Berufsbilder im Wandel

"Wir erschließen uns neue Wege der Bewerberrekrutierung" / Interview mit Michael Hinssen

Auch in diesem Jahr konnte die Hypovereinsbank eine rege Nachfrage nach ihren Ausbildungsplätzen verzeichnen. Wie hat sich das Bewerberangebot in den letzten Jahren verändert?

Was die Menge der Bewerbungen angeht, sind wir durchaus zufrieden. Wir sind noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem sich die Bewerbungszahlen aufgrund der Reputation der Bankenbranche empfindlich ändern.

Das Image der Kundenbetreuer selbst ist auch gar nicht so schlecht. Die Bankenschelte der Politik und der Medien richtet sich ja in der Regel nicht gegen Privatkundenbetreuer, sondern gegen die Investmentbanker oder die Institute im Allgemeinen. Daher sind die Auszubildenden von diesen Themen einfach noch sehr weit weg.

Festgestellt haben wir jedoch, dass sich die Bewerber im Lauf der vergangenen Jahre verändert haben. Wir müssen darauf achten, dass neben den sozialen Kompetenzen auch bestimmte gesellschaftliche Regeln eingehalten werden. Das sind zum einen die grundlegenden Regeln der Höflichkeit oder wie man sich kleiden sollte oder eben auch nicht. Das war vor zehn oder 15 Jahren im Gegensatz zu heute noch kein Thema.

Sie geben den jungen Leuten also Benimmregeln an die Hand?

Das gehört dazu. Heute kann man offenbar nicht immer davon ausgehen, dass dies zuvor in diesem Maße wie früher vermittelt wurde. Um Dinge plastisch zu zeigen, haben wir zum Beispiel mit einer Art Modenschau mit richtigen und falschen Beispielen gute Erfahrungen gemacht - etwa, dass man keine Tennissocken zum Anzug trägt. Das kommt bei den jungen Leuten gut an.

Müssen Sie Bewerber heute stärker "aussieben" als früher?

Ja und Nein. Es haben sich zumindest die Kriterien bei der Auswahl geändert. Vor dem Computer-Zeitalter war die Handschrift das A und O. Das gilt heute nicht mehr. Auch die Schulnoten treten gegenüber Sozialkompetenzen weiter in den Hintergrund. Heute kann beispielsweise ein Realschüler mit hoher Sozialkompetenz eine echte Chance gegenüber einem Gymnasiasten haben, der sich vielleicht im Praktikum oder Assessment-Center nicht so gut dargestellt hat.

Was muss eine Bank heute tun, um attraktive Bewerber auf sich aufmerksam zu machen?

Sie muss in der Lage sein, in der Fläche viele junge Leute anzusprechen. Denn es gibt zwar eine hohe Anzahl an Bewerbern. Es geht jedoch nicht nur darum, viele Bewerber zu bekommen, sondern auch darum, die Qualität hochzuhalten. Wir haben deshalb neue Wege erschlossen, um die richtigen Mitarbeiter zu finden.

Das gelingt heute nicht mehr durch Printanzeigen, sondern wir müssen die Kommunikationswege nutzen, die die jungen Leute auch benutzen. Beispielsweise sind wir relativ stark auf Youtube und Facebook vertreten und erschließen uns damit auch neue Wege der Bewerberrekrutierung.

Auch auf Schülermessen sind wir bundesweit unterwegs und haben dafür ein eigenes Team. Doch auch die Filialleiter selbst tragen dafür Verantwortung, beispielsweise durch Kontakte zu den lokalen Schulen oder den Industrie- und Handelskammern. Dort treten sie regelmäßig auf oder bieten auch Schnupperstunden an, in denen sie die Berufslaufbahn des Bankers darstellen.

Für den aktuellen Auszubildenden-Jahrgang, der in diesem Jahr seine Ausbildung begonnen hat, haben wir in den Filialen Plakate aufgehängt, mit denen sie begrüßt wurden. Auch so etwas zieht Interessenten an. Auch mit unserer einwöchigen Einführungsveranstaltung für alle Azubis zusammen haben wir ein Alleinstellungsmerkmal in unserer Branche.

Stichwort Schnupperstunden: Welche Rolle spielen Schülerpraktika für das Gewinnen attraktiver Bewerber?

Schülerpraktika sind für uns sehr wichtig und werden zunehmend wichtiger. Ich kann mir sogar vorstellen, dies noch weiter auszubauen. Denn die direkte Beobachtung der Sozialkompetenz eines potenziellen Auszubildenden wird im Vergleich zu den Schulnoten immer wichtiger.

Wir werben deshalb auf unseren Internetseiten mit der Möglichkeit, Schülerpraktika zu machen. Deren Länge ist unreguliert und der Zugang läuft sehr unbürokratisch. Wenn Schüler ein paar Tage in die Filiale hineinschauen und auch einmal beim Kundengespräch zuhören können, bekommen sie einen ganz guten Einblick in den Berufsalltag. Umgekehrt können wir so recht gut beurteilen, wer zu uns passt.

