Aufsätze

Neue Eigenkapitalregelungen aus Sicht der Schweizer Finanzmarktaufsicht

Für die Schweiz hat sich in der aktuellen Finanzmarktkrise gezeigt, dass global agierende Großbanken mit ihren vielfältigen Aktivitäten eine besondere Herausforderung an die Finanzmarktstabilität darstellen. Im Vergleich zu anderen Ländern haben die beiden Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse eine überwältigende relative Größe, welche vor der Finanzkrise mit einer aggregierten Bilanzsumme das Schweizer BIP nahezu um das achtfache übertraf. Um die Stabilität des Finanzsektors zu verbessern, hat die Schweizer Bankenaufsicht daher schon vor der aktuellen Krise im nationalen Alleingang, mit dem sogenannten Swiss Finish, bei der konservativen Auslegung der internationalen Mindeststandards an die Risikogewichte und zusätzlich mit deutlich strengeren Mindestkapitalgrenzen höhere Anforderungen an die Banken gestellt.

Eigenmittelpuffer

Nach den Erfahrungen der Immobilienkrise1), sind alle nationalen Banken seit Mitte der neunziger Jahre verpflichtet, ihre nach internationalen Standards (Basel II) zu berechnende risikogewichtete Aktiva (RWA) nicht nur nach den Mindeststandards (Säule I) zu 100 Prozent mit Eigenmittel zu unterlegen, sondern durch eine zusätzliche Anforderung der präventiv agierenden Bankenaufsicht (Säule II) um weitere 20 Prozent mit einem Eigenmittelpuffer zu verstärken. Im Zuge der globalen Finanzkrise und den sich abzeichnenden Verlusten aus dem Investmentbanking und Eigenhandel, erhöhte im August 2007 die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), beziehungsweise die frühere für die Bankenaufsicht zuständige Eidgenössische Bankenkommission (EBK), diese Anforderungen speziell für die beiden Schweizer Großbanken um weitere zehn Prozent auf eine Eigenmittelanforderung von insgesamt 130 Prozent der RWA. Diese Maßnahme wurde damals kontrovers diskutiert weil sie prozyklisch wirkte. Bereits zu diesem Zeitpunkt der Finanzkrise wurde jedoch deutlich, dass eine ausreichende Kapitalisierung und die Fähigkeit weitere Eigenmittel aufzunehmen für das Überleben einer Bank ausschlaggebend sind. Im April 2008 hat die Finma daher gemeinsam mit der Schweizer Nationalbank (SNB), nach den signifikanten Verlusten der UBS und deren zweite Kapitalaufnahme bei privaten Kapitalgebern, unabhängig von der damals aktuellen Marktlage und unmittelbaren Realisierbarkeit, eine weitere drastische Verschärfung der Kapitalanforderungen angekündigt und umgesetzt. Das neue Schweizer Eigenkapitalregime sieht bei den Mindestkapitalanforderungen eine Zielgröße von 200 Prozent der risikogewichteten Assets (Basel II) vor. Im Hinblick auf die Verlustausgleichsfunktion wurde eine Interventionsschwelle bei 150 Prozent definiert.

In Verbindung mit der, aus Schweizer Sicht zur wirksamen Risikobegrenzung notwendigen, ergänzenden Leverage Ratio in Abstufungen zwischen drei Prozent und fünf Prozent galt das Regime seinerzeit als revolutionär. Von nationalen Politikern, aber auch im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht wurden die Vorschläge damals skeptisch hinsichtlich ihrer Durchsetzbarkeit bewertet und von den Banken vehement bekämpft. Im Zuge der weiteren Erfahrungen an den Kapitalmärkten, insbesondere der massiven Verluste nach der Lehman-Pleite, sowie der Krise der UBS und der beschlossenen staatlichen Beihilfe wurde das neue Eigenkapitalregime jedoch den beiden Großbanken im November 2008 verfügt.

