Gespräch des Tages

Rating - Zwischen Einfluss, Haftung und Beaufsichtigung

Dr. Niels O. Angermüller, Dublin, und Thomas Ramke, Hamburg, schreiben der Redaktion: "Ormond Quay ist eine Straße in Dublin, die über Nacht in Finanzkreisen hohe Popularität gewonnen hat. Nach ihr wurde das Conduit, also eine Refinanzierungsstruktur im Zusammenhang mit einer Verbriefungstransaktion, benannt, welche im Rahmen der jüngsten Subprime-Krise die Zahlungsfähigkeit der Sachsen-LB in Frage stellte. In der Konsequenz wurde diese bekanntlich von der LBBW übernommen und verlor somit als einzige ostdeutsche Landesbank ihre Unabhängigkeit. Vorausgegangen war eine Rettungsaktion der Sparkassen Finanzgruppe, im Rahmen derer kurzfristig eine Kreditlinie in Höhe von 17,3 Milliarden Euro eingeräumt worden war. Bemerkenswert daran: Das Ausmaß dieser Linie überschreitet selbst den sächsischen Landeshaushalt, aus dem aufgrund der Grandfathering Regelung der Gewährträgerhaftung Verluste aus den Aktivitäten der irischen Sachsen-LB-Tochter Sachsen-LB Europe plc zu begleichen sein werden.

Als ökonomische Ursache der Krise gilt das zu laxe Kreditvergabeverhalten in bonitätsschwachen Segmenten des US-amerikanischen Hypothekenmarktes. Derartige Kredite wurden verbrieft. Die daraus entstandenen Wertpapiere waren durch ihre verhältnismäßig hohen Renditen attraktiv - und dies insbesondere in Jahren, in denen die Marktrenditen dürftig ausfielen und Investoren nach renditestarken Anlageformen suchten. Die Risiken erschienen dabei auch deshalb gering, weil entsprechende Transaktionen von den internationalen Ratingagenturen beurteilt wurden und teilweise beste Ratingnoten erhielten. Im Bereich Facts and Figures für das Jahr 2006 führte die Sachsen-LB Europe plc aus, 'the quality of credit portfolio held in Dublin continues to be of the highest level, and continues to reflect the risk adverse nature of the bank ..., the portfolio is almost entirely rated investment grade with just over 65 percent rated AAA, and less than 0,44 percent either non-rated or below investment grade.'

Die folgende Krise hat eine Welle von Kritik und konstruktiven Vorschlägen ausgelöst. Insbesondere die Bewertungen der Ratingagenturen sowie deren zunehmende Bedeutung an den internationalen Finanzmärkten werden kritisch gesehen. Im Rahmen ihrer klassischen Bedeutung, Investoren Bonitätseinschätzungen zur Verfügung zu stellen, haben Ratings schon längst einen erheblichen Einfluss erlangt. So ist es Gesellschaften oft nicht gestattet, unterhalb bestimmter Ratingniveaus wie dem Investment Grade zu investieren. Ratings beeinflussen die Refinanzierungskosten, und mit der Basel II-Umsetzung nimmt die Bedeutung noch weiter zu: Im Standardansatz leitet sich die Eigenkapitalunterlegung aus externen Ratings ab. Insbesondere in den Bereichen Staaten und Banken werden die meisten Institute unter Aufwandsgesichtspunkten den Standardansatz verwenden, gegebenenfalls unter Nutzung eines dauerhaften Partial use gemäß § 70 SolvV. Sind die externen Ratings nicht zutreffend, so beeinflusst dies unmittelbar die Eigenkapitalanforderungen einer Vielzahl von Instituten. Kommt es zu Herabstufungen, kann aufgrund der branchenweiten Wirkung eine Verstärkung des negativen Einflusses auf den Kreditnehmer eintreten, weitere Downgrades implizieren und diesen so in eine Krise treiben.

Die aktuelle Kritik an Ratingagenturen konzentriert sich zunächst auf den unkontrollierten Einfluss, der von Ratingagenturen ausgeht; diese unterliegen keinerlei Beaufsichtigung. Ein weiterer Kritikpunkt ist die mangelnde Transparenz für Dritte, wann und warum es zu den einzelnen Beurteilungen gekommen ist. Ferner war die Vorhersage in der Vergangenheit oftmals verspätet und eingeschränkt, so beispielsweise bei der Asien-Krise, Enron oder jüngst. Letztlich ist es besonders problematisch, wie kürzlich auch von EZB-Präsident Trichet kritisiert, dass es nur eine geringe Zahl großer Agenturen gibt. So sind in Deutschland gegenwärtig vier Ratingagenturen nach §§ 52, 53 SolvV anerkannt.

Die Änderungsvorschläge reichen nun von einer Haftung der Ratingagenturen über ihre Einbeziehung in eine Beaufsichtigung bis hin zur Verringerung ihrer Bedeutung, indem ergänzende Analysen im internen Risikomanagement verstärkt eingefordert werden. Letzterer Aspekt, der von Bundesbankpräsident Weber und EZB-Präsident Trichet angesprochen wurde, ist zwar nicht neu. Doch wird die eigene Risikobeurteilung oft weniger forciert, wenn Ratings zur Verfügung stehen, die letztlich sogar im Rahmen der Basel-II-Umsetzung offiziell durch die Aufsicht anerkannt wurden.

In der Tat erscheint im Sinne einer verbesserten Systemstabilität eine Modifikation bisheriger Gegebenheiten zweckmäßig. Dabei sollten zum einen verbindliche Standards für Ratings und die Vermeidung von Interessenkonflikten diskutiert werden. Problematisch ist offenbar, dass es sich für die Ratingagenturen bei der Bewertung komplexer Strukturen als schwierig erweist, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, hier aber besonders attraktive Ratinggebühren winken. Die lukrative Mitwirkung der Agenturen bei Strukturierungen birgt weitere Interessenkonflikte. Sie legen eine verstärkte interne oder externe Beaufsichtigung der Agenturen nahe. Im Verlauf der Subprime-Krise kam es erst spät zu Prüfungshandlungen der US-Börsenaufsicht diesbezüglich. Relativierend ist zu berücksichtigen, dass den Ratingagenturen nicht immer alle für eine Beurteilung notwendigen Informationen zeitnah offen gelegt werden. Zum anderen sollten wie vorgeschlagen ergänzende Beurteilungen im internen Risikomanagement forciert werden. Im Bereich der Forderungen an Banken und Staaten könnte man beispielsweise ergänzende Bewertungen wie die vom IWF erarbeiteten Financial Soundness Indicators einbeziehen."

Noch keine Bewertungen vorhanden


X