Gespräch des Tages

Bankenaufsicht - Gereizt und misstrauisch

Menschen mögen es nicht sonderlich gerne, wenn ihnen etwas weggenommen wird. Dieses Verhaltensmuster lässt sich nicht nur bei Kleinkindern wahrnehmen, denen ihr Spielzeug streitig gemacht wird, sondern es findet sich in vielen Facetten und mit abgestuftem Beleidigungsgrad auch im Umfeld der Erwachsenen. Ob im privaten und/oder geschäftlichen Leben, in aller Regel wird nicht teilnahmslos hingenommen, dass ohne klare Ansage und Erläuterungen liebgewonnene Besitzstände in Frage gestellt werden, Kompetenzen verloren gehen und Privilegien gestrichen werden. Oft rufen solche Dinge mehr oder weniger emotionale Gegenreaktionen hervor. Genau diesen Grundtenor eines gereizten, beleidigten und überaus misstrauischen Aufsehers lässt Jochen Sanio im Anfang Juni 2011 erschienenen Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht anklingen. Dessen Vorwort spiegelt jedenfalls die tiefe Enttäuschung des BaFin-Präsidenten über das gelebte Selbstverständnis der weltweiten Regulatoren wider, deren Verhaltensmuster er allem Eindruck nach mehr in der zähen Verteidigung nationaler Interessen sieht als in einer Stabilisierung des internationalen Finanzgefüges.

Besonders hart fällt sein Urteil gegenüber der europäischen Bankenaufsicht EBA aus. Der European Banking Authorithy und ihrem gerade laufenden zweiten Stresstest "ohne jede gesetzliche Zuständigkeit" und unter Missachtung der "geltenden Rechtslage" ein "Aushebeln des künftigen Baseler Eigenkapitalstandards" vorzuwerfen, ist für den Chef der Bankenaufsicht eines der großen Mitgliedsländer zweifellos eine sehr massive Kritik. Doch von der Sache her passt sie dieser Tage exakt ins Bild. Denn schon einige Tage früher hatte es unter dem gemeinsamen Schirm des Zentralen Kreditausschusses einen Aufschrei des gesamten deutschen Kreditgewerbes gegen den Dilettantismus und die handwerkliche Schlamperei beim Stresstest gegeben. Insofern relativieren sich auch die vermeintlichen Anfeindungen des BaFin-Präsidenten. Jochen Sanio spielt zum Ende seiner Amtszeit nicht blindwütig die beleidigte Leberwurst wegen Kompetenzbeschneidung seiner Behörde. Sondern letztlich verdeutlicht seine drastische Attacke gegen die EBA exemplarisch einen allgemeinen Paradigmenwechsel in der Europäischen Union - in der Finanzaufsicht ebenso wie in vielen anderen Politikbereichen.

Bis in Detailfragen hinein, gehen die Kompetenzen immer weiter nach Europa über, ohne dies in der politischen Kommunikation mit der Bevölkerung in den europäischen Staaten angemessen zu begleiten. So ist es im Ringen um den Einsatz von Verordnungen oder Richtlinien bei der Umsetzung von Basel III deutlich geworden (Kreditwesen 11-2011), und so zeigt es sich gerade am Instrument des sogenannten Europäischen Semesters, mit dem die EU-Kommission durch mehr oder weniger konkrete haushalts- und wirtschaftspolitische Empfehlungen an die Nationalstaaten die wirtschaftspolitische Koordinierung voranzutreiben sucht. Wenn der Erhalt der Europäischen Währungsunion faktisch längst auf die Konvergenz der finanz- und wirtschaftspolitischen Ausrichtung hinauslaufen muss, um immer größere wirtschaftliche Spannungen zu vermeiden, dann sollte man die Bevölkerung endlich auch offensiv darauf einstimmen.

Dass die Konsequenzen der Eurozone in der deutschen Öffentlichkeit nicht klarer wahrgenommen werden, ist jedenfalls nicht zuletzt ein Defizit der nationalen Politik. Die fehlende Klarheit über den politischen Weg Europas hat kürzlich Jean-Claude Trichet anlässlich der Verleihung des Karlspreises zu seiner freundlich vorgetragenen Vision von einem europäischen Finanzministerium veranlasst. Sie spiegelt sich aber ebenso in den enormen Spannungen zwischen nationalen und europäischen Institutionen wider, wie sie in der harschen Kritik des aktuellen Jahresberichtes der BaFin zum Ausdruck kommt.

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