Von strengerer Regulierung profitiert

In der aktuellen Finanzmarktkrise profitierte die Stabilität des Schweizer Finanzmarktes von dem schon vor Jahren eingeschlagenen und im internationalen Vergleich strengeren Weg der Regulierung. Die höheren Kapitalanforderungen führten zu im weltweiten Vergleich solideren und stabileren Banken. Die übrigen Schweizer Banken (ohne die beiden Großbanken) halten heute bereits im Durchschnitt fast das Doppelte der aufsichtsrechtlich erforderlichen Eigenmittel vor. Ferner hat sich gezeigt, dass durch ein vehementes und frühzeitiges Eingreifen mit dem Ziel der Wiederherstellung einer soliden Kapitalbasis die einzige, während der Finanzkrise in der Schweiz in Schwierigkeiten geratene Bank erfolgreich stabilisiert werden konnte.

In einer einmaligen Aktion hat die UBS illiquide Assets im Wert von 39 Milliarden US-Dollar an die SNB übertragen.2) Für die dafür vorgesehene Eigenmittelübertragung von rund vier Milliarden US-Dollar sowie zur Stärkung der Eigenmittelbasis wurden der UBS, nach zwei erfolgreichen Kapitalaufstockungen durch private Kapitalgeber von insgesamt 29 Milliarden Schweizer Franken3), am 16. Oktober 2008 angesichts der Marktlage durch eine - marktgerecht verzinste - Beihilfe der Eidgenossenschaft sechs Milliarden Schweizer Franken in Form einer Pflichtwandelanleihe zugeführt.4) Dadurch konnte eine Tier 1-Ratio von elf Prozent wiederhergestellt werden und die Bank seit dieser Zeit am Markt ohne weitere Kapitalhilfen agieren. In Verbindung mit der UBS-Assetübernahme durch die SNB hat die Schweiz, trotz ihres bedeutsamen Finanzsektors, damit insgesamt einmalig nur acht Prozent des BIP in die Stabilisierung des Finanzmarktes investieren müssen. Das ist deutlich weniger als die durchschnittlichen 36 Prozent in den Industrieländern.5)

Bedeutung des Finanzmarktes und der Aufsicht in der Schweiz

Der Finanzsektor hat in der Schweiz eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung (Abbildung 1). Die Banken und Versicherungen tragen zirka zwölf Prozent zum BIP bei; sie beschäftigen rund 196 000 Mitarbeiter und generieren rund 13 Prozent der Einkommens- und Unternehmenssteuern aller Staatsebenen.6) Innerhalb der speziellen nationalen Bankenstruktur sind die zwei im Inland mit aggregierten Marktanteilen von teilweise 40 Prozent dominierenden7) und international exponierten Finanzinstitute Credit Suisse und UBS eine besondere Herausforderung für die Finanzmarktstabilität (Abbildung 2). Sie stellen mit ihren ein Mehrfaches des BIP betragenden Bilanzsummen8) hinsichtlich der Größe, wie auch bei einzelnen Bankfunktionen (Zahlungsverkehr, Investmentbankprodukte, einzelne Segmente im nationalen Kreditmarkt) ein systemisches Risiko für die Schweizer Volkswirtschaft dar.

Die Problematik von "too big to fail" als auch von "too big to rescue" ist offensichtlich und wiegt schwer. Die Schweiz könnte sich einer im Ernstfall erforderlichen Stützung auch wegen des internationalen Reputationsrisikos nicht entziehen. Im Falle des Scheiterns einer oder gar beider Großbanken und einer im internationalen praktiziertem Umfang erforderlichen Stützungsmaßnahme, würde die Schweizer Volkswirtschaft finanziell an den Rand des Belastbaren gefordert werden. Die realwirtschaftlichen Folgen würden die Schweizer Bevölkerung lange Zeit beeinträchtigen und den erreichten Wohlstand gefährden.

Diese Gefahr unterstreicht die Notwendigkeit, einen möglichen Zusammenbruch einzelner Banken unwahrscheinlicher zu machen beziehungsweise wenn möglich zu verhindern. Im Bewusstsein dieser großen nationalen Risiken für die Schweiz, wurde unabhängig von den internationalen Entwicklungen, frühzeitig durch flexible Regelungen im Bankengesetz und der Eigenmittelverordnung eine entsprechende rechtliche Grundlage geschaffen, um die Aufsichtsbehörde zur Verstärkung der Eigenmittelanforderungen zu ermächtigen. Aus Sicht der Finma ist ein ausreichendes Eigenkapital die erste Bedingung für mehr Stabilität. Die dazu für die Banken erlassenen Regulierungsvorgaben sollen sicherstellen, dass die Institute in guten Zeiten antizyklisch Reserven aufbauen, diese auch in den kritischsten Phasen der Konjunktur- beziehungsweise Marktzyklen zum Ausgleich von Verlusten aus dem Geschäftsbetrieb ausreichen, und entsprechende Vorkehrungen getroffen sind, um im Krisenfall weitere Mittel zugänglich zu machen, ohne dabei auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein.