Über diese Praktika ergeben sich deshalb viele Kontakte, die später zu Ausbildungsangeboten führen. Momentan denken wir darüber nach, bei Schülern, die bei uns Praktika absolviert haben, den Zugang im Bewerberungsprozess zum Ausbildungsplatz zu verkürzen.

Wie stark decken sich die Vorstellungen der Auszubildenden mit dem tatsächlichen Berufsprofil?

Die Vorstellungen der jungen Leute sind manchmal durchaus ein bisschen diffus. Für viele von ihnen ist der Banker derjenige, der in der Filiale tätig ist und dort die Kontoführung betreibt oder Immobilienkredite vergibt. Die ganze Bandbreite des Berufs, die gerade bei einer internationalen Großbank beträchtlich ist, ist vielen noch gar nicht bewusst. Dies gibt uns aber die Möglichkeit, bei den Nachwuchskräften mit interessanten Angeboten zu punkten. So erhalten die Top-Auszubildenden eines jeden Jahrgangs die Möglichkeit, ein Auslandspraktikum zu machen.

Wäre ein Bewerber, der das Investmentbanking als Ziel angibt, überhaupt willkommen?

Ich denke schon. Bei den Auszubildenden haben wir ja eine recht große Bandbreite. Für uns ist es prinzipiell wichtig, dass die jungen Leute sehen, welche Möglichkeiten es gibt. Ob sie dann diese oder jene Richtung einschlagen, ist eine andere Frage.

Ein großer Teil unserer Auszubildenden hat daran erfahrungsgemäß gar kein Interesse, ein kleiner Teil aber durchaus. So gibt es bei der Einführungsveranstaltung in Sonthofen durchaus die Frage etwa nach der Möglichkeit eines Einsatzes im Ausland oder nach einem Wechsel von der Privatkunden- in die Firmenkundenbetreuung.

Welche Rolle spielt die Zugehörigkeit zu einem großen Konzern für die Attraktivität als Arbeitgeber?

Wir sind eine international agierende Großbank. Das macht uns für viele Auszubildende sehr interessant. Als Arbeitgeber ist man nur dann attraktiv, wenn man grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten bieten kann.

So bieten wir beispielsweise mit dem Programm "Young Bankers go Europe" einmal im Jahr 15 bis 20 Auszubildenden mit entsprechenden Sprachkenntnissen die Möglichkeit, einige Wochen ihrer Ausbildung in Italien, Österreich oder Osteuropa zu absolvieren. Auch durch das Mischen deutscher und österreichischer Nachwuchskräfte bei der gemeinsamen Einführungswoche zu Beginn der Ausbildung betonen wir den internationalen Charakter. So etwas spricht sich auch in den Foren auf Facebook oder in Blogs herum, und davon profitieren wir.

Was ebenfalls eine Rolle spielt ist auch die durch den Bundesverband der deutschen Arbeitgeber bescheinigte hohe Qualität unserer Ausbildung, von der wir glauben, dass wir uns damit ein bisschen von Wettbewerbern unterscheiden.

Großbanken werden aber auch mit Negativschlagzeilen verbunden - beispielsweise immer wieder einmal mit Stellenabbau in großem Stil. Welche Rolle spielt das?

Abbaumaßnahmen finden in den meisten Banken häufig in den Verwaltungseinheiten und nach einer Reorganisation des Investmentbankings statt. Das Privatkundengeschäft war in den vergangenen Jahren nicht so stark betroffen. Natürlich fragen viele Auszubildende nach der Arbeitsplatzsicherheit beziehungsweise nach Übernahmemöglichkeiten nach Abschluss der Ausbildung. Aufgrund der Altersstruktur unserer Mitarbeiter sind wir jedoch jetzt und wohl auch noch in den nächsten Jahren in der Lage, den Großteil unserer Auszubildenden in feste Arbeitsverhältnisse zu übernehmen. Das heißt nicht, dass jeder Auszubildende eine Übernahmegarantie hat. Es ist jedoch die große Ausnahme, wenn Mitarbeiter nach Ende der Ausbildung nicht übernommen werden.

Wie treu sind Ihre Mitarbeiter? Oder umgekehrt: Wie viele verlieren Sie bald nach der Ausbildung an den Wettbewerb?

Unsere Mitarbeiter sind sehr treu. Das Problem, dass Mitarbeiter nach der Ausbildung vom Wettbewerb abgeworben werden, haben wir kaum. Das liegt unserer Erfahrung nach an dem hohen persönlichen Kontaktniveau zu Filialmitarbeitern oder Filialleitern vor Ort. Wir haben deutschlandweit ein Netz von Personalbetreuern aufgebaut, die sich intensiv um die Auszubildenden kümmern. Das wissen diese zu schätzen. Auch im Vergleich zu anderen Großen der Branche gelten wir als sehr menschelnder Arbeitgeber, der junge Leute mit hoher Verantwortung ins Geschäft einbindet.

