Aufsätze

Auf dem Weg zur Multi Strategy Asset Allocation

Volatile Märkte, geringe Risikobudgets, niedrige Zinsen und wachsende Verbindlichkeiten stellen Investoren heute mehr und mehr vor kaum gekannte Probleme. Traditionell gemischte Long-Only-Portfolios und starre Investitionsquoten können für diese Probleme keine adäquaten Lösungen bieten. Institutionelle Investoren müssen ihre Kapitalanlage sukzessive umstellen und sich neuen Ideen und Konzepten öffnen, um auch künftig wettbewerbsfähig zu bleiben und eine attraktive Verzinsung des verwalteten Kapitals zu erreichen. Ein Ansatz, dessen Ziel es ist, institutionellen Anlegern bei der Ausrichtung ihrer Kapitalanlage neue Impulse zu geben, ist das Konzept der Multi Strategy Asset Allocation, kurz MSAA.

Breite Diversifikation

Kern der MSAA ist der Aufbau eines Portfolios unter Ausnutzung verschiedener Investmentstrategien (Multi Strategy) innerhalb einer (Single Asset Class) oder verschiedener Assetklassen (Multi Asset Class). Durch diese breite Diversifikation über Anlageklassen, Investmentstrategien und Portfolio-Manager soll ein asymmetrisches Risiko-Ertrags-Profil generiert werden, mit dem ein vorgegebenes Risikobudget erhalten wird beziehungsweise sich mittelfristig ausbauen lässt. Letztlich soll der Investor dadurch in die Lage versetzt werden, jederzeit von der Ertragskraft unterschiedlicher Risikoprämien zu profitieren. Eine Voraussetzung ist, dass die Asset Allokation aktiver und flexibler gestaltet werden muss, da nur so Verlustrisiken, in Höhe und Häufigkeit, gemindert werden können.

Um den MSAA-Ansatz sinnvoll zu implementieren, müssen Anleger sich zunächst den Unterschied von Anlageklassen und Anlagestrategien verdeutlichen und ein neues Verständnis von beiden entwickeln. Hierunter fällt insbesondere die Eingliederung alternativer Strategien in die entsprechenden Anlageklassen. Die derzeit bei vielen Investoren vorherrschende Sicht sieht die Unterscheidung von traditionellen (Aktien, Anleihen, Immobilien) und alternativen Anlageklassen (Private Equity, Infrastruktur, Rohstoffe und andere liquide Alternative Investments, zum Beispiel Long/Short-Fonds) vor. Diese Einteilung ist der historischen Entwicklung an den Finanzmärkten geschuldet und wurde vor allem zu Beginn auch in der Literatur so eingeführt.

Zusätzlich zu den regulatorischen Einschränkungen führt die herrschende Sicht von Anlageklassen zu einer Benchmarkorientierten Anlagepolitik und einer auf den relativen Erfolg abstellenden Performance-Evaluierung. Ferner ist das Kapital der meisten Portfolios durch die Definition strategischer Gewichtungen tendenziell statisch veranlagt. Zwar kommt es im Rahmen taktischer Abweichungen zu gewissen Schwankungen in der Allokation, diese sind jedoch meist durch einen vorgegebenen Tracking Error begrenzt. Alternative Strategien spielen durch diese Sicht nur eine untergeordnete Rolle. Die im MSAA-Ansatz propagierte Sicht kategorisiert Anlageklassen hingegen anhand ihrer primären ökonomischen Werttreiber.

Gemeinsame Risiken im Blick

Durch diese Kategorisierung treten auch gemeinsame Risiken deutlicher hervor, die bei einer globalen Betrachtung alternativer Anlagen in den Hintergrund rücken. Anlageklassen könnten somit grob folgendermaßen gegliedert werden: Aktien beziehungsweise Eigenkapitalinvestments, Anleihen beziehungsweise Fremdkapitalinvestments und Sachwerte. Während der Wert von Aktien vornehmlich durch (erwartete) Gewinne und Dividenden bestimmt wird, sind die Werttreiber bei Anleihen Zins- und Kreditrisiken.

Realwerte dienen beispielsweise als Inflationsschutz und Wertspeicher. Selbstverständlich gibt es auch hybride Formen, die sich nicht eindeutig kategorisieren lassen (zum Beispiel inflationsgebundene Anleihen). Im Zuge dieser Sichtweise tauchen alternative Anlageformen nicht mehr als eigenständige Assetklassen auf, sondern werden als mögliche Strategievehikel erachtet, mit denen man den Zugang zu einer Anlageklasse beziehungsweise deren Risikoprämie erreichen kann. Eine derartige Sicht ist nur konsequent, da zum Beispiel auch eine aktienmarktneutrale Strategie nur in Aktien investiert, ebenso wie der Manager eines Long-Only-Aktienmandats (Abbildung 1).

