Aufsätze

Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen: Reicht die gesetzliche Prüfung durch den Prüfungsverband aus?

Die Diskussion der gestellten Frage bedarf zunächst der Definition der Begriffe "Geschäftsmodell" und "Tragfähigkeit". Der Begriff Geschäftsmodell beschreibt im Allgemeinen die Funktionsweise eines Unternehmens und dessen Einbindung in seine Umwelt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, auf welche Weise ein Mehrwert für die Kunden erzeugt und damit die Ertragsfähigkeit des Unternehmens gesichert wird. Die Tragfähigkeit adressiert hingegen die Frage, wie stabil und nachhaltig das Geschäftsmodell ist. Dabei stehen zum Beispiel Aspekte der Evolutionsfähigkeit, Funktionsdauer, Stabilität und Rentabilität im Vordergrund.

Finanzgruppe und Verbändelandschaft als Ganzes betrachten

Das Geschäftsmodell der Kreditgenossenschaften begründet sich grundlegend im Kundengeschäft, um gemäß § 1 Genossenschaftsgesetz (GenG) die Wirtschaft ihrer Mitglieder und damit auch der Kunden zu fördern. Konkretisiert wird dies durch die jeweilige Satzung der einzelnen Genossenschaft und mündet in der Ausarbeitung und Formulierung der jeweiligen Unternehmensstrategie. Dabei ist die regionale Verbundenheit und Verantwortung von zentraler Bedeutung: aus der Region kommend agieren und engagieren sich die Kreditgenossenschaften für diese und erfüllen damit ihren originären volkswirtschaftlichen Auftrag.

Die Betrachtung des Geschäftsmodells kann aber bei Weitem nicht allein auf die einzelne Kreditgenossenschaft begrenzt werden. Vielmehr ist die genossenschaftliche Finanzgruppe als Ganzes einschließlich der damit verbundenen Verbändelandschaft zu betrachten. Insoweit existiert eine über die Jahrzehnte entstandene Aufgabenteilung zwischen der einzelnen Kreditgenossenschaft und den Zentralunternehmen in Form der Zentralbanken, Verbundunternehmen, Rechenzentralen und weiteren Dienstleistern. Dadurch werden Skaleneffekte erzeugt, die eine wirtschaftliche Umsetzung des Universalbankmodells und die Einhaltung regulatorischer Vorgaben für die einzelne Kreditgenossenschaft unabhängig von ihrer Größe ermöglichen.

Komplettiert wird das Gesamtbild durch die Regional- und Spitzenverbände und die genossenschaftliche Sicherungseinrichtung. Die Verbände konzentrieren dabei die Interessenvertretung und die Entwicklung von Umsetzungskonzepten zu betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und aufsichtsrechtlichen Fragestellungen.

Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Spezialisten wird der Konzeptions- und Umsetzungsaufwand für jede der knapp 1 100 Kreditgenossenschaften reduziert. Flankierend steht die Sicherungseinrichtung für die wirtschaftliche Stabilität des Gesamtsystems. Nach dem Prinzip des Institutsschutzes stellt sie, falls notwendig, fallbezogen durch Präventions- und Stützungsmaßnahmen sicher, dass mögliche Fehlentwicklungen einzelner Institute nicht zulasten der Gläubiger und Kunden gehen.

Einheitliches Wertekonzept als Grundlage

Auf diese Weise war und ist es den Kreditgenossenschaften möglich, sich den verschiedenen betriebswirtschaftlichen und/ oder regulatorischen Herausforderungen zu stellen. Dabei ist es nicht entscheidend, ob es sich um ein Jahr-2000-Problem, die Umsetzung der CRR oder das aktuelle Niedrigzinsumfeld handelt.

Insoweit lässt sich das Geschäftsmodell einer Kreditgenossenschaft als ihr Geschäft mit dem Mitglied beziehungsweise dem Kunden verstehen, wobei die Leistungserstellung ein Ergebnis der individuellen Unternehmensführung, eingebettet in die Leistungsfähigkeit der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist.

Dem Gesamten liegt ein einheitliches Wertekonzept zugrunde, welches sich in den verschiedenen Satzungen widerspiegelt und sich an den genossenschaftlichen Grundprinzipien der Mitbestimmung und der Hilfe zur Selbsthilfe ausrichtet. Wie wichtig dieser Aspekt ist, zeigt nicht zuletzt auch die Beurteilung der genossenschaftlichen Finanzgruppe durch Standard & Poor's, welche die bestehende Kohäsion der genossenschaftlichen Finanzgruppe als ratingrelevantes Merkmal erachtet.

