Aufsätze

Stand und Perspektiven der betrieblichen Altersvorsorge

Das deutsche Alterssicherungssystem ist stabil und sicher. Die Rente ist demografie- und zukunftsfest. Das wird von allen Experten bestätigt und auch im Ausland anerkannt. Deutschland hat seine Hausaufgaben gemacht und Reformen ins Werk gesetzt, die die Lasten gerecht verteilen und weder Alt noch Jung überfordern. Die stabilen Rentenfinanzen sind aber auch Ausweis dafür, wie gut Wirtschaft und Arbeitsmarkt durch die Krise gekommen sind. So kann im kommenden Jahr nicht nur die arbeitende Generation über eine Beitragssatzsenkung entlastet, sondern zugleich auch die Rente spürbar erhöht werden.

Nicht zuletzt ist die gute Lage darauf zurückzuführen, dass die Alterssicherung in Deutschland auf drei starken Säulen ruht: der gesetzlichen Rente, der betrieblichen Altersversorgung und der zusätzlichen privaten Vorsorge, also vor allem der Riester-Rente.

Rentendialog

Zu Schwarzmalerei besteht also kein Anlass. Aber zu Wachsamkeit und zur Bereitschaft, das Bestehende dort fortzuentwickeln, wo sich Schwächen und Lücken zeigen. Dies ist Anlass und Ziel des Rentendialogs, den das Bundesarbeitsministerium gestartet hat. Denn die Arbeitswelt wird bunter, die Erwerbsbiographien sind heute vielschichtiger. Wir müssen uns Rechenschaft darüber ablegen, was dieser Wandel für die Absicherung im Alter bedeutet: Wird Leistung in der Rente gerecht belohnt? Reichen die Anreize zur zusätzlichen Altersvorsorge? Brauchen wir mehr Spielraum, um Arbeit und Rente zu kombinieren? Diese Fragen stehen an, darauf müssen wir Antworten finden.

Heute haben 97,5 Prozent aller Menschen ab 65 Jahren eine ausreichende Versorgung. Von 16,8 Millionen Personen in diesem Alter sind rund 400000 oder 2,5 Prozent auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen. Diese Zahl ist seit 2007 stabil. Aber Bedürftigkeit im Alter kann in den nächsten Jahrzehnten zunehmen, wenn wir nichts tun - eben weil wir heute und in Zukunft mehr Erwerbsbiographien haben werden, in denen sich sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit Selbstständigkeit und beides mit Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen abwechseln.

Dabei müssen wir ganz besonders die Frauen im Blick haben und darauf achten, dass Rente Lohn für Lebensleistung bleibt. Und zur Leistung gehören auch Erziehung und Pflege, die vorübergehend keine oder nur eine Teilzeitarbeit zulassen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Rentenversicherung darauf eine Antwort gibt. Wir wollen einen Mechanismus einbauen, der sicherstellt, dass die, die sich anstrengen, die für andere da sind und auch selbst vorsorgen, bessergestellt sind als die, die das nicht tun. Eine solche Gesetzesänderung wollen wir 2012 durchführen und 2013 wirksam werden lassen.

bAV - ein fundamentaler Baustein der Alterssicherung

Im Rentendialog streben wir im Kern Anpassungen in der 1. Säule, der gesetzlichen Rentenversicherung, an. Parallel wollen wir bei der Riester-Rente, der 3. Säule, mehr Verbraucherschutz, Kostentransparenz und Wirtschaftlichkeit erreichen. Aber auch die betriebliche Altersversorgung ist ein zentraler, ein fundamentaler Baustein der Alterssicherung in Deutschland. Und sie kann und muss bei der Weiterentwicklung des deutschen Alterssicherungssystems einen größeren Stellenwert als heute einnehmen.

Die betriebliche Altersversorgung hat sich in der Krise gut geschlagen. Sie stand und steht auf einer soliden Basis. Zwar wird erst der Alterssicherungsbericht 2012 umfassende aktualisierte Daten enthalten, aber nach den letzten verfügbaren Zahlen lässt sich mit einiger Sicherheit sagen: Mehr als die Hälfte der mittlerweile über 28 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dürfte bei ihrem aktuellen Arbeitgeber eine Betriebsrente aufbauen. Und: Hier gibt es weiterhin eine hohe Dynamik. Allein in der Privatwirtschaft stieg der Anteil der Unternehmen mit einer Zusatzversorgung von 31 Prozent in 2001 auf 51 Prozent in 2007, also um 20 Prozentpunkte.

Dabei hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die bestehenden Sicherungsmechanismen der betrieblichen Altersversorgung einer harten Prüfung unterzogen und auch deutliche Spuren hinterlassen. Der Pensi-ons-Sicherungs-Verein (PSV) hatte 2009 das höchste Schadensvolumen seit seiner Gründung zu tragen. Zwar gelangte der PSV 2010 aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung wieder in ruhiges Fahrwasser. Aber wegen der Verteilung der Kosten auf die kommenden Jahre wird die Beitragsbelastung der Unternehmen noch längere Zeit spürbar sein.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat vor diesem Hintergrund ein neues Beitragskonzept für den PSV entwickelt und zur Diskussion gestellt. Die BDA strebt eine Lösung in enger Kooperation mit allen Beteiligten an, besonders auch mit der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung und dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Sollten am Ende des Diskussionsprozesses konkrete Änderungsvorschläge an die Bundesregierung herangetragen werden, dann werden wir diese selbstverständlich schnell und ergebnisoffen prüfen.

