Positionen

Politik und Geschäftsstrategie wie groß muss (darf) der Einfluss auf Banken sein?

Otto Bernhardt

"Politik bestimmt allein den Rahmen" Otto Bernhardt MdB, Finanzpolitischer Sprecher, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Berlin

Die Finanzkrise hält die Bevölkerung, die Wirtschaft und die Politik seit fast anderthalb Jahren in Atem. Die Unsicherheiten auf den Finanzmärkten zeigen inzwischen Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Ein Abschwung der Wirtschaft droht; Refinanzierungskosten nehmen zu. Und im Interbankenmarkt mangelt es weiterhin an dem notwendigen Vertrauen. Was hilft an dieser Stelle noch weiter?

Über die Parteigrenzen hinweg

In vorbildlicher und entschlossener Art und Weise hat der Deutsche Bundestag zusammen mit der Bundesregierung und den Bundesländern ein 480 Milliarden Euro umfassendes Rettungspaket geschnürt, das das notwendige Vertrauen in den Kapitalmarkt zurückbringen soll.

Wir haben hierbei gezeigt, dass man in einer Demokratie über die Parteigrenzen hinweg schnell und effektiv handeln kann. Dabei gilt unser Grundsatz, dass in dieser Zeit alle Institute, ob große oder kleine, als systemrelevant einzuschätzen sind. Einen zweiten Lehman-Effekt, der das Vertrauen im Bankenmarkt noch weiter zerstören würde, können wir uns nicht erlauben.

Daher werden wir allen Banken Stützungsmaßnahmen anbieten, die es notwendig haben. Verbunden mit dem Paket sind Vorgaben an diejenigen, die das Rettungspaket in Anspruch nehmen. Jedoch bleiben die Eingriffsmaßnahmen des Staates abhängig von der Intensität der in Anspruch genommenen Hilfsmaßnahmen des Staates.

Die in der Rechtsverordnung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz enthaltenen Gegenleistungen unterstreichen, dass die betroffenen Institute das ihnen Mögliche beitragen müssen, um die Krise zu überwinden. Differenziert je nach Art und Umfang der in Anspruch genommenen Leistung sieht die Verordnung daher Bedingungen für die Unternehmen unter anderem in Form einer Überprüfung der Geschäftspolitik, der Sicherstellung der Kreditvergabe an solide - kleine und mittlere - Unternehmen der heimischen Wirtschaft und einen Gehalts- und Dividendenverzicht vor. Bei den Vergütungen für Organmitglieder und Geschäftsleiter gilt eine Regelgrenze von 500 000 Euro.

Gestörte Finanzierungsabläufe Als überzeugter Anhänger der sozialen Marktwirtschaft heißt mein Credo: Der Staat darf nur dort eingreifen, wo die Märkte nicht funktionieren. Derzeit sind die Finanzierungsabläufe gestört. Daher war das Tätigwerden des Bundes die richtige Maßnahme.

Für mich heißt dies aber nicht, dass der Staat die Funktion des "Ober-Bankers" übernehmen sollte. Dies wäre der falsche Schritt, ein Schritt in Richtung Verstaatlichung, ein Schritt in Richtung Überforderung des Staates. Eine direkte Beteiligung des Staates an den Instituten sollte nur die letzte Option sein; das bisher praktizierte Mittel stiller Beteiligungen ist vielmehr situationsangemessen.

Stringente Vorgaben erwünscht

Im Blick nach vorne müssen Maßnahmen ergriffen werden, die derartige Krisen verhindern. Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die international koordiniert zu erfolgen haben. Am Markt gehandelte Produkte müssen transparenter werden, aus den Bilanzen müssen die Risiken umfassend ersichtlich sein, die Aufsicht muss abgestimmter agieren und die Einhaltung der Standards konsequent überprüfen. Banken werden sich in Zukunft auch höheren Eigenkapitalanforderungen ausgesetzt sehen. Dabei rede ich keiner ungehemmten Regelungswut das Wort. Vielmehr geht es mir um stringente Vorgaben, die konsequent eingehalten werden.

Bei den Banken selbst kommt es jetzt darauf an, dass diese ihre Vertrauenskrise nicht an die Unternehmen und die Menschen in unserem Land weitergeben und die Kredite verknappen. Banken müssen sich daher darüber klar werden, welche Ziele sie erreichen wollen, mit welchen Renditen sie rechnen und was zu einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung beiträgt. Dies gilt für alle Banken und Sparkassen, auch für die Landesbanken. Nur so können wir ein "annus horribilis" 2009 vermeiden.

