Aufsätze

Auswirkungen der neuen Liquiditätsstandards in CRD IV/CRR auf Verbriefungen

Der Markt für Verbriefungen erlebt seit 2007 einen durchgreifenden Wandel. Die Finanzkrise hat das Anlageverhalten von Investoren nachhaltig beeinflusst. Politische Bemühungen zur Vermeidung gleichartiger Krisen in der Zukunft fokussierten sich in den letzten Jahren unter anderem auf Verbriefungen. Für Banken als Investoren und Originatoren von Verbriefungen maßgebliche regulatorische Veränderungen der letzten Jahre sind die bereits zum 1. Januar 2011 ins deutsche Recht umgesetzte CRD II1), die CRD III2) und die am 20. Juli 2011 im Entwurf erstmals veröffentlichte CRD IV3) samt der CRR4), die seither mehrfach angepasst wurden.5)

CRD II insgesamt zu begrüßen

Die CRD II hat zum Ziel, Verbriefungen transparenter zu gestalten, Investoren zu einer verantwortungsbewussten Kreditentscheidung und Überwachung ihrer Anlagen anzuhalten, Originatoren zu einer verantwortungsvollen Kreditvergabepraxis zu verpflichten und den Interessengegensatz zwischen Originator und Investor bei Verbriefungen durch das Erfordernis eines Selbstbehalts des Originators zu überbrücken. Obwohl die Maßnahmen der CRD II einen vor allem für kleinere Investoren erheblichen Mehraufwand darstellen, sind sie insgesamt zu begrüßen. Viele dieser Maßnahmen gehörten ohnehin zur existierenden "best practice". Darüber hinaus leisten sie einen Beitrag, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen oder zu stärken.

CRD IV/CRR werden den Markt für Verbriefungen vor allem aufgrund der neuen aufsichtsrechtlichen Liquiditätsquoten LCR (Liquidity Coverage Ratio) und NSFR (Net Stable Funding Ratio) beeinflussen. Derzeit ist noch offen, ob beziehungsweise inwieweit Verbriefungen bei Banken als hoch liquide Vermögenswerte in die Kalkulation dieser Quoten einfließen werden. Basel III hat verbindliche Liquiditätsstandards ursprünglich nur für international tätige Banken vorgesehen. CRD IV/CRR machen in der Umsetzung keinen Unterschied in Bezug auf die Größe einer Bank. Daher müssen auch kleinere Banken die Liquiditätsstandards einhalten.

Zweck und Ausgestaltung des LCR und des NSFR

Bei den Liquiditätskennzahlen handelt es sich zum einen um den kurzfristigen Liquiditätspuffer LCR für 30 Tage. Hoch liquide Vermögenswerte wie Staatsanleihen oder Bargeld müssen in höherem Umfang vorhanden sein als der potenzielle Nettoabfluss von Zahlungsmitteln in einem akuten Stressszenario der Bank. Dagegen handelt es sich bei der strukturellen Liquiditätsquote NSFR um einen mittelfristigen Liquiditätsstandard von einem Jahr, nach dem ausreichend sichere langfristige Refinanzierungsmöglichkeiten bestehen müssen. Für die CRD IV/CRR war bis zum Frühjahr dieses Jahres von einem Inkrafttreten zum 1. Januar 2013 ausgegangen worden. Verzögerungen in der Beschlussfassung auf europäischer Ebene könnten allerdings zu einer Verschiebung führen. Für LCR und NSFR bestehen gemäß den bisherigen Entwürfen lange Übergangszeiträume, in denen es zunächst nur Meldepflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden gibt. Der LCR wird derzeit ab 1. Januar 2015 verbindlich, für den NSFR besteht bis 1. Januar 2018 lediglich die Verpflichtung, die jeweils zur Refinanzierung erhaltenen und benötigten Beträge zu melden. Der NSFR ist demnach in der CRR auch nur im Ansatz ausgestaltet; es bestehen insbesondere noch keine verbindlichen Ausführungen zur Berechnung der Quote oder welche Refinanzierungsmittel in die Berechnung einfließen.6)