Ungenügende Berücksichtigung der Verlustrisiken

Die weltweit erforderlichen Rekapitalisierungen von Banken offenbarten, dass vor der Krise international viele Institute die Bedeutung und Notwendigkeit von ausreichendem Eigenkapital unterschätzten, um die mit ihren Geschäftsaktivitäten verbundenen Risiken tragen zu können. Insbesondere die 1996 noch unter Basel I international eingeführten Regelungen zur Unterlegung von Marktrisiken im Handelsbuch mittels Value at Risk (VaR) Modellen führten zu einer systematischen und signifikanten Unterschätzung der Verlustpotenziale. Auch die aus den Kreditverbriefungen und anderen modernen Finanzprodukten in den Bilanzen schlummernden Gefahren wurden unterschätzt.

Selbst in den konservativsten Stress-Szenarien tauchte vor der Krise das Phänomen von über längere Zeit kollabierten Interbankenmärkten nicht auf. Niemand konnte sich vorstellen, dass Refinanzierungsmittel und Eigenkapital ein knappes und schwer erhältliches Produkt werden und nur noch massive Unterstützungen der Zentral- und Notenbanken oder gar staatliche Kapitalbeihilfen das Finanzsystem vor dem Zusammenbruch retten könnte. Die Erfahrungen der aktuellen Finanzmarktkrise haben eines Besseren belehrt. Und in Anbetracht der sich zukünftig abzeichnenden Herausforderungen an den Finanzmärkten durch Vermögenswertblasen, der Verschiebungen von wirtschaftlichen Zentren hin zu den Emerging Regions und der Anpassungen im Währungsgefüge ist davon auszugehen, dass die Anforderungen an die Stabilität der Banken weiterhin hoch sein beziehungsweise steigen werden. Die Neubewertung der möglichen Risiken aus den verschiedenen Geschäftsmodellen der Finanzinstitute erfordert eine strengere Kalibrierung der Risikomodelle und eine Steigerung der Eigenmittelanforderungen zur Deckung möglicher Verluste aus dem Geschäftsverlauf sowie eine Verbesserung der Kapitaldefinitionen.

Regulierung international und national

Die derzeit durch die verschiedenen EU-Mitgliedsländer geleisteten Beihilfen zur Stabilisierung der angeschlagenen nationalen Finanzinstitute unterliegen einer strengen Prüfung der EU-Kommission. Diese kommt in zahlreichen Fällen zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Geschäftsmodelle und Größendimensionen von unterstützten Finanzinstituten, insbesondere einiger deutscher Landesbanken, aber auch britischer Banken wie Northern Rock, Lloyds oder RBS, oder der niederländischen ING nicht mit der für den Finanzsektor erforderlichen langfristigen Stabilitätserwartung im Einklang stehen. Um die mögliche Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen zu verringern, aber auch um die Stabilität der künftigen am Markt aktiven Institute zu verbessern, wurden die Beihilfen an Restrukturierungspläne und signifikante Größenbeschränkungen geknüpft. Die EU-Kommission befürwortet damit eine strengere Auslegung der Stabilitätsanforderungen als sie bisher innerhalb der Europäischen Union die Regel war.

Auch wenn die spezifischen Regulierungsanforderungen der EU für die Schweiz nicht unmittelbar maßgebend sind, die Schweiz und ihre Banken sind dem internationalen Wettbewerb mit unterschiedlichen Regulierungsanforderungen ausgesetzt. Die Kapitalmärkte stehen weltweit in enger Verbindung. Es bestehen ausgeprägte Wechselwirkungen und eine Konkurrenz um die besten Marktbedingungen. Die Finma engagiert sich daher in Zusammenarbeit mit der SNB durch ihre Mitgliedschaft im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mit dem Ziel, verbesserte und allgemeingültige Mindeststandards, der Banken, insbesondere bei der Kapitalausstattung, durchzusetzen beziehungsweise nach den Erfahrungen der Finanzkrise die existierenden Regelungen an die neuen Erfahrungswerte anzupassen. Die SNB ist darüber hinaus in Verbindung mit dem Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) im Financial Stability Board (FSB) an der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Verbesserung der globalen Finanzmarktstabilität aktiv.