Ohne jeden Zweifel ist es Sache der Eigentümer, die Geschäftspolitik zu bestimmen, das gilt für private Banken ebenso wie für öffentlich dominierte Institute. Daher liegt es nicht am Bund, den Ländern beim Umgang mit den Landesbanken Ratschläge zu erteilen. Mahnende Worte sind aber erlaubt. Und die richten sich darauf, dass sich die Institute auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und einen Beitrag zur überfälligen Konsolidierung auf dem deutschen Bankenmarkt leisten müssen. Diese sich aus der Krise ergebenden Chancen sollten alle Beteiligten nutzen.

Vor Ort ist zu fragen, wie viele Filialen notwendig sind. Ob vielfach auch in kleineren Ortschaften sowohl eine Filiale der Sparkassen als auch der Volks- und Raiffeisenbanken erforderlich ist, oder ob nicht säulenübergreifende Kooperationen anzustreben sind, bedarf der kritischen Prüfung. Wir dürfen aber keinesfalls Verhältnisse wie in anderen Ländern bekommen, wo teilweise kaum noch ein persönlicher Kontakt zwischen Banken und Kunden besteht. Denn gerade unsere kleinen und mittleren Unternehmen brauchen Ansprechpartner, die die regionalen Verhältnisse und ihre Besonderheiten kennen.

Frei und selbstständig

Krisenbewältigung heißt also nicht, dass der Staat sich privatrechtliche Aufgaben aneignen darf. Ein Markt, auch ein regulierter Markt wie der der Banken, funktioniert nur, wenn die Beteiligten weitgehend frei und selbstständig agieren können. Ein Mitmischen staatlicher Institutionen darf daher nur das letzte Mittel sein. Schließlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass der Staat nicht der bessere Banker ist.

Hans-Ulrich Krüger "Gefordert ist eine Geschäftspolitik der Banken, die sich der Nachhaltigkeit verschreibt und kurzfristigem Renditedenken entzieht"

Dr. Hans-Ulrich Krüger, Finanzpolitischer Sprecher, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin

Die Krise am amerikanischen Subprime-Markt für Hypothekenkredite hat zu der schwersten internationalen Finanzmarktkrise seit 80 Jahren geführt. Das globale Finanzsystem wird dadurch einer schwerwiegenden Belastungsprobe unterzogen. Es ist eine erhebliche Verunsicherung bei allen Marktteilnehmern, aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern entstanden. Aufgrund der Finanzmarktkrise stellen viele den "ungezügelten Finanzkapitalismus" infrage. Es ist klar, dass die Forderung, staatliche Institutionen sollten sich zurückhalten, da der Markt sich selbst reguliere, von den Ereignissen der Krise überrollt worden ist.

Auf jeden Fall ist deutlich geworden: Wir brauchen eine neue Balance von Markt und Staat. Damit stellt sich auch die Frage des Einflusses der Politik auf die Banken.

Neue Balance von Markt und Staat

Die Balance zwischen Staat und Banken wird schon bei den derzeit dringlichen Maßnahmen der Krisenbewältigung neu justiert: In Deutschland ist der Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) eingerichtet worden. Der Staat wird über diesen Fonds bei den Banken Anteilseigner, denen er Kapital zur Verfügung stellt.

Vor Monaten wäre eine solche Maßnahme noch undenkbar gewesen. Doch die Dimension dieser Krise erfordert dieses Programm. Der Sonderfonds bildet ein notwendiges Fundament, um schrittweise das zentrale Ziel bei der Bewältigung dieser Finanzmarktkrise zu erreichen: die Wiederherstellung des Vertrauens zwischen den Finanzmarktteilnehmern. Dieses Stabilisierungsprogramm kann seine Wirkung allerdings nur dann entfalten, wenn die Kreditinstitute es auch in Anspruch nehmen. Es ist wichtig, dass der Interbankenmarkt wieder in Gang kommt. Die Auswirkung der Tätigkeit des Fonds wird daher gründlich zu beobachten sein.

Rekapitalisierung gegen Auflagen

Über diesen Finanzmarktstabilisierungsfonds werden bis zum 31. Dezember 2009 Maßnahmen zur Sicherstellung der Refinanzierung der deutschen Finanzinstitute ergriffen. Der Fonds kann Finanzinstitute durch unterschiedliche Instrumente, die der Rechtsform des jeweiligen Instituts entsprechen, rekapitalisieren. Die Inanspruchnahme dieser Refinanzierungsmittel in Höhe von insgesamt maximal 80 Milliarden Euro erfolgt zu angemessenen Konditionen. Die Rekapitalisierung durch den Fonds wird an Bedingungen geknüpft, die beispielsweise den fairen Wettbewerb zwischen allen Finanzinstituten sicherstellen, die Interessen der Steuerzahler wahren und die bisherigen Eigentümer sowie das Management in die Verantwortung nehmen.

