Aufsätze

Psychologie, soziodemografische Faktoren und Anlegerverhalten

Eine grundlegende Prämisse der klassischen Finanztheorie ist, dass Investoren rational handeln. Verschiedene Untersuchungen sprechen jedoch dafür, dass das Verhalten von Investoren nicht immer rational und teilweise sogar systematisch irrational ist. In vielen Studien wurde ein beständiges Fehlverhalten von Investoren gezeigt. Es haben sich Verhaltensmuster etabliert, die dieses Fehlverhalten beschreiben. Im vorliegenden Aufsatz werden einige dieser Verhaltensmuster vorgestellt. Dabei wird der bestehende Forschungsstand kurz dargestellt. Bisherige Studien auf diesem Gebiet beziehen sich überwiegend auf den anglo-amerikanischen Markt. Die dargestellten Verhaltensmuster werden für Privatanleger aus Deutschland empirisch überprüft. In deutschen Unternehmen spielt traditionell die Finanzierung über Banken eine wichtige Rolle, während die Finanzierung über den Kapitalmarkt weniger bedeutend ist als beispielsweise in den USA, Großbritannien oder anderen angelsächsischen Staaten. Im Jahr 2010 hielten nur 5,3 Prozent der deutschen Bevölkerung Aktien. In den USA und in Großbritannien sind dies mit 25,4 Prozent und 23,0 Prozent deutlich mehr.1) Somit ist von Interesse, ob es Verhaltensunterschiede zwischen deutschen Anlegern und Anlegern weiter entwickelter Kapitalmärkte wie den USA oder Großbritannien gibt. Im Zentrum der Untersuchung stehen zwei Forschungsfragen:

1. Verhalten sich deutsche Anleger gemäß der Verhaltensmuster der Behavioral Finance?

2. Gibt es Unterschiede im Verhalten verschiedener soziodemografischer Gruppen von Privatanlegern?

Dabei werden die soziodemografischen Eigenschaften Erfahrung, höchster Bildungsabschluss und Brutto-Jahreseinkommen einer Person betrachtet. Es wird also gezeigt, wie die genannten Attribute das Verhalten von Anlegern beeinflussen.

Verhaltensmuster

Self-Attribution Bias: Unter der Neigung zur Selbstzuschreibung versteht man die ungleiche Interpretation von Erfolg beziehungsweise Misserfolg: Menschen tendieren dazu, den Grund für ein gutes Ergebnis ihren eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben, während sie ein schlechtes Ergebnis oftmals mit externen Faktoren erklären, auf die sie keinen Einfluss haben.2) Choi und Dong (2008) untersuchten und bestätigten die Neigung zur Selbstzuschreibung am Finanzmarkt für institutionelle Anleger.3) Bei Erfolgen konnte ein übermäßiges Selbstbewusstsein festgestellt werden, das sich darin äußert, dass die Anleger vermehrt in Branchen investieren, mit denen sie wenig vertraut sind.

Equity Home Bias: Beim Treffen von Entscheidungen spielt das Kriterium der Vertrautheit eine wesentliche Rolle. Werden Personen vor die Wahl zwischen zwei Glücksspielen gestellt, bei denen die Wettchancen gleich sind, bevorzugen sie typischerweise das Spiel, mit dem sie vertrauter sind. Oftmals wird sogar das vertrautere Spiel bevorzugt, wenn die Chancen bei diesem schlechter stehen als bei dem weniger vertrauten Spiel.4) Auch Anleger entscheiden sich bevorzugt für solche Aktien, mit denen sie vertraut sind.5) Typischerweise kennen Investoren die im eigenen Land ansässigen Unternehmen besser als Unternehmen aus dem Ausland und kaufen deshalb überproportional viele heimische Aktien. Dieser sogenannte Equity Home Bias kann für zahlreiche Staaten festgestellt werden. So bestätigten ihn Strong und Xu (2003) für Anleger aus den USA, Japan und verschiedenen europäischen Staaten.6)

Besitztumseffekt: Dieser Effekt beschreibt, dass Personen den Wert eines Gutes höher einschätzen, wenn sie das Gut besitzen, als wenn das Gut nicht in ihrem Besitz ist. Dies führt dazu, dass bei einem Handelsgeschäft der gebotene Preis eines Objekts oftmals geringer ist als der objektive Wert. Auf der anderen Seite ist der geforderte Preis typischerweise höher als der objektive Wert. Auch Investoren lassen sich durch den Besitztumseffekt in ihrem Verhalten beeinflussen. Dieser wurde in einer amerikanischen Studie von Samuelson und Zeckhauser (1988) festgestellt.7) Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde überprüft, ob der Besitztumseffekt auch für deutsche Anleger zu beobachten ist.