Hintergrund für beide Liquiditätskennzahlen ist es, die kurz- und mittelfristige Zahlungsfähigkeit von Banken zu stärken und, in Bezug vor allem auf den NSFR, die Abhängigkeit der Banken von Liquidität aus dem Interbankenmarkt zu reduzieren. Durch den 30-Tage-Liquiditätspuffer des LCR sollen Banken sowie den Aufsichtsbehörden in Zukunft in Stresssituationen trotz Liquiditätsengpässen genügend Zeit gegeben werden, kritische Entscheidungen in einem vernünftigen Zeitrahmen zu treffen.

Hoch liquide Vermögensgegenstände im Sinne des LCR

Die CRR hat vor allem durch die Ausgestaltung des LCR auf Verbriefungen Auswirkungen. Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hat 2011 im Rahmen von Basel III7) Asset Backed Securities (ABS) gleich welchen Ratings ausdrücklich von den hoch liquiden Vermögenswerten des LCR ausgenommen. Dadurch werden hochwertige ABS-Papiere als Anlageinstrumente für Banken unattraktiv. Dagegen sind nach den Basel-III-Kriterien und der CRR Staatsanleihen von EU-Mitgliedstaaten beziehungsweise von EU-Mitgliedstaaten garantierte Papiere in voller Höhe als hoch liquide Vermögenswerte nach dem LCR anrechenbar.

Angesichts der Veränderungen aufgrund der europäischen Staatsschuldenkrise seit der Verabschiedung von Basel III und des ersten CRD-IV/CRR-Entwurfs wurde die CRR unter der dänischen Ratspräsidentschaft angepasst. In Art. 404 Abs. 1 (b) heißt es nunmehr, Finanzinstitute sollten andere übertragbare Vermögensgegenstände mit äußerst hoher Liquidität und von äußerst hoher Qualität ("other transferable assets that are of extremely high liquidity and credit quality") ebenfalls als hoch liquide Vermögenswerte in die LCR-Meldungen einbeziehen. Die Ausgestaltung von Art. 404 Abs. 1 (b) ist der EBA überlassen, der eine Frist bis zum 30. Juni 2013 gesetzt wurde. Ein erster Entwurf wird für frühestens Ende dieses Jahres erwartet. In Art. 481 wird die EBA aufgefordert, hoch qualitative Vermögenswerte im Hinblick auf Art. 404 zu überprüfen. Exemplarisch aufgezählt als mögliche hoch liquide Vermögensgegenstände werden RMBS (Residential Mortgage Backed Securities) mit hoher Kreditqualität beziehungsweise hoher Liquidität sowie Aktien oder Gold. In der CRR wird die EBA verpflichtet, eine Reihe von Kriterien hierzu zu überprüfen, darunter derzeitiger Mindesthandelsumsatz, Preisstabilität in der Vergangenheit, durchschnittliches Handelsvolumen, Bid/Ask-Spreads oder Transparenz bei der Preisbildung.8)

Die Erweiterung des Katalogs der in den Anwendungsbereich von Art. 404 fallenden hoch liquiden Vermögenswerte ist zu begrüßen. Wendet man einen entsprechend langen Beobachtungszeitraum an, so kann festgestellt werden, dass jede Vermögensklasse zu einem gewissen Zeitpunkt von einer Krise in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die aktuelle europäische Staatsschuldenkrise ist nicht die erste Staatsschuldenkrise, verdeutlicht aber, dass Staatsanleihen keineswegs immer eine sichere Anlage sind. Es ist daher nicht zielführend, den Katalog hoch liquider Vermögenswerte zu sehr einzuschränken und alleine an den Erfahrungen der aktuellen Finanzkrise auszurichten. Zielführender ist es vielmehr, den Banken eine breite Risikostreuung und eine aktive Überwachung der getätigten Investments aufzugeben. Dadurch werden auch ungewünschte Arbitrageeffekte, die zu Blasenbildungen führen können, eingeschränkt.