Der Staat wird für die Garantien Gebühren erheben. Er wird auch das Recht bekommen, auf die Geschäftspolitik Einfluss zu nehmen, und zwar insbesondere mit Blick darauf, dass die geförderten Banken nicht über eine Bilanzverkürzung ihre Kredittätigkeit gegenüber dem Mittelstand in Deutschland reduzieren. Auflagen können auch bei der Managementvergütung und der Dividendenausschüttung an die Eigentümer gemacht werden. Diese Auflagen orientieren sich daran, dass alle beteiligten Akteure Lasten übernehmen müssen, damit die Finanzwirtschaft wieder ihre wichtige Funktion für die Volkswirtschaft erfüllt. Wenn der Staat hier Steuergelder zur Verfügung stellt, kann er dies an die Einhaltung solcher Auflagen binden.

Regulierung international abstimmen

Nicht nur bei der derzeitigen Krisenbewältigung, auch bei der Krisenprävention spielt ein stärkerer Einfluss der Politik auf die Banken eine wichtige Rolle. Wir brauchen eine stärkere Regulierung der globalen Finanzmärkte; dies bedeutet auch eine Schließung von Regulierungslücken bei Banken. Diese Regulierung muss auf internationaler und europäischer Ebene abgestimmt sein, weil sich Krisen globalen Ausmaßes nationalstaatlichen Maßnahmen entziehen. Diese Regulierungen für mehr Transparenz und Stabilität auf den Finanzmärkten werden alle Finanzmarktakteure, darunter auch Hedgefonds und Ratingagenturen betreffen. Bei Banken fordert die SPD Folgendes:

Es muss eine höhere Liquiditäts- und Eigenkapitalvorsorge der Finanzinstitute geben. Diese Institute konnten bisher Risiken so verstecken, dass sie nicht in den Bilanzen aufgeführt wurden. Dies werden wir ändern: Risiken müssen transparent sein. Liquiditätsrisiken müssen stärker berücksichtigt werden. Wir müssen den Finanzinstituten untersagen, riskante Finanzprodukte zu verkaufen, ohne diese Risiken selbst mit abzusichern. Deshalb sind eine stärkere Eigenkapitalunterlegung solcher Risiken sowie Einschränkungen bei dem Weiterverkauf der Risiken zu fordern.

Die Krise hat gezeigt, dass das Geschäftsmodell von Banken, das vorsah, Kreditkunden sofort nach Abschluss des Geschäfts via Verbriefung aus der Bilanz zu nehmen, nicht volkswirtschaftlich nachhaltig ist. Damit Bankmanager wieder vorsichtiger und verantwortungsvoller mit dem Geld anderer Leute umgehen, muss die Haftung von Bankmanagern verschärft werden. Die Vergütungssysteme der Bankmanager werden wir wieder ins Lot bringen. Deren Boni- und Gehaltssysteme dürfen nicht länger nur kurzfristigen Erfolg und die Bereitschaft, hohe und höchste Risiken einzugehen, honorieren.

Bezug zur Realwirtschaft

Weltweit wirksame Regeln für die Finanzmärkte sind somit notwendig, um mehr Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten zu erreichen. Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, dass bestimmte Geschäftsmodelle von Banken nicht volkswirtschaftlich nachhaltig sind. Dagegen hat sich herausgestellt, dass das deutsche Drei-Säulen-Bankensystem nicht antiquiert ist, sondern den Problemen der Krise gewachsen ist. Aus der breiten Verankerung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken im Retail-Geschäft ergeben sich besonders kleinteilige und stark diversifizierte Kreditportfolios. Ihr Bankgeschäft ist eng an die Realwirtschaft gekoppelt. Angesichts des breiten Einlagengeschäfts kann die von Sparkassen und Genossenschaftsbanken praktizierte Kreditfinanzierung weitgehend unabhängig von den Gegebenheiten an den Kapitalmärkten erfolgen.

Bekenntnis zum dreigliedrigen Bankensystem

Gerade die international tätigen Banken ohne eigene Kundenbasis haben dagegen Probleme bei der Refinanzierung: Am Geldmarkt sind diese Mittel knapp und teuer. Für Anleihen oder Schuldscheine fordern Investoren hohe Risikoprämien oder adäquate Garantien. Eine Lehre daraus, die derzeit von mehreren Privatbanken auch gezogen wird, ist, dass eine Vernachlässigung des breiten Kundengeschäfts sich hier rächt. Die SPD steht zum dreigliedrigen deutschen Bankensystem mit Geschäftsbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen.

