Kreditwesen international

Neue Anforderungen an Stresstests - ein Überblick über internationale, europäische und nationale Entwicklungen

Die Finanzkrise hat eine Vielzahl von Erkenntnissen beschert. Eine davon ist die besondere Bedeutung von Stresstests für funktionierende Finanzmärkte. Zurzeit werden deshalb in vielen Ländern die Anforderungen an Stresstests überarbeitet.

Stresstests sind Sensitivitäts- und Szenarioanalysen, anhand derer bewertet wird, ob ein Institut bei Eintritt bestimmter negativer Entwicklungen (zum Beispiel Zinsanstieg, Rückgang des Bruttoinlandsprodukts) dennoch in der Lage ist, die aufsichtsrechtlichen Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften zu erfüllen. Diese sollen somit als eine Art Frühwarnsystem dazu beitragen, Ereignisse wie die Finanzmarktkrise zu verhindern oder zumindest abzumildern.

Anpassung der Parameter

Die Krise hat deutlich gemacht, dass vor der Krise weder die vergangenheitsorientierten Methoden noch die gewählten Parameter für Stresstests die Faktoren erfasst haben, die zu ihrem Entstehen geführt haben. Eine Lehre aus der Krise ist daher, dass Banken und Aufseher die Parameter ihrer Stresstests verfeinern und gegebenenfalls flexibel anpassen können müssen. Darüber hinaus wurden die erzielten Stresstestergebnisse nur unzureichend im Risikomanagement und dem Steuerungs- und Entscheidungsprozess des Senior Managements berücksichtigt. Ferner wurden meist nur einzelne Risikokategorien isoliert voneinander betrachtet. Eine risikoartenübergreifende Betrachtung auf Gesamtbank- und Gruppenebene sowie die Beachtung von Wechselwirkungen wurden häufig nicht vorgenommen.1)

Bei der Durchführung von Stresstests sind üblicherweise drei Ebenen zu unterscheiden. Zunächst sind die Institute selbst dazu verpflichtet, regelmäßig Stresstests durchzuführen. Diese müssen dabei bestimmte Vorgaben erfüllen.2) Ferner führen auch die Aufsichtsbehörden turnusmäßig oder anlassbedingt Stresstests in Bezug auf einzelne Institute oder Institutsgruppen durch. Schließlich führt die Aufsicht auch Stresstests durch, die den gesamten Finanzsektor erfassen, um dessen Stabilität sicherstellen zu können.

Im Zuge der Krise wurde den Stresstests wieder höhere Bedeutung zugemessen. Dies galt insbesondere für Stresstests als Informationsmedium der Aufsicht über die Lage von einzelnen Instituten und dem Finanzsektor als solchem. Viel beachtet wurde in diesem Zusammenhang die im April 2009 in den USA von der Bankenaufsicht durchgeführten Stresstests. Dort hatten die 19 größten Institute einen Stresstest nach den Vorgaben der Zentralbank Federal Reserve vorzunehmen. Die Ergebnisse wurden dabei institutsspezifisch für die beteiligten Institute veröffentlicht. Zugrunde gelegt wurden zwei Szenarien. Ein milderes Basisszenario (Baseline Scenario), welches die erwarteten Auswirkungen der Krise beinhaltete und ein weiteres, etwas verschärftes Szenario (More Adverse Scenario).

Erkenntnisse über die Stabilität des Finanzsektors

Das Baseline und das More Adverse Scenario sahen unter anderem für 2009 ein schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt um 2,0 Prozent beziehungsweise 3,3 Prozent, eine Arbeitslosenquote von 8,4 Prozent beziehungsweise 8,9 Prozent sowie einen Verfall der Immobilienpreise um 14 Prozent beziehungsweise 22 Prozent vor. Für 2010 wurde bereits mit einer Erholung dieser Werte gerechnet.3) Ziel war es, den Bedarf und die Höhe zusätzlicher Kapitalpuffer zu ermitteln und Erkenntnisse über die Stabilität des Finanzsektors zu erhalten. Ferner sollte mit der Veröffentlichung institutsspezifischer Ergebnisse das Vertrauen des Marktes wiedergewonnen werden.

Die EU folgte dem Beispiel der USA und ließ in Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden ebenfalls die Institute Stresstests nach einheitlichen Szenarien durchführen. Als Parameter gab die EU auch ein Baseline und ein More Adverse Scenario vor, die unter anderem ein sinkendes Bruttoinlandsprodukt um 4,0 Prozent beziehungsweise 5,2 Prozent und eine Arbeitslosenquote von 9,9 beziehungsweise zehn Prozent in der Eurozone in 2009 vorsahen.4) Im Unterschied zu den USA wurden die Ergebnisse aber nur aggregiert und nicht auf Institutsebene veröffentlicht. Aktuell wurde ein weiterer Stresstest durchgeführt. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse ist im Juli zu rechnen. Hierbei ist nun beabsichtigt, der Vorgehensweise in den USA zu folgen und die Ergebnisse auch individuell für die teilnehmenden Institute zu veröffentlichen. Dadurch soll der wiederkehrenden Forderung nach mehr Transparenz Rechnung getragen werden.