Deutscher Verbriefungsstandard und Prime Collateralised Securities (PCS)

Aufgrund des Katalogs der Kriterien und der beispielhaften Aufzählung möglicher Instrumente, die als hoch liquide eingestuft werden könnten, hat die EBA die Möglichkeit, über RMBS hinaus auch andere Verbriefungsprodukte in den LCR einzubeziehen. Dies wäre vor allem für den deutschen Verbriefungsmarkt, auf dem RMBS eine geringe Rolle spielen, wünschenswert. Viele Verbriefungsprodukte weisen trotz Finanzkrise niedrige Ausfallraten aus. Emissionen, vor allem die der deutschen Autobanken, konnten auch während der Finanzkrise erfolgreich platziert werden. Schließlich sind Verbriefungen, gerade auch durch die Anforderungen der CRD II, sehr transparente Finanzprodukte. Insofern wäre es gerechtfertigt, Verbriefungsprodukte, auch über RMBS hinaus, in den Katalog hoch liquider Vermögenswerte aufzunehmen.

Freilich ist es notwendig, Abgrenzungskriterien zu schaffen. Nur hoch qualitative, transparente und dem Zweck des LCR entsprechende Verbriefungsprodukte sollten in den Katalog hoch liquider Vermögenswerte aufgenommen werden. Hier kann man auf die Zertifizierung durch die TSI und den deutschen Verbriefungsstandard zurückgreifen, wonach detaillierte Vorgaben für Transparenz, Offenlegung, Kreditvergabe und Kreditbearbeitung gelten. Auch die von der Association of Financial Markets in Europe (AFME) und dem European Financial Services Roundtable (EFR) vorgeschlagene neue Kategorisierung von Prime Collateralised Securities (PCS) könnten hierbei Beachtung finden.9)

Falls ABS von der EBA in den LCR einbezogen werden, würden sie Teil der Level-2-Assets zur Erfüllung des LCR-Puffers sein. Nach Basel III und der CRR müssen 60 Prozent der hoch liquiden Vermögenswerte (Level-1-Assets) aus Bargeld, Zentralbankreserven und Anlagen in Staatsanleihen oder andere von Staaten garantierten in Stresssituationen zur Verfügung stehenden Forderungen bestehen. Zu den Level-2-Assets, welche bis zu 40 Prozent des LCR-Puffers ausmachen können, zählen bisher insbesondere hoch liquide Pfandbriefe und Unternehmensanleihen. Level-2-Assets werden zu 85 Prozent ihrer Marktwerte (15 Prozent haircut) beim LCR-Puffer berücksichtigt.

Die CRR wird auch Auswirkungen auf Asset Backed Commercial Paper Conduit Programme haben, über die Handels- und Leasingforderungen finanziert werden. Demnach sind Liquiditätslinien, die der Zweckgesellschaft zur Verfügung gestellt werden, in Höhe der Differenz zwischen der zugesagten Darlehenslinie und den angekauften Forderungen in Höhe von zehn Prozent als Liquiditätsabfluss zu berücksichtigen.10)

Darüber hinaus ist die Behandlung von Liquiditätslinien aber nicht eindeutig. Nachvollziehbar wäre es, den Betrag, der den angekauften Forderungen entspricht, ebenfalls zu zehn Prozent als Liquiditätsabfluss zu berücksichtigen. Damit wäre der zugesagte Höchstbetrag insgesamt mit zehn Prozent als Liquiditätsabfluss in die Berechnung einzubeziehen. Dem potenziellen Liquiditätsabfluss aus der Liquiditätslinie steht der potenzielle Mittelzufluss aus den angekauften Forderungen gegenüber. Die Anwendung des Multiplikators von zehn Prozent auf den gesamten zugesagten Höchstbetrag der Liquiditätslinie ist damit gerechtfertigt. Zu befürchten ist jedoch, dass der zugesagte Höchstbetrag insgesamt mit 100 Prozent und zusätzlich die Differenz zwischen dem zugesagten Höchstbetrag und den angekauften Forderungen zu zehn Prozent als Liquiditätsabfluss zu berücksichtigen sein werden.