Aus der Finanzmarktkrise werden sich entscheidende Lehren auch für die Geschäftspolitik der Banken ergeben. Finanzmarktstabilität beginnt mit der eigenverantwortlichen Risikokontrolle durch die Kreditinstitute selbst. Die Politik wird durch Regulierungen diesem Grundsatz wieder zu Wirksamkeit verhelfen. Gefordert ist somit eine Geschäftspolitik der Banken, die sich dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verschreibt und kurzfristigem Renditedenken entzieht.

Gerhard Schick "Die Verantwortung für diese Krise trägt die Politik"

Dr. Gerhard Schick, Finanzpolitischer Sprecher, Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Berlin

Das ordnungspolitische Credo klingt eindeutig: Der Staat setzt die Regeln, innerhalb dieser Regeln handeln Unternehmen und Verbraucher. Doch gerade im Bankenbereich ist das Regelwerk eng gestrickt, weil das Scheitern einer Bank anders als bei normalen Unternehmen Auswirkungen weit über den Kreis der Kunden, Gläubiger und Zulieferer hinaus hat. Außerdem sind für einen qualitätssteigernden Wettbewerb Regeln nötig, die Kunden in die Lage versetzen, valide Vergleiche von Preis und Qualität vorzunehmen. Die Vorgaben der Regulierer und damit letztlich der Politik, die durch diese Anliegen begründet sind, greifen weit in die Handlungsmöglichkeiten der Banken ein. Das lässt sich zum einen daran sehen, dass zur Antwort auf Produktinnovationen von ausländischen Wettbewerbern häufig Änderungen von Gesetzen oder Verordnungen erforderlich sind.

Marktversagen als Folge falscher Regeln

Zum anderen ziehen Regeländerungen massive Änderungen der Geschäftsstrategie nach sich. So wird beispielsweise bei der OECD argumentiert, dass der Übergang von Basel I zu Basel II sowie eine veränderte Regulierung von Fannie Mae und Freddie Mac zur Gründung von Zweckgesellschaften, zu einer ganz bestimmten Bilanzstruktur und zum exponentiellen Wachstum von hypothekenbesicherten Wertpapieren geführt hat.

Was folgt aus dieser unvermeidbaren Nähe von Regulierung und Geschäftsstrategie? Wie weit darf sie gehen? Einen ersten, für die Politik unangenehmen Aspekt zeigt die Finanzmarktkrise: Das Zusammenbrechen von Märkten und von zahlreichen Finanzdienstleistern ist natürlich Marktversagen. Aber dieses Marktversagen kann anders als unternehmerisches Versagen in Einzelfällen oder konkrete Fälle von Betrug, Untreue oder Falschinformation nicht den Managern der scheiternden Unternehmen angelastet werden. Denn es ist Konsequenz von falschen Regeln und damit eine Folge politischer Fehlentscheidungen. Die Verantwortung für diese Krise tragen deshalb nicht einzelne Bankmanager, sondern trägt die Politik, deren Aufgabe es gewesen wäre, durch geeignete Regulierung für eine stabile Marktentwicklung zu sorgen.

Konzentration auf das Wesentliche

Ein zweiter Aspekt wird am Fall der Sach-sen-LB deutlich: Wessen Aufgabe wäre es gewesen, die exzessive Übernahme von Risiken zu verhindern, die Teil der Geschäftsstrategie war? Darf die Bankenaufsicht eine zu riskante Geschäftsstrategie verhindern? Ja, sie muss, wenn die Gremien der Bank selbst das nicht tun. Wenn Bankenregulierung die Aufgabe hat, negative Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft durch Bankpleiten zu verhindern, dann kann sie diese Aufgabe nicht genau dort abbrechen, wo nicht Einzelfehler zu Problemen führen, sondern die gesamte Geschäftsstrategie dieses Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet.

Außerdem ist der Eingriff, der etwa bei IKB, Sachsen-LB, HRE in letzter Minute vorgenommen wurde, der viel drastischere Eingriff in die Geschäftsstrategie als eine laufende Überprüfung der Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen. Doch diese starke mögliche Einflussnahme hat ein notwendiges Pendant: Regulierung muss sich auf die absolut notwendigen Kontrollen konzentrieren.

