Aufsätze

Verbriefung differenziert betrachten - Ansatzpunkte zur Wiederbelebung des Marktes

In der öffentlichen Wahrnehmung gelten Verbriefungen als der Sündenbock der Finanzmarktkrise ("ABS waren der Kern der Katastrophe", Stern, Juni 2009, "Zockerinstrumente", TAZ, August 2009). Breite Kritik am Verbriefungsinstrument wird auch dadurch gefördert, dass viele Wirkungszusammenhänge aufgrund ihrer Komplexität nicht ohne Weiteres vermittelt werden können und Verbriefung damit ein "Buch mit sieben Siegeln" bleibt. Dazu kommt, dass die Verbriefungsindustrie - wenn auch nicht hierzulande - durch unsolide Prozesse und Produkte zu ihrem schlechten Ruf tatkräftig beigetragen hat. Für die Wiederbelebung der Märkte zu werben erfordert daher einigen Mut, zumindest die Bereitschaft des Zuhörers oder Lesers, das Thema etwas genauer zu betrachten.

Verbriefung und Kreditversorgung

Eine Analyse der von der KfW begleiteten Verbriefungstransaktionen Plattformen Promise und Provide zeigt, dass deren Ausfallhistorie bislang überwiegend sehr positiv und der von Einzelkrediten überlegen ist. Gleiches kann auch für die meisten europäischen Verbriefungen gesagt werden. Das lässt den Schluss zu, dass gut strukturierte Verbriefungen nicht per se "Zockerinstrumente", sondern vielmehr erstens eine für Investoren durchaus bewertbare und rentierliche Anlage sind, zweitens den Banken nicht dazu dienen, ihre faulen Kredite loszuwerden, sondern zur Risikodiversifizierung ähnlich wie eine Kreditsyndizierung eingesetzt werden und drittens auch nicht das Ziel haben, lediglich Banken zu "fördern": Letztlich profitiert der einzelne Kreditnehmer durch ein breiteres Kreditangebot und verbesserte Kreditkonditionen.

Die Verbriefungsmärkte haben sich in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren zu einem wichtigen Bindeglied zwischen Kredit- und Kapitalmärkten entwickelt. Dies gilt für Länder wie Großbritannien und Spanien in viel stärkerem Maße als für Deutschland. Doch auch hier haben die Verbriefungsmärkte ein beachtliches Gewicht in der Refinanzierung und Risikosteuerung der Banken erlangt. Wieso sind Verbriefungen für die Unternehmensfinanzierung und für den einzelnen Mittelständler so wichtig?

- Verbriefung führt durch den Risikotransfer an Dritte zur Eigenkapitalfreisetzung beziehungsweise zum Abbau von Risk Weighted Assets bei den verbriefenden Banken. Dadurch wird neuer Kreditvergabespielraum geschaffen und die Kreditvergabe stimuliert.

- Fristenkongruente und langfristige Refinanzierung, die an den Kreditnehmer weitergegeben werden kann: Dieser Aspekt ist aus Sicht der Mittelstandsförderung insbesondere zur Sicherstellung der Investitionsfinanzierung und damit für das gesamtwirtschaftliche Wachstum wichtig.

- Zweckbindung: In den Verbriefungstransaktionen der KfW wurde von den Originatoren gefordert, die freigesetzten Mittel den Zielgruppen durch Neukreditvergabe wieder zur Verfügung zu stellen (Zielgruppen der KfW sind im Wesentlichen der Mittelstand sowie der private Wohnungsbau).

- Linienentlastung und damit Freiraum für Neukreditvergabe.

Aus Sicht der Mittelstandsförderung ist zudem von Bedeutung: Die Eigenmittelknappheit und die daraus resultierende reduzierte Kreditvergabekapazität der Kreditinstitute treffen in der aktuellen Krise deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich besonders hart. Grund: Letztere sind traditionell in starkem Ausmaß auf die Kreditfinanzierung über Banken angewiesen. Denn anders als etwa US-amerikanische Unternehmen verfügen nur die wenigsten über direkten Kapitalmarktzugang. Reduzieren Banken nun ihr Kreditangebot, haben die Unternehmen hierzulande besonders wenige Möglichkeiten, alternative Kapitalquellen anzuzapfen. Daher besteht ein weiterer Vorteil der Verbriefung darin, Unternehmen einen indirekten Zugang zu den Kapitalmärkten zu öffnen und damit die Bedeutung von kapitalmarktbasierten Finanzierungselementen zu erhöhen.

