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Der Austritt eines Landes aus der Währungsunion: Welche Schuldwährung gilt in Altverträgen?

Ein Plan B im Sinne einer Neuordnung der Währungsunion als Reaktion auf die Staatsschuldenkrise verschiedener Euro-Mitglieder wird politisch bislang mit dem Hinweis auf hohe Kosten, Ansteckungsgefahren sowie einer mangelnden Praktikabilität kategorisch abgelehnt. Dabei ist die Möglichkeit eines Austritts einzelner Länder oder gar ein Zerfall der Euro-Zone nicht ausgeschlossen. Für diesen Fall stellt sich die Frage, wie mit der Erfüllung der auf Euro lautenden Altverträge umzugehen ist. Insbesondere für Verträge mit Auslandsbezug ist die Rechtslage komplex. Abhängig von dem Szenario einer Euro-Desintegration ergeben sich hier ganz unterschiedliche Ergebnisse für die Denomination der Verträge.

Währungsdenomination - Grundlegende Rechtsbeziehungen

Als gesetzliches Zahlungsmittel gilt die Währung, die der Gläubiger zur Begleichung seiner Geldschuld annehmen muss. Kraft seiner Währungssouveränität kann ein Staat innerhalb des eigenen Staatsgebietes über seine Währung befinden. Gemäß dem Vertrag von Maastricht haben die jeweiligen Euro-Mitglieder ihre Währungssouveränität auf die EU übertragen.

Zu Beginn eines Währungsaustritts steht in diesem Fall zunächst die Rückübertragung der Währungssouveränität auf den austretenden Mitgliedstaat. Das Pendant der Rückübertragung muss sich in einer grundgesetzlichen Änderung (Art. 23 Abs. 1 i. V.m. Art. 79 Abs. 2/3 GG) zur Rückholung der Währungssouveränität widerspiegeln. Erst nach diesem Prozedere kann die wiedererlangte nationalstaatliche Währungssouveränität in einem entsprechenden nationalen Währungsgesetz ausgeführt werden. Durch ein Euro-Beendigungsgesetz würde die Eigenschaft des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel für das Gebiet der Bundesrepublik aufgehoben und durch eine neue Währung ersetzt werden. Das so neu geschaffene Währungsstatut (lex monetae) umfasst das Währungsrecht des entsprechenden Staates, also die wesentlichen Regeln der nationalen Geldordnung.1) Hierzu zählen beispielsweise:

- die Ausgabe von Banknoten und Münzen (etwa Design, Stückelung);

- die Institutionalisierung einer Zentralbank (Festlegung der Aufgaben, Stellung zu anderen Institutionen wie Regierung und gesetzgebendem Organ);

- das In-Verkehr-Bringen der Neuwährung sowie die Regelung des Tausches der Euro-Währung und

- das Wechselkurskonzept (feste/flexible Wechselkurse).

Währungs- und Schuldstatut

Das Währungsstatut ist Ausdruck einer öffentlich-rechtlichen, hoheitlichen, ausschließlich innerstaatlichen Festlegung. Damit ist die Rechtsanwendung auf den Hoheitsbereich und die diesem unterworfenen Personen begrenzt (Territorialprinzip).2 Sie können deshalb keine bindende Wirkung im Ausland entfalten. Enteignungsgleiche Währungseingriffe müssen von Ausländern nicht geduldet werden. Gemäß Art. 17 Charta der Grundrechte der EU oder entsprechend bestehenden Investitionsschutzabkommen können sie sich auf ein Recht auf angemessene Entschädigung berufen und dies gerichtlich durchsetzen.

Denkbar wäre dieser Fall, wenn das griechische Parlament bei Einführung der Neä Drachmä (ND) fortbestehende, auf Euro lautende Staatsanleihen auch gegenüber ausländischen Forderungsinhabern auf die Neuwährung denominieren würde. Eine gerichtliche Durchsetzung würde allerdings erfahrungsgemäß einen langen Zeitbedarf beanspruchen.