Müssen Sparkassen, Genossenschaftsbanken, kleinere Privatbanken, deren Einlagensicherungssysteme oder Prüfverbände bereits intensive Prüfungen vorgenommen haben, noch mal vollständig überprüft werden? Sind alle Monita wirklich zielführend? Nein! Die Stärke von Regulierung liegt nicht in der Masse der Prüfungen, sondern in der Konzentration auf das Wesentliche. Da ist in Deutschland noch viel zu tun.

Ein dritter Aspekt: Die starke Nähe zwischen Regulierern und Regulierten, zwischen Politik und Banken macht das Bankwesen anfällig für "Regulatory Capture", also für die Beeinflussung von Regulierern für die eigenen geschäftlichen Zwecke. Deshalb beobachten wir in fast allen Ländern eine Identifikation von Politik und Banken, eine selbst von gestandenen Ordo-Liberalen kaum hinterfragte Industriepolitik für die nationalen Banken, man spricht von der Stärkung des eigenen Finanzplatzes.

Stärkung der öffentlichen Kontrolle

Nun ist Industriepolitik nicht grundsätzlich ein Übel. Und natürlich soll bei der Regulierung von Banken die Lebensfähigkeit der Institute, die Möglichkeit ihrer Entwicklung und ihre Fähigkeit zur Dienstleistung für Privatkunden, Handwerk, Industrie und andere Dienstleister mitberücksichtigt werden. Doch dürfen die Interessen eben dieser Gruppen nicht unter die Räder kommen. Politik muss fair die langfristigen Interessen der verschiedenen Marktteilnehmer abwägen und darf die Systemstabilität nicht vernachlässigen.

Genau diese beiden Fehler sind aber in den vergangenen Jahren gemacht worden: Industriepolitik zulasten von Verbrauchern und mangelnde Stabilitätsorientierung, zum Beispiel als man Zweckgesellschaften außerhalb der Bilanzen zuließ. Die große Gefahr der "Regulatory Capture" zwingt dazu, "Checks and Balances" einzubauen in das Verhältnis von Regulierern und Regulierten. Es bedarf einer sehr guten öffentlichen Kontrolle jenseits der Fachzirkel, die stets bankennah sind. Finanzmarktpolitik fand in der Vergangenheit in viel zu kleinem Kreis statt. Deswegen ist ja auch die mangelnde öffentliche Kontrolle bei SoFFin keine Lappalie.

"Regulatory Capture" in Reinform ist die Selbstregulierung. Mit Selbstregulierung ist sichergestellt, dass die Interessen von anderen Marktteilnehmern nicht berücksichtigt werden können. Die Marktteilnehmer stehen dann außer im marktlichen Wettbewerb in einem Wettbewerb um die Macht in den eigenen Verbandsstrukturen, damit die Selbstregulierung ihren eigenen Interessen am besten dient. Öffentliche Kontrolle unterbleibt völlig.

Es ist deshalb wenig überraschend, dass die Geschichte der Finanzmärkte eine Serie von unzureichenden Selbstregulierungen enthält. Genau deshalb muss jeder politische Akteur, der seine Verantwortung vor den Wählern ernst nimmt, der Aussage des IIF-Präsidenten und Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann "Wir werden alles tun, um unsere Häuser selbst zu reinigen und dies nicht dem Gesetzgeber zu überlassen" deutlich entgegentreten. Es ist der Gesetzgeber, der national, auf EU-Ebene und international klare rechtliche Rahmen beschließen und wirksame Sanktionen festsetzen muss. Dann können direkte Markteingriffe vermieden werden, die derzeit in Milliardenhöhe erfolgen müssen.

Hermann Otto Solms "Keine neue Rolle für den Staat - Warum wir in der Finanzkrise die Idee der Marktwirtschaft stärken müssen"

Dr. Hermann Otto Solms, MdB, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Berlin

Ohne einen stabilen und leistungsfähigen Finanzsektor kann unsere Volkswirtschaft nicht funktionieren. Eine Neuordnung der internationalen Finanzmärkte ist zwingend notwendig geworden. Aber alle staatlichen Eingriffe müssen letztlich dazu dienen, die Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft zu verbessern.

Asymmetrische Informationsverteilung

Der Finanzsektor ist traditionell ein besonders stark regulierter Wirtschaftsbereich. Gerade Finanzmärkte leiden unter dem Mangel einer ungleichen Verteilung von Informationen. Grundsätzlich hat jeder Kreditnehmer seinem Geldgeber gegenüber einen Informationsvorsprung. Wegen dieser asymmetrischen Verteilung von Informationen ist auch unter liberalen Ökonomen die Regulierung in keinem anderen Wirtschaftszweig derart akzeptiert wie in der Finanzindustrie.