Fehlende positive Wahrnehmung

Trotz der aufgeführten Vorteile gibt es eine Reihe von Bedenken gegen Verbriefungsansätze beziehungsweise findet die Verbriefung nur relativ wenige Befürworter. Zur fehlenden positiven Wahrnehmung trägt bei, dass der einzelne Kreditnehmer die gesamtwirtschaftlichen Vorteile nur mittelbar, das heißt indirekt zu spüren bekommt, weshalb Transferleistungen wie Zuschüsse und Garantien wegen ihrer unmittelbaren Wirkung populärer sind.

Bereits in der letzten Bankenkrise in Deutschland vor gut fünf Jahren war die Verbriefung eine erfolgreich eingesetzte Technik, um eine drohende Kreditklemme zu vermeiden. Damals waren einige Banken unter erheblichen Anpassungs- und Wettbewerbsdruck geraten, als infolge von Veränderungen auf den Kredit- und Kapitalmärkten ihre Refinanzierungskosten stiegen, ihre Margen sanken und hohe Wertberichtigungen den Druck verschärften. Die darauf folgenden, erheblichen Umstrukturierungen resultierten in ihrem teilweisen Rückzug aus bestimmten Segmenten wie dem Firmenkundengeschäft, sodass die Gefahr der Unterversorgung mit Krediten bestand. Gleichzeitig suchten Banken nach günstiger Refinanzierung und Absicherungsmöglichkeiten ihrer Risiken aus den Kreditgeschäften. In dieser Zeit zielte die KfW mit dem Aufbau ihrer Verbriefungsplattformen darauf ab, Banken ein geeignetes Instrument zur Eigenkapitalentlastung und -steuerung anzubieten.

Fast zehnjährige Verbriefungstradition

Die KfW blickt mittlerweile auf eine fast zehnjährige Verbriefungstradition zurück. Bereits seit dem Jahr 2000 bietet die KfW ihre beiden Plattformen Promise und Provide deutschen und europäischen Banken an. Seitdem wurde in 69 Transaktionen ein Volumen von rund 125 Milliarden Euro verbrieft. Davon entfiel etwa ein Drittel auf Mittelstandsverbriefungen.

Wirkungsweise: Aufgrund ihrer synthetischen Struktur zielten Promise und Provide in der alten "Basel-I-Welt" zunächst auf die durch die Verbriefung generierte Eigenkapitalfreisetzung ab. Da das Ausfallrisiko von Krediten pauschal mit acht Prozent unterlegt werden musste, war die Ausplatzierung des Großteils der Kapitalstruktur und insbesondere der volumensmäßig sehr bedeutsamen AAA-Tranche attraktiv. Dies hat sich unter Basel II geändert, da die Eigenkapitalunterlegung nun in Abhängigkeit des Risikos der jeweiligen Tranche erfolgt. Die Ausplatzierung der AAA-Tranche ist daher unter dem Gesichtspunkt der Eigenkapitalfreisetzung für Banken uninteressant. Vielmehr reicht ein wesentlicher Risikotransfer in den mezzaninen Tranchen aus. Allerdings besteht im Rahmen der Plattformtransaktionen der KfW die Möglichkeit, den garantierten Kreditpool in die Deckungsmasse einzubringen und dadurch eine Liquiditätswirkung zu entfalten, sodass beide wesentlichen Vorteile von Verbriefung - Eigenkapitalentlastung und langfristiges Funding - kombiniert werden können.

Erfolgsbilanz: Promise und Provide wiesen bereits von Anfang an eine Reihe von Merkmalen auf, die nach den Erfahrungen der Subprime-Krise nun als grundsätzlicher Standard beziehungsweise als Qualitätsmerkmale von Verbriefungstransaktionen gefordert werden. Dazu zählen unter anderem der Risikoeinbehalt durch den Originator sowie transparentes und standardisiertes Reporting.

Diese Qualitätsstandards haben sich in einer guten bis sehr guten Performance von Promise und Provide ausgezeichnet: Die Verluste liegen bisher im Schnitt bei 0,1 Prozent des verbrieften Poolvolumens. Dagegen geht man bei einem klassischen US-Subprime-Deal von Verlusten in den verbrieften Pools von 30 bis 35 Prozent aus. Auch die Ratingstabilität war bei den Plattformtransaktionen bislang sehr hoch; 90 Prozent der Tranchen sind stabil oder wurden heraufgestuft. In den US-Subprime-Transaktionen wurden dagegen mittlerweile die Hälfte der Papiere zum Teil massiv herabgestuft.