Neues Schweizer risikogewichtetes Eigenkapitalregime

Mit Blick auf die langfristigen Anpassungserfordernisse und die spezifischen Risiken für den Finanzplatz Schweiz, hat die Finma im nationalen Alleingang bereits im November 2008 den beiden Schweizer Großbanken, Credit Suisse und UBS per Verfügung ein neues Eigenmittelregime verordnet. Das neue Eigenkapitalregime sieht vor, dass sich die risikogewichteten Eigenmittel der beiden Finanzinstitute bei einer Zielgröße von 200 Prozent in einem der konjunkturellen Entwicklung entsprechend definierten Korridor von 100 Prozent bis 50 Prozent über den international geltenden Mindestanforderungen (Säule I) von Basel II bewegen müssen.

Diese mit Hilfe von Säule II (dem bankspezifischen Aufsichtsverfahren) umgesetzte flexible Bandbreitendefinition unterstreicht, die aus Sicht der Finma elementare Bedeutung von Eigenmitteln zur Krisenvorsorge und Krisenbewältigung. Sie ermöglicht es, die Banken mit einer antizyklisch wirkenden Maßnahme zu stabilisieren und für eine künftige Krisenbewältigung zu rüsten. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit des nationalen Finanzsystems in Krisenzeiten verbessert und eine potenzielle Kreditklemme vermieden. Das heißt, in guten Zeiten (Phasen mit Reingewinnen) sollen die Banken Eigenmittel bis zu einer Zielgröße von 200 Prozent der RWA aufbauen, um in Krisenzeiten über einen 50-prozentigen Eigenmittelpuffer oberhalb der künftigen aufsichtsrechtlichen Interventionsstufe von 150 Prozent zu verfügen. Für die Umsetzung wurde den Banken mit Rücksicht auf die aktuelle Lage zunächst eine Frist bis 2013 eingeräumt, wobei die Finma die sukzessive Umsetzung durch einen Kapitalplan kontrolliert. Bei anhaltend schwierigem Marktumfeld könnte ein weiterer Aufschub erfolgen.

Die Anhebung der Interventionsstufe von 130 Prozent auf 150 Prozent gilt in Anbetracht der in der Krise erlebten Verluste als erforderlich, denn bei einem Erreichen der unteren Interventionsschwelle wären die beiden Großbanken mit 150 Prozent Eigenmitteln (RWA) nach heutigen Vorstellungen noch ausreichend kapitalisiert. Die Finma sieht diese Schwelle speziell für die beiden Großbanken als notwendig an, um auch in künftigen Krisen die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten zu können. Ferner trägt die Verschärfung der Kapitalanforderungen für die beiden Großbanken auch zu einer Entschärfung des "too big to fail/too big to rescue"-Problems und einer impliziten Garantieerwartung wirkungsvoll bei. Durch die höhere Stabilität sinkt die Wahrscheinlichkeit einer durch den Staat erforderlichen Beihilfe.

Neue Schweizer Leverage Ratio

Die signifikanten Bewertungsspielräume bei der Feststellung der risikogewichteten Assets (RWA) haben die Finma in Übereinstimmung mit der SNB zum Erlass einer Leverage Ratio für die beiden Großbanken bewogen.9) Die Erfahrung der Krise hat gezeigt, dass die Banken den Spielraum bei der Bestimmung der RWA zu ihren Gunsten extrem ausnutzten können. So blähte die UBS vor der Krise, wie auch andere internationale Banken, ihre Bilanz durch den Fremdmitteleinsatz bis auf eine Leverage Ratio von 1,7 Prozent auf.10) Die neue Regelung soll daher unabhängig von der relativen Risikoeinschätzung eines Geschäfts wirksam den mittels Fremdmittel finanzierten Bilanzteil begrenzen und ist daher aus Sicht der Finma in Verbindung mit den höheren Eigenmittelanforderungen unverzichtbarer Bestandteil einer wirksamen Risikokontrolle und Verbesserung der Bankenstabilität.