Das Schuldstatut regelt die privatrechtliche Ausgestaltung des Geldschuldverhältnisses. Mit der Festlegung der Währung ergibt sich, was der Schuldner nach Art und Höhe der Zahlungsmittel dem Gläubiger zu verschaffen hat. Es wird vornehmlich durch die Rechtswahl der Parteien bestimmt. Da die Parteien im Fall von Verträgen ohne Auslandsbezug im Regelfall das nationale Recht vereinbaren, wäre dies auch bei einer Währungsumstellung prinzipiell problemlos anwendbar. Bei Einführung einer ND-Währung würde zwischen ausschließlich griechischen Parteien demnach eine Denomination der Verträge in die ND-Währung stattfinden.

Bei Verträgen mit Auslandsbezug ist die Wahl der Rechtsordnung hingegen offen. Damit stehen im Allgemeinen mindestens zwei Rechtsordnungen potenziell zur Anwendung. Hierbei gilt der Grundsatz, dass Schuld- und Währungsstatut in einem Über- und Unterordnungsverhältnis zueinander stehen.3) Mit der Wahl der Währung (Schuldstatut) unterwerfen sich die Vertragsparteien wiederum dem Recht der Währung (lex monetae). Es besteht der Grundsatz, wer das Vertrauen auf eine fremde Währung setzt, sich zugleich ihrem Schicksal ausliefert. Demgemäß kommt das Währungsstatut desjenigen Staates zur Anwendung, in dessen Währung die Schuld nominiert ist. Folglich wurde eine von einem amerikanischen Staatsbürger gehaltene Anleihe des Deutschen Reiches, die bei Emission in der Papier- beziehungsweise Rentenmark nominiert war, nach 1924 in die Reichsmark denominiert und zurückgezahlt.

Komplexe Konstellationen

Das Auseinanderfallen von Währungs- und Schuldstatut bei Verträgen mit Auslandsbezug führt insbesondere bei Währungsumstellungen zu ökonomisch komplexen und juristisch nicht immer einfachen Konstellationen. Angesprochen ist das internationale Währungsrecht. Die Abbildung zeigt verschiedene Fallkonstellationen für eine Währungsdesintegration in der Euro-Zone auf. Fall (a) geht vom Ausscheiden eines Mitglieds aus. So könnte Griechenland austreten und die Neä Drachmä (ND) einführen. Fall (b) illustriert die Abspaltung einer Südwährung (Süd-Euro/Suedo), während (c) die Abspaltung einer Nordwährung (Nord-Euro/Nordo/Nord-Thaler) zeigt. In allen drei Fällen kommt es zu einer Abspaltung eines Währungsgebietes von der weiterhin bestehenden Euro-Zone. Damit wäre zumindest prinzipiell die Erfüllung der auf Euro lautenden Altverträge möglich. Fall (d) handelt von der Gründung einer Nord- und einer Südwährungsunion. Bei dieser Währungszersplitterung ist es unmöglich, in der Schuldwährung Euro zu leisten, da das alte Währungsstatut vollständig untergegangen ist und durch zwei neue Währungssouveräne ersetzt wurde.

Bei jeder Währungsumstellung ersetzt der Träger der Währungshoheit die bestehende Geldordnung durch eine neue. Eine wesentliche Aufgabe des neuen Währungsstatuts besteht in der Überführung der bisherigen Euro-Währung in die Nachfolgewährung. Dieser sogenannte rekurrente Anschluss sichert den technischen Vorgang der Überleitung von Euro in neue Währungseinheiten durch die (beliebige) Vorgabe eines einheitlichen Anschluss-/Umrechnungsverhältnisses. Damit erfährt die einheitliche Anschlussnorm keinerlei gestaltende Wirkung, sondern lediglich eine deklaratorische. Probleme einer Auf-/Abwertung oder gar einer Enteignung stellen sich nicht.

Rechtlich nicht eindeutig ist, ob das Währungsstatut lediglich den rekurrenten Anschluss als einheitlichen Basisanschluss umfasst oder ob auch ein differenzierter Anschluss dem Währungsstatut zuzurechnen ist.4) Diese Unterscheidung wird wichtig, wenn Schuld- und Währungsstatut bei Verträgen mit Auslandsbezug unterschiedlichen Rechtsräumen angehören. Bei einer engen Auslegung des Währungsstatuts würden die Differenzierungen hier nicht anzuwenden sein, jedoch bei einer weiten. Letztere würde enteignungsgleichen Eingriffen gleichkommen.

