Leitartikel

Wettbewerb der Schwachen

Die Währungsmärkte sind wieder ins Gespräch gekommen. Das begann auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos und es hat sich seitdem noch verstärkt. Anders als bisher geht es diesmal nicht um eine neue Dollarschwäche. In den letzten sechzig Jahren haben sich zuerst die D-Mark und dann der Euro gegenüber dem Dollar im Trend ständig aufgewertet (siehe Grafik). Zwischen der DM-Zeit und den Jahren der Europäischen Währungsunion hat sich dabei wenig verändert. Nun ist es der Euro, der schwächer wird. Er hat sich seit Anfang Dezember um zehn Prozent abgewertet. Ist das ein neuer Trend oder ist es einer der am Devisenmarkt nicht seltenen "Ausreißer"? Jede Wechselkursbewegung ist immer auf die Entwicklung von zwei Währungen zurückzuführen. Man muss sich also sowohl die USA als auch Europa anschauen. Bei der amerikanischen Währung hat sich in den letzten Monaten nicht viel getan. Nach wie vor wird sie belastet durch die hohen Fehlbeträge bei der Leistungsbilanz und bei den öffentlichen Finanzen. Die Sparquote ist zwar wieder positiv, aber immer noch gering. Die niedrigen Zinsen führen dazu, dass sich Hedgefonds in Dollar verschulden und das Geld in Währungen mit höherer Verzinsung anlegen (die berühmten Carry Trades). Die Chinesen lassen keine Gelegenheit aus zu sagen, dass sie die Zeit des Dollar als Weltreservewährung für beendet halten. Mal bringen sie die Sonderziehungsrechte als Alternative ins Gespräch. Mal kaufen sie Gold. Mal vereinbaren sie mit Handelspartnern, den gegenseitigen Warenaustausch nicht in Dollar, sondern in ihrer eigenen Währung Renminbi abzuwickeln. Positiv überrascht hat zuletzt das hohe Wirtschaftswachstum (im vierten Quartal 5,7 Prozent). Etwas besser war auch der Arbeitsmarkt (Rückgang der Arbeitslosenquote im Januar von zehn auf 9,7 Prozent). Beides ist aber nicht wirklich ein Zeichen von Stärke. Es ist eher Ausdruck der staatlichen Stützungsmaßnahmen und der expansiven Geldpolitik. An sich müsste der Dollar also weiter schwach sein. Der Euro auf der anderen Seite ist nach wie vor eine starke Währung. Er hat sich in der Krise hervorragend geschlagen und seine Mitgliedsländer vor vielen Schwierigkeiten bewahrt. Es gibt eine Reihe von Ländern insbesondere in Osteuropa, die lieber heute als morgen der Währungsunion beitreten würden. Der Euro ist auch beim derzeitigen Kurs noch hoch bewertet. Das Bild ist freilich nicht mehr so makellos. Drei Punkte sind es, die den Euro heute belasten. Einmal natürlich Griechenland. Es ist nicht so sehr die Tatsache, dass das Land eine hohe öffentliche Verschuldung hat und die Finanzierung schwieriger geworden ist. Es ist insbesondere die Tatsache, dass das Land keine vertrauenswürdigen Zahlen veröffentlicht. Zudem legt es einen Konsolidierungsplan vor (Verringerung des öffentlichen Defizits von 13 auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2012/13), der gänzlich unglaubwürdig ist. Wie kann man öffentliche Defizite drei oder vier Jahre lang jeweils um zwei bis drei Prozentpunkte reduzieren, insbesondere wenn sich die Gesellschaft gegen jederlei Sparmaßnahmen zur Not mit Streiks wehrt? Der zweite Belastungsfaktor sind die strukturellen Ungleichgewichte zwischen Überschuss und Defizitländern (also Deutschland auf der einen und vor allem Spanien, Portugal auf der anderen Seite). Sie haben sich über viele Jahre aufgebaut. Sie wurden von den Märkten aber nicht beachtet, weil sie problemlos finanziert wurden. Jetzt sind sie in den Fokus geraten. Es wird hier zwar keinen großen Krach geben, schon gar nicht einen Staatsbankrott. Aber es ist offensichtlich, dass die Defizitländer über viele Jahre eine sehr restriktive Politik betreiben müssen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Das wird das Wachstum der Gemeinschaft insgesamt bremsen. Der dritte Faktor liegt nicht so klar zutage, ist auf Dauer aber gefährlicher. Es ist die Tatsache, dass sich in der europäischen Politik eine Renationalisierung breit macht. Die Regierungen der einzelnen Länder interessieren sich mehr für die Probleme im Innern als für die Integration auf Gemeinschaftsebene. Mit welcher Verve hat sich die deutsche Bundeskanzlerin 2006 auf ihre Aufgabe als Ratspräsidentin der EU geworfen und wie hat sie für den Lissabon-Vertrag gekämpft. Und jetzt? Da wählt sie einen EU-Präsidenten, den keiner kennt und von dem keiner weiß, was er neben dem Kommissionspräsidenten und dem turnusmäßigen Ratspräsidenten zu sagen hat. Da können sich die europäischen Regierungschefs in Kopenhagen nicht auf einen gemeinsamen Vertreter einigen. Da verständigt man sich noch nicht einmal bei der Hilfe für Haiti auf ein gemeinsames Vorgehen. Als der Euro 1999 in Kraft gesetzt wurde, haben die Skeptiker die fehlende gemeinsame Politik der Regierungen moniert. Die Befürworter haben das damals vehement bestritten. Jetzt macht die Politik genau den Fehler, den sie damals von sich wies. Die gemeinsame Geldpolitik ist so selbstverständlich geworden, dass niemand mehr daran denkt, dass sie auf Dauer nur dann erfolgreich sein wird, wenn sie durch eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik abgesichert wird. Alle großen Währungsunionen der Geschichte waren nur dann erfolgreich, wenn sie mit einer gemeinsamen Politik verbunden waren. Die Integration der Politik ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für eine stabile Währung. Die Schlussfolgerung? Wir haben es beim Euro/Dollar-Wechselkurs derzeit leider nicht nur mit einem Ausreißer zu tun und müssen alles tun, damit es nicht ein neuer Trend wird. Was sich derzeit an den Devisenmärkten abspielt ist ein Wettbewerb der Schwachen. Jeder weiß, dass das Ergebnis eines Boxkampfes mit zwei schwachen Kontrahenten schwer vorhersehbar ist. Jeder kann gewinnen. So ist auch der Wechselkurs derzeit besonders schwer zu prognostizieren. Es wäre nicht erstaunlich, wenn der Eurokurs in diesem Jahr sowohl die Marke von 1,20 wie auch die von 1,60 US-Dollar erreichen würde.

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