Aufsätze

Regulierungsvorgaben für Mittelstandskredite - länderspezifisches Risiko berücksichtigen

Die Überarbeitung des Baseler Regelwerks zur Bankenregulierung ist eine der wichtigsten Reaktionen auf die Banken- und Finanzkrise. Innerhalb der Europäischen Union konnte im März 2013 auf politischer Ebene eine Einigung erzielt werden. Ende Juni 2013 wurde die EU-Verordnung (Capital Requirements Regulation, CRR) und die EU-Richtlinie (Capital Requirements Directive IV, CRD IV) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Somit kann Basel III am 1. Januar 2014 in Kraft treten und ist dann für Banken innerhalb der EU rechtsverbindlich.

Abweichende Regelung für KMU

Eine von den Baseler Empfehlungen abweichende Regelung in der Verordnung betrifft die Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (KMU). KMU-Portfolios weisen aufgrund ihrer guten Diversifikation geringere Ergebnisschwankungen auf als Kredite an große Unternehmen und haben gleichzeitig eine enorme Bedeutung für die Finanzierung des Mittelstands und damit das Wohlergehen der Volkswirtschaft. Der finale Gesetzestext enthält nun einen Korrekturfaktor, der die pauschale Eigenkapitalerhöhung für KMU-Kredite wieder ausgleicht. Somit wird einer Verteuerung und -verknappung von KMU-Krediten entgegengewirkt und damit die Finanzierung des deutschen Mittelstands gesichert.

Allerdings steht der KMU-Korrekturfaktor unter einem Prüfungsvorbehalt. Drei Jahre nach Inkrafttreten von Basel III soll seine Angemessenheit von der Europäischen Kommission mithilfe der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA überprüft werden. Mit der Revision besteht die Gefahr, dass die Eigenkapitalerleichterungen für KMU im Jahr 2017 gestrichen und damit die Vergabe von Mittelstandskrediten regulierungsbedingt verteuert und eingeschränkt wird. Insbesondere deutsche KMU wären davon betroffen.

Die im Rahmen der Gesetzgebung zu Basel III geführte Diskussion über die adäquate Eigenkapitalunterlegung von KMU-Krediten wurde von verschiedenen Studien begleitet. Diese untersuchen entweder die Angemessenheit des im Bankensektor für KMU-Kredite vorgehaltenen Eigenkapitalniveaus oder die Angemessenheit der bereits in Basel II festgelegten Eigenkapitalerleichterungen für KMU-Kredite für den deutschen Bankenmarkt. Letzteren der beiden Ansätze wählen Autoren der Deutschen Bundesbank in einem kürzlich veröffentlichten Arbeitspapier. Ihre Ergebnisse sind ein weiteres Indiz dafür, dass ein Korrekturfaktor für KMU-Kredite nicht nur aufgrund der Bedeutung des Mittelstands für die Realwirtschaft, sondern auch unter Risikogesichtspunkten gerechtfertigt ist. Ihre Untersuchungen liefern einen geeigneten Ansatz für die auf europäischer Ebene zur Überprüfung des KMU-Korrekturfaktors notwendigen Analysen.

Der Status quo in Basel II

Bei einem Portfolio von KMU-Krediten bestehen im Vergleich zu Krediten an große Unternehmen zwei Besonderheiten:1) Zum einen weisen KMU-Portfolios eine hohe Granularität auf. Zum anderen sind Kreditausfälle bei KMU häufiger durch unternehmensspezifische Gründe, wie zum Beispiel individuelle Managementfehler, als durch allgemeine Markt- beziehungsweise Konjunkturschwankungen bestimmt. Zusammen führen beide Faktoren zu geringeren Ergebnisschwankungen bei KMU-Portfolios.