Nationaler Ordnungsrahmen und Herausforderung EU-Vorgaben

Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland wird in absehbarer Zukunft erheblich von Entwicklungen auf europäischer Ebene beeinflusst. Dabei gilt für die Bundesregierung: Das besondere, auch besonders erfolgreiche deutsche System der betrieblichen Alterssicherung darf durch EU-Vorgaben nicht geschwächt und weniger attraktiv werden. Ja, die EU-Pensions-fonds-Richtlinie birgt die Gefahr einer ungeprüften Übertragung der Solvency-II-Vorgaben für Versicherungen auf Einrichtungen der betrieblichen Alterversorgung. Und ja, die Diskussion über die Frage von europäischen Mindestvorgaben an Betriebsrenten unter dem Stichwort "Unverfallbarkeitsfristen" ist erneut eröffnet. Wir können hier keine Entwarnung geben. Die EU-Kommission wird in dem für Beginn 2012 angekündigten "Weißbuch Rente" beide Themen wahrscheinlich wieder aufnehmen und entsprechende Richtlinienentwürfe ankündigen.

Allerdings wird die Bundesregierung mit vollem Einsatz darauf drängen, dass die betriebliche Altersversorgung attraktiv und ihre Einrichtungen voll handlungsfähig bleiben. Die Vorgaben nach Solvency II zur "Solvabilität", also zur Ausstattung mit freien, unbelasteten Eigenmitteln, passen nicht eins zu eins auf die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Deren Besonderheiten müssen auf jeden Fall berücksichtigt werden. Dazu steht das Bundesarbeitsministerium gemeinsam mit dem Finanzministerium und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im engen, auch kritischen Kontakt mit der EU-Kommission.

In der Diskussion stehen aber auch die nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung. Hier wird der Wunsch an die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen herangetragen, die steuerliche Förderung und die Behandlung der Betriebsrenten bei den Krankenkassenbeiträgen zu verändern, um der betrieblichen Altersversorgung zu mehr Verbreitung zu verhelfen. Für diese Anliegen hat die Bundesregierung zwar im Grundsatz Verständnis. Und wir stehen stets für Gespräche zur Verfügung. Aber wir können hier keine großen Hoffnungen machen. In der aktuellen Haushaltslage und angesichts des zwingend zu gehenden Konsolidierungspfads können wir zusätzliche Steuermittel nicht loseisen - zumal der aktuelle steuerliche Förderrahmen für Betriebsrenten von jährlich knapp 4500 Euro schon heute oft nicht ausgeschöpft wird. Und auch der Gesundheitsminister wird auf dringend nötige Beitragseinnahmen nicht verzichten können.

Tarifparteien in der Verantwortung

Entscheidende Bedeutung beim Ausbau der betrieblichen Altersversorgung haben die Tarifvertragsparteien; eine weitere Verbreitung der Betriebsrenten funktioniert nur mit dem Engagement der Sozialpartner auf Basis von kollektiven Tarifverträgen. Die Bundesregierung und namentlich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben - egal unter wessen Führung - die großen Verdienste, die die Tarifparteien in dieser Sache haben, wiederholt ausdrücklich gewürdigt. Aber es gilt auch: Wir sind nicht am Ende des Weges, noch lange nicht. Das Ziel muss heißen: Möglichst hohe Flächendeckung. Es hat sich gezeigt, dass dazu eine bloße Öffnung der Tarifverträge für die freiwillige Entgeltumwandlung nicht ausreicht. Hier brauchen wir noch mehr Phantasie und Mut. Wünschenswert sind verbindlichere Regelungen, die möglichst viele Beschäftigte "mitnehmen" und "einbinden". Vorbildlich ist die Umwandlung vermögenswirksamer Leistungen in Altersversorgungsleistungen. Noch besser sind Vereinbarungen, die Lohnsteigerungen vor dem Hintergrund arbeitgeberfinanzierter Betriebsrenten austarieren. Hier gibt es mittlerweile beispielhafte Tarifverträge, die noch viel mehr Schule machen müssen.

Dialog fortsetzen

An die Bundesregierung wurde der Wunsch nach einem institutionalisierten Betriebsrenten-Dialog herangetragen. Wir werden uns hier gern beteiligen und einbringen. Denn es muss uns daran liegen, dass mutige, neue, innovative Wege der Verbreitung von Betriebsrenten Nachahmung finden. Ein solches Forum wäre aber nicht nur nützlich vor dem Hintergrund des "Best Practice"-Gedankens. Es wäre auch ein guter Ort, um die Diskussionen über unterschiedliche Aspekte der betrieblichen Altersversorgung zusammenzuführen.

Ein "Dialog Betriebsrente" gäbe die Gelegenheit, Fragen des Steuerrechts, des Aufsichtsrechts und des Arbeitsrechts gesamthaft und mit Blick auf ihre Wechselwirkungen für die Betriebsrente anzusprechen. Und er gäbe Gelegenheit, ein Kernanliegen der Bundesregierung zu diskutieren: den zügigen und deutlichen Ausbau der betrieblichen Altersversorgung im Niedriglohnbereich. Wir laden alle in diesem Bereich Verantwortlichen zur Mitarbeit ein, denn die Herausforderung ist groß, aber auch ebenso lohnend.

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