Aufsätze

Verbriefung von Handelsforderungen - oder wie eine intelligente Finanzierungsform unter die Mühlsteine von CRD und Basel III gerät

Die Verbriefung von Handelsforderungen über sogenannte "ABCP-Mittelstandsconduits" gehört seit rund zehn Jahren auch in Deutschland zu einem immer beliebter werdenden Finanzierungsinstrument. Experten schätzen, dass durch den Verkauf von Leasing- und Handelsforderungen dem deutschen Mittelstand mittlerweile knapp 20 Milliarden Euro an Refinanzierungsmitteln durch die Begebung von Asset Backed Commercial Papers (ABCP) über die verschiedenen Programmanbieter bereitgestellt wird. Am Beispiel der Georgsmarienhütte GmbH (GMH), die dieses Instrument zusammen mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bereits seit über sieben Jahren nutzt, soll aufgezeigt werden, wie sich die neuen Regularien von CRD und Basel III auf die Vorteilhaftigkeit und Attraktivität des Finanzierungsinstrumentes auswirken.

ABCP-Finanzierung aus Unternehmensperspektive

Die GMH hat Beteiligungen an über 50 Unternehmen in der Old Economy, die sich in den Bereichen Rohstoff/Recycling, Stahl, Schmiede, Guss, Anlagenbau und Services bewegen. Es wurde eine horizontale und vertikale Diversifizierung entlang der Wertschöpfungskette vorgenommen. Seit 1993 wurde der Jahresumsatz auf aktuell rund 2,5 Milliarden Euro gesteigert. Beschäftigt werden rund 10000 Mitarbeiter.

Während der Wachstumsphase konnte die GMH durch Gewinnthesaurierung konstant eine Eigenkapitalquote von 40 Prozent sicherstellen. Die Wachstumsfinanzierung wurde darüber hinaus durch externe Finanzierungsquellen unterstützt. Generell gilt, dass jedes Unternehmen und jede Akquisition individuell finanziert wird. Somit ergibt sich eine heterogene Finanzierungslandschaft mit einer größeren Anzahl von Finanzierungspartnern.

Wegen der Zyklik der Branche und des erklärungsbedürftigen Geschäftsmodells hat die Georgsmarienhütte Holding GmbH seit Beginn des Jahrtausends an einer diversifizierten Finanzierungslandschaft gearbeitet. Oberstes Ziel ist es, Abhängigkeiten von einzelnen Finanzierungspartnern und -instrumenten zu vermeiden. Es soll sichergestellt werden, dass Krisen einzelner Partner oder Produkte sich nicht auf die Liquiditätsversorgung der Gruppe auswirken. Die Diskussionen um Basel II und aktuell Basel III werden unternehmensseitig auch kritisch beobachtet, weil sich massive Auswirkungen auf die Finanzierungslandschaft ergeben können. Die Unternehmensgruppe nutzt klassische bilaterale Kreditlinien, Back-Up-Fazilitäten, langfristige Finanzierungen, alternative Instrumente wie Leasing, Mietkauf, Factoring, ABS, Schuldscheindarlehen sowie Mezzanine-Strukturen. Langfristige Geschäftsbeziehungen sind für die Georgsmarienhütte Holding GmbH entscheidende Voraussetzungen. Die Unternehmensgruppe hat sich frühzeitig mit den Anforderungen des Kapitalmarktes auseinandergesetzt. Es liegt kein externes Rating vor.

Atmende Working-Capital-Finanzierung

Vor diesem Hintergrund wurde bereits 2002 mit der Strukturierung eines Multi- Seller-ABS-Programms begonnen, um über diesen Weg eine atmende Working- Capi-tal-Finanzierung aufzubauen. Eingebunden wurden mehrere Tochtergesellschaften und Forderungen in unterschiedlichen Rechtsräumen. Das Programm wurde mittels einer individuellen EDV-Lösung in SAP integriert und der tägliche Arbeitsaufwand auf ein Minimum reduziert. Für das laufende Reporting ergaben sich keine zusätzlichen Anforderungen. Hervorzuheben ist, dass die ABS-Transaktion als True Sale klassifiziert werden konnte.

Nach siebenjähriger Nutzung wird ein ausgesprochen positives Fazit gezogen. Das Programm hat zwei Krisensituationen (Stahlkrise 2003 und Finanzkrise 2009) unbeschadet durchlaufen. Es konnte jeweils unkompliziert an die geänderten Volumina angepasst werden und wurde zwischenzeitlich bis 2017 verlängert. Die Liquidität des Programms war zu jeder Zeit sichergestellt. Die genaue Festlegung der Ankaufsvoraussetzungen hat die Liquiditätsplanung der Georgsmarienhütte Holding GmbH in den Krisensituationen deutlich erleichtert, weil eine genaue Planung anhand der Produktionsplanung möglich ist.