Bei der Umstellung von Reichsmark auf Deutsche Mark (1948) lautete der rekurrente Anschluss 1:1 (§ 2 Währungsgesetz). Differenzierte Sätze betrafen hingegen Reichsmarkforderungen (10:1) (§ 16 Umstellungsgesetz), ausgenommen wiederum Löhne/Gehälter (1:1) sowie Bankguthaben (100:6,5). Auch in der Anlage I, 1. Abschnitt, Art. 2 des Staatsvertrages zwischen der DDR und der Bundesrepublik (1990) wird das rekurrente Anschlussverhältnis Mark der DDR auf Deutsche Mark mit 1:1 erklärt. Anlage I, 2. Abschnitt, Art. 7, § 1 stellte Forderungen allgemein auf 2:1 um, mit der Ausnahme von Löhnen/Gehältern, Mieten und Pachten sowie Renten (1:1).

Rechtliche Konsequenzen verschiedener Fallkonstellationen

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich für die verschiedenen Fallkonstellationen (vergleiche Abbildung)? Die Beantwortung leitet sich aus der Dogmatik einer Trennung der Bestimmung von Schuld- und Währungsstatut her. Währungsabspaltung/Abtrennung eines Währungsgebietes (Fall a-c): Bei einer

Währungsabspaltung unterliegen Verträge zwischen Personen des ausscheidenden Staates seiner hoheitlichen Gewalt und damit dem neuen Währungsstatut. Dessen Regeln bestimmen fortan die inländischen Schuldverhältnisse. Grundsätzlich werden deshalb alle Verträge zwischen Inländern auf die neue Währung umgestellt. Das macht auch ökonomisch Sinn, denn eine nur teilweise Umstellung auf die Neuwährung würde zu Liquiditäts- und Solvenzproblemen in erheblichem Umfang führen. Im Falle Griechenlands würde beispielsweise ein Unternehmen, welches einen Kredit bei seiner Hausbank aufgenommen hat, diesen weiterhin in Euro zu bedienen haben, während seine Umsätze in ND erfolgen würden. Bei einer erheblichen Abwertung käme das Unternehmen gegenüber seinen Kreditgebern in Zahlungsverzug.

Neben dem rekurrenten, einheitlichen Basisanschluss müssen die Inländer auch alle speziellen Umstellungsregeln auf sich gelten lassen. Da im Falle der Einführung einer Neuen Deutschen Mark (NDM) mit erheblichen Aufwertungserwartungen zu rechnen ist, könnte das Währungsgesetz beispielsweise regeln, dass Staatsschulden weiterhin in Euro rückzahlbar sind. Bei einer Aufwertungsrate von 25 Prozent könnte sich der Fiskus in dem Umfang entschulden, in dem deutsche Gläubiger eine entsprechende Enteignung erfahren würden. Abgesehen von einem Vertrauensverlust könnten betroffene Banken und Versicherungen hierdurch in Schwierigkeiten geraten.

Verträge mit Auslandsbezug

Hiervon zu unterscheiden sind Verträge mit Auslandsbezug. Das neue Währungsstatut und damit die Neuwährung finden aufgrund des Territorialprinzips ihre Grenze bei Altverträgen mit Ausländern, die auf die alte Euro-Schuldwährung lauten und in dieser weiterhin zu erfüllen sind.5) Ein Beispiel wäre die Kronenzone, die ab 1918 in sieben Geldordnungen zerfiel. Nur Österreich behielt die Kronenwährung bei. Alle auf Kronen lautenden Altverträge waren zwischen Personen unterschiedlicher Hoheitsgebiete in Kronen zu erfüllen. Ähnlich siehe im Fall der Trennung der Tschechischen und der Slowakischen Republik (1993), die Abtretung von Elsass-Lothringen/Nordschleswig/Schlesien (1918) sowie den Zerfall der Rubelzone (1991). Letztere Beispiele waren jedoch zugleich mit einem Wechsel der staatlichen Souveränität verbunden.