Das mit der Leverage Ratio definierte Verhältnis zwischen Kernkapital und Bilanzsumme wurde mit der Verfügung vom November 2008 für die UBS und die Credit Suisse zunächst auf Konzernebene auf mindestens drei Prozent und auf Ebene der Einzelinstitute auf mindestens vier Prozent festgelegt. Allerdings hat die Finma den beiden Instituten für gute Zeiten eine Zielgröße von fünf Prozent vorgegeben. Um gegenüber der volkswirtschaftlich wichtigen nationalen Kreditvergabe nicht einschränkend zu wirken, wurde diese bei der Berechnung der Schweizer Leverage Ratio zunächst ausgeklammert.

Anforderungen an die Qualität des Eigenkapitals

Die Leverage Ratio ist ein einfach zu ermittelnder zusätzlicher Risikoindikator. Sie hat den Vorteil, dass sie unabhängig von den komplexen Modellen und unterschiedlichen Risikogewichtungen zur RWA-Berechnung ist und somit eine wirkungsvolle Begrenzung der Risikopotenziale einer Bank zur Folge hat. Der Einsatz von Fremdmitteln zur Bankbilanzausweitung wird begrenzt. Durch den erforderlichen Eigenmitteleinsatz werden zusätzliche Bilanzengagements teurer, das heißt, es entsteht eine Bremsfunktion hinsichtlich des Bilanzwachstums. Aufgrund der spezifischen Bedeutung der beiden Institute im nationalen Kontext und der relativen Größe der beiden Bilanzsummen zum Schweizer BIP wurde diese Maßnahme notwendig. Für die beiden Schweizer Großbanken entsteht durch die Leverage Ratio allerdings eine erhöhte Anforderung. Jedoch gehen die internationalen Standards, speziell die Vorschläge des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht in die gleiche Richtung, indem die Kapitalanforderungen an global aktive Banken erhöht werden. Ferner sollen die problematischen Modellansätze zu Kapitalbestimmung (RWA) durch eine robuste Messgröße wie die Leverage Ratio ergänzt werden11), sodass es über die bestehenden Regulierungen hinaus, auch durch die Anpassung der Berechnungsdifferenzen aus den unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards ohne Ausnahmen zu einer Verschärfung der Regulierung kommen wird.

Die derzeit geführte Diskussion um die verschiedenen Bestandteile und notwendigen Eigenschaften von Eigenkapital lassen sich auf einen Punkt bringen. Eigenkapital muss im laufenden Geschäftsbetrieb und nicht erst im Liquidationsfall anfallende Verluste ausgleichen können. Dies sind Eigenschaften des Kernkapitals (Tier 1), das heißt des einbezahlten, ordentlichen Aktienkapital sowie der offenen Reserven beziehungsweise einbehaltenen Gewinnen. Dies entspricht schon heute der Markterwartung, die zusehends auf einen engen Begriff des Kernkapitals abstellt.

Bei der in der Vergangenheit mit Hilfe von speziellen Ausgestaltungen von Hybridprodukten erreichten Anrechenbarkeit (Tier 2) ist daher Vorsicht geboten. Den beiden Schweizer Großbanken ist schon heute mitgeteilt worden, dass, wenn auch mit sehr langen Übergangfristen, die nachrangigen Anleihen (als sogenanntes unteres ergänzendes Kapital, lower Tier 2) nicht mehr angerechnet werden. Der Baseler Ausschuss für die Bankenaufsicht wird einen internationaler Konsens mit einer funktionsorientierten, das heißt für Verluste aus dem Geschäftsverlauf haftenden engen Kernkapitaldefinition anstreben. Das heißt, durch eine enge Kapitalabgrenzung werden auch zahlreiche Abzüge und Verrechnungen entfallen. Um der Kapitalsituation einzelner Banken Rechnung zu tragen sind jedoch lange Übergangsfristen denkbar.