Die Vorteile für die GMH stellen sich wie folgt dar: Indirekter Kapitalmarktzugang ohne eigenes Rating; Individualisierte Due Diligence nach Kapitalmarkt- und Ratinganforderungen; Professionalisierung des internen Working Capitals Reportings und atmende Finanzierung; Nutzung der Erfahrungen bei der Begebung einer Hybridanleihe, Verbreiterung der Finanzierungsbasis

ohne Anrechnung auf bestehende Kreditlinien; Optimierung der Eigenkapitalquote wegen True Sale; keine Einflußnahme auf die Geschäftspolitik der Unternehmensgruppe sowie ABCP-Finanzierung aus Bankensicht.

Von den deutschen Banken werden derzeit elf ABCP-Conduits betrieben. Die LBBW ist mit ihrem "Weinberg"-Programm (beziehungsweise dem Vorgänger "Bodensee") seit 2000 in diesem Markt aktiv. Für diese Art der Finanzierung spricht, dass durch die Strukturierung des Risikos mittels dynamischer Kreditverbesserungen und Portfolio-Grenzwerten ein wesentlich besseres und stabileres Risikoprofil erreicht werden kann als etwa bei einem Blanko-Betriebsmittelkredit an ein typisches Mittelstandsunternehmen. Dies zeigt sich auch in der Eigenkapitalunterlegung nach Basel II. Die ABS-Liquiditätslinien haben meist bessere Ratings und eine geringere Eigenkapitalunterlegung als die korrespondierenden Blankokredite an die entsprechenden Forderungsverkäufer. Dies macht ABCP auch für die finanzierende Bank attraktiv. Gerade in Zeiten des konjunkturellen Abschwungs hielten sich die Kapitalunterlegungen für ABCP-Transaktionen auf erstaunlich stabilem Niveau (Abbildung 1).

Ein weiterer Vorteil für eine Sponsorbank gegenüber dem herkömmlichen Unternehmenskredit ist, dass durch eine ABCP-Transaktion wesentlich früher Erkenntnisse über den Umsatz- und Geschäftsverlauf gewonnen werden und so gegebenenfalls negative Entwicklungen rechtzeitig erkannt und aufgefangen werden können. Der Grund hierfür ist, dass die Forderungen und deren Performance ein unmittelbares Spiegelbild der Umsatzaktivitäten darstellten, was wiederum Einfluss auf Ertrag und Liquidität des Unternehmens hat. Dadurch, dass als primärer Risikoträger der Forderungspool und die Struktur betrachtet werden, werden zudem die Kreditlinien an das verkaufende Unternehmen geschont, was der Bank und damit auch dem Unternehmen einen größeren Kreditspielraum beschert.

Schutzschild des Sponsors

Als Wermutstropfen muss allerdings auch gesagt werden, dass derartige "Multi-Seller"-ABCP-Papiere (das heißt: Unternehmen verkaufen in eine Struktur überwiegend ihre Handels- oder Leasingforderungen) im Zuge der Kapitalmarktkrise stark gelitten haben und oftmals noch mit "toxischen" ABS-Bonds oder den sogenannten SIVs (Structured Investment Vehicles) in einen Topf geworfen werden. Der Markt für ABCP in Europa liegt nach wie vor zu weiten Teilen darnieder und Investoren trauen sich erst wieder langsam, derartige Strukturen ihren Entscheidungsträgern vorzulegen (Abbildung 2).

Deshalb müssen viele Sponsorbanken einspringen und die Liquidität selbst bereitstellen (via Kauf der ABCP oder Ziehung der Liquiditätslinie). Dies macht die ABCP relativ teuer im Verhältnis zu dem geringen Risiko, das sie verkörpern. Viele Sponsoren (so auch die LBBW) sind deshalb dazu übergegangen, durch die Stellung von sogenannten "Fully-Supported"-Liquiditätslinien die auch zur Deckung von Ausfällen aus dem Portfolio gezogen werden können die ABCP vor Verlusten abzuschirmen. Hierdurch profitieren Investoren nicht nur von der Diversifikation des Portfolios und seinen strukturellen Sicherungselementen, sondern auch noch vom Schutzschild des Sponsors. Es bleibt zu hoffen, dass dies zu einem Wiederaufleben des ABCP-Marktes in Europa führen wird.

Doch weitere Unsicherheiten für die Mittelstandsfinanzierung via ABCP drohen leider auch aus der regulatorischen Ecke. Unter der These "das Richtige gewollt, das Falsche erreicht" muss man leider einige der regulatorischen Auswirkungen auf Sponsoren und Investoren in ABCP betrachten, die durch die Novellierung von KWG und SolvV beziehungsweise GroMiKV ab 1. Januar 2011 entstehen.