Verankerung: Dieser Begriff verdeutlicht, dass Personen, welche eine Entscheidung unter Unsicherheit treffen, einen Orientierungspunkt suchen, der sie bei der Entscheidung beeinflusst. Dies geschieht auch, wenn der Orientierungspunkt objektiv gesehen keinerlei Relevanz für die Entscheidung besitzt. Die Entscheider verankern sich an dem Orientierungspunkt und passen ihre Entscheidung dann von diesem aus an. Tversky und Kahnemann (1974) und später He und Shen (2009) haben dieses Phänomen empirisch überprüft und bestätigt.8)

Repräsentativitätsheuristik: Die Wahrscheinlichkeit, ob ein Ereignis zu einer Grundgesamtheit gehört, wird danach eingeschätzt, ob dieses Ereignis repräsentativ für die Grundgesamtheit ist. Bei auf den ersten Blick gleich erscheinenden Dingen wird also davon ausgegangen, dass die Dinge tatsächlich gleich sind.9) Problematisch ist, dass das Anwenden von Repräsentativitätsheuristiken zu einer fehlerhaften Einschätzung führen kann.

So kann beispielsweise eine hohe Gemeinsamkeit von Ereignis und Grundgesamtheit bei der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten irreführend sein: Typischerweise wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis zu einer Grundgesamtheit gehört, überschätzt, wenn das Ereignis die Grundgesamtheit in ihrer Zusammensetzung in einem hohen Maße repräsentiert. Auch bei einer großen Abweichung zwischen Ereignis und Grundgesamtheit kommt es oft zu Fehlern: In diesem Falle wird häufig die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis zu einer Grundgesamtheit gehört, zu niedrig eingeschätzt. Dass durch Repräsentativitätsheuristiken systematische Fehler begangen werden, wurde zuerst von Tversky und Kahneman (1974) beobachtet.10)

Herdenverhalten: In mehreren Studien wurde festgestellt, dass Menschen sich bei ihren Entscheidungen von den Entscheidungen anderer Menschen beeinflussen lassen. So passen sich Personen oftmals dem Verhalten einer Gruppe an, weil es ihnen unangenehm ist, als nicht normal wahrgenommen zu werden.11) Sozialer Druck kann also zu gruppenkonformem Verhalten führen. Allerdings konnte auch bei anonym getroffenen Entscheidungen gezeigt werden, dass sich Menschen der Mehrheit anschließen. Hier wird das Verhalten damit erklärt, dass sich Menschen bei ihren Entscheidungen auf die Mehrheit verlassen.12) Belsky und Gilovich (2007) bestätigten Herdenverhalten bei amerikanischen Anlegern.13) Für die vorliegende Untersuchung wurde aufgrund der Ergebnisse der bisherigen Studien erwartet, dass deutsche Anleger entsprechend der beschriebenen Verhaltensmuster agieren. Vermutet wurde außerdem, dass Personen mit größerer Erfahrung, höherem Bildungsniveau und höherem Jahreseinkommen weniger zu den durch die Verhaltensmuster beschriebenen Fehlern neigen.

Untersuchungsmethodik

Die Verhaltensmuster wurden mit einer empirischen Untersuchung überprüft. Zur Erhebung der Daten wurde eine quantitative Forschungsmethode ausgewählt. Es erfolgte eine standardisierte schriftliche Befragung mittels eines Internet-Fragebogens. Teilnehmer der Befragung waren Kunden der Direktbank Cortal Consors. Insgesamt wurden 1 300 Kunden angeschrieben. Davon haben 890 Personen die Umfrage beendet.

Dieser Stichprobenumfang bietet bezüglich der Signifikanz der Ergebnisse von inferenzstatistischen Analysen ausreichende Voraussetzungen. Die genauen Fragestellungen sind im Anhang (siehe Hinweis am Ende des Beitrags) aufgeführt. Die Befragung fand in der Zeit von Freitag, den 22. Juli 2011 bis Montag, den 25. Juli 2011 statt. Die Bearbeitungszeit des Fragebogens lag bei etwa fünf Minuten.