Diese Besonderheiten wurden bereits bei der Erstellung des Regelwerks von Basel II erkannt. So muss für einen KMU-Kredit in der Regel weniger Eigenkapital vorgehalten werden als für einen Kredit an ein großes Unternehmen. Dafür sorgt die Anpassung der Risikogewichte. Gleichung 1 verdeutlicht schematisch den Zusammenhang zwischen dem für Kredit i vorzuhaltenden Eigenkapital Ei und dem Risikogewicht RWi in Abhängigkeit von der Mindesteigenkapitalquote r (acht Prozent im Fall von Basel II) sowie den ausstehenden Forderungen bei Ausfall des Kredits (exposure at default) EADi.2) Aus der Gleichung ist ersichtlich, dass ein geringeres Risikogewicht mit geringeren Mindesteigenkapitalanforderungen einhergeht.

Ei >/= r · (RWi · EADi) (1)

Die Berechnungsweise der Risikogewichte: Da die gesonderte Behandlung der KMU über die Anpassung der Risikogewichte erfolgt, ist eine Betrachtung ihrer allgemeinen Berechnungsweise in Basel II notwendig. Die Risikogewichte hängen zunächst von der entsprechenden Schuldnerklasse wie Staaten, Banken, Unternehmen oder Retail (Mengengeschäft) ab. Zudem unterscheidet das Regelwerk zwischen dem Kreditrisikostandardansatz (KSA) und dem auf institutseigenen Ratingverfahren basierenden Ansatz (internal ratings based approach, IRBA). Dieser unterteilt sich noch einmal in den IRB-Basisansatz (foundation IRBA) und den fortgeschrittenen IRBA (advanced IRBA). Im KSA sind die Risikogewichte - in Abhängigkeit von der Forderungsklasse und einem externen Rating - durch das Regelwerk vorgegeben. Im IRBA gibt der Baseler Ausschuss lediglich die Risikogewichtsfunktion RWIRBA(.) vor.3) Die Variablen der Funktion und damit den Wert des Risikogewichts berechnen die Institute selbst, indem sie im IRB-Basisansatz die einjährige Ausfallwahrscheinlichkeit des Kredits (probability of default, PD) und im fort geschrittenen IRB-Ansatz auch die Verlustausfallquote (loss given default, LGD) sowie die effektive Restlaufzeit (maturity, M) intern bestimmen.4)

Abhängigkeit der Risikobewertung eines Schuldners vom systematischen Risiko

Der Berechnung der IRBA-Risikogewichte liegt die zentrale Annahme zugrunde, dass die standardisierte Rendite der Aktiva eines Schuldners durch zwei Einflussgrößen erklärt werden kann:5) Einer systematischen (Marktrisiko-)Komponente und einer unternehmensspezifischen (idiosynkratischen) Komponente. Im Gegensatz zu unternehmensspezifischen Risiken können die systematischen Risiken nicht durch gute Diversifikation der Forderungen verringert werden. Deshalb ist die Messung der Abhängigkeit der Risikobewertung eines Schuldners vom systematischen Risiko eine maßgebliche Komponente für die Berechnung einer angemessenen Eigenkapitalausstattung. Die hierfür verwendete Maßzahl ist die sogenannte Assetkorrelation Rho. Je geringer die Assetkorrelation, desto besser können Risiken innerhalb eines Portfolios dieser Forderungsklasse durch Diversifikation verringert werden. Die Assetkorrelation wird im IRBA von den Banken selbst berechnet, wobei die Funktion Rho(.) von Basel II vorgegeben wird. Die genaue Ausgestaltung der Funktionen

Rho(.) und RWIRBA(.) in Basel II wurde vom Baseler Ausschuss nach verschiedenen Forschungsarbeiten unter Verwendung interner Aufsichtsdaten sowie Rückmeldungen aus der Finanzindustrie festgelegt.6) Um die Auswirkungen des Regelwerks auf die Banken detailliert zu evaluieren, wurden auf internationaler Ebene mehrere Quantitative Impact Studies (QIS) durchgeführt. Bei der Bestimmung der Funktion Rho(.) für die Assetkorrelationen von Unternehmenskrediten wurden folgende Zusammenhänge aufgrund empirischer Beobachtungen festgelegt:7)

Die Assetkorrelationen verringern sich bei einer Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Je höher die Ausfallwahrscheinlichkeit PDi eines Kredits i, desto eher geht das Risiko auf unternehmensspezifische Gründe zurück und desto geringer ist folglich der Anteil des Risikos, der auf allgemeine Marktentwicklungen zurückzuführen ist.