Ausnahmen sind möglich durch einen übereinstimmenden Parteiwillen oder bei Aufenthalt beider Parteien zurzeit des Wechsels im neuen Rechtsgebiet. Würden von Ausländern gehaltene griechische Eu-ro-Anleihen bei einem Austritt Griechenlands in die ND-Währung denominiert, käme dies bei einer fortwährenden Abwertung der ND einer Enteignung gleich. Gemäß dem allgemeinem Vertragsrecht müssten deshalb alle Anleihegläubiger einer Währungsumstellung des Anleihevertrages einstimmig zustimmen. Hierbei handelt es sich um eine "erweiterte Umstellung" eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses durch die Änderung beziehungsweise Ergänzung der Emissionsbedingungen. Abweichend könnte der Anleihevertrag bereits für diese Fälle Vorkehrungen vorsehen, beispielsweise die Zustimmung durch eine Zweidrittel-Mehrheit im Rahmen einer Umschuldungsklausel (Collective Action Clause (CAC)). Zukünftig sollen alle neu begebenen Staatsanleihen der Euro-Mitgliedstaaten entsprechende Klauseln beinhalten.

Zwangskonversionsvorschriften

Zwangskonversionsvorschriften, nach denen der ausländische Staat die Umwandlung der neuen Währung unabhängig vom Schuldstatut in seinem Währungsgebiet mittels hoheitlicher Anordnung verbindlich vorschreibt, haben hoheitlichen Eingriffscharakter.6) Anknüpfungspunkte können der Schuldner-/Gläubigerwohnsitz, im Inland zahlbare Geldschulden, et cetera sein. Eine Rechtfertigung der Umwandlung in die Neuwährung könnte auch das Vertragsrecht bieten. Dies gilt beispielsweise für die nach griechischem Recht begebenen griechischen Anleihen. In allen Fällen wären jedoch die Grundsätze des internationalen Enteignungsrechts anwendbar, da die Eingriffsnorm nur Gültigkeit im Inland hat. Im Ausland besteht die Schuld grundsätzlich in alter Währung in alter Höhe fort.

Währungszersplitterung (Fall d): Im Unterschied zur Währungsabspaltung erlischt bei einer Währungszersplitterung das alte Euro-Währungsstatut vollständig und die Euro-Währung geht unter. Zugleich werden im Gebiet der alten Währungsunion neue Währungsstatuten aus der Taufe gehoben und mit ihnen neue Währungen. Beispielsweise ging 1948 in Deutschland die Reichsmark unter und wurde in der Bundesrepublik durch die Deutsche Mark und in der DDR durch die DDR-Mark als Nachfolgewährung ersetzt. Da die in den Altverträgen bezeichnete Schuldwährung nicht mehr existiert, muss nach rechtlichen Anhaltspunkten eine Nachfolgewährung gesucht werden. Anknüpfungspunkt ist die von den Vertragsparteien gewählte Rechtsordnung des Schuldrechts, aus dem heraus das zuständige Währungsstatut ermittelt wird. Zwischen Inländern wird in der Regel das deutsche Vertragsrecht und damit das in Deutschland geltende Währungsstatut gelten. Allerdings können

Inländer durchaus ausländisches Recht vereinbaren oder diesem stillschweigend unterworfen sein. Diese Ausnahme würde im Falle eines Vermietungsvertrages über eine griechische Ferienwohnung zwischen dem in Deutschland ansässigen deutschen Eigentümer und Mieter vorliegen.

Weisen vertragliche Schuldverhältnisse bei Untergang der Währung eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten auf, sind die Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) zur Fallklärung unverzichtbar. Hiernach unterliegt der "Vertrag ... dem von den Parteien gewählten Recht."7)

Rechtswahl

Diese Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen oder sich aus dem Vertragsinhalt beziehungsweise den Umständen eindeutig herleiten. Anhaltspunkte können eine Gerichtsstands- oder Schiedsklausel bieten. Weitere Anknüpfungspunkte für die Schuldwährung können sein:

- Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung (moneta lex solutiones); Gerichtsstand; -Wohnsitz des Darlehnsgebers;

- Sitz des Anleiheemittenten;

- Parteien vereinbaren beziehungsweise verhalten sich durch die Zahlung von laufenden Beiträgen für eine Lebensversicherung in einer Währung.

