligungen, Immobilien und Rohstoffe (Abbildung 3). Regional werden nachhaltige Investitionen überwiegend in Europa getätigt, 28 Prozent sogar ausschließlich in Deutschland. Immerhin zehn Prozent sind derzeit in Nordamerika investiert, nur vier Prozent in den Emerging Markets.

Die klassische Frage der Performance

Auch wenn sich nachhaltige Investments in der Praxis längst etabliert haben, wird von Gegnern am Kapitalmarkt gerne das Vorurteil bemüht, nachhaltige Anlagekonzepte würden eine schwächere Wertentwicklung aufweisen als konventionelle. In den vergangenen Jahren sind einige Studien zu diesem Thema durchgeführt worden, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen.

Eine vergleichende Metastudie der Steinbeis-Hochschule Berlin führt diese Ergebnisse nun erstmals zusammen und belegt so eindrucksvoll: Nachhaltige Investments sind konventionellen Anlagen im Hinblick auf die Wertentwicklung mindestens ebenbürtig, teilweise sogar überlegen.

So zeigen die Studienergebnisse im Hinblick auf das Analysecluster Aktien, dass der Faktor Nachhaltigkeit tendenziell einen leicht positiven Einfluss auf die Wertentwicklung hat. 21 der untersuchten Studien weisen nachhaltigen Aktien eine positivere Wertentwicklung zu als konventionellen. Weitere 20 Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass keine signifikanten Unterschiede zwischen nachhaltigen und konventionellen Aktien bestehen. Nur eine Studie weist nachhaltigen Aktien ein negativeres Rendite-Risiko-Profil zu. Ähnlich sieht das Ergebnis für den Bereich der Anleihen und Kredite aus: Von 18 analysierten Studien kommen neun zu dem Ergebnis, dass nachhaltige Anlagen für Anleger vorteilhaft sind. Demgegenüber weisen nur zwei Untersuchungen auf einen nachteiligen Einfluss hin.

Neben dieser positiven Grundtendenz existiert über alle Cluster der Meta-Studie hinweg auch eine Vielzahl von Untersuchungen, die nachhaltigen Anlagen weder eine bessere noch ein schlechtere Performance zuweisen. Nachhaltige Investments haben somit also eine ähnliche Performancecharakteristik wie konventionelle und zeigen tendenziell sogar Vorteile.

Positive Zukunftsaussichten, aber auch Herausforderungen

Nachhaltige Anlagekonzepte sind zu einem festen Bestandteil der Kapitalanlage geworden - insbesondere für institutionelle Investoren. Der Wachstumstrend der vergangenen Jahre wird sich weiter fortsetzen. In der aktuellen Studie des FNG wird von zehn bis 50 Prozent Wachstum für die nächsten drei Jahre ausgegangen; Die aktuelle Studie von Eurosif beziffert ein durchschnittliches Wachstum von 46 Prozent. Zudem planen viele Finanzakteure das Personal im Bereich nachhaltige Vermögensanlage auszubauen. Wichtigster Treiber der Marktentwicklung werden nach wie vor die institutionellen Investoren sein. Ihnen werden die Privatanleger folgen.

Dies ist ein altbekanntes Phänomen: Die Erfahrung zeigt, dass Innovationen oftmals zunächst von institutionellen Anlegern und vermögenden Privatkunden angenommen werden und sich erst später in der breiten Masse durchsetzen. Ein weiterer Treiber des Wachstumstrends ist sicherlich auch der steigende Druck von NGOs und Anlegern auf Unternehmen und Staaten, Nachhaltigkeitskriterien insbesondere im Hinblick auf Umwelt und Soziales zu beachten. Gerade für Unternehmen wird der Ruf nach einem integrierten Reporting laut, welches die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaktivitäten in den Rahmen des offiziellen Geschäftsberichts setzt.

Trotz des positiven Ausblicks steht die Branche auch weiterhin vor Herausforderungen. Eine der größten ist sicherlich, die Vielzahl der Ansätze für die Investoren nachvollziehbar zu erklären. Wenn das gelingt, wird die Herausforderung zu einem großen Vorteil - nämlich dem, dass innerhalb eines übergeordneten Nachhaltigkeitsverständnisses durch die enorme Vielfalt für jedes individuelle Anlegerbedürfnis die jeweils optimale Lösung gefunden werden kann.

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