Die Assetkorrelationen erhöhen sich mit der Größe des Unternehmens. Die Lage großer und international tätiger Unternehmen hängt tendenziell stärker von makroökonomischen Schwankungen ab als die kleiner und mittlerer Unternehmen. Somit ist bei großen Unternehmen ein höherer Anteil des Risikos auf systematisches Risiko zurückzuführen. In Basel II wird der Umsatz Si als Maßzahl für die Größe des Unternehmens i verwendet.

Korrelations- und Risikogewichtungsfunktion

Auf dieser Basis wurde in Basel II die Korrelationsfunktion Rho(.) definiert. Gleichung 2a zeigt die wesentlichen Zusammenhänge in der Korrelationsfunktion für Unternehmenskredit i:

Rho i = Rho(PDi (-), Si(+)) (2a)

Rho i: Assetkorrelation, PDi: Ausfallwahrscheinlichkeit,

Si: Umsatz des Unternehmens (5

Die Risikogewichtungsfunktion RWIRBA(.) ist in Basel II so definiert, dass - für eine gegebene Ausfallwahrscheinlichkeit - höhere Assetkorrelationen zu höheren Risikogewichten führen. Neben den Assetkorrelationen gehen die Variablen PDi, LGDi und Mi in die Risikogewichtsfunktion ein. Gleichung 2b stellt die Risikogewichtungsfunktion RWIRBA(.) für Unternehmenskredit i dar:8)

RWIRBA, i = RWIRBA(PDi, LGDi, Mi, Rho(PDi, Si) ( (2b)

Rho: Assetkorrelation, PDi: Ausfallwahrscheinlichkeit,

LGDi: Verlustausfallquote, Mi: Restlaufzeit, Si: Umsatz des Unternehmens.

Der Mittelstandskompromiss nach Basel II: Das für die KMU-Kredite maßgebliche Resultat des gesamten Evaluationsprozesses war, dass mit abnehmender Größe beziehungsweise abnehmendem Umsatz des Schuldners geringere Assetkorrelationen angenommen werden können. Banken, die den IRBA wählen, dürfen deshalb für Kredite an KMU mit einem Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro innerhalb der Forderungsklasse Unternehmen geringere Assetkorrelationen und damit geringere Risikogewichte ansetzen. Unter der Voraussetzung ausreichender Granularität können KMU-Forderungen auch der Forderungsklasse Retail zugeordnet werden, was noch vorteilhaftere Korrelationsfunktionen und damit Risikogewichte impliziert. Bedingung ist hierfür unter anderem, dass die Forderungen an einen Kreditnehmer insgesamt eine Million Euro nicht übersteigen.

Unerwartete Verluste versus verminderter Kreditzugang von KMU

Abbildung 1a und 1b verdeutlichen anhand von drei Beispielen die Erleichterungen für KMU-Kredite im IRBA. Als Benchmark dient die Korrelations- und Risikogewichtungsfunktion für eine Forderung an ein großes Unternehmen mit einem Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro.9) Die vorgegebenen Assetkorrelationen liegen in diesem Fall zwischen 24 Prozent für eine sehr geringe PD und zwölf Prozent für eine hohe PD. Bei einer PD von einem Prozent liegt das Risikogewicht in etwa bei 100 Prozent. Bei Krediten an Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 50 Millionen Euro werden geringere Assetkorrelationen und damit geringere Risikogewichte angenommen. Die Verringerung der Korrelationen im Vergleich zu großen Unternehmen erfolgt schrittweise bis zu einem Unternehmensumsatz von fünf Millionen Euro.

Bei einer Forderung an ein KMU mit einem Umsatz von beispielsweise fünf Millionen Euro befinden sich die vorgegebenen Korrelationen - je nach PD - in einem Bereich zwischen 20 Prozent und acht Prozent. Deshalb sind auch die Risikogewichte geringer. Bei einer PD von einem Prozent beträgt es nur noch zirka 75 Prozent. Am stärksten berücksichtigt werden die KMU-Kredite, die der Basel-II-Forderungsklasse "Sonstiges Retail" zugeordnet werden können. Hier bewegen sich die Korrelationen im Bereich von 16 Prozent und drei Prozent, das Risikogewicht liegt bei einer PD von einem Prozent nur bei zirka 50 Prozent.