Ausgehend von dem Gerichtsstand beziehungsweise dem Erfüllungsort einer Leistung werden Bankguthaben von Ausländern bei heimischen Banken grundsätzlich auf die neue heimische Währung umgestellt. Da bei Anleihen der Emittentenstatus eindeutig festliegt, werden ausländische Gläubiger ebenfalls die heimische Währung akzeptieren müssen. Für Verträge aus Lieferung und Leistung hängt die Währungsfrage vom Erfüllungsort und damit vom Übernahmeort der Leistung ab. So würde bei einem Warenexport aus Deutschland an einen griechischen Geschäftspartner bei Anlieferung durch den deutschen Exporteur (cif-Vertrag) das für Griechenland geltende Währungsgesetz maßgeblich sein. Holt der griechische Importeur die Ware hingegen am deutschen Produktionsstandort ab (fob-Vertrag), so würde nach in Deutschland geltendem Währungsgesetz abgerechnet.

Prinzip der engsten Verbindung

Daneben gibt es Verträge, in denen die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben. Grundgedanke ist hier das Prinzip der engsten Verbindung, nach dem dasjenige Recht zur Anwendung kommen soll, mit welchem der Vertrag am engsten verbunden ist. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber folgende konkreten Vorkehrungen getroffen (Art. 4 Rom I-VO; ähnlich Art. 28 EGBGB):8) Art. 4 Abs. 1 Rom I-VO enthält eine Aufzählungslösung für spezifizierte Verträge. Danach richtet sich das anzuwendende Recht:

- bei Kaufverträgen beweglicher Sachen nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verkäufers;

- bei Dienstleistungsverträgen nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Dienstleisters;

- bei Verträgen mit Immobilien (Kauf, Miete/Pacht) nach derem Belegenheitsort.

Andere Verträge unterliegen dem Recht des Staates, in der die Partei mit der charakteristischen Leistungserbringung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 4 Abs. 2 Rom I-VO). Diese kann durch folgende Merkmale gekennzeichnet sein:

- berufsmäßige Erbringung/Niederlassung eines Unternehmens;

- Spezifität einer Leistung (Naturalleistung hat Vorrang vor Geldleistung; spezifische Geldleistung/Wertpapier hat Vorrang vor unspezifischer Geldleistung).9)

Für einen Rechtekauf/Wertpapierkauf wäre danach das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verkäufers, für eine Anleihe das am Sitz des Anleiheemittenten/schuldners und für ein Darlehen das am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Darlehensgebers relevant.10) Sowohl im Fall der Niederlassung eines Unternehmens wie auch im Fall der Anleihe garantiert die Regel eine einheitliche Rechtsanknüpfung, wenn die Vertragspartner aus verschiedenen anderen Ländern kommen. Ergibt sich unter Würdigung der Umstände, dass abweichend von den obigen Regeln eine engere Verbindung zu einem anderen Staat besteht, so gilt dieses Recht (Art. 4 Abs. 3 Rom I-VO).

Liefern weder die Aufzählungslösung noch die charakteristische Leistungserbringung Anhaltspunkte für das anzuwendende Recht, muss das Recht desjenigen Staates mit der engsten Verbindung herangezogen werden. Diese Generalklausel hat die Funktion eines Auffangtatbestandes, der mangels anderer Anknüpfungspunkte den Schwerpunkt des Einzelfalls hinsichtlich seiner stärksten Beziehung zu einer Rechtsordnung hin untersucht. Indizien können der Gerichtsstand, der Abschlussort des Vertrages, die Mitwirkung Dritter (beispielsweise Makler), die gemeinsame Staatsangehörigkeit oder der gemeinsame gewöhnliche Aufenthaltsort sowie der Lageort des Vertragsgegenstandes geben.11)

Neuer Souverän - ein politisch unwahrscheinlicher Fall Wechsel des staatlichen Souveräns (Fall e): Nur der Vollständigkeit halber soll der im Rahmen der Staatsschuldenkrise politisch eher unwahrscheinliche Fall des Wechsels des staatlichen Souveräns betrachtet werden. Hypothetisch könnte ein Militärputsch in Griechenland die alte politische Ordnung stürzen und durch ein Obristen-Regime ersetzen.12) In der Regel ändert der neue Souverän im Zuge der politischen Umwälzungen auch das Währungsstatut. Formal entspricht die Herleitung der Währung des Schuldstatuts den oben stehenden Fallkonstellationen (a-c) beziehungsweise (d). Allerdings wäre dem neuen Rechtsnachfolger mit der Währungsumstellung zugleich die juristische Konstruktion geliefert, mit deren Hilfe er die Bedienung der Altschulden verweigern könnte. So lehnte die Sowjetunion 1918 die Bedienung der zaristischen Staatsschuld ebenso ab, wie nach § 14 UmstG bei der Einführung der Deutschen Mark 1948 die Schulden des Dritten Reiches ausgenommen wurden.