Self-Attribution Bias

Um zu überprüfen, ob Anleger nach dem Self-Attribution Bias handeln, wurde der Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Aktienportfolios im Verhältnis zum Vergleichsindex und dem angegebenen Grund in einer Kreuztabelle dargestellt (siehe Tabelle 1).

Daran ist bereits zu erkennen, dass die vermutete Beziehung tatsächlich bestehen könnte. Es zeigt sich, dass ein Chi-Quadrat-Test auf dem 0,01-Niveau signifikant ist (Chi-Quadrat nach Pearson = 23,28 (df = 8); p = 0,003). Die Variablen sind somit nicht unabhängig. Die Korrelation nach Spearman ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (r = - 0,91; p = 0,007). Die Variablen sind also negativ korreliert. Anleger neigen somit tatsächlich zum Self-Attribution Bias. Außerdem wurde erwartet, dass dieser mit steigender Erfahrung, steigendem Bildungsniveau und steigendem Einkommen zurückgeht. Um dies zu überprüfen, wurde eine logistische Regression durchgeführt.

(1) Formel

(2) Formel

Die abhängige Variable pk zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person nach dem Self-Attribution Bias handelt. Beta 0 ist eine Konstante und Beta j sind die Regressionskoeffizienten. xj sind die unabhängigen Variablen Erfahrung, Bildungsniveau und Einkommen. Um die Signifikanz zu berechnen wurde ein Wald-Test durchgeführt. Es ergibt sich folgende Regressionsgleichung:

(3) Formel

Es ist ausschließlich die Variable Bildung signifikant (Wald= 5,888 (df= 1); p=0,01). Eine höhere Bildung verringert die Wahrscheinlichkeit für den Self-Attribution Bias.

Equity Home Bias

Ob Anleger Anlagen auf dem Heimatmarkt übergewichten, wurde mit Hilfe des T-Tests bei einer Stichprobe überprüft. Es wurde getestet, ob sich der Anteil deutscher Aktien, den deutsche Anleger bei der Portfoliozusammenstellung wählen würden, signifikant vom tatsächlichen Anteil deutscher Aktien am MSCI World von 4,06 Prozent unterscheidet.14) Der Mittelwert des Anteils deutscher Aktien, den die Befragten bei der Portfoliozusammenstellung wählen würden, betrug 54,77 Prozent, sodass sich eine mittlere Differenz von 50,705 Prozent zwischen dem von den Befragten gewählten Anteil und dem Testwert von 4,06 Prozent ergab. Dieser Unterschied zwischen Mittelwert und Testwert ist auf dem 0,01-Niveau nicht überzufällig (T= 64,46 (df= 889); p< 0,001). Dies bestätigt den Equity Home Bias.

Es wurde vermutet, dass der Equity Home Bias mit steigender Erfahrung sowie steigendem Bildungsniveau und Einkommen zurückgeht. Zur Überprüfung wurde eine lineare Regression durchgeführt.

(4) Formel

y steht für den Anteil deutscher Aktien, den eine Person auswählt, Beta 0 für eine Konstante und Beta j für die Regressionskoeffizienten. xj steht für die unabhängigen Variablen Erfahrung, Bildungsniveau und Einkommen. Es ergibt sich folgende Gleichung:

(5) Formel

Keiner der Koeffizienten ist signifikant von Null unterschiedlich.