Auch im KSA ist unter der Voraussetzung der entsprechenden Granularität eine Zuordnung zum Retail-Portfolio möglich. Dies führt zu einem reduzierten Risikogewicht von 75 Prozent, anstatt der für ungeratete Unternehmen üblichen 100 Prozent.

Dieser sogenannte "Mittelstandskompromiss" wurde in Basel II zu Recht geschlossen, um gut diversifizierte KMU-Portfolios in ihren Eigenkapitalanforderungen zu entlasten. Zwar schützt eine höhere Eigenkapitalunterlegung einerseits besser vor unerwarteten Verlusten. Andererseits wird der Kreditzugang von kleinen und mittleren Unternehmen erschwert beziehungsweise die Kreditkosten unnötig erhöht. Diese Gefahr besteht auch durch die neuen Eigenkapitalregeln nach Basel III.

Der neue Mittelstandskompromiss in Basel III und CRR/CRD IV

Die neuen Anforderungen von Basel III beziehungsweise der CRR/CRD IV beinhalten im Wesentlichen eine ab 2014 stufenweise Erhöhung und qualitative Verbesserung des Eigenkapitals. So setzt sich die Mindestkapitalanforderung von acht Prozent der risikogewichteten Aktiva ab 2019 aus 4,5 Prozent (statt bisher zwei Prozent) hartem Kernkapital und nur noch aus 3,5 Prozent (statt bisher sechs Prozent) an zusätzlichem Kernkapital und Ergänzungskapital zusammen. Zudem wird ein Kapitalerhaltungspuffer aus hartem Kernkapital eingeführt, der ab 2019 eine Höhe von 2,5 Prozent der risikogewichteten Aktiva erreichen soll. Hierdurch werden Banken angehalten, Kapitalpuffer für Krisenzeiten aufzubauen.10)

Nach den Erfahrungen der Finanzkrise war das zentrale Ziel von Basel III, das Finanzsystem widerstandsfähiger gegenüber Schocks zu gestalten und zukünftig teure Rettungsaktionen von großen und international tätigen Banken zu vermeiden. Die nach den Vorschlägen des Baseler Ausschusses steigenden Eigenkapitalanforderungen hätten jedoch, trotz der aus Basel II übernommenen Risikogewichte für KMU-Kredite, eine höhere Kapitalunterlegung für KMU-Forderungen zur Folge gehabt. Hierdurch drohten eine Verteuerung und eine Verknappung des Kreditangebots an kleine und mittlere Unternehmen. Die pauschal steigenden Eigenkapitalanforderungen hätten also auch den Mittelstand belastet, der zum einen nicht für die Finanzkrise verantwortlich und zum anderen - gerade während der Finanzkrise - Garant für Stabilität innerhalb der deutschen Volkswirtschaft war.

Um dies zu verhindern, wurde auf Initiative von Vertretern der mittelständischen Wirtschaft und der Deutschen Kreditwirtschaft ein neuer Mittelstandskompromiss geschlossen. Nach Artikel 501 CRR werden die Eigenmittelanforderungen für alle Kredite an Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro mit einem Korrekturfaktor von 0,7619 multipliziert. Voraussetzung hierfür ist, dass der von einem Unternehmen insgesamt geschuldete Betrag 1,5 Millionen Euro nicht übersteigt.