Eine ähnlich gute Performance wie die KfW-Transaktionen weisen übrigens die durch die TSI zertifizierten Transaktionen auf. Hier liegen die Verluste gegenwärtig zwischen 0,1 bis 2,7 Prozuent, 92 Prozent der Transaktionen waren bislang ratingstabil oder wurden heraufgestuft. Die geringen Verluste und die hohe Ratingstabilität dokumentieren eindeutig, dass in den meisten Transaktionen mit deutschen Pools kein "Ramsch" und kein "Giftmüll" verbrieft wurde. Die selbst gesetzten Standards haben die Fehlentwicklungen des Subprime-Marktes von vornherein verhindert. Wichtig ist dabei, dass überwiegend das Bestandsgeschäft der Banken verbrieft wurde, das heißt, Kredite die ursprünglich in einem nach KWG regulierten Verfahren vergeben wurden.

Wiederbelebung in Sicht?

Eine Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes wird es dann geben, wenn mit den veränderten Rahmenbedingungen das Vertrauen der Marktteilnehmer wieder hergestellt werden kann und sich die Risikoprämien normalisieren. Dazu könnte besonders beitragen, wenn ein Premiumsegment für deutsche Mittelstands- und Wohnungsbauverbriefungen etabliert würde, indem bestimmte Qualitätsstandards garantiert werden.

Um ein "Premiumsegment" deutscher Mittelstands- und Wohnungsbauverbriefungen zu etablieren, wären folgende Voraussetzungen zu erfüllen: (1) Verbriefung aus der Bilanz der Banken, wobei die zugrunde liegenden Kredite unter Beachtung des KWG vergeben wurden, (2) die verbriefende Bank bleibt in der Kreditbearbeitung und für die Kundenbeziehung verantwortlich (sogenannte ganzheitlich verantwortete Prozessketten), (3) Risikominderung für den Investor durch angemessenen Risikoeinbehalt der Banken, granulare Kreditportfolios mit nicht-leistungsgestörten Krediten, (4) einfache und überschaubare Strukturen, (5) deutsches SPV, (6) Verpflichtung zur Transparenz und Offenlegung: Einhaltung von Industriestandards, öffentlich zugänglich und weitgehend standardisiertes Reporting.

Durch die Beachtung dieser Spielregeln wird sichergestellt, dass Verbriefungen auf ihren ursprünglichen Zweck - Refinanzierung, Eigenkapitalentlastung und Risikodiversifizierung - zurückgeführt werden. Die genannten Beispiele (Promise, Provide und TSI) zeigen die Wirksamkeit dieser Standards. Zudem dürften solide strukturierte Transaktionen auf entsprechende Nachfrage treffen. Viele Assetklassen haben im laufenden Jahr eine deutliche Spreadperformance erfahren, insbesondere Staatsanleihen, Pfandbriefe, Corporate Bonds und gut geratete ABS-Papiere haben wieder an Wert gewonnen. Aufgrund der aktuell zum Teil sehr geringen Renditen bei sicheren Anlagen wie Staatsanleihen suchen viele Investoren jetzt wieder nach Möglichkeiten, ihre Mittel in attraktivere Anlagen fließen zu lassen. Hier können ABS-Papiere den unterschiedlichen Risikobedarf aufgrund der Kapitalstruktur decken. Bei entsprechender Nachfrage und adäquaten Risikoprämien können die Verbriefungsmärkte somit eine verlässliche Möglichkeit bieten, die Kreditversorgung der heimischen Wirtschaft zu verbessern.

Die genannten Spielregeln und eine durchgängig verlässliche Performance der Verbriefungstransaktionen sollten dazu beitragen, die Reputation von Verbriefung in der Öffentlichkeit zu verbessern. Die KfW ihrerseits wird ihre Verbriefungsaktivitäten fortführen und ihre Plattformen als einen Baustein ihres Förderauftrags - die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für ihre Zielgruppen - weiter anbieten.

Dr. Günther Bräunig , Vorsitzender des Vorstands, KfW Banken gruppe, Frankfurt am Main
Noch keine Bewertungen vorhanden


X