Leitartikel

Vielleicht wird 2012 besser als wir denken

Es gibt wenige Jahre, in denen die Menschen so skeptisch in die Zukunft geschaut haben wie in diesem. Das ist verständlich. Zu oft sind in den letzten Monaten die Hoffnungen enttäuscht worden. Der konjunkturelle Aufschwung brach im Herbst ohne größere Vorwarnung ab. Der Aktienindex Dax fiel im Sommer in wenigen Wochen um mehr als 2 000 Punkte. Banken haben ehrgeizige Renditeziele verkündet, die dann aber nicht eingehalten werden konnten. Die Eurokrise hat sich trotz aller Maßnahmen der Politiker und Notenbanker nicht entspannt, sondern eher noch verschärft.

Glücklicherweise gab es zuletzt einige positive Stimmungsindikatoren, zwar nicht von den Banken, wohl aber aus der Realwirtschaft. Der ifo-Index ist zum zweiten Mal hintereinander leicht gestiegen. Die Jahresendumfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft war nicht schlecht. Der Realwirtschaft scheint es derzeit besser als der Finanzwirtschaft zu gehen. Das hat das Klima im Lande aber nicht nachhaltig aufgehellt. Die Bundeskanzlerin sprach in ihrer Neujahrsbotschaft davon, dass 2012 schwieriger als 2011 wird.

Freilich darf man sich von solchen Stimmungen nicht zu sehr nach unten reißen lassen. Wenn alle pessimistisch sind, dann gibt es das lehrt die Lebenserfahrung - nicht mehr viel Raum für neue Enttäuschungen. Es kann eigentlich nur noch positive Überraschungen geben.

Aus dem Umgang mit Prognosen wissen wir auch: Wenn die Vorhersagen so nahe beieinander liegen wie im Augenblick, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es anders kommt. Jeder erwartet für Deutschland derzeit eine Abschwächung des Wachstums, aber keine Rezession. Das reale Bruttoinlandsprodukt könnte zwischen null und einem Prozent zunehmen. Die Inflation wird sich in Grenzen halten. Es wäre verwunderlich, wenn das alles so einträte.

Wichtiger aber ist etwas anderes. Die Krisen der vergangenen Jahre waren nicht nur deprimierend. Sie hatten den Vorteil, dass wir aus ihnen lernen konnten. Beim Euro haben wir gesehen, dass es nicht reicht, einfach nur die existierenden Regeln konsequent anzuwenden und mehr Geld in die Hand zu nehmen. Die Regeln müssen geschärft werden. Das geschah auf dem Dezember-Gipfel des Europäischen Rats und muss in diesem Jahr umgesetzt werden. Die Regeln müssen aber auch ergänzt werden. Die Wachstumsbedingungen gilt es durch Strukturreformen in den Volkswirtschaften zu verbessern. Ohne Wachstum kann man dauerhaft keinen Haushalt sanieren. Zudem ist es notwendig, Abschied zu nehmen von den alten nationalstaatlichen Eigenbrödeleien und zu einer wirklich europäischen Zusammenarbeit zu kommen. Eine europäische Währung kann nur mit Mitgliedern fortbestehen, die bereit sind, europäisch zu denken und zu handeln. Daran fehlt es noch.

In der Staatsschuldenkrise wächst - langsam zwar - die Erkenntnis, dass auch der Wähler lieber solide Staatsfinanzen hat als um jeden Preis niedrigere Steuern und höhere Ausgaben. Das alte Gesetz, dass Demokratien angeblich keine Staatsdefizite zurückführen können, gilt nur noch bedingt. An den letzten Brüsseler Sparbeschlüssen haben sich überraschenderweise nicht nur die 17 Euro-Mitglieder beteiligt, sondern 26 von 27 EU-Mitgliedern. Das 27. Mitglied, Großbritannien, blieb nicht deshalb außen vor, weil es nicht sparen wollte. Vielmehr pokerte es für bessere Bedingungen für seinen Finanzplatz.

Auch in der Kreditwirtschaft gibt es einen Lernprozess. Die Häuser tun alles, um die Eigenkapitalquote zu erhöhen, die Risiken zurückzuführen und sich mit ausreicher Liquidität auszustatten, damit sie keine Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen. Zum Teil schärfen sie auch ihr Geschäftsmodell, um weniger von den Volatilitäten der Märkte abhängig zu sein. In der Öffentlichkeit und der Politik macht sich zunehmend die Erkenntnis breit, dass die Landesbanken, in welcher Form auch immer, zusammengeführt und profitabel gemacht werden müssen. Aber auch in der Kreditwirtschaft sind wir noch nicht am Ziel. In vielen Häusern ist noch eine Menge zu tun, gerade auch im Hinblick auf Kundenorientierung. Wichtig ist aber auch, dass die Politik die Beteiligung des Privatsektors an der Sanierung der Schuldnerstaaten in Europa noch einmal überdenkt. In der jetzigen Form hat sie mehr Nachteile als Vorteile. Sie könnte im Inland zu einer Kreditklemme führen. International stellt sie die europäischen Banken gegenüber der Konkurrenz schlechter.

Ein positives Signal für das kommende Jahr ist schließlich, dass sich Unternehmen in der Realwirtschaft so intensiv wie selten auf schwierigere Zeiten eingestellt haben. Die Firmen haben die Läger abgebaut. Sie haben die Liquidität aufgestockt. Sie haben die Eigenkapitalquote erhöht. Sie haben für flexiblere Beschäftigungsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer gesorgt. Sie haben bei Investoren keine großen Erwartungen geweckt. Das macht sie für die Zukunft stärker und widerstandsfähiger.

Insgesamt bewegt sich also etwas unter der Oberfläche der Volkswirtschaft. Es ist bisher noch nicht so recht sichtbar. Es ist auch noch nicht so gefestigt, dass man sicher darauf bauen könnte. Es macht jedoch Hoffnung. Es könnte sein, dass wir aus der Krise gestärkt hervorgehen. Die Ausgangsbedingungen für 2012 sind nicht so ungünstig wie viele denken. Natürlich kann niemand ein schlechtes Jahr ausschließen. Niemand kann auch erwarten, dass 2012 leicht wird und uns vieles zufliegt. Aber wenn die Herausforderungen weiter so ernsthaft angegangen werden, dann haben wir eine reelle Chance, dass das vor uns liegende Jahr besser wird.

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