BANKENMARKT ÖSTERREICH

"Vom Sparen zum Anlegen - Niedrigzinsen verlangen ein Umdenken" - Ewald Judt im Gespräch mit Ernst Huber

Ernst Huber, Foto: privat

In Sachen Zinsen ist Europa bei japanischen Verhältnissen angekommen, sagt Ernst Huber. Das verlangt eine Veränderung des Sparverhaltens, doch der Schlüssel, wie das erreicht werden kann, ist noch nicht gefunden. Wichtig ist Hubers Einschätzung nach die Finanzbildung, bei der er das Bildungssystem, aber auch die Banken in der Pflicht sieht. Denn nur mit Information lassen sich aus Sparern Anleger machen. Gerade hier seien ETFs im Vorteil, da sie ein Höchstmaß an Transparenz bieten. Red.

Die Niedrig- beziehungsweise Nullzinsphase währt mittlerweile schon einige Jahre. Wie sehen Sie die Zinsentwicklung in den nächsten 10 Jahren?

Zinsseitig wird sich in den nächsten Jahren, eventuell sogar Jahrzehnten, nichts ändern. Null- und Minuszinsen werden bleiben. Das Zinsdesaster geht weiter und damit die Vernichtung von Vermögen.

Wer sind bei dieser Entwicklung die Hauptgewinner?

Gewinner sind vor allem die öffentlichen Hände in Österreich und auch in Europa. Sie ersparen sich durch Mini- oder Negativzinsen jedes Jahr und auch in der Zukunft enorme Beträge. So ist eine schwarze Null oder gar ein Budgetüberschuss überhaupt erst möglich geworden. Dazu kommen die (großen) Unternehmen, die weniger (oder manchmal gar nichts) für Kredite und Anleihen zahlen.

Wir sind inzwischen bei japanischen Verhältnissen angekommen, wo es seit vielen Jahren so geht. Das Risiko wird für Unternehmen bei steigenden Zinsen größer werden. Den Akteuren ist bewusst, dass es schwierig werden wird, irgendwann einmal die Zinsen zu erhöhen, da dann eine Reihe von Unternehmen Probleme bekommen werden. Hier herauszukommen ist deshalb ein Teufelskreis. Gewinner sind aber auch manche Private, die zum Beispiel in Immobilien anlegen. Aber auch hier ist es so, dass eine Sachwerteblase im Entstehen ist, die sicher einmal platzt.

Verlierer ist auf jeden Fall der Sparer. Das gilt gleichermaßen für solche, die bereits gespart oder angelegt haben und solche, die dies noch tun wollen. Vermögen wurde vernichtet und wird weiter vernichtet werden. Mit den jetzigen Zinsen auf Giro- und Sparkonten aller Art wird der angesparte Betrag im Verhältnis zur Kaufkraft immer weniger. Wenig oder gar keine Zinsen wirken wie eine Vermögenssteuer auf derartige Einlagen.

Die Sparer, und hier ganz besonders die österreichischen, sind aber auf die herkömmlichen Sparformen fixiert, die kaum mehr Ertrag bringen. Liegt das nur an der Sicherheit, die die 100 000-Euro-Garantie gibt?

Das ist vor allem ein tradiertes Verhalten und aus diesem Grund nur schwer zu ändern. Der Schlüssel, wie dieses Sparverhalten verändert werden kann, ist noch nicht gefunden.

Was die 100 000-Euro-Garantie betrifft, so ist dies für die etablierten (österreichischen) Banken kein Problem. Es kommen dort auch Beträge über 100 000 Euro vor. Möglicherweise wirkt sie sich aber bei weniger bekannten ausländischen Banken aus, bei denen bei 100 000 Euro Schluss ist. Aufgrund von Einzelfällen ist es aber schon gut, dass es die Garantie gibt. Sie beruhigt die Sparer.

Ist den Sparern der enorme Effekt der Zinseszinsen, den Albert Einstein als das 8. Weltwunder bezeichnet hat, unbekannt?