Das Ziel und die Rechtfertigung jeder Regulierung ist der funktionsfähige Wettbewerb. Die Finanzkrise ist letztlich die Folge unzureichender volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Märkte funktionieren. Markt und Wettbewerb müssen politisch abgesichert werden. Das erfordert einen starken Staat, aber gleichzeitig eine Selbstbindung, eine Selbstbeschränkung des Staates, der nicht als Marktteilnehmer agieren darf.

Die akuten staatlichen Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte waren unumgänglich und richtig. Nun müssen die tiefer liegenden Ursachen der Finanzkrise Schritt für Schritt beseitigt werden. Die Krise der Finanzwelt zeigt, dass die systemischen Risiken in der Vergangenheit zu wenig berücksichtigt wurden. So konnte es geschehen, dass sich Unsicherheiten und falsche Risikobewertungen zu einer internationalen Lawine aufbauen, die das gesamte System bedrohen.

Fehler sind unvermeidbar und können, richtig gehandhabt, eine Quelle von Lernprozessen und zukünftiger Innovation sein. Aber sie dürfen nicht derart gravierende Auswirkungen entfalten, wie wir es gegenwärtig in der Finanzkrise erleben. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, in Zukunft die Fehlertoleranz des Finanzsystems zu erhöhen. Fehler müssen möglich sein, ohne dass es dadurch zu einer Destabilisierung des gesamten Systems kommt. Fehler dürfen nur eine begrenzte Auswirkung haben. Sie müssen auf ihre Urheber zurückfallen. Andere dürfen nicht gefährdet werden. Das Verursacherprinzip muss unbeschränkt gelten.

Enorme Reaktionsgeschwindigkeit

Hinzu kommt, und das ist die neue Qualität in dieser Finanzkrise, dass Fehler sich mit enormer Geschwindigkeit durch das ganze System hindurch weltweit ausgebreitet haben. Die Globalisierung ist gerade auf den Finanzmärkten sehr stark vorangeschritten: Wir haben international vernetzte Märkte, die Kosten weltweiter Transaktionen sind extrem gesunken und dank moderner Technologien werden Informationen "just-in-time" weitergegeben. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Märkte hat sich enorm beschleunigt.

Hier bedarf es kluger Regulierung. Und hier ist die Politik gefragt. Es wird nicht möglich sein, und es ist auch nicht sinnvoll, zurückzukehren in die vermeintlich "guten" alten Zeiten, als es noch gemächlicher zuging und Finanzgeschäfte eng mit der persönlichen Beziehungspflege verknüpft waren. Manche überschießende Regulierungsfantasie scheint dieses vermeintliche Idyll vor Augen zu haben, wenn gefordert wird, die Banken müssen sich besinnen auf das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft. So unverzichtbar dieses Geschäft auch ist und obwohl es sich in der gegenwärtigen Krise als stabilisierender Faktor erweist: Der Weg zurück steht uns nicht offen. Ein solches System der Finanzierung allein wäre auch den heutigen Anforderungen gar nicht gewachsen. Das wäre, als wollten wir mit der Pferdekutsche auf die Autobahn.

Größere Transparenz

Wir müssen die Vorteile der globalisierten Finanzmärkte auch in Zukunft nutzen. Aber wir müssen dabei sicherstellen, dass Risiken von denen zu tragen sind, die sie eingehen und wir müssen zweitens Mechanismen finden, die die Geschwindigkeit und die Reichweite begrenzen, mit denen sich Krisenherde ausbreiten.

Das öffentliche Interesse an einem stabilen Finanzsektor muss nun durch verbesserte Regulierung und verbesserte Aufsicht - national wie international - durchgesetzt werden. Die notwendige Reform der Finanzmarktordnung muss eine größere Transparenz zum Ziel haben. Außerdem brauchen wir eine Abkehr von der übermäßigen Konzentration auf kurzfristige Gewinne. Die Vergütungssysteme der Bankmanager müssen sich am langfristigen Unternehmenserfolg orientieren. Wir brauchen eine nachhaltige Kreditkultur. Die Überlegungen der EU-Kommission einen Selbstbehalt des Urhebers von Kreditverbriefungen einzuführen, zielen in die richtige Richtung.