Geänderte Rahmenwerke für Stresstests

Parallel dazu begannen Aufsichtsgremien auf internationaler und europäischer Ebene, Vorschläge zur Verbesserung der regulatorischen Anforderungen an Stresstests durch die Institute selbst zu erarbeiten. Federführend waren auf internationaler Ebene die Bank for International Settlement (BIS)5) und auf europäischer Ebene das Committee of European Banking Supervisors (CEBS)6).

Im Vorgriff auf die internationalen Neuregelungen wurden zum Teil bereits auf nationaler Ebene die Rahmenwerke für Stresstests geändert. So hat unter anderem auch die englische Aufsichtsbehörde, die Financial Supervisory Authority (FSA), ihr Stresstestregime verbessert. Galt die FSA in Europa bisher als eine vergleichsweise institutsfreundliche Aufsicht, war in den vergangenen zwei Jahren eine Verschärfung der Aufsicht zu beobachten. So führte die FSA im Dezember 2009 eine "reverse stress testing"-Anforderung ein, deren europaweite Implementierung vom CEBS vorgeschlagen wurde. Während der "klassische" Stresstesting-Ansatz ausgehend von einem abgeleiteten Szenario auf die Auswirkungen auf die erforderliche Eigenkapitalunterlegung (EKU) abzielt, wird bei Reverse Stress Tests hinterfragt, welche Szenarien eintreten müssen, um die regulatorisch oder ökonomisch geforderte EKU gerade noch einhalten zu können beziehungsweise zu unterschreiten. Dies dient auch der Überprüfung, für welche Risiken das Geschäftsmodell des jeweiligen Instituts besonders anfällig ist. Diese Maßnahme wurde im jüngsten Bericht des Financial Stability Board (FSB), einem internationalen Gremium von Finanz- und Aufsichtsbehörden, besonders hervorgehoben,7) da hierdurch die Institute und die Aufsicht wertvolle Zusatzinformationen erhalten.

Auch die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in den neuen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk)8) vom 14. August 2009 die Vorgaben an Stresstests präzisiert. Die wesentlichen Vorgaben zu Stresstests sind im Abschnitt AT 4.3.2 MaRisk sowie in der folgenden zusammenfassenden Darstellung enthalten: Insgesamt liegt der Fokus der Aufsichtsbehörden darauf, die Erkenntnisse aus der Einzelinstituts- beziehungsweise Gruppenüberwachung (mikroprudentielle Aufsicht) und der systemweiten Aufsicht (makroprudentiellen Aufsicht) besser miteinander zu verknüpfen und so systemische Risiken besser zu erkennen.

Fußnoten

1) Vgl. Präsentation des Committee of European Banking Supervisors (CEBS) anlässlich der öffentlichen Anhörung zum CP 32 (Draft revised Guidelines on Stress Testing), abrufbar unter: http://www.c-ebs.org/documents/Publications/Consultati-on-papers/2009/CP32/CP32_Presentation.aspx.

2) Vgl. unter anderem § 123 SolvV, AT 4.3.2 MaRisk.

3) Der Stresstest wurde als das sogenannte Supervisory Capital Assessment Program (SCAP) durchgeführt; die zugrunde gelegten Szenarien sind abrufbar unter: http://www.federalreserve.gov/newsevents/press/ bcreg/bcreg20090424a1.pdf; die Ergebnisse sind veröffentlicht unter http://www.federalreserve.gov/newsevents/press/bcreg/bcreg20090507a1.pdf.

4)Ergebnisse abrufbar unter: http://www.c-ebs.org/News--Communications/Latest-news/CEBS-press-release-on-the-results-of-the-EU-wide-s.aspx.

5)Principles for sound stress testing practices and supervision, May 2009, abrufbar unter: http://www. bis.org/publ/bcbs155.htm.

6)Draft revised Guidelines on stress testing, abrufbar unter: http://www.c-ebs.org/Publications/Consultati-on-Papers/All-consultations/CP31-CP40/CP32.aspx.

7) Progress since the St Andrews meeting in Implementing the G20 Recommendations for Strengthening Financial Stability, April 2010, S. 29f., abrufbar unter: http://www.financialstabilityboard.org/publications/r_100419.pdf.

8)MaRisk aus September 2009 (RS 15/2009), abrufbar unter: http://www.bafin.de/cln_171/nn_721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Service/Rundschreiben/2009/rs__0915__ba__marisk.html?__.

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