Der Besitztumseffekt wurde mit Hilfe des Wilcoxon-Tests für abhängige Gruppen überprüft. Dazu wurden die Teilnehmer mit zwei Fragen konfrontiert. Bei der ersten wurden sie gefragt, ob sie eine vor zwei Jahren für 200 Euro gekaufte Kommode, deren Wert mittlerweile auf 500 Euro gestiegen sei, für 500 Euro verkaufen würden. Bei der zweiten Frage ging es darum, ob sie dieselbe Kommode für 500 Euro kaufen würden, wenn sie diese noch nicht besitzen würden. Wie aus Tabelle 2 ersichtlich ist, antworteten auf die erste Frage 32,2 Prozent der Befragten mit Ja und 67,8 Prozent der Befragten mit Nein. Bei der zweiten Frage antworteten 25,4 Prozent mit Ja und 74,6 Prozent mit Nein. Bei der Interpretation dieser Zahlen muss die spiegelbildliche Stellung der Fragen berücksichtigt werden: Bei der zweiten Frage wurde danach gefragt, ob die Teilnehmer die Kommode kaufen würden, während bei der ersten Frage nach einem Verkauf gefragt wurde. Ein Ja bei der zweiten Frage entspricht also einem Nein bei der ersten Frage und umgekehrt. Anschließend wurde überprüft, ob sich die Einschätzung des Wertes bei den zwei Stichproben signifikant unterscheidet. Der Wilcoxon-Test ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (Z=- 17,87; p< 0,001). Der Besitztumseffekt konnte also bestätigt werden. Außerdem wurde erwartet, dass dieser mit zunehmender Erfahrung, zunehmendem Bildungsniveau und zunehmendem Einkommen zurückgeht. Es wurde eine logistische Regression durchgeführt:

(6) Formel

Dabei ist jedoch keiner der Koeffizienten signifikant.

Im Rahmen der Untersuchung wurde überprüft, ob sich Anleger von irrelevanten Ankerinformationen beeinflussen lassen. Die beiden bei der Untersuchung relevanten Variablen beziehen sich auf zwei Entfernungen, welche die Teilnehmer der Befragung zu schätzen hatten. Die erste Entfernung galt der Strecke Boston - New York City - München und die zweite Entfernung der Strecke Sydney - Tokio - Shanghai. Tatsächlich ist die erste Entfernung kürzer als die zweite Entfernung. (Die Strecke Boston - New York City - München ist nur 6 769 km lang, während die Strecke Sydney - Tokio - Shanghai 9 580 km lang ist.) Bevor die Entfernungen zu schätzen waren, wurden den Befragten mit 10 000 km für die erste und 5 000 km für die zweite Strecke zwei Ankerinformationen gegeben.

Es zeigte sich, dass die Befragten die erste Entfernung mit einem arithmetischen Mittel von 9 463 km höher schätzten als die zweite Entfernung mit einem arithmetischen Mittel von 8571 km.

Diese Tatsache gibt bereits einen ersten Hinweis darauf, dass sie zu Verankerung neigen. Der Wilcoxon-Test ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (Z=-6,44; p< 0,001). Die logistische Regression zeigt, wie die soziodemografischen Merkmale Verankerung beeinflussen:

(7) Formel

Der Regressionskoeffizient für Bildung ist auf dem 0,01-Niveau (Wald= 6,921 (df= 1); p= 0,009) und der für Einkommen auf dem 0,05-Niveau signifikant (Wald= 5,999 (df= 1); p= 0,014). Am negativen Vorzeichen der Koeffizienten für die beiden signifikanten Variablen ist zu erkennen, dass eine höhere Bildung und ein höheres Einkommen die Wahrscheinlichkeit für Verankerung verringern. Der Koeffizient für Erfahrung ist nicht signifikant.

Repräsentativitätsheuristiken

Des Weiteren wurde überprüft, ob Anleger Wahrscheinlichkeiten/Häufigkeiten aufgrund von Repräsentativitätsheuristiken falsch einschätzen. Dazu wurden die Teilnehmer gefragt, worauf sie einen Einsatz von zehn Euro bei einem Münzwurf setzen würden, wenn zuvor zweimal hintereinander Zahl gefallen ist. Es wurde ein Chi-Quadrat-Anpassungstest durchgeführt. Dabei wurden gleiche Häufigkeiten für die beiden Ausprägungen Kopf und Zahl erwartet. Der Test ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (Chi-Quadrat= 168,01 (df=1); p< 0,001). Repräsentativitätsheuristik wurde somit bestätigt.

Es wurde erwartet, dass das Anwenden von Repräsentativitätsheuristiken mit steigender Erfahrung, steigendem Bildungsniveau sowie steigendem Einkommen zurückgeht. Zur Überprüfung wurde wieder eine logistische Regression durchgeführt:

(8) Formel

Der Koeffizient für die Variable Bildung ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (Wald = 20,530 (df= 1); p= 0,000). Ein höheres Bildungsniveau verringert die Wahrscheinlichkeit für Repräsentativitätsheuristik. Die Koeffizienten für Erfahrung und Einkommen sind nicht signifikant.