Den meisten Bankkunden sind die Zinsen klar. Die Bedeutung der Zinseszinsen ist ihnen in der Regel nicht bewusst. Davon haben sie noch nie gehört und deshalb beschäftigen sie sich auch nicht damit. Aufgrund ihrer Uninformiertheit sind für sie Zinses zinsen kein Thema.

Dabei ist der Zinseszinseffekt ein echter Hammer. Der Unterschied von 1 Prozent beträgt zum Beispiel bei einem Betrag von 10 000 Euro, der 10 Jahre zu 1 Prozent oder zu 2 Prozent angelegt wird, über 1 000 Euro. Das ist insofern obskur, als Kunden wegen 0,1 Prozentpunkt Unterschied die Bank wechseln, aber den Effekt der Zinseszinsen nicht im Fokus haben.

Liegt das nicht auch am mangelnden Finanzwissen, das sich offenbar durch nahezu alle Bevölkerungskreise zieht?

Finanzwissen ist nahezu nicht existent. Die Schule müsste etwas tun. Denn die Banken tun nichts zum Finanzwissen. Das Bildungssystem ist jedoch ein Problem. Finanzbildung kommt nicht vor. In Österreich ist die HAK ein Ausreißer, aber das ist zu wenig.

Dazu kommt, dass Wertpapiere viele Jahre generell schlecht geredet wurden. Das ist zwar besser geworden. Aber es gibt immer noch Vorbehalte. Banken müssten mehr tun und zum Beispiel Seminare für Produkte und spezielle für Geldinvestitionen anbieten.

Ist das Sparen als solches sinnvoll, auch wenn es keine nominellen Zinsen und schon gar keine realen Zinsen gibt?

Im Grunde macht es nur Sinn, drei bis sechs Monatsgehälter als Notgroschen am Giro- oder Sparkonto zu lassen. Das Weitere soll angelegt beziehungsweise investiert werden.

Was müsste getan werden, um sicherheitsbewusste Sparer zu risikobewussten Anlegern zu machen?

Das Einzige, was wirkt, ist Information. Dabei gilt es, die Sparer zu Investoren zu machen, die das Risiko ihrer Anlage kennen. Finanzbildung ist das A und O. Dabei ist zum einen die Politik gefordert, um schon den Jugendlichen in der Schule die Wirtschaft und ihre Abläufe näherzubringen. In dieser Hinsicht geschieht derzeit zu wenig.

Genauso gefordert sind aber auch die Banken. Hier ist beim Sparen und beim Anlegen/Investieren darauf hinzuwirken, dass auf die Bedeutung und die Möglichkeiten von Vermögensschaffung, Vermögenserhalt und der Vermögensvermehrung hingewiesen wird.

Gleichzeitig sollte das Risiko nicht unerwähnt bleiben. Gerade jetzt zeigt sich, dass beim Investieren in Aktien eine massive Reduktion des Börsenwertes erfolgt, der aber wieder steigen wird. Derartiges hat es immer gegeben und wird es immer wieder geben. Oft gibt es eine Übertreibung nach oben und genauso oft nach unten.

Wie überzeugt man Kunden davon, dass mit Rendite immer Risiko verbunden ist?

Risiko kann nicht wegdiskutiert werden. Auf lange Sicht ist es immer sinnvoll zu investieren. Denn in der Langfristperspektive verliert man als Sparer bei den derzeitigen Zinssätzen immer.

Es ist sinnvoll, Vermögen breiter als allein mit einem Sparbuch aufzustellen. Aktien zum Beispiel sind Anteilhabe an Sachwerten. Und nochmals in the Long Run: In der Langzeitbetrachtung ist die Börsenentwicklung in Ordnung und man steigt bei langfristiger Anlage besser aus. Österreich ist hier noch nicht sehr weit. Bei breiterer Aufstellung sollten auch Gold, Versicherungen und Immobilien nicht außer Acht gelassen werden. Für den Start sind Wertpapiersparpläne sehr gut.