Herausforderungen bei der Umsetzung des Ansatzes

Eine Schwierigkeit des MSAA-Ansatzes ist die steigende Komplexität auf der Seite der Kapitalanlage. Investoren müssen neben Kapitalmarktrisiken auch strategiespezifische und operationale Risiken sorgfältig bewerten. Es muss künftig genau überlegt werden, auf welche Art und Weise in eine Anlageklasse investiert werden soll oder kann. Merkmale, die ein Anleger beachten muss, sind unter anderem Liquidität, Transparenz, Due-Diligence-Aufwand, Dokumentationsanforderungen sowie Rendite und Risikoaspekte. Ferner sollten die Diversifikationseigenschaften zu anderen, bereits im Portfolio implementierten Strategien beachtet werden.

Ist ein Investor bereit und in der Lage, die Komplexität einer Strategie zu bewältigen, sollte sie im Rahmen der Asset Allokation als potenzielle Investmentmöglichkeit klassifiziert werden. Stehen einem Anleger ex ante nicht genügend Ressourcen zur Verfügung oder fehlt es möglicherweise an Erfahrungen im Umgang mit alternativen Strategien, so kann gegebenenfalls Rat externer Consultants hinzugezogen werden. Dies gilt umso mehr, da es im Rahmen der MSAA zu einer Substitution von systematischen Beta-Risiken durch idiosynkratische Manager-Risiken kommen kann. Die absolute Portfolio-Performance wird dann stärker durch die Fähigkeiten der Manager bestimmt, ihre Strategien umzusetzen und weniger durch allgemeine Marktbewegungen. Um erfolgreich zu sein, impliziert dies auch einen "Best of Breed"-Ansatz, bei dem die potenziell besten Manager selektiert werden.

Effizientere Nutzung des Risikobudgets

War bei Vorherrschen annähernd normalverteilter Renditen das Eingehen symmetrischer Strategien aus Risikogesichtspunkten noch akzeptabel, ist es angesichts der Häufigkeit extremer Verwerfungen an den Kapitalmärkten kaum mehr zu rechtfertigen. Marktrisiken können in ihrer Reinform heute nur noch von wenigen institutionellen Investoren getragen werden. Daher gilt es, die Asset Allokation sowohl unter strategischen als auch taktischen Gesichtspunkten flexibel und dynamisch zu gestalten, um den kontinuierlichen Veränderungsprozessen gerecht zu werden. Ansonsten läuft ein Anleger Gefahr, sein Risikobudget zu schnell zu verbrauchen, was zur Handlungsunfähigkeit führt, bis - meist zu Jahresanfang - neues Risikobudget freigegeben wird.

Die Alternative hierzu besteht bei traditionellen Konzepten in kostspieligen Absicherungsstrategien. Neben dem Risikobudget des Investors spielt bei der konkreten Umsetzung der Multi Strategy Asset Allocation, wie bereits erläutert, auch dessen Analysekompetenz eine wichtige Rolle. Ein Investor könnte beispielsweise seine vorhandene Risikokapitalquote nutzen, um eine MSAA als Satellite-Investment zu implementieren. In Abhängigkeit seines Risikobudgets und des individuellen "Komplexitätsmanagements" kann der Anleger sich ein individuelles Strategie-Portfolio zusammenstellen.

Je nach Risikoneigung beziehungsweise -tragfähigkeit können durch Diversifikation über verschiedene Strategien Ertragsprofile mit unterschiedlichem Risiko erzeugt werden. Dabei gilt vereinfacht, je weniger Risiko der Anleger tragen kann, desto weniger kann der Anleger an starken Aufwärtsbewegungen der Märkte teilhaben. Das Gesamtportfolio wird letztlich durch ein strategiespezifisches Risikomanagement beziehungsweise auf Portfolioebene laufend gesteuert. Der MSAA-Ansatz zielt nicht per se auf einen größeren Anteil alternativer Anlagestrategien im Portfolio, sondern auf eine effizientere Nutzung des vorhandenen Risikobudgets. Im Zuge der MSAA besteht die Herausforderung für einen Anleger darin, sein knappes Risikobudget dynamisch anhand seiner Erwartungen und Fähigkeiten auf die Strategien (traditionell oder alternativ) zu allokieren. Es geht primär um die Erzeugung eines asymmetrischen Renditeprofils unabhängig davon, mittels welcher Strategievehikel (traditionell oder alternativ) dies erreicht wird.