Zukünftige Anpassungen

Trotz der verschärfenden Beschlüsse der internationalen Gremien zur Anpassung an die mit dem Ausmaß der Finanzkrise gemachten Erfahrungen, wird die Finma die global geforderten Mindeststandards, nach eigener Einschätzung der Folgen für die Schweiz an die spezielle nationale Situation mit den beiden im internationalen Vergleich zur Volkswirtschaft überproportional dimensionierten Großbanken anpassen müssen. Dabei hat die komfortable Ausstattung mit verlusttragendem Eigenkapital oberste Priorität. Nur so kann der signifikanten Gefahr, dass ein Kollaps einer oder gar beider Großbanken die gesamte Volkswirtschaft in schwere Mitleidenschaft ziehen könnte, vorgebeugt werden. Nach den Neuregelungen des Baseler Bankenausschusses wird daher eine Neukalibrierung der bestehenden Regelungen erforderlich sein.

Dabei wird die Schweizer Aufsicht, sofern sie es nach einer sorgfältigen Prüfung für die Schweiz erforderlich hält, eine über die international gültigen Mindestregelungen hinausgehende strengere Regelung treffen.

Abschließend ist anzumerken, dass trotz des Primats von Eigenkapital für eine erfolgreiche Regulierung des Finanzsektors mehr erforderlich ist. Hierzu zählen unter anderem mehr Transparenz und Marktdisziplin, aber auch eine gesunde Anreizstruktur und ein verbessertes Liquiditätsregime. Die Schweizer Aufsicht wird auch da Trendsetter sein. Swiss Banking war und soll hinsichtlich der Stabilität der zugelassenen und beaufsichtigten Finanzinstitute globales Spitzenmaß sein. Dies muss kein Widerspruch zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Banken sein. Im Gegenteil, langfristig werden die Institute von den strengeren Regeln profitieren, durch nachhaltigere Erträge, günstigere Finanzierungskonditionen und höheres Kun-den-, Investoren- sowie Mitarbeitervertrauen.

Fußnoten

1) Im Durchschnitt erlitten die untersuchten Schweizer Banken von 1991 bis 1996 Immobilienkreditverluste von 8,45 Prozent auf den durchschnittlichen inländischen Kreditbestand von zirka 500 Milliarden Schweizer Franken; die Bandbreite variierte allerdings nach Institutsgruppen von Großbanken (12,5 Prozent) bis Raiffeisenbanken (0,7 Prozent) stark.

2) Die von der SNB mit Hilfe einer gegründeten Zweckgesellschaft vorgesehene Hilfsmaßnahme sah eine maximale Übernahme von illiquiden Assets im Wert von 60 Milliarden US-Dollar vor, wobei eine 10-prozentige Eigenmittelausstattung als Loss Protection durch die UBS erfolgen musste.

3) Die UBS konnte in 12/2007 durch Platzierung einer Zwangswandelanleihe von 13 Milliarden Schweizer Franken sowie in 03/2008 durch Festübernahme einer ordentlichen Kapitalerhöhung durch ein Bankenkonsortium von 16 Milliarden Schweizer Franken ihre Kapitalausstattung verbessern.

4) Die Eidgenossenschaft konnte diese Anleihe im August 2009 am Markt erfolgreich platzieren.

5) Vgl. Untersuchung des IMF vom 9. Juni 2009.

6) Zahlen aus Eidgenössisches Finanzdepartement EFD, Finanzplatz und Finanzmarktpolitik Schweiz 2008.

7) Siehe Abbildung 2 zu nationalen Marktanteilen der Banken.

8) Vgl. Grafik der SNB aus Bericht zur Finanzstabilität 2008, Seite 23 (siehe Abbildung 1). Per Q3/2009 haben jedoch beide Banken die Bilanzsummen bereits deutlich reduziert. Credit Suisse: 1 100 Milliarden Schweizer Franken; UBS: 1 500 Milliarden Schweizer Franken.

9) Die Schweizer Aufsicht hat sich dabei durch frühere Leverage-Ratio-Regelungen anderer Länder (USA/Kanada) inspirieren lassen.

10) Gemäß Ziffern aus dem UBS-Zwischenbericht Q2/2007 per 30. Juni 2007.

11)Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat in seinem Konsultationspapier vom 17. Dezember 2009 die Leverage Ratio als Regulierungsinstrument ge listet, wenngleich die Kalibrierung noch offen ist.

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