Durch den Korrekturfaktor wird die durch die Einführung des Kapitalerhaltungspuffers bedingte Mehrbelastung in Höhe von etwa 30 Prozent zurückgenommen. Der Diskontierungsfaktor von 0,7619 stellt also das Kapital wieder auf das gleiche Niveau ein, das vor Anwendung des Puffers gegolten hat. Der Korrekturfaktor ist allerdings nicht dauerhaft im Gesetzestext verankert: Artikel 501 CRR beinhaltet explizit einen Prüfvorbehalt. So soll die Kommission bis zum 2. Januar 2017, also drei Jahre nach Inkrafttreten der Bestimmungen, dem Europaparlament und dem Rat einen Bericht und gegebenenfalls einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Hierfür soll die EBA die Kommission in drei Punkten unterstützen: Erstens wird sie beauftragt zu untersuchen, wie sich die Konditionen der Kreditvergabe an KMU entwickeln.11) Zweitens soll die tatsächliche Risikobehaftung von KMU-Krediten im Verlauf eines Konjunkturzyklus analysiert werden. Abgeleitet aus den ersten beiden Punkten soll die EBA drittens die Angemessenheit der Eigenmittelanforderungen für KMU-Kredite bewerten.

Die Analyse der Assetkorrelationen im KMU-Bereich

Die Einführung des Korrekturfaktors war während des Gesetzgebungsprozesses nicht unumstritten. So wurde der Korrekturfaktor zunächst nur durch das Europäische Parlament, nicht aber durch die Kommission beziehungsweise den Ministerrat unterstützt. Um die Auswirkungen einer möglichen Kapitalerleichterung von KMU-Krediten auf die Kreditvergabe und die Finanzstabilität zu analysieren, wurde die EBA bereits im Juli 2011 von der EU-Kommission beauftragt, bis September 2012 eine Studie zu erstellen.12) Auf Bitte der EBA führte auch die Deutsche Bundesbank hierzu Untersuchungen durch.

Die Deutsche Bundesbank sollte bei der Beantwortung der Frage helfen, inwiefern eine Absenkung der Mindesteigenkapitalforderungen für KMU-Kredite gerechtfertigt ist. Im Juni 2013 wurde ein auf diesen Analysen basierendes Arbeitspapier veröffentlicht.13) Darin wird der vom Baseler Ausschuss gewählte Ansatz zur Berechnung der Risikogewichte verwendet. Der einzige Unterschied besteht in der Bestimmung der Assetkorrelationen: Während in Basel II eine Korrelationsfunktion (Gleichung 2a) vorgegeben wird, können die Autoren des Bundesbank-Arbeitspapiers aufgrund umfangreicher Aufsichtsdaten die Assetkorrelationen in Deutschland direkt empirisch schätzen.

Hierfür greifen die Autoren Düllmann und Koziol auf Daten von über 400 Banken in Deutschland über einen Zeitraum von 2005 bis 2011 zurück. Die hohe Anzahl an meldenden Banken führt dazu, dass die Analyse eine große Vielfalt an deutschen KMU-Krediten beinhaltet. Mithilfe dieser Daten können die empirischen Kreditausfallraten berechnet und schließlich die Assetkorrelationen für verschiedene Rating- und Unternehmensgrößenklassen geschätzt werden.14) Hieraus werden unter Anwendung von Gleichung 2b Risikogewichte berechnet. Ein Vergleich mit den Risikogewichten, die auf der vom Baseler Ausschuss vorgegebenen Korrelationsfunktion (Gleichung 2a) basiert, gibt Aufschluss darüber, wie konservativ die Parameter in Basel II gewählt sind.

Konkret wird untersucht, inwieweit die empirisch geschätzten und die regulatorischen Erleichterungen in den Risikogewichten von KMU relativ zu großen Unternehmen sowohl im IRBA als auch im KSA divergieren. Zu beachten ist, dass der Korrekturfaktor 0,7619 hierbei nicht berücksichtigt wird. Im Ergebnis ist die regulatorische Kapitalentlastung für KMU nie signifikant höher, jedoch in zwei Fällen signifikant geringer als dies die Schätzung von Düllmann und Koziol impliziert.15) Im IRBA ist dies bei Krediten an KMU mit einem Umsatz zwischen 2,5 Millionen Euro und 50 Millionen Euro der Fall (siehe Abbildung 2a). Hier stellt sich eine Differenz zwischen geschätzter und tatsächlicher Kapitalentlastung von 22 bis 24 Prozentpunkten ein. Im KSA kann dieses Ergebnis für alle KMU-Größenklassen beobachtet werden. Hier beträgt die Differenz zwischen geschätzter und tatsächlicher Kapitalentlastung zwischen 15 und 35 Prozentpunkten (siehe Abbildung 2b).

