Gespräch des Tages

Nyse Euronext - Was ist gut für wen?

Es hatte wohl auch niemand mehr realistisch damit gerechnet, dass die Euronext-Aktionäre am Ende das Zusammengehen der Mehrländerbörse mit der US-amerikanischen Nyse noch kippen würden. Weder Politik noch Interessenverbände hatten sich in den letzten Wochen, nach dem Rückzug der Deutschen Börse, noch für die zuvor so oft zitierte europäische Lösung stark gemacht. Im Gegenteil: Sogar die französischen Finanzplatzvertreter Paris Europlace (zuvor nicht zuletzt durch den pro-europäischen, von ihnen in Auftrag gegebenen Lachmann-Report in den Medien präsent) wie auch der niederländische Finanzminister haben der Fusion kurz vor der außerordentlichen Hauptversammlung in Amsterdam ihren Segen erteilt.

Mit 98,2 Prozent lässt das Abstimmungsergebnis zunächst kaum Interpretationen zu. Doch ein Blick auf die Teilnahmequote zeigt deutlich, dass trotz der (vor-)weihnachtlichen Stimmung nicht alles traute Einigkeit war. Mit 64,9 Prozent fiel die Beteiligung nämlich nicht gerade hoch aus. Das gilt insbesondere wenn man bedenkt, dass es immerhin darum ging, aus einem der bedeutendsten unabhängigen Handelsplätze Europas eine abhängige Nyse-Tochter zu machen. Ein zuvor von einigen französischen Großbanken und Finanzinvestoren geschmiedeter Interessen-Pakt wurde überdies wegen Uneinigkeit aufgekündigt. Die Kritiker haben sich insgesamt aber nicht durchgesetzt - "Nyse Euronext" sei besser für das Unternehmen. Zumindest besser als ein Zusammenschluss mit den Frankfurtern. Alle bisherigen Versuche von US-Börsen, in Europa Fuß zu fassen, waren bekanntlich nicht von Erfolg gekrönt. Aber sie waren auch weit weniger intensiv. Zu einzelnen Details der gemeinsamen Zukunft und dem Grad der Verschmelzung schweigt man sich indes aus, der Großteil der in Aussicht gestellten Synergien soll, wie bereits bekannt, durch die Zusammenführung der Geschäfte auf je eine Plattform für den Kassa- und den Derivate-Handel erzielt werden. Die beiden Orderbücher bleiben allerdings erhalten. Zum Schutz bei Ansprüchen von US-Behörden existiere zudem eine juristische Reißleine, durch die beide Unternehmen möglicherweise wieder getrennt werden könnten.

Es bleibt die Frage, ob Europa als Wirtschaftsmacht Schaden genommen hat. Sicher ist, dass der US-amerikanische Einfluss hier in der alten Welt erheblich angestiegen ist. Das gilt umso mehr, falls es der Technologiebörse Nasdaq nun noch gelingen sollte, die ebenfalls lange von der Deutschen Börse ergebnislos umworbene London Stock Exchange vollständig zu übernehmen. Und es wird noch spürbarer werden, wenn sich die erst kürzlich angekündigte Aktienhandelsplattform von sieben Investmentbanken - die Mehrheit davon ebenfalls US-amerikanisch - am Markt etablieren kann. Fragestellungen nach einer möglichen Ausweitung von US-Regulierungen auf Europa, wie sie schon im Rahmen der Nasdaq/LSE-Beteiligung diskutiert wurden, können da zunächst gern außen vor bleiben. Denn wenn die beiden US-Größen die hiesigen Märkte kontrollieren, dann haben sie direktes Mitspracherecht. Dass die jüngsten Entwicklungen also zur Identitätsfindung eines "zusammenwachsenden Europas" sicherlich nicht beitragen, steht außer Frage.

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