Natürlich gibt es häufig junge Leute, die nach Abschluss der Ausbildung ein Studium anschließen. In diesen Fällen versuchen wir meist, die Betreffenden mit Studenten- oder Ferienjobs an uns zu binden.

Wann beginnt die Spezialisierung auf bestimmte Bereiche?

Die Ausbildung ist auf den Berufsbereich Privatkundenbetreuer/ Firmenkundenbetreuer ausgerichtet. Dort liegt auch unser größter Bedarf. Wenn überhaupt, findet eine Spezialisierung erst ganz am Ende der Ausbildung oder auch erst danach statt. Aus dem Pool der besten Privatkundenbetreuer rekrutieren wir dann Mitarbeiter für das Private Banking oder das Firmenkundengeschäft, wobei wir in diesem Bereich auch stark mit Hochschulabsolventen arbeiten. Auch die Überleitung in administrative Funktionen ergibt sich häufig in den ersten Berufsjahren nach der Ausbildung.

Was ist für die Mitarbeiter attraktiver: Privat- oder Firmenkundengeschäft?

Diejenigen unserer Auszubildenden, die ein duales Studium oder einen Hochschulabschluss absolviert haben, entscheiden sich häufiger für das Firmenkundengeschäft. Die Akademiker reizt hier insbesondere die häufig höhere Komplexität der Tätigkeit.

Das hieße überspitzt: Die guten Mitarbeiter kümmern sich um die Firmenkunden, die mittelmäßigen für die privaten Kunden?

Nein, wir versuchen eben die Nachwuchskräfte so einzusetzen wie es am besten zu ihren Wünschen und Neigungen passt. Wir achten darauf, dass wir im Privatkundengeschäft, im Firmenkundengeschäft, im Investmentbanking und den Verwaltungseinheiten jeweils eine hohe Qualität an Mitarbeitern haben. Dies erreichen wir im Privatkundensegment zu einem größeren Teil mit den Absolventen unserer Ausbildungsangebote und im Firmenkundenbereich schwerpunktmäßig mit unseren Trainee-Programmen für Hochschulabsolventen.

Wie lassen sich Beförderungen mit einer persönlichen Beziehung zwischen Berater und Kunden vereinbaren?

Hier sehen wir weniger ein Problem. Wir vermitteln den Kunden transparent, wenn sich durch eine berufliche Veränderung des Beraters ein Wechsel in der Kundenbetreuung ergibt. Da der neue Betreuer ebenfalls sofort einen persönlichen Kundenkontakt aufbaut, ist der Übergang fließend und wird von den Kunden auch verstanden. Davon unabhängig legen die Kunden einen großen Wert darauf, dass sie von der Bank insgesamt gut beraten und betreut werden. Wir haben jedoch nicht die Erfahrung gemacht, dass sie ein Problem damit haben, wenn sich ihr Berater innerhalb der Bank weiterentwickelt. Eher schon ist es umgekehrt: Mitarbeiter haben eher ein Problem damit, ihre Kunden abzugeben.

Wie alt muss ein Mitarbeiter sein, um als kompetenter Berater wahrgenommen zu werden?

Eine lange Erfahrung und eine gewisse Seniorität spielt eher im klassischen Private Banking eine Rolle. Ansonsten ist im Privatkundengeschäft das Alter des Beraters nicht das ausschlaggebende Kriterium. Hier sind neben Fachkompetenz die Persönlichkeit, soziale und kommunikative Fähigkeiten wichtiger.

Auch im breiten Privatkundengeschäft gilt: Charmante, gut ausgebildete junge Mitarbeiter, die noch sehr engagiert sind, kommen mit älteren Kunden oft sehr gut zurecht.

Führen Themen wie Beratungsprotokoll, Beraterregister oder auch negative Medienberichte über die Bankberatung irgendwann zu einer Motivationsdelle?

Nein. In mancher Hinsicht ist das ja auch einfach eine Weiterentwicklung des Berufs. Und was die Medienberichte angeht, gilt das vielleicht für die Branche insgesamt, wir selbst stellen das bei unseren Mitarbeitern nicht fest. Denn in der Medienberichterstattung oder Tests schnitten wir in der Regel vor allem inden vergangenen drei Jahren ohnehin eher gut ab.

Ihre Mitarbeiter bekennen sich also nach außen noch offen zu ihrer Tätigkeit?

Ja. Die Mitarbeiterzufriedenheit im Privatkundengeschäft hat sich sogar in den vergangenen zwei Jahren trotz Krise weiter verbessert.

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