Ziele der gesetzlichen Prüfung nach HGB

Ziel der gesetzlichen Prüfung nach §§ 316 ff. HGB in Verbindung mit § 340k HGB ist die Beurteilung der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften durch Prüfung der Buchführung, des Jahresabschlusses und des Lageberichts. Dabei beinhaltet der Jahresabschluss eine nahezu ausschließlich vergangenheitsbezogene Perspektive. Letztlich resultiert hieraus die viel zitierte Erwartungslücke an die Prüfung. Im Zuge der Aufarbeitung der Finanzkrise ist die Verringerung dieser Erwartungslücke nicht zuletzt ein wesentlicher Treiber der aktuell laufenden Anpassungen der Vorschriften zur Bilanzierung und Prüfung.

Die zukunftsgerichtete Perspektive wird durch den Lagebericht der Institute abgedeckt. Die Bestandteile sind durch § 289 HGB für den Einzelabschluss und durch § 315 HGB für den Konzernabschluss definiert. In Bezug auf das Geschäftsmodell soll der Lagebericht Aussagen zum Geschäftsverlauf des abgelaufenen Jahres und Ausführungen zu den Chancen und Risiken der Zukunft beinhalten. Dabei wird ein Prognosezeitraum von mindestens einem Jahr zugrunde gelegt. Daher rückt die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells letztlich erst zu einem vergleichsweise späten Zeitpunkt in den Fokus der Berichterstattung.

Geschäftsmodell nicht im Fokus handelsrechtlicher Betrachtungen

Erschwerend kommt hinzu, dass in der reinen handelsrechtlichen Jahresabschlussprüfung die Regelung des § 317 Abs. 2 HGB den Prüfungsauftrag des Wirtschaftsprüfers klar eingrenzt. Er hat im Rahmen seiner Prüfung zu beurteilen, inwieweit die Angaben im Lagebericht eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermitteln und ob die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen zum Prognosezeitraum besteht insoweit wenig Raum für die handelsrechtliche Prüfung, sich mit der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells auseinanderzusetzen, es sei denn, innerhalb von zwölf Monaten sind bestandsgefährdende Risiken zu erwarten.

Daher ist als erstes Zwischenfazit festzuhalten, dass die alleinige gesetzliche Prüfung gemäß § 316 HGB i.V.m. § 340k HGB nicht ausreicht, die Tragfähigkeit eines Geschäftsmodells zu gewährleisten.

Aufgrund § 29 Abs. 1 Nr. 2 KWG steht die Beurteilung derartiger Fragestellungen nur teilweise im Fokus der Prüfungshandlungen des Jahresabschlussprüfers. Verantwortlich hierfür ist zum Beispiel die Klarstellung in den MaRisk, wonach nicht der Inhalt der Geschäftsstrategie, sondern "nur" der Entstehungsprozess Gegenstand der Prüfungshandlungen ist. Der Fokus aufsichtsrechtlicher Prüfungsinhalte liegt insoweit sehr stark auf der Einhaltung zunehmend formalisierter Anforderungen. Die Beurteilung der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells findet nur teilweise statt.

Ein Kernelement der Anforderungen nach dem Genossenschaftsgesetz

Der aufsichtsrechtliche Aspekt der Jahresabschlussprüfung bringt einen Mehrwert gegenüber der handelsrechtlichen Prüfung, ermöglicht aber noch nicht die positive Beantwortung der Eingangsfrage. Die heutige Ausgestaltung der Bankenaufsicht ist unverändert auf die Einzelbeaufsichtigung, auch der kleinsten Kreditgenossenschaft, ausgerichtet. Dabei ist es kein Geheimnis, dass die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells eine wesentliche Fragestellung der mikroprudentiellen Bankenaufsicht darstellt.

Die Betrachtung der für Genossenschaften und damit auch für die Kreditgenossenschaften vorgeschriebenen gesetzlichen Prüfungen zeichnet indes ein anderes Bild. Die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells ist bei einer Genossenschaft als einziger Rechtsform Voraussetzung für die Eintragung und damit Gründung der Gesellschaft. § 11 Abs. 2 Nr. 3 GenG fordert als Eintragungsvoraussetzung unter anderem eine gutachterliche Äußerung, in welchem der Verband zu einer etwaigen Gefährdung der Belange der Mitglieder und Gläubiger Stellung nimmt.