Zugang zu alternativen Strategien durch Publikumsfonds

Es mag eingewendet werden, dass der taktische Einsatz alternativer Strategien nicht ohne Weiteres möglich ist. Diese Kritik ist in Grenzen berechtigt, vor allem in Bezug auf illiquide, nicht gelistete Investments. Gerade in letzter Zeit hat sich für Investoren durch das hohe Wachstum alternativer Strategien in Publikumsfonds eine hoch liquide Zugangsform für diese Strategien etabliert, die mit geringem finanziellem und administrativem Aufwand genutzt werden kann. Alternative Strategien im UCITS-Format umzusetzen, ist durch die sogenannte Product Directive (2001/108/ EC), die Teil der UCITS-III-Regulierung war, seit dem Jahr 2002 möglich. Durch das vermehrte Angebot UCITS-konformer Vehikel haben sich alternative Anlagestrategien erheblich vereinfacht.

Mittlerweile existieren etwa 850 verschiedene Produkte und Strategien, die etwa 170 Milliarden Euro verwalten. Drei Viertel dieser Fonds sind täglich handelbar, sodass Anpassungen rasch vorgenommen werden können. Die Fonds lassen sich wie beschrieben innerhalb ihrer Anlageklasse in verschiedene Strategiesegmente einteilen (etwa Long/Short, marktneutral).

Ferner ist es möglich auch Untergruppen mit regionalen Anlageschwerpunkten (wie Europa, USA, Schwellenländer) zu identifizieren, ähnlich wie dies bei traditionellen Long-Only-Fonds der Fall ist. Die Auswahl un terschiedlicher Strategien ist gerade im Aktienbereich besonders groß, allein hier existieren mehr als 300 Produkte, die Long/ Short, marktneutrale oder ereignisorientierte Strategien umsetzen. Doch auch im Fixed-Income-Segment und Mischfondsbereich stehen jeweils mehr als 150 Produkte zur Verfügung (Abbildung 2).

Um die Komplexität und die Bedeutung der Auswahl alternativer Strategien greifbar zu machen, wird auf den Unterschied zwischen den besten und schlechtesten 25 Prozent der Fonds verwiesen. Dieser ist bei alternativen Strategien traditionell größer als bei Benchmark-gebundenen Strategien. Während bei Letzteren die Performance lediglich im Rahmen des Mandats (Tracking Error) und der Fähigkeiten um die Performance der Benchmark schwankt, besitzen bei alternativen Strategien die unterschiedlichen Fähigkeiten der Manager einen wesentlich höheren Einfluss auf den Gesamtanlageerfolg. In den fünf Jahren zwischen November 2008 und Oktober 2013 betrug zum Beispiel die durchschnittliche Renditedifferenz zwischen den Top 25 Prozent und den Bottom 25 Prozent in der Equity-Long-/Short-Kategorie 16,5 Prozent pro Jahr. Anleger müssen somit viele Ressourcen in einen inten siven Auswahlprozess investieren, um von den positiven Eigenschaften alternativer Strategien im Rahmen eines Multi-Strategie-Ansatzes zu profitieren (Abbildung 3).

Der Multi-Strategy-Asset-Allocation-Ansatz bietet Anlegern einen Rahmen für die zwingend erforderliche Neuausrichtung ihrer Kapitalanlage. Die Vielfalt der unterschiedlichen Zugangswege für eine Anlageklasse wird hierin berücksichtigt. Als Konsequenz können sich Anleger im Rahmen der MSAA von der traditionellen Asset Allokation, welche mehr oder weniger statisch um Benchmark-Indizes herum aufgebaut wird, entfernen. Der dynamische und flexible Einsatz unterschiedlicher Strategien in der MSAA heißt jedoch nicht, dass Benchmarks obsolet werden.

Komplex, aber lohnenswert

Die Asset Allokation sollte sich nur nicht von diesen Benchmarks in ein starres Korsett zwängen lassen. Benchmarks können weiterhin sinnvoll eingesetzt werden, zum Beispiel für die Evaluierung von Risiken der Strategien oder einzelner Manager. Fixe traditionelle Zielquoten einzelner Assetklassen könnten durch flexible Strategiequoten innerhalb einer Assetklasse ergänzt werden. Der MSAA-Ansatz stellt hohe Anforderungen an die Kompetenzen des Investors. Dennoch hat sich die Komplexität der MSAA durch die Etablierung vieler alternativer Strategien im UCITS-Format, zumindest aus administrativer Sicht, reduziert. Die Komplexität der Analyse der Manager-Fähigkeiten bleibt davon jedoch unberührt. Letztlich ist dieser Aufwand lohnenswert, da hierdurch Portfolios vor extremen Verlusten geschützt werden und dadurch eine stetigere Performance erzielen als traditionelle Anlagekonzepte.

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