Sinnvolle Anreize müssen Vorrang haben vor punktuellen Eingriffen. Die Anreizstrukturen müssen so ausgerichtet werden, dass Regulierungsarbitrage vermieden wird. Es darf keine weißen Flecken auf der Aufsichtslandkarte geben. Wir brauchen gleiche Regeln für gleiches Geschäft. Ein ganz wesentlicher Ansatzpunkt ist die Stärkung der Eigenkapitalbasis. Die Finanzinstitute sollten Mindesteigenkapitalquoten haben, die verbindlich nach international gleichen Standards festgelegt werden.

Die Rolle der Ratingagenturen muss neu geordnet werden. Die staatliche Aufsicht im Finanzsektor muss sich auf möglichst alle Akteure erstrecken. Die Errichtung einer unabhängigen europäischen Einrichtung zum Beispiel nach dem Vorbild einer Stiftung Warentest sollte geprüft werden. Das deutsche Modell einer Doppelzuständigkeit in der Bankenaufsicht hat sich nicht bewährt. Sinnvoller ist es die Bankenaufsicht insgesamt bei der unabhängigen Bundesbank anzusiedeln. Neben regulatorischen Lücken einerseits, gab es an anderer Stelle zu viel staatliche Einmischung: Insbesondere die Landesbanken haben sich in der Finanzkrise als Risikofaktor für das deutsche Finanzsystem erwiesen. Die Bundesländer sollten sich aus den Landesbanken schnell zurückziehen.

Selbstbeschränkung auf die Ausgestaltung des Ordnungsrahmens

Es ist eine Schwäche des deutschen Systems, dass der Staat als Banker agiert. Wir sollten uns besser auf unsere Stärken besinnen, auf einen starken Staat im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. Wir brauchen einen Staat, der sich auf die Ausgestaltung des Ordnungsrahmens konzentriert, die Einhaltung der Regeln überwacht und so dafür sorgt, dass die Finanzmärkte ihre volkswirtschaftliche Aufgabe erfüllen und damit dem Wohl aller dienen.

Axel Troost "Den Finanzsektor als öffentliches Gut begreifen"

Dr. Axel Troost, Finanzpolitischer Sprecher, Bundestagsfraktion DIE LINKE, Berlin

Die hektischen Bemühungen nationaler Regierungen und Parlamente zur Stützung kriselnder Finanzinstitute haben deutlich gemacht, dass sich praktisch alle politischen Kräfte der systemischen Bedeutung des Finanzsektors wohl bewusst sind. Weder von marktradikaler Seite noch von sozialistischer Seite wurde ernsthaft die Option erwogen, das Finanzsystem kollabieren zu lassen. Diese seltene Einigkeit über sonstige politische Differenzen hinweg veranschaulicht, welches Gefahrenpotenzial dem Finanzsektor im Fall einer potenziellen Systemkrise zugeschrieben wird. Es kam nicht von ungefähr, dass der Deutsche Bundestag ein Gesetz, das Finanz- und Garantiezusagen im Volumen von fast zwei Jahreshaushalten des Bundes umfasste, innerhalb einer einzigen Woche durchgewunken hat und sich das Parlament dabei weitgehend seiner Mitwirkungsrechte in der Umsetzung des Gesetzes berauben ließ.

Eine andere Lesart des Wortes Gefahrenpotenzial ist der Begriff Drohpotenzial. Aus demokratischer Perspektive ist es natürlich stets fragwürdig, wenn einem einzelnen Sektor der Ökonomie ein solches Bedrohungspotenzial zur Verfügung steht. Natürlich haben auch andere Wirtschaftssektoren systemische Bedeutung, wie zum Beispiel der Transport- oder Energiesektor. Aber in keinem Sektor sind die Verflechtungen und potenziellen Folgewirkungen einzelner Unternehmenszusammenbrüche von so weitreichender und zugleich unabsehbarer Dimension wie im Finanzsektor.

Geschäftsmodelle bewerten

Im Umkehrschluss ist daraus zu folgern, dass der Staat der Stabilität und nachhaltigen Handlungsweise eines solchen Sektors große Aufmerksamkeit schenken muss. Das ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht im angemessenen Umfange geschehen und dafür zahlen die Steuerzahler und die Menschen, deren Arbeitsplatz im Zuge der Wirtschaftskrise nun bedroht oder schon verloren gegangen ist, einen sehr hohen Preis.