Dieser Grundgedanke wird auch in der jährlichen gesetzlichen Prüfung nach § 53 Genossenschaftsgesetz fortgeschrieben. Dies zeigt sich beispielsweise im Prüfungsauftrag, indem nicht die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für den Jahresabschluss im Vordergrund stehen, sondern die wirtschaftlichen Verhältnisse der Genossenschaft und die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung.

Um dies feststellen zu können, sind nach dem Genossenschaftsgesetz die Einrichtungen (Innen- und Außenorganisation), die Vermögenslage (inklusive der Finanz- und Ertragslage) sowie die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung der Genossenschaft (unter anderem auch die einzelnen Geschäftsführungsmaßnahmen) zu prüfen. In die genossenschaftliche Prüfung eingeschlossen wird durch das Gesetz auch die Prüfung des Jahresabschlusses unter Einbeziehung der Buchführung und des Lageberichts analog der handelsrechtlichen Prüfung.

Die genossenschaftliche Prüfung ist damit allumfassend, das heißt in formeller Hinsicht (Richtigkeit) und in materieller Hinsicht (Effizienz von Maßnahmen). Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung beinhaltet beispielsweise die Vertriebsausrichtung der Genossenschaft, die Geschäftsprozesse und die Steuerung des Geschäftsbetriebs unter Abwägung der aktuellen und zukünftigen Chancen und Risiken.

Vollumfänglich im Blick der Pflichtprüfung und Berichterstattung

Bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung werden die Geschäftsführungsorganisation, das -instrumentarium und die Geschäftsführungsmaßnahmen dahingehend beurteilt, ob die Existenzfähigkeit der Kreditgenossenschaft auch in weiterer Zukunft gegeben ist. Über das Ergebnis dieser Prüfung wird in Abstufungen sowohl dem Aufsichtsrat als auch allen Mitgliedern in der General- beziehungsweise Vertreterversammlung Bericht erstattet. Damit ist die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells vollumfänglich im Fokus der genossenschaftlichen Pflichtprüfung und auch im Fokus der Berichterstattung an alle Adressaten der gesetzlichen Prüfung.

Bei der genossenschaftlichen Pflichtprüfung werden die vergleichbaren berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten eines Wirtschaftsprüfers angewendet, wie dies auch bei der Prüfung anderer Rechtsformen der Fall ist. Nicht umsonst unterliegen die genossenschaftlichen Prüfungsverbände einer der Wirtschaftsprüferzunft vergleichbaren externen Qualitätssicherung durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer.

Da die Prüfungsberichte gemäß § 340k HGB durch Wirtschaftsprüfer zu unterzeichnen sind, sind auch die für die Prüfung verantwortlichen Personen der Einhaltung der berufsrechtlichen Standards verpflichtet. In Verbindung mit dem gesetzlichen Prüfungsauftrag wird hierdurch eine unabhängige und unparteiische Prüfung gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund ist die eingangs gestellte Frage positiv zu beantworten. Die genossenschaftliche Pflichtprüfung ist auf die Beurteilung der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells auch unter Berücksichtigung des dargestellten Zusammenwirkens in der genossenschaftlichen Finanzgruppe ausgerichtet.

Instrumente zur Aufrechterhaltung der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass in dem Zusammenspiel von Kreditgenossenschaft, Prüfungsverband und Sicherungseinrichtung satzungsmäßige Instrumente verankert sind, welche die Aufrechterhaltung der Tragfähigkeit des Geschäftsmodells sicherstellen sollen. Diese umfassen neben der präventiv wirkenden Aufgabe der Betreuung, Beratung und Qualifizierung der Kreditgenossenschaften zur Gewährleistung der Zukunftsfähigkeit durch den Genossenschaftsverband auch gesonderte Prüfungsrechte und Sanktionsmöglichkeiten. Dadurch werden Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und Schäden für Mitglieder, Gläubiger und Allgemeinheit vermieden.

Die Funktionsfähigkeit des gesamten Systems kann durch zwei Beispiele belegt werden. Eine Kreditgenossenschaft ist noch nie zulasten von Gläubigern insolvent geworden. Die genossenschaftliche Finanzgruppe hat die Finanzkrise ohne externe Hilfe mit eigener Kraft gemeistert.

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