Gerade Multi-Seller-ABCP-Conduits mit ihren verbrieften Handels- oder Leasingforderungen werden durch die neuen Regelwerke, welche durch die CRD II und CRD III Vorschriften geprägt sind, ungebührlich benachteiligt. In erster Linie rührt das daher, dass die Regulierungsbehörden mehr an die Subprime-Krise und ihre negativen Auswüchse gedacht haben, als an Mittel-stands-ABCP. Trotzdem werden diese Instrumente den gleichen Regeln unterworfen wie CDO2 oder "Originate-to-distribute"-Modelle. Dies schafft in der Praxis Auslegungs- und Regelungsfragen, die bis dato leider nicht gelöst sind. Zu nennen sind:

- Anerkennung von (Fully Supported) Liquiditätslinien und LoCs als Selbstbehalt des Sponsors,

- Klärung der Anforderungen an Due Diligence und Stress-Tests der Investoren (insbesondere bei Fully-Supported-Programmen mit entsprechender Abschirmung durch den Sponsor),

- Umfang der Reportingnotwendigkeiten mit Blick auf die verbrieften Portfolios an Handels- oder Leasingforderungen und die verkaufenden Unternehmen,

- keine Verpflichtung für das verkaufende Unternehmen, sich bei Eingehung der Handelsforderungen an die Kreditvergabestandards des Sponsors zu binden, - keine Qualifizierung derartiger Programme als Wiederverbriefungen,

- Klärung der Frage der Kreditnehmereinheit zwischen Sponsor und Programm,

- Möglichkeit für den Sponsor, die ABCP ohne Kapitalabzug selbst kaufen zu können,

- keine Durchschau des Sponsors auf die einzelnen Debitoren zum Zwecke der Großkreditmeldung,

- künftige Behandlung von ABCP-Conduits beziehungsweise deren Liquiditätslinien unter Basel III.

Einen Überblick über das für ABCP-Conduits relevante Regelungswerk gibt die Abbildung 3.

Um zumindest Teile der ungeregelten Fragen einer positiven Einschätzung zuzuführen, haben einige Sponsoren zwischenzeitlich ihre ABCP-Conduits restrukturiert und - soweit möglich - "CRD-fest" gemacht. Die LBBW hat etwa in ihrem Wein-berg-Programm nur noch Handels- oder zinstragende Forderungen von Kunden zugelassen - weder Wertpapiere (insbesondere andere ABS-Titel) noch Kreditforderungen aus den eigenen Büchern sind erlaubt. Ferner wird durch eine "Fully-supported"-Liquiditätslinie das Risiko aus dem Forderungspool vollständig gegenüber dem Investor abgeschirmt. Eine weitere Innovation stellt auch das Serienkonzept von Weinberg dar, wonach ein Investor die Möglichkeit hat, ABCP zu erwerben, die nur einem oder mehreren bestimmten Pools zugeordnet sind. Die ist insbesondere für Investoren interessant, die ihre Liquidität zielgerichtet nur bestimmten Verkäufern oder nach anderen Kriterien selektierten Forderungspools (zum Beispiel Branchen, Regionen) zukommen lassen wollen oder dürfen.

Stabiler Finanzierungsbestandteil

Für Unternehmen wie die GMH ist die Finanzierung über ABCP-Programme seit Jahren zu einem wichtigen und durch alle Krisen hinweg stabilen Finanzierungsbestandteil geworden. Banken wie die LBBW bieten ihren Kunden über diese sogenannten Mittelstands-Conduits intelligente Finanzierungslösungen, die sich aufgrund ihrer risikoarmen und (auch in der Krise) ratingstabilisierenden Wirkung durch eine geringe Eigenkapitalunterlegung auszeichnen. Damit ist gerade auch in einer konjunkturellen Achterbahnfahrt sowohl im Abschwung als auch im anschließenden Aufschwung ein hohes Maß an Finanzierungssicherheit und Flexibilität gegeben.

Leider birgt jedoch die aktuelle Diskussion um CRD und Basel III die große Gefahr, dass durch eine undifferenzierte Regulierung und dem Zusammenwerfen mit völlig anderen ABS-Konstrukten quasi "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird". Das macht Unternehmen und Sponsoren das Leben (unnötig) schwer. Es bleibt aber immer noch zu hoffen, dass der Gesetzgeber beziehungsweise die Aufsicht dies erkennen und gegensteuern. Ein Finanzierungsvolumen von 20 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft gerade in diesen Zeiten zu gefährden, wäre fahrlässig.

Unternehmen und Banken können daher nur hoffen, dass in der allgemeinen Diskussion um das "Teufelszeug Kreditverbriefung" bald wieder Vernunft und Ruhe einkehrt. Dann kommen auch die Investoren wieder zurück.

Der Artikel gibt die Meinung des Autors wieder und ist keine Stellungnahme der LBBW.

Der Autor dankt Thomas Löhr, Leiter Finanzen, Georgsmarienhütte Holding GmbH, Georgsmarienhütte, für die Unterstützung bei Erstellung und Durchsicht des Manuskripts.

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