Parallelen zu Resultaten der Deutschen Kreditwirtschaft

Die Bundesbank-Studie zeigt, wie sich die regulatorischen Vorgaben in Basel II von den empirischen Schätzungen unterscheiden. Nach diesen Ergebnissen ist die Erleichterung der Eigenkapitalanforderungen von KMU-Krediten für den KSA und ei nige Unternehmensgrößenklassen im IRBA aus Risikogesichtspunkten gerechtfertigt.16) Dies kann beispielsweise durch eine Veränderung der Risikogewichte oder - nach der Systematik der CRR - durch die Beibehaltung eines Korrekturfaktors erfolgen.

Dieses Ergebnis, wenn auch mithilfe eines anderen Ansatzes erzielt, passt zu den Resultaten der Deutschen Kreditwirtschaft.17) Die auf der Basis von teils bis in das Jahr 2000 zurückreichenden, um fangreichen Daten der Genossenschaftsbanken und Sparkassen durchgeführte Studie untersuchte die Angemessenheit des Niveaus der Eigenkapitalanforderungen.

Hierbei wurde festgestellt, dass die Eigenkapitalanforderungen für KMU-Kredite bereits in Basel II deutlich höher sind als die entsprechenden Risiken und damit eine Erhöhung der Anforderungen für KMU-Kredite im Rahmen von Basel III aus Risikogesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist.18)

Anders als die Deutsche Kreditwirtschaft untersuchen Düllmann und Koziol die Eigenkapitalanforderungen von KMU-Krediten relativ zu großen Unternehmen. Einige von den Autoren gemachte methodische Einschränkungen müssen hierbei berücksichtigt werden:

- Nach Düllmann und Koziol könnten die deutlichen Diskrepanzen zwischen geschätzter und regulatorischer Kapitalerleichterung im KSA durch eine weniger risikosensitive Kalibrierung der KSA-Risikogewichte bedingt sein.

- Zudem enthalten die deutschen Daten keine gravierende Rezession. - Des Weiteren führen die Autoren an, dass der untersuchte Zeitraum relativ kurz ist, was die Genauigkeit der Ergebnisse beeinflussen kann.

Diese Punkte stellen die Aussagekraft der Analyse aber aus folgenden Gründen nicht grundsätzlich infrage:

Europaweit Vergleichsstudien erforderlich

Zwar ist der KSA verglichen zum IRBA weniger risikosensitiv. Aus dieser Feststellung geht jedoch nicht hervor, wie hoch die Differenz zwischen KSA und IRBA-Risikogewichten tatsächlich sein sollte. Berücksichtigt man die Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen für die deutsche Volkswirtschaft sowie die langjährige solide Beziehung kleiner und mittlerer Unternehmen zu ihren Hausbanken - oft Regionalbanken, die den KSA anwenden - sollte man sorgfältig zwischen konservativer Kalibrierung der Eigenkapitalanforderungen im KSA und stabiler KMU-Finanzierung abwägen.

Die Tatsache, dass die deutschen Daten keine signifikante Rezession beinhalten, ist im Vergleich zu einigen EU-Staaten sicherlich richtig. Für deutsche Verhältnisse erlebte das Land 2009 jedoch einen in den letzten 50 Jahren einmaligen Wirtschaftseinbruch.19) Hier war es nicht zuletzt der Mittelstand, welcher sich durch Widerstandsfähigkeit und Stabilität ausgezeichnet hat. Somit folgt aus dem gewählten Zeitraum der Daten nicht, dass die Ergebnisse für Deutschland nicht aussagekräftig sind.