Investitionen in Verbriefungen und der NSFR

Der längerfristige NSFR ist in der CRR hinsichtlich der Berechnungsmethoden und den notwendigen Kennzahlen noch nicht vollständig konkretisiert. In Art. 414 f. der CRR sind bisher lediglich Meldepflichten zu den einzelnen NSFR-Komponenten vorgesehen. Nach Basel III werden zwar Unternehmensanleihen mit Ratings von AA oder besser und Staatsanleihen nur zu sehr geringen Anteilen in die nach dem NSFR erforderlichen Refinanzierungsmittel einbezogen. Gerade für hoch qualitative Verbriefungen bestehen dagegen keine vorteilhaften Sonderregeln. Sie werden - zumindest nach Basel III - zu 100 Prozent mit stabilen, langfristigen Finanzierungen unterlegt werden müssen.

Konsequenz für Banken

Banken sind wichtige Investoren im Verbriefungsmarkt. Regulatorische Veränderungen haben einen starken Einfluss auf Marktvolumen und damit auch auf die Ausgestaltung der Kapitalisierungsmaßnahmen des Finanzsektors. Die von der EBA festzusetzenden technischen Standards für den LCR werden wesentliche Auswirkungen auf den Bankensektor haben.

Vor Beginn des Jahres 2013 ist allerdings keine Klarheit über die Behandlung von Verbriefungen im Zusammenhang mit der Berechnung des LCR zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, wie spezifisch die EBA in ihrer Ausgestaltung zum LCR ist. Begrüßenswert wäre ein weitreichender und marktnah definierter Katalog von in den LCR einzubeziehender Vermögenswerte. Auch nach Klarheit darüber, ob ABS mit bestimmten Qualitätsmerkmalen in den LCR-Puffer einbezogen werden können, bleibt unklar, ob Banken verstärkt in Verbriefungen investieren werden, insbesondere auch aufgrund der voraussichtlich nachteiligen Behandlung im NSFR.

Fußnoten

1) Richtlinie 2009/111/EG zur Änderung der Richtlinien (Bankenrichtlinien) 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG vom 7. Dezember 2009.

2) Richtlinie 2010/76/EU zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Wiederverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik vom 24. November 2010.

3) Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG, KOM (2011) 453.

4) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, KOM (2011) 452.

5) Zuletzt hat der Europäische Rat einen Entwurf am 21. Mai 2012 veröffentlicht.

6) Pressemeldungen nach Treffen von Vertretern der Europäischen Kommission, Europäischem Parlament und dem Europäischen Rat am 11. bis 12. Juli 2012 berichteten von möglichen Änderungen der CRR dahingehend, dass eine genauere Ausgestaltung sowohl des LCR als auch des NSFR bereits in der CRR Eingang finden soll. Die nächsten Gespräche werden im September (nach Redaktionsschluss für diesen Artikel) stattfinden.

7) Basel Committee on Banking Supervision (2011): The Join Forum, Report on asset securitisation incentives, Basel July 2011.

8) Ferner bestimmt Ziffer 75 der Präambel zur CRR, dass die EBA die Auslegung des LCR soweit möglich anhand der Richtlinien zum LCR des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht ausrichten soll.

9) Vgl. Press Release AFME, Finance Industry launches "PCS" Securitisation Label to revitalize market, 12 June 2012. Andrea Enria, Chairman der EBA, hat die Bemühungen um den PCS Standard für Verbriefungen begrüßt. Siehe auch Mark Pengelly, Reviving securitisation: regulators send mixed message, Risk magazine, 1 June 2012.

10) Vgl. Article 412 (3a) CRR: "The committed amount of a liquidity facility that has been provided to an SSPE for the purpose of enabling such SSPE to purchase assets other than securities from clients that are not financial customers shall be multiplied by 10 per cent to the extent that it exceeds the amount of assets currently purchased from clients and where the maximum amount that can be drawn is contractually limited to the amount of assets currently purchased."

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