Die Sorgfaltspflicht des Staates muss sich daher auch auf die Geschäftsmodelle einzelner Institute erstrecken. Wenn eine Bank, wie zum Beispiel die Hypo-Real- Estate-Tochter Depfa in Irland, mit einem Geschäftsmodell operiert, das bei kurzfristigen Engpässen im Interbankenmarkt zur Illiquidität führt, so hätte das von Anfang an die Bankenaufsicht auf den Plan rufen müssen. Die BaFin und das Bundesfinanzministerium werden nicht müde zu betonen, es sei nicht ihre Aufgabe, Geschäftsmodelle zu bewerten. Wer aber, wenn nicht demokratische Politik, hat die Legitimation, Banken Geschäftsmodelle zu untersagen, die im Fall eines Stresstests wie die Glieder eines Kettenbriefs zerbersten? Das gilt umso mehr für öffentlichrechtliche Institute wie die Landesbanken, die zum Teil sehr fragwürdige Geschäftsmodelle hatten.

Die Bundestagsfraktion Die Linke hat daher mit Blick auf Finanzprodukte eine Beweislastumkehr vorgeschlagen: Neue, "innovative" Finanzprodukte sollten einer Zulassungspflicht durch einen Finanz-TÜV unterworfen werden, statt wie bislang so lange erlaubt zu sein, bis sie aufgrund belastbarer Erfahrungen beschränkt werden konnten. Niemand würde heutzutage sagen, dass 60-Tonnen-LKW mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h aufgrund ihres Effizienzpotenzials solange erlaubt sein sollten, bis sich schwere Unfälle häufen. Im Finanzsektor ist aber genau dies der Fall, und zwar mit der Begründung, die Banken beziehungsweise Anleger würden, analog dem LKW-Fahrer, schon aus eigenem Interesse am besten darauf achten, kein zu großes Risiko einzugehen.

Bei der Geschwindigkeit, mit der in den vergangenen Jahren "Finanzinnovationen" erfunden wurden, konnte eine parallele und seriöse Folgenabschätzung von Aufsichtsbehörden unmöglich geleistet werden. Es ist ein Versagen der etablierten Politik und der Aufsichtsbehörden, das nicht offen eingestanden zu haben.

Rückbesinnung auf die Dienstleistungsfunktion

Ein anderer Aspekt betrifft die Verteilung von Gewinnen und Verlusten. Aus den genannten Gründen verbleibt die Klage, in der Krise würden Verluste sozialisiert, auf sehr akademischem Niveau. Wenn es im Interesse der Gesamtwirtschaft zur Stützung des Finanzsystems mit Steuermitteln keine Alternative gibt, sollte man sich stattdessen eher fragen, in welchem Umfange es sich das Gemeinwesen leisten kann, die Gewinne des Finanzsektors in Nicht-Krisenperioden zu privatisieren.

Hier ist zumindest für die zu Recht viel gescholtenen Landesbanken festzustellen, dass sie in guten Zeiten auch gutes Geld an Länderhaushalte und Sparkassen ausgeschüttet haben. Die auf die regionale Realwirtschaft beschränkten Sparkassen schreiben noch heute, in der Krise, große schwarze Zahlen, die in vielen Städten gemeinwohlorientierte Infrastrukturen wie Sportvereine, Dorffeste oder Parks und Parkbänke finanziell wesentlich mittragen.

Der Finanzsektor der Zukunft muss sich wieder sehr viel stärker auf seine Dienstleistungsfunktion für die Realwirtschaft besinnen, also das tun, was Sparkassen und Genossenschaftsbanken satzungsgemäß leisten, und was etliche Landesbanken im Interesse ihres Überlebens ganz schnell wieder lernen müssen. Diese "Besinnung" kommt aber nicht von alleine, sondern nur mit der Vorgabe neuer politischer Leitbilder durch Staat und Gesellschaft. Und solche Leitbilder können nie glaubwürdiger und nachhaltiger sein als die Politik, die sie vorgibt.

Offensive zur "demokratischen Kontrolle"

Die Bürger, die nun für die Stabilisierung des Finanzsektors bürgen und bezahlen, haben ein Recht, dass die Banken der Zukunft strikter reguliert und besser beaufsichtigt werden. Eine solche Offensive zur "demokratischen Kontrolle" der Finanzmärkte wird aber leider nie besser sein als die Politik selbst. Ob sich "demokratische Kontrolle" also in politischem Filz erschöpft, wie es die Skandale um die Berliner Landesbank oder die WestLB veranschaulicht haben, oder ob es zu einer wirklichen "geistig-moralischen Wende" in der Ausrichtung des Finanzsektors kommt, hängt von der Integrität und Kompetenz gewählter Politiker, von den Beschäftigten im Finanzsektor und vom gesamtgesellschaftlichen Klima ab.

Die Zwischenüberschriften in den Stellungnahmen sind allesamt von der Redaktion eingefügt.

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