Literatur

Grothe, Helmut (1999), Fremdwährungsverbindlichkeiten - Das Recht der Geldschulden mit Auslandsberührung - Kollisionsrecht - Materielles Recht - Verfahrensrecht, Berlin - New York.

Gruson, Michael (1998), Die Einführung des Euro und DM-Auslandsanleihen - Zugleich ein Beitrag zum deutschen Gesetz zur Umstellung von Schuldverschreibungen - Arbeitspapier 2/1998, http://www.jura.uni-frankfurt.de/ifawz1/baums/Bilder_ und_Daten/Arbeitspapiere/a0298.pdf (Abrufdatum 12. August 2010).

Hahn, Hugo J. u. Häde, Ulrich (2010), Währungsrecht, München, 2. vollständig überarbeitete Aufl. Horn, Norbert (1972), Das Recht der internationalen Anleihen, Frankfurt am Main.

Martiny, Dieter (2010), Rom-I-Verordnung, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 10, 5. Aufl., München.

Nussbaum, Arthur (1925), Das Geld in Theorie und Praxis des deutschen und ausländischen Rechts, Tübingen.

Reinhuber, Nikolaus (1995), Grundbegriffe und internationaler Anwendungsbereich von Währungsrecht, Berlin - New York.

Vischer, Frank (2010), Geld- und Währungsrecht im nationalen und internationalen Kontext, Basel.

Fußnoten

1) Vgl. Gruson (1998), S. 25; Grothe (1999), S. 101ff.; Vischer (2010), S. 180ff.; Hahn u. Häde (2010), S. 11 sowie S. 14f.

2) Vgl. Nussbaum (1925), S. 160-163; Reinhuber (1995), S. 160.

3) Vgl. Grothe (1999), S. 104ff. und S. 111; Reinhuber (1995), S. 161 sowie Mann (1953), S. 644.; Horn (1972), S. 262f. Ähnlich, jedoch weniger eindeutig wird das Verhältnis von Vischer (2010), S.182ff. gesehen.

4) Rechtlich kritisch wird dies von Hahn und Häde (2010), S. 15f. gesehen. Klar auf den Basisanschluss stellen Reinhuber (1995), S. 39ff. und Nussbaum (1925), S.162 ab.

5)Vgl. Grothe (1999), S. 225-228.

6) Siehe Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Vgl. auch Grothe (1999), S. 231-233.

7) Gleichlautende Formulierungen finden sich in Art. 27 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) sowie in Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO. Die Art. 27-37 EGBGB wurden von den Regelungen der Rom I-VO abgelöst und gelten nur für Altverträge bis zum 16. Dezmber 2009. Insofern sind beide Rechtsnormen je nach Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beachten. Beide beinhalten jedoch relativ ähnliche Regelungen.

8)Siehe auch Martiny (2010), S. 499ff.

9) Art. 1 Abs. 2 lit. d Rom I-VO schließt die Anwendung auf Verpflichtungen aus Wertpapieren aus, sodass teilweise auch ein Ausschluss der schuldrechtlichen Beziehungen abgeleitet wird. Anders jedoch Martiny (2010), S. 442-451 und S. 569, der für eine analoge Anwendung plädiert. Insofern wäre Art. 4 Abs. 1 lit. b sowie Abs. 2-4 in gleicher Weise zu folgen.

10) Siehe ausführlich Martiny (2010), S. 563 für den Wertpapierkauf; ebenda, S. 565ff. für Darlehen und ebenda, S. 568ff. für Anleihen.

11) Siehe Martiny (2010), S. 600ff.

12) Ein Souveränitätswechsel fand beispielsweise mit der Auflösung der Rubelzone statt, bei der Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR eine eigene Währung einführten. Vgl. Grothe (1999), S. 224ff. sowie Mann (1953), S. 644f.

Prof. Dr. Dirk Meyer , Institut für Volkswirtschaftslehre , Helmut-Schmidt-Universität
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