Anleihesparpläne sind grundsätzlich auch gut, derzeit allerdings nicht sinnvoll. Dagegen lohnen sich Aktiensparpläne immer, egal ob die Kurse niedrig oder hoch sind. Dabei sollte man nicht auf eine Aktie allein setzen, sondern auf eine Auswahl. Wir machen das derzeit nur für ATX-Aktien. Dax-Werte kommen bald dazu.

Als eine von wenigen Banken bieten Sie nicht nur von Kapitalanlage-Gesellschaften gemanagte Fonds, sondern auch via ETF-Sparpläne Indexfonds an. Wie beraten Sie hier Ihre Kunden?

Jeder kann bei uns gemanagte Fonds erwerben. Aber ebenso bieten wir ETFs, Indexfonds, von allen großen Gesellschaften wie zum Beispiel Blackrock/ iShares oder Lyxor an. Wir gehen hier sehr kundenorientiert vor.

Für die Zukunftsvorsorge sind ETFs ein tolles Produkt. In der Öffentlichkeit führen sie jedoch ein Schattendasein. Nur gelegentlich gibt es einen Artikel darüber in der Presse. Generell ist die Anlage in ETFs in Österreich unterentwickelt.

Bei ETFs weiß man immer, welche Wertpapiere in einem Indexfonds stecken. Man weiß, dass er sehr breit aufgestellt sein kann (zum Beispiel MSCI World). Man weiß, dass er bei Veränderungen regelmäßig upgedated wird. Und man weiß, dass die Gebühren von ETFs im Vergleich mit gemanagten Fonds deutlich günstiger sind. Jedes Jahr können Anleger rund 1,5 Prozent an Kosten sparen, wenn sie in ETFs anstatt in gemanagten Fonds anlegt. Das führt bei längerer Laufzeit zu einem enormen Zinseszinseffekt.

Am Ende des Tages geht es um Transparenz, dass der Kunde weiß, worin er investiert hat, wie sich diese Investition entwickelt und welche Kostenvorteile sich für ihn ergeben.

Wir offerieren deshalb über 1 000 verschiedene ETFs aller gängigen Gesellschaften. Die ETFs sind ein Sondervermögen und liegen beim Bankhaus Schelhammer & Schattera AG, wofür eine Depotgebühr von 0,075 Prozent pro Jahr verrechnet wird.

Auch Gold ist derzeit als Anlagemöglichkeit sehr gefragt. Haben Sie auch hierfür ein Angebot?

Eine Streuung ist immer gut. Insofern gehört in eine saubere Assetallocation Gold hinein. Und zwar primär physisches Gold, Münzen oder kleine Barren. Je nach Sicherheitsorientierung kann dieser Anteil bis zu 20 Prozent betragen. Eine Alternative für das Depot ist Xetra-Gold, ein ETC, eine Exchange Traded Commodity. Sie lässt sich leichter in "echtes" Geld umwandeln als physisches Gold, wobei es bei physischem Gold und größeren Beträgen nicht so leicht ist, es wieder in den Kreislauf einzubringen.

Was halten Sie von Robo Advisory? Sehen Sie dafür eine positive Perspektive?

Ich halte sehr viel davon als eine Methode des Onboarding. Der Kunde wird durch ein Leitplankensystem geführt und am Ende des Prozesses kommt es heraus, welche Anlagestrategie passt.

Noch eine letzte Frage. Wie sehen Sie die Zukunft der privaten Altersvorsorge?

Das ist generell ein schwieriges Thema in Hinblick auf die Altersversorgung. Mit herkömmlichen Formen ohne Aktien wird das schwer gehen. Da kann es aus heutiger Sicht zu keiner guten Performance kommen. Es ist allerdings nie zu spät, die Altersvorsorge zu optimieren.

Ernst Huber, Mitglied des Vorstands, DADAT Bank, Salzburg, und Mitglied des Vorstands, Bankhaus Schelhammer & Schattera AG, Wien
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