Die Ergebnisse von Düllmann und Koziol geben also durchaus Anhaltspunkte dafür, dass der Korrekturfaktor unter Risikogesichtspunkten - zumindest für Deutschland - gerechtfertigt ist. Die Autoren verwenden hierbei einen auf der Methodik von Basel II beruhenden und damit klar nachvollziehbaren Ansatz. Um ein europaweites Bild zu erhalten, müssen im Rahmen der Überprüfung durch die EBA deshalb Vergleichsstudien in den anderen europäischen Staaten auf Basis der Methode der Deutschen Bundesbank folgen. Erst dann kann die EBA fundiert zu den KMU-Eigenkapitalerleichterungen Stellung nehmen. Sollten die Ergebnisse innerhalb der EU stark divergieren, müssen die nationalen Besonderheiten durch länderspezifische KMU-Risikogewichte berücksichtigt werden. Eine Fortführung dieser Analysen mit sukzessive längeren Zeitreihen würde auch die Genauigkeit der Schätzergebnisse weiter erhöhen.

Eine bedeutende Frage für die Realwirtschaft

Die Angemessenheit der Eigenkapitalanforderungen für KMU-Kredite im Rahmen von Basel III ist eine für die Realwirtschaft bedeutende Frage, die nur auf Basis von europaweiten Analysen beantwortet werden kann. Untersuchungen schon im Vorfeld der Einführung von Basel II haben ergeben, dass KMU-Kredite regulatorisch nicht wie Kredite an große Unternehmen behandelt werden sollten. Ihr typischerweise geringeres Volumen und ihre geringere Abhängigkeit von allgemeinen Marktentwicklungen führen zu geringeren Ergebnisschwankungen von KMU-Portfolios. Dies rechtfertigt Anpassungen der Risikogewichte und entsprechende Erleichterungen der Eigenkapitalanforderungen.

Die auf Basis detaillierter Finanzdaten deutscher Kreditinstitute durchgeführten Untersuchungen der Deutschen Bundesbank machen die Unterschiede zwischen empirisch begründbaren und regulatorischen Erleichterungen für KMU-Kredite deutlich. Sie belegen, dass die im Rahmen der EU-Verordnung CRR eingeräumten Eigenkapitalerleichterungen für KMU-Kredite zumindest im KSA nicht nur wegen der hohen Bedeutung der Mittelstandsfinanzierung, sondern auch unter Risikogesichtspunkten gerechtfertigt sind. Dieses Ergebnis deckt sich, wenngleich auf einem anderen Ansatz beruhend, mit den Analysen der Deutschen Kreditwirtschaft.

Die EBA sollte Kriterien und Methodik der Deutschen Bundesbank bei der Vorbereitung der eigenen Analysen aufgreifen. Konkret sollte sie den auf Deutschland angewendeten Ansatz auf andere EU-Mitgliedstaaten übertragen und entsprechende Analysen mit einer breiteren und tieferen Datengrundlage durchführen. Damit würde ein umfassendes Risikobild der Mittelstandsfinanzierung in Europa geschaffen. Erst auf dieser Basis kann über eine Anpassung des KMU-Korrekturfaktors im EU-Regelwerk entschieden werden.

Es ist denkbar, dass die dann vorliegenden Länderergebnisse untereinander stark divergieren. In diesem Fall müsste der Regulierungsrahmen so angepasst werden, dass er risikoadäquate länderspezifische Regelungen auf nationaler Ebene erlaubt. Damit würde sichergestellt, dass der insbesondere für Deutschland spezifischen hohen Bedeutung des Mittelstands für die Volkswirtschaft in den EU-Eigenkapitalanforderungen dauerhaft Rechnung getragen wird.

Literatur

Basel Committee on Banking Supervision (2005): An Explanatory Note on the Basel II IRB Risk Weight Functions, Juli 2005.

Cech, C. (2004): Basel II: Die IRB-Formel zur Berechnung der Mindesteigenmittel für Kreditrisiko, in: Wirtschaft und Management - Schriftenreihe zur wirtschaftswissenschaftlichen Forschung und Praxis, FH des BFI Wien, Jahrgang 1 Nr. 1, Seiten 53 bis 71, November 2004.

Deutsche Bundesbank (2013): Die Umsetzung von Basel III in europäisches und nationales Recht, Monatsbericht Juni 2013.

Die Deutsche Kreditwirtschaft (2012a): Indikatoren für die Risikoentwicklung von Krediten an Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU), März 2012. Die Deutsche Kreditwirtschaft (2012b): Stellungnahme zur EBA-Studie "Assessment of SME proposals for CRD IV/CRR" vom September 2012, November 2012.