Herdenverhalten

Es wurde erwartet, dass Anleger sich von anderen Anlegern beeinflussen lassen und somit nicht unabhängig entscheiden. Die Teilnehmer wurden gefragt, ob sie sich von einem Aktienverkauf eines Freundes bei ihrer Anlageentscheidung beeinflussen lassen würden. Beim Chi-Quadrat-Anpassungstest wurden für beide Variablenausprägungen die gleichen Häufigkeiten erwartet. Tatsächlich wählten 14,9 Prozent der Teilnehmer die Antwort "negativ. Ich würde vom Kauf dieser Aktien nun eher Abstand nehmen", während sich nur 2,1 Prozent für "positiv. Ich würde die Aktien nun eher kaufen als vorher" entschieden. 82,9 Prozent wählten "neutral. Das Verhalten des Freundes würde mein Verhalten nicht beeinflussen". Auf dem 0,01-Niveau ist der Test signifikant (Chi-Quadrat=85,50 (df= 1); p< 0,001). Die Erwartung wurde bestätigt: Anleger lassen sich beeinflussen. Es wurde vermutet, dass Herdenverhalten mit steigender Erfahrung, steigendem Bildungsniveau und steigendem Einkommen zurückgeht. Wieder wurde eine logistische Regression durchgeführt:

(9) Formel

Der Koeffizient für Erfahrung ist auf dem 0,05-Niveau signifikant (Wald= 6,074 (df= 1); p= 0,014). Das Vorzeichen ist negativ: eine große Erfahrung geht also mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einher, dass sich eine Person beeinflussen lässt.

Self-Attribution und Equity Home Bias bestätigt

Der Self-Attribution Bias konnte durch die Untersuchung für Privatanleger bestätigt werden. Die Ergebnisse befinden sich im Einklang mit der Studie von Choi und Dong (2008).15) Insbesondere in Phasen allgemein steigender Kurse kann sich der Self-Attribution Bias für Anleger nachteilig auswirken. Je höher die Preise steigen, umso größer wird tendenziell das Selbstbewusstsein der Anleger, da diese das Steigen der Kurse als einen Erfolg betrachten, den sie gemäß des Self-Attribution Bias typischerweise auf ihre eigenen Fähigkeiten zurückführen. Dies kann dazu führen, dass Anleger nahe dem Höhepunkt der Kursentwicklung ihre Aktienbestände aufstocken, weil sie gerade in solchen Phasen besonders euphorisch sind und sich besonders stark überschätzen.

Der Equity Home Bias wurde durch die Studie ebenfalls bestätigt. Die befragten Investoren könnten ihr Risiko bei gleicher Rendite durch eine Senkung des Anteils deutscher Aktien verringern. Die Ergebnisse bestätigen die Befunde von Strong und Xu (2003).16) Durch Aufklärung könnten unnötige, durch unvollständige Diversifikation entstandene Risiken gemindert werden. Ein Problem stellte die Auswahl eines angemessenen Vergleichsindex dar. Im MSCI World sind nämlich, auch wenn der Name dies vermuten lässt, nicht alle Staaten der Welt repräsentiert. Stattdessen enthält der Index nur Aktien aus 23 entwickelten Staaten. Emerging Markets sind im MSCI World nicht vertreten. Insofern ist der Anteil deutscher Aktien am MSCI World kein perfekter Vergleichsmaßstab. Allerdings würde das Ergebnis durch eine Berücksichtigung der nicht im MSCI World enthaltenen Staaten noch eindeutiger und somit erst recht signifikant ausfallen. Ein Index, der neben den entwickelten Staaten auch Emerging Markets beinhaltet, dafür jedoch andere Schwächen aufweist, ist der MSCI All Country World.

Besitztumseffekt und Verankerung belegt

Das Ergebnis der Untersuchung bestätigt ferner den Besitztumseffekt und befindet sich somit im Einklang mit dem Ergebnis von Samuelson und Zeckhauser (1988).17) Die zeitliche Entwicklung des Besitztumseffekts wurde in der vorliegenden Studie dagegen nicht überprüft. Dabei wäre es beispielsweise interessant zu erfahren, ob der Besitztumseffekt mit zunehmender Haltedauer zunimmt; ob also die Bindung zu einem Objekt mit zunehmender Haltedauer stärker wird. Dies könnten zukünftige Studien versuchen zu beantworten.

