Gespräch des Tages

Aktienkultur - Imaginäre Trendwende

Die Bestandsaufnahme bleibt ernüchternd. Nur 2006 kurzfristig unterbrochen, ist die Anzahl der in Aktien investierten deutschen Anleger seit 2001 tendenziell rückläufig. Daran ändert auch die hoffnungsvoll klingende Botschaft der jüngsten Kurzstudie des Deutschen Aktieninstituts DAI nichts. Für die Entwicklung der Anzahl deutscher Anleger, deren Portfolios Aktien umfassen, durfte dieser Tage tapfer eine Steigerung um 136000 vermeldet werden, ein Anstieg von 1,7 Prozent. Aber nach den heftigen Kurseinbrüchen in den ersten drei Augustwochen, macht selbst das DAI für das Gesamtjahr 2011 keine Hoffnung auf die Trendwende.

Dabei sind die Veränderungen übersichtlich: Seit 2001 bewegen sich die Anteile der Beteiligungsarten letztlich unmerklich; mit 4,691 Millionen fondsinvestierten Bürgern (55 Prozent), 2,227 Millionen direktinvestierten (28 Prozent) und 1,466 Millionen in Mischfonds investierten Anlegern (17 Prozent), sind die Relationen mit den Vorjahren mehr oder minder identisch. Sie befinden sich in einer "Seitwärtsbewegung".

Die anhaltende Stagnation der Zahl der privaten Aktienanleger wirft damit einmal mehr grundsätzliche Fragen auf: Welchen Platz finden Privatanleger in zunehmend volatilen Märkten? Sind Aktien für Private nicht immer weniger zur konservativen Wertanlage geeignet? Sind sie daher zur Altersabsicherung nicht völlig unattraktiv? Sicherlich ist an dieser Stelle zwischen verschiedenen Segmenten der Privatanleger zu differenzieren. Einige professionelle Daytrader dürften von der Entwicklung dieser Tage sogar profitieren. Sie stellen jedoch eine in jeder Hinsicht elitäre Gruppe dar. Für den Großteil der, nach wie vor nach einer Buy-and-Hold-Strategie agierenden, Kleininvestoren hingegen, hatten die Ereignisse der letzten Wochen gleichermaßen kapitalverzehrende wie abschreckende Wirkung. Zum fünften Mal seit Beginn der Finanzkrise im Juli 2007 rutschte der Dax innerhalb eines Zeitraums von etwa zwei bis drei Wochen um mehr als 1000 Punkte ab; Ereignisse, die auf Vermögenssicherung bedachte Privatanleger erfahrungsgemäß nervös machen.

"Kleinanleger sollten nie zocken. Kauft Standardwerte und ein Schlafmittel, um das Geschehen an der Börse auf Jahre zu vergessen, egal ob es draußen donnert und blitzt". Kostolany provoziert zwar mit dieser Aussage, hat aber nicht Unrecht: Es erscheint wenig sinnvoll, in Zeiten elektronischen Aktienhandels und gesteigerter Geschwindigkeiten - mit der Folge großer Volatilitäten - die Aktie als Spekulationsobjekt für den privaten Anleger zu nutzen. Er ist schlechterdings zu langsam und agiert zu zyklisch. Betrachtet man den Verlauf des Dax zwischen Anfang 2001 und dem Juli 2011, lässt sich feststellen, dass trotz Absturz auf 2200 Punkte 2003 und Anstieg auf mehr als 8100 Punkte 2007, der haltende Anleger noch einen Wertzuwachs um etwa 500 Punkte zu verzeichnen gehabt hätte, sein Vermögen hätte sich - nicht inflationsbereinigt - immerhin nicht verringert. Der Privatinvestor seit 1995 wäre sogar mit dem jüngsten Kurssturz bei einem rechnerischen Zuwachs von zirka 4000 Punkten verblieben.

In der Konsequenz sieht sich das DAI insofern mit der in der Tat anspruchsvollen Aufgabe konfrontiert, einem, durch seine kurzfristige Wahrnehmung, zunehmend unattraktiven Produkt zur Akzeptanz zu verhelfen. Bislang hat auch die Betonung des langfristigen Erfolgs nicht den erhofften Imagewandel gebracht. Da bleibt fast nichts weiter, als geradezu gebetsmühlenartig die Forderung an die Politik zu wiederholen, Aktienbesitz im pekuniären Sinne - vorzugsweise steuerlich - zu honorieren. Mit anderen Worten: Subventionen sind der einzige Weg, die Trendwende einzuleiten. Welche Aussicht! Justus Dill

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