Düllmann, K. und Koziol, P. (2013): Evaluation of minimum capital requirements for bank loans to SMEs, Deutsche Bundesbank Discussion Paper 22/2013.

European Banking Authority (2012): Assessment of SME proposals for CRD IV/CRR, September 2012. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (2012): Auswirkung der CRD IV auf die Unternehmensfinanzierung, Januar 2012.

Wilkens, M.; Baule, R. und Entrop, O. (2004): IRB-Ansatz in Basel II - die Behandlung erwarteter Verluste, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 14-2004, Seiten 734 bis 737.

Fußnoten

1) Vgl. Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (2012), Seite 68.

2) Die Komponenten Marktrisiko und Operationelles Risiko werden hier nicht berücksichtigt.

3) Vgl. Wilkens et al (2004).

4) Auch das exposure at default wird im fortgeschrittenen IRBA intern bestimmt.

5) Für eine ausführliche Herleitung der Risikogewichtsfunktion siehe Cech (2004).

6) Bis zur endgültigen Entwicklung des Regelwerks wurden mehrere Konsultationspapiere veröffentlicht.

7) Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2005), Seite 12.

8) Für andere Forderungsklassen ist die Berechnungsweise ähnlich. Jedoch erfolgt zum Beispiel bei der Forderungsklasse "Sonstiges Retail" keine Laufzeit- oder Größenanpassung.

9) Für die Risikogewichtsfunktionen werden eine LGD von 45 Prozent und eine effektive Restlaufzeit M von 2,5 Jahren angenommen. Diese Werte entsprechen den vorgegebenen Parametern für vorrangige Kredite im IRB-Basisansatz nach Basel II.

10) Hinzu kommen ein antizyklischer Kapitalpuffer und eventuell ein Systemrisikopuffer sowie für einige Institute ein Kapitalpuffer für "global" oder "anderweitig" systemrelevante Institute. Auch diese Puffer müssen aus hartem Kernkapital bestehen. Neu ist auch die Einführung von Liquiditätskennziffern, wie der Liquidity Coverage Ratio und Net Stable Funding Ratio sowie der Verschuldungskennziffer Leverage Ratio, vgl. Deutsche Bundesbank (2013), S.62.

11) Im finalen Gesetzestext werden die Banken explizit dazu angehalten, das durch den Korrekturfaktor frei gewordene Kapital tatsächlich zu einer angemessenen Kreditvergabe an KMU zu verwenden (vgl. CRR, Erwägungsgrund 44). Zudem müssen Banken den zuständigen Behörden jedes Quartal ihre Risikopositionen gegenüber KMU melden (vgl. CRR Artikel 501 Absatz 3).

12) Vgl. European Banking Authority (2012).

13) Vgl. Düllmann und Koziol (2013).

14) Düllmann und Koziol kommen zu dem nicht überraschenden Ergebnis, dass die Ausfallraten bei kleineren Unternehmen höher sind, die Assetkorrelationen jedoch tendenziell mit abnehmender Größe des Unternehmens fallen. Dies bestätigt die Regelung von Basel II, bestimmte Erleichterungen für KMU-Portfolios nur bei guter Diversifikation zu gewähren.

15) Abweichungen zwischen regulatorischer und geschätzter Kapitalentlastung von weniger als zehn Prozentpunkten werden als "wirtschaftlich insignifikant" - also vernachlässigbar - angesehen.

16) Hierbei ist zu beachten, dass die Untersuchungsergebnisse lediglich Aussagen über Kapitalerleichterungen von KMU relativ zu großen Unternehmen ermöglichen. Über die Angemessenheit des Niveaus der Eigenkapitalanforderungen sind im Rahmen des Aufsatzes von Düllmann und Koziol keine Aussagen möglich.

17) Vgl. Die Deutsche Kreditwirtschaft (2012a).

18) Der Genossenschaftsverband Bayern kam bei Untersuchungen der Kreditrisiken von Mitgliedsbanken zu ähnlichen Ergebnissen.

19) Vgl. Die Deutsche Kreditwirtschaft (2012b).

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