Verankerung wurde ebenfalls bestätigt. Die Ergebnisse befinden sich im Einklang mit den Ergebnissen von Tversky und Kahneman (1974).18) Ein typischer Bezugspunkt, der Anleger bei der Entscheidung, ob eine Aktie verkauft wird, beeinflusst, ist der Einstiegspreis. Beim Treffen der Verkaufsentscheidung sollte dieser Wert für rational handelnde Investoren eigentlich keine Rolle spielen. In der Praxis werden Aktien mit einem Buchverlust jedoch oftmals lange gehalten, weil Anleger den Verlust, der beim Verkauf der Aktie auftreten würde, nicht realisieren wollen. Aktien mit einem Buchgewinn werden dagegen oftmals schnell verkauft, um den entstandenen Gewinn mitzunehmen. Eine solche Orientierung am Kaufpreis ist irrational.

Repräsentativitätsheuristiken und Herdenverhalten spielen eine Rolle

Es zeigte sich, dass Repräsentativitätsheuristiken Anleger bei ihrer Entscheidungsfindung beeinflussen. Bei der durchgeführten Untersuchung ist offensichtlich ein großer Teil der Befragten der Meinung, dass nach einer Serie, bei der Zahl geworfen wurde, es relativ wahrscheinlicher ist, dass als nächstes Kopf geworfen wird. Dies könnte man damit erklären, dass die Befragten insgeheim davon ausgehen, dass bei einer sehr hohen Anzahl von Münzwürfen sich Zahl und Kopf in etwa die Waage halten werden. Tatsächlich ist allerdings bei jedem einzelnen Wurf die Wahrscheinlichkeit, dass Kopf fällt, genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass Zahl fällt. Auch in der Anlagepraxis spielen Repräsentativitätsheuristiken eine Rolle. Beispielsweise werden oftmals gute Investments mit guten Unternehmen verwechselt. So extrapolieren Anleger häufig hohe Steigerungsraten von Unternehmensgewinnen der Vergangenheit zu weit in die Zukunft. Wenn Anleger sys tematisch von einem hohen und lang anhaltenden Gewinnwachstum in der Zukunft ausgehen, kann es zu einer Überbewertung sogenannter Growth Stocks kommen. Dieses Phänomen unter

-suchten Lakonishok, Shleifer und Vishny (1994).19) Es konnte bestätigt werden, dass sich Anleger beeinflussen lassen. Je mehr Menschen einer Meinung sind, desto stärker beeinträchtigt dies andere Personen bei ihrer Entscheidung. Schließlich entsteht ein Konsens. Wenn viele Akteure nach diesem Konsens handeln, kann es zum Herdenverhalten kommen.20) Am Finanzmarkt kann solches Herdenverhalten zu Übertreibungen führen.21) Wenn aufgrund dieser Übertreibungen starke Unterschiede zwischen Preis und Wert vorherrschen, befindet sich der Markt in einem Ungleichgewicht, das über kurz oder lang wieder abgebaut werden muss. Derartige Anpassungen können weitreichende Folgen für die Realwirtschaft haben.22)

Die Tabelle 6 gibt einen Überblick über die Ergebnisse der multivariaten Analyse (* zeigt Signifikanz auf dem 0,1-Niveau, ** auf dem 0,05-Niveau und *** auf dem 0,01-Niveau). Es ist zu erkennen, dass insgesamt drei Regressionskoeffizienten auf dem 0,01-Niveau und zwei weitere auf dem 0,05-Niveau signifikant sind.

Diese fünf Koeffizienten beeinflussen das Verhalten in der vorhergesagten Richtung. Allerdings ist zu konstatieren, dass die meisten Koeffizienten nicht signifikant sind. Die Variable, die das Verhalten am besten vorhersagt ist Bildungsniveau. Bildungsniveau beeinflusst drei abhängige Variablen signifikant: Self-Attribution Bias, Verankerung und Repräsentativitätsheuristik.

Verbesserung des Anlegerschutzes

Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie sollten genutzt werden, um den Anlegerschutz zu verbessern. Insbesondere in Anbetracht der jüngeren Entwicklungen an den Finanzmärkten besteht hier Handlungsbedarf. Exemplarisch erwähnt seien die vielen Kleinanleger, die Lehman-Brothers-Zertifikate erworben hatten und infolge der Insolvenz der Bank finanziellen Schaden erlitten haben. Aber auch auf makroökonomischer Ebene entstanden durch die Finanzkrise, die durch Fehlverhalten von Anlegern zumindest teilweise mit verursacht wurde, erhebliche Kosten. So wurden zur Stützung der Wirtschaft Konjunkturprogramme umgesetzt, welche die Staaten durch die damit verbundene zusätzliche Verschuldung in finanzielle Schwierigkeiten brachten. Ein besonderes Augenmerk sollte deshalb auf eine gute Bildung der Privatanleger gelegt werden, um folgenschweres Fehlverhalten zu verringern.

Literatur

Asch, S. (1952): Social Psychology, New Jersey., S. 450-501. - Belsky, G./Gilovich, T. (2007): Das Lemmingprinzip, München. - Bühl, A. (2010): PASW 18, München - Choi, D./Dong, L. (2008): A test of the self-serving attribution bias: evidence from mutual funds, Working paper, Hong Kong University of Science and Technology. - Deutsches Aktieninstitut (2011). http://www.dai.de/internet/dai/dai-2-0.nsf/ dai_publikationen.htm. - Handelsblatt (2011): Emerging Markets schlagen den Rest der Welt, http://www.handelsblatt.com/finanzen/zertifikate/ nachrichten/emerging-markets-schlagen-den-restder-welt-/4346232.html. - He, W./Shen, J. (2009): Extrapolation Bias and Investors: Expectations, AFA-ANZ Conference, Adelaide. - Heath, C./Tversky, A. (1991): Preferences and Beliefs: Ambiguity and Competence in Choice Under Uncertainty, in: Journal of Risk and Uncertainty 4, S. 5-28. - Lakonishok, J./Shleifer, A./Vishny, R. (1994): Contrarian Investment, Extrapolation, and Risk, in: Journal of Finance 48, S. 1541-1578. - Milgram, S. (1974): Obedience to Authority, New York, S. 13-54. - Miller, D.T./Ross, M. (1975). "Self-serving biases in the attribution of causality: Fact or fiction?" in: Psychological Bulletin 82 (2), S. 213-225. - Nofsinger, J. R. (2011): The Psychology of Investing, Boston. - Samuelson, W./Zeckhauser, R. (1988): Status Quo Bias in Decision Making, in: Journal of Risk and Uncertainty 1, S. 7-59. - Shiller, R. J. (2005): Irrational Exuberance, Princeton. - Strong, N./Xu, X. (2003): Understanding The Equity Home Bias: Evidence form Survey Data, in: Review of Economics and Statistics 85, S. 307-312. - Tversky, A./Kahneman, D. (1974): Judgment under uncertainty: Heuristics and biases, in: Science, Vol. 185, S. 1124-1130.

Fußnoten

1) Vgl. Deutsches Aktieninstitut (2011).

2) Vgl. Miller/Ross (1975), S. 213ff.

3) Vgl. Choi/Dong (2008).

4) Vgl. Heath/Tversky (1991), S. 5-28.

5) Vgl. Nofsinger (2011), S. 81.

6) Vgl. Strong/Xu (2003).

7) Vgl. Samuelson/Zeckhauser (1988).

8) Vgl. Tversky/Kahnemann (1974) und He/Shen (2009).

9) Vgl. Nofsinger (2011), S. 76.

10) Vgl. Tversky/Kahneman (1974).

11) Vgl. Asch (1952).

12) Vgl. Milgram (1974).

13) Vgl. Belsky/Gilovich (2007).

14) Der Anteil der deutschen Aktien betrug zum Zeitpunkt der Erstellung des Aufsatzes 4,06 Prozent. Vgl. Handelsblatt (2011).

15) Vgl. Choi/Dong (2008).

16) Vgl. Strong/Xu (2003).

17) Vgl. Samuelson/Zeckhauser (1988).

18) Vgl. Tversky/Kahnemnn (1974.)

19) Vgl. Lakonishok/Shleifer/Vishny (1994).

20) Vgl. Nofsinger (2011), S. 77 und S. 95.

21) Vgl. Shiller (2005).

22) Die Ursachen und Folgen von Finanzmarktblasen werden von Shiller analysiert. Vgl. Shiller (2005).

Prof. Dr. Tristan Nguyen , Professor für Economics, Finance & ­Accounting